Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 20, 1897, Sonntags-Blatt., Image 16

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    Im sinken-mirs des Philipp
Sanetampten
«Mt Isw H m- Gemin Pse- D Pius co.
Mer lieber Herr Rennkttonäri
Dies is das letzte
·’.mo1, daß ich die
Zszsz wag mei
ZAlte ps, un Zone
!fchreiwe kosse.
Sell biet jo doch
einiges, wann e
, F r a u so gege
z jhmejgneMann,
weidoch sower
wsw vgpr - -- -..
« in die Zittie
WIWIW W
-—·—-· c "C-UU UUU Ilc Ps,
schimpfe duht. Jetzt hot se sich hinnet
de Dacktee gemacht un der hot mich
- tikte Order gewwe, noch nit zu
chreiwe, hitahs ich deht sonst die ganze
Kur spxulr. Well, eene Woch will ich
dann noch emol warte, awwer dann
seht-Z los un dann will ich Jhne emal
, M ekaunt von die Lizzie ttiere Wein
Einschenke Heut müsse Se sich unnet
die Zirkumstenzes noch emal mitaus
mich zufridde stelle, womit ich ver
bleiwe Jhne Ihr liewet
Philipp Sauerampfer.
Die-wes RedacktionäkrchenE
Jch könnt vor Freud e halwes Du
YTU send Sommersetz schlage, daß Mein
Hoßband, der Mister Saueramissen
» such nit sei Händ juhse kann. So hen
ib doch noch emal e Tschths- ihm eins
Cuszuwische Wisse, ich sin ja auch
mit mei Zung bei die Hand, wie der
Bettelmann mit die Laus, wie mer in
bit alte Kontrie sage dhut, awwer der
Trobbel is, der Phil, wo sonst so en
gutmiethiger Esel is, der kann orfel
Fraß werde, wann er mähd is. Sehn
Se. dann hallet ich und off Kohrs,
dann hallert e r auch un dann is en
Radau in das Haus, das-, die Nehbetsch
denke, mir dehte Nuhjierstag Nacht
Iellebrehte Awwer, wann ich schreiwe,
dann gibts wenigstens kei Neus. Sehn
Se, der Philipp is jo nit so bät-,
- thtahl, awwer Bäckbohn, den hot er
Vit. Am Liebste gleicht er-so een Dag,
wie de Annere erum zu duhsele, bein
·Wedesweiler zu gehn, Bierche zu drinte
Im dann heim zu gehn un zu schlohse.
IWisse Se, er is, was met uss gut
Ideitsch en Schlohpok nenne duht. Bei
Solle, wann ich en Mann wär, wei, ich
« wollt ebbes disserentes aus mich mache.
Es ist gut genug, der Philipp hot das
Pulwer nit erfunne, un es is ja auch
sgar nit nöthig gewese, sell hot schon en
scnnerer getäckelt. awwet ich sin schuhr,
»O hot noch plentie Leit, wo noch dum
mer sin, wie er. Es wär mei größtes
Plescher, wann er emol e popplick Assis
kriege könnt. Es is doch atig schön,
wann mer sa e kann, mein Hoszbend is
Zahl impleud. Wei, der
Philipp könnt grad so gut Mayor von -
die Zi..".e sein, wie einiger annerer
Schofskopp. Jch hen teen Dant, daß
Halle Saluhnkiepersch sor ihn wohte
behie, awwer wie ich schon rimahett
« den« et hot kei Bäckbohn. Jch denke
en Mann wo so gut gerohstet is, wie
der Phil könnt iesig uff de Stump
hn un Spietsches mache. Wann
der Phil wär, ich deht sor Senneter
konne. Jch deht die Wohtersch einiges
prammisse Ich deht en sage: »Fel
let Zittisens« deht ich sage, »wann Jhr
wich elekte duht, dann kriegt Jht gute
Zeite, plentie zu s chaffe, guteWehtschekik,
lattse Geld, kee Täckses un das all. i
Die deterieis gehn Uff, wie en Hefe- I
llös, alle Schäpps müsse gerehst wär’n, ;
bitahs es rxerd nit mehr Ruhm genug
drin sein, Eier Wethsches mißt Ihr
am Zahldag mit en Etspreßirage heim
I kahrte. Jhr werd all Eier Hohm ei
gene, Detts gibts nit mehr, un in e
paar Jiihrcher odder so, dann habt
F Ihr soviel Geld gemacht, daß Jhr an
! Eier Jnntresse lewe könnt. Sehn Se,
E« den Weg dehi ich spreche un ich bette
i Jhne einiges, die ganze Kraut deht for
; mich wohte, bikahs es bot immer noch
plentie Dumme, wo einiges glauwe,
k, was mer zu se sage duht. Wann ich
f dann in mei Afsis wär, dann deht ich
s en Dreck drum gewwe, ob mei Brom
? wisse rielleise duhn odder nit. Dann
E deht ich einfach sage: »Well, do kann
I- mer nit helfe,« deht ich sage, ,,so«r die
schlechte Geschäfte do is nicks wie die
T harte Zeit for zu blehme, awwer gebt
E. nor die Hoffnung nit uff, betahs die
Praßperriteh die muß doch endlich
emal komme un einiger Bißneßmann
hot schon en Totsch derfon gesiehlt.«
Dann wäre alle Leii sattisseid un dehie
Duerah sor Sauerampser« hallere.
Jch weiß nit, ob in so e Afsis ebbes zu
mache is, awtoer ich hen schon gehört,
daß mer schon das größte Rindoieh
sein muß, wann mer in so en Schapp
nickt mache dhut, Well, un so dumm
is der Philipp doch enihau nit un an
Iest is er auch wann er’sch helfe kann.
Wes. was is die· Juhs, zu tahte, der
Phil is nii zu bewege, daß er emal
sißnes meint. Jes, er is ja schon e
rast mal geronnt, awwer noch nie nit
or ebbes ecksimes. Un die Pallitiks,
heiizndag doch noch das einzige Biß
jcs, wo ebbessdtin is. Manchmal hen
ich met Muts, was mit den Phil de
Miittet is. Jedes macht en Fuhl aus
Ihn un blos wann er heim is, dann hot
et sein Mund an die rechte Spatt.
Man er die Kids wippe un mich
Wohll- kann, dann is et en ganzer
Am, answer for een Ding sin ich
- froh, mich kann er doch nit biete.
Ums, was hen ich’s dem schon
«ML Do hätt einig-er anneret
trit» sor e Diwohrs gesuht,
M der l, der geht dann einfach
. - km Wedesmiler In drintt Biecche
Zo« no, so en Man-ei Es is blos gut,
Me- cls- II get-singe whi, was er
« j»«.ss—s je s, an »in-ich hat. Wisse
· « sen-se « ganze Gäng, wo et
O -
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r Istv
mit verkehrt un schon ost hen ich ihm
e Warning gewwe. Awwer nor sehr
seldom hört er usf mich. Nicks wie
fuhlische Sache hot er im Rapp. Er
weiß gut genug, warum ich nit gleiche,
wann er so oft in en Saluhn geht, weil
er fast immer mit enDust heim kommt.
Er weiß auch gut genug, warum ich
mich iei heierd Medche nemme un das
all. Well, ich will Jhne doch noch emal
verschle, was se nit lang zerick widder
for en Trick an ihn gespielt hen. For
die ganze Zeit, wo er die Jnscherie an
sei Händ hot, do is er mit den Wedesp
weiler alle Dag fort, en Wahi zu new
me. Jch hen nicks dergege gesagt,
awwer dieselwe Zeit hen ich doch e we
nig gewatscht. Bei un bei hen ich
ausgefunne, daß der Wedesweiler nor
bis an die Korner mit ihm gange is
un von do an is der Phil allein gange.
Jch hen den Karlie gesagt, er soll emol
sein Pa nachgehn. Der Karlie hoi
mich riportet, daß der Pa mit noch e
paar annere Fellersch in e Bruerie
jammert. Sehn Se, sell gleich ich
ganz un gar nit. Wann en Mann
schon so weit komme is, daß er nit
mehr sein Dorscht in en Saluhn lösche
kann. dann is er weit komme. Jch
hen auch mit ihm driwwer gesproche.
Er hot dineid, daß er von wege das
Bier in die Bruerie gehe deht, er wollt
nor mit de Fellersch Bißneö duhn. Jch
hen ihn gewarnt, awwer er is widder
hingange. Ein Mittag nach das Din
ner, do is er widder losgeschowr. Es
bot geregnet wie alles, awwer do hot
er nicks drum gewwe. Er hot sein
Umbeella mit genomme un hot en vor
die Dohr von die Bkuerie stehe gelasse,
weil er sohiin wett war. Jnseit do
hvt er ganz schnell en große Dust ge
habt, un es war noch nit halb nach drei
Uhr do hot er for heim gestatt. Wie
er sein Umbrelle hot täckele gewollt, do
war der- so schwer, daß er ’n bardlie
lifte konnt. Er hot en awwer doch in
die Höch gebracht awwer in denselwe
Mohment wo er den Umbrrlle uffge-:
macht hot, do is ebbes bassirt: Brocke
dick un dinn, sin ihm uss de Kon un
uff sei Suhi gefalle un er hot in e
Minnitt geguckt, wie e Pick. Denke
Se emol, do hot ihm einer sein ganze
Umhrelle voll Biehn-Suhp geschiitt ge
habt, un den Sioss hot er mich all mit
heim gebrachi. Hunnerte von Kids
sin hinnig ihm drein gelaufe un hen
ihn ausgelacht. Jch hen mich geschehrnt
wie alles. Die Saht is gespeult for
immer-. Ich deute es war auch noch
Tahr odder Maschien Eul in die
Sirt-n Seitdem is er nit mehr in die
Bruerie. Gelt, dovon hot er Jhnc
nicks verzäblts Jhne Jhr gute
Missus Lizzie Sauerampser.
Wurst und Durst.
Nach »gel)rannten·i Feuerwein« dür
zten die Gelehrten der in S. Paolo in
Trasilien erscheinenden ,,Gerrnania«,
nachdem sie sich an einer »Recensions:
warst« gütlich gethan. Das Blatt
schreibt nämlich: »Wir sind zwar et
was wurschtig veranlagt, aber die Re
censions - Exemplare der uns aus der
neugegründeten Wurst - Fabrik des
Herrn Adolf Steiner zugegangenen
diversen Wurstsorten haben selbst un
sere Wurschtigleit besiegt. Und das
will viel sagen. Das nennt man
Wurst! Arn liebsten hätten wir dieser
erhabenen Schöpfung poetisch gehal
digt, aber der Platz reicht leider nicht
aus. Wollten wir beispielsweise die
Leberwurst besingen, so würden Paß
sojof, Salami etc. ungerechtfertigter
Weise zurückgesetzt. Wir wollen des
halb all unsere erhebenden Empfin
dungen in dem einen verllärenden
Satz zum Ausdruck bringen: »Ja, das
war Wurst!« — Unseren Lesern aber
rufen wir zu: Jn Rom gewesen zu sein
und den Papst nicht gesehen zu haben,
ist noch lange nicht so schlimm, als in
Z. Paolo teine Wurst von AdolsStei
net genossen zu haben. Seien uns
hier anschließend noch einige Wörtlein
gestattet: »
Wie bekannt ist, macht ja Wurscht,
Da gesalzen, immer Durscht.
Durscht jedoch, wie auch bekannt,
Wird durch Trinken nur gebannt.
Auch lehrt ja die Sanitäts,
Nimm ’nen Schnur-»O aus Fettes stets.
Leider sind nun quel tekkexuty
Alle unsere Fläschchen leer.
Außerdem, welch’ heer Malheur,
Kein dir-beim für Liqueur.
Darum, Freunde, ’s kann nicht
nähen,
I Kommt, uns «geistig« unterstützen,
L
l
Sein-et ausgk Fraschchm eiu s
Vorn get-rannten Feuern-ein.
Datum hütet, mil pas-don,
Unsre durscht’ge Redaktion.
i
Vom ftiwåbischen Sees-erweis.
Ein württembetgiicher Premiet war
nach Berlin commandirt und ließ sich
im Lisiziertafino einem preußischen
scharf lateinsprechenden Lieuienant ge
genüber zu dem schwäbifchen Ein-erla
tiv hinkeißem »Aber hör-et Se an, Herr
Kamerad, des iicht anml saumiißig
verloge«. Der Preuße fuhr auf und
schrie nach Genugthuung, der wackere
Schwabe aber lächelte gewinnt-nd und
sagte: »Ha, dciö dnfet Sie net für übe-.
nehmen, wenn mir sagen ,,saumüf;ig
verloge«, na ischt des grad, wie wenn
Sie sagen »Nicht unglaubiich«.
fff
—- Katheberbliiihe. Pto
sessou »Meine herren, mit der Erfin
dung der X-Sttahxen ist es wieder b
demend heller geworden in den Werks
der Raturfocichet.«
Meer dummer Streits.
sen crust Traute-.
Seine Mutter behauptete. das Kin
dermadchen hätte ihn fallen lassen, als
er kaum ein halbes Jahr alt war nnd
so krank wurde. Der Doktor dagegen
schwor bei Secirmesser und Zange, es
sei die englische Krankheit gewesen,
und hierüber zantten sich nun der
graue Jünger AeskulaiW und die
stattliche Frau Rittergutsbesiherholms
schon seit fast sechzehn Jahren.
»Das reden Sie mir nicht ein, mein
lieber Medicinalrath«, schloß sie je
desmal die Debatte; »ich habe sechs
gesunde Kinder, die immer nur an zu
kurzen Höschen und Kleidchen gelitten
haben, und gerade dieses eine sollte —
ach, gehen Sie mit Jhrer englischen
Krankheit! Meinen Seligen haben
Sie doch auch gekannt, und dann se
hen Sie mich an —- unmöglich!« Und
dabei kreuzte die stattliche Dame beide
Arme iiber der stramm sitzenden
Taille ihres Seidentleides und der lie
benswürdige Doktor machte der Mut
ter von sechs gesunden Kindern »ein
Compliment und betam eine zweite
Tasse Kaffer.
Joachim hatte, in seinem Rollstuhl
sitzend, diese Debatten oft mit ange
hört und sich gewundert, daß seine
Mutter und der Doktor immer wieder
dasselbe sagten.
Eigentlich hätten sich beide schämen
sollen; der Arzt, weil er die englische
Krankheit nicht kuriren konnte, und die
Mutter, weil sie den kleinen Joachim
unzuoerlässigen Dienstboten anver
traute.
Schließlich war es doch ganz gleich
giltig, ob ein Kindermädchen oder eine
säinderkrantheit daran schuld waren,
daß er sich nur mit Hilfe einer Krücke
bewegen konnte, den größten Theil sei
nes Lebens im Rollstnhl saß und im
mer wieder Jndianergeschichten und
Seeabenterrer lesen mußte, in denen
nur banmstarte gesunde, fixe Jun
gens vortamen nnd deren tolle Strei
che und ungeheuerlichen Fährnisse er
alle in der Phantasie mit durchlebtr.
Dann fühlte er sich nicht mehr als
Joachim Holmä, neben sich eine
Krücke. sondern als der Denn-ann
häuptling Untaä oder als Bod, den
Schiffsjungem der im heulenden
Sturm allein oben ans einer Braut
ftange Aus-girrt hielt
Die ganze Familie war znm Som
mer einmal wieder zusammen gekom
men und das Holmstörer Gutshaus
ballte wider vom Singen, Lachen,
Kreischen und Tanzen der sechs gesun
den jungen Holms nebst zugeladenen
Freunden und Freundinnen.
es- tcst t- --— .- «——.-I-L
Selbsi die Nächte waren unruhig,
denn wenn alle andern sich schon aufs
die Seite gedreht hatte. ans der sie ge- «
wohnt waren einzuschlasen. führten »
Kurt, derCadett, und Franz. der Stu
dent, noch Gesechte mit Wasserkannen,
Stiefeln nnd Haarbürsten, manchmal
flogen sogar ein Paar Hosen durch die
Luft. Joachim lag dann still lachend
in seinem Bett und verfolgte das Duell
mit großer Spannung ; er unterschied
ganz genan, ob ein Wasserguß direct
aus die Dielen platschte, oder erst aus
einem menschlichen Rücken Station ge
macht hatte, und schwebte dabei in To
desangst, daß ein Warnungsrus der
Mutter dem Treiben ein Ende machen
würde; es war so lustig, wenn man
des Abends im Bette noch etwas erle
ben konnte
Wenn er nur fidele Menschen sah,
nur teine traurigen Mienen, dann war
Joachim ganz zufrieden. Ein jeder
zeigte ihm Liebe und Güte.
Der älteste Bruder, der Marineossi
cier, brachte ihm bei jedem Urlaub
neue Bücher mit, die Schwestern verzo
gen den armen, hilflosen Bruder;
erst seit der Aeltesten Verlobter nun
auch zum Besuch da war, hatte sie we
niger Zeit, mit Joachim Tomino zu
spielen.
Noch hatte keiner den freundlichen
sechzehnjiihrigen Krüppel traurig gese
ben, er schien immer zufrieden, nur die
Mutter glaubte in letzter Zeit beobach
tet zu haben, daß seine großen, blauen
Augen zuweilen vom Baltonsenster
aus mit sehnsüchtigem Drangen über
die weite See hinaus schweiften. Sie
weinte sogar eine Nacht hindurch, als
er der hübschen Cousine Dora vor acht
Tagen eine kleine, selbstgefertigte Fe
derzeichnung schenkte; es war ein klei
nes Stimmun sbild. Eine tritt-welt
ge, zerzaufte iefer auf einer Sand
düne einsam stehend. Vielleicht hatte
sich Joachim nichts dabei gedacht, aber
seine Mutter weinte darüber viele
Stunden.
Die Stille im Hause heute Nachmit
tag tam ihm ganz eigenthiimlich vor.
Er hatte sich in seinem Stuhl aus die
Veranda schieben lassen. Eine leichte
Brise tanzte über die sonnenglitzernden
Wellen und trug den frischen, her
ben Salzgeruch der Nordsee zu ihm
herein. Er mochte nicht lesen, nicht
einmal in der Nordpolexpebition von
Nonsen.
Zum ersten Mal dachte er dann, wie
gern er heute mit der fidelen jungen
Gesellschaft nach der Jnsel hinüberge
; segelt wäre.
« Die Mutter war schon am Morgen
in die Stadt gefahren und das zurück
gebliebene junge Voll überbot einander
im Uebermuth. Der herr Lieutenant
zur See beanspruchte den Vorsitz bei
der Tafel und jeder, der nicht rnit
lachte, wenn ein Wiß gemacht wurde,
mußte ur Strafe sein Glas anstrins
ten. t Joachim hatte ei teinc
Roth; der gute Junge lachte so viel.
W
das sein Roclstuhl tr» Laufen gekom
men war.
Jeder hatte oon dummen Streichen
zu erzählen gewußt, selbst die jungen
Damen, aber die beste Geschichte war
doch die des Studenten. der höchst an
schaulich darstellte, wie er mit anderen
einen schlafenden Nachtwächter mittels
Bindfaden an einer Haueglocke festge
bunden hatte.
Ja, das war ein fideles Mitta essen
gewesen« und nachher wurde ein ienic
auf der Jnsel vorgeschlagen und ehe
zehn Minuten vergingen, Haß die ganze
Gesellschaft mit einigen oollgepaciten
Körben in zwei Booten und flog mit
vollen Segeln dort hinüber, wo man
s von Joachims Plage aus mit bloßem
« Auge die Gebüschgruppen der Jnsel er
kennen konnte.
An Joachim hatte wohl keiner ge
dacht. Nur Cousine Dora fragte, ob
er nicht mittäme und diese eine Frage
gab ihm mehr zu denken, als der ganze
Lederstrumpf.
»Nein, nein. es ist besser, ich bleibe
zu Hauf-. Mutter würde sich doch viel
leicht ängstigen, wenn sie niemanden
hier anträfe, und dann — störe ich
auch wohl. . .«
Das Letztere hatte er ganz leise ge
sagt und er wußte nicht einmal, obs sie
es gehört hatte.
Sie saß nachher mit Bruder Franz
in einem Boot und als dieses schon
weit draußen in der See tanzte,
tonnte er noch ihr wehendes lichtes
Haar im Sonnenglanz schimmern
sehen.
Er war traurig geworden und starr
te so lange auf das flimmernde Was
ser, bis ihm die Augen weh thaten und
zwei Thränen langsam über seine zar
ten Wangen rollten.
Er hatte nie Neid gefühlt, er gönnte
ja allen die gesunden Glieder, wenn er
nur ein Mal hätte solche- dummen
Streiche machen und davon erzählen
können! Vielleicht wiitde ihn dann auch
die Cousme so anblicten wie heute den
iibermiithiaen Studenten bei Tisch, ob
gleich der zwei frische Renommir
schmisse besaß und von den Andern
deswegen ausgelacht wurde.
Jetzt waren jene wohl schon drüben
angelangt und packten die Eßwaaren
aus. Eine Flasche Champagner hatten
sie auch mitgenommen
Diese Stille im Hause, diese länd
liche Sonntags - Nachmittagruhe that
ihm weh. Kein Laut zu hören, nur
aus der Ferne vom Dorfe herüber
klangen Singstimmen von Burschen
und Mädchen. Ein Volt Tauben kam
an der Veranda vorübergesaust und
wirbelte mit blitzenden Schwingen ge
gen die blendende Sonne hinauf. Am
Strande schoß ein Strandläufer auf
stinken Fäßen hin und her.
An anderen Tagen würde sich Joa
chirn darüber gefreut haben, aber heu
te? Warum denn nicht heute?
Dann hörte er ein dumpfes Ge
räusch und aufschauend bemerkte er,
daß Schiffer Martin mit der Jolle zu
rückgetommen war und das Segel her
untergelassen hatte. Der alte Martin
war Joachimå bester Freund. Dieser
Riese pflegte ihn oft an den Strand
hinunterzutragen ins Boot und mit
ihm lange Fahrten zwischen Jnsel und
kiciiste zu machen. Zwar weiter, ins
offene Meer, durften sie nicht hinaus-,
die Mutter hatte es verboten
»He, Martin!« rief er, sich aufrich
t::td.
s«
»Ja, gnä’ Herr.
»Was kommst Du denn schon zu
rücks«
»Min Tochter is ut un il möt nah
Dat Veib tiien. Klock fis sohr it wed
oer heut«
»Es ist wohl eine gute Brise, Mar
tin?·'
; »Ja, dat lann angohn, dat heit, bu
T ten geit an stiesen Wind!«
Und dabei reckte er die breite, braune
Tatze aus, ins ossene Meer hinaus
deutend, und schritt dann mit schweren
Schritten davon, die Ruder der Jolle
auf der Schulter balanzirend
Joachims Blicke hingen an der zier
lichen Jolle, wie sie dort am Anlertau
aus und ad tanzte.
Das wäre doch ein Spaß, wenn er
sich hineinsetzte und ganz allein hin
überfiihret Der Wind iam land
wärts und soviel verstand er zur Noth
auch vom Segeln; er hatte oft das
Steuer geführt, wenn er mit Martin
hinausfahr.
Nein. —- es war doch ein dummer
Gedanke. Die Mutter betäme sicher
einen Schreck und sie hatte ej verbo
ten. Ja verboten!. . . Aber alle die
dummen lustigen Streiche kamen doch
immer daraus hinaus, etwas Verbote
nes zu thun, wobei etwas zu ristiren
wart. . .
Die Jolle tanzte und tanzte. Jhk
dreisarbiger Wimpel flatterte im Win
de. . . Bis die Mutter käme, tonnte er
schon wieder zurück sein. . . Die er
staunten Gestchter, wenn er plötzlich
ganz nahe an der Jnsel vorbeisegelte,
hurrah schrie nnd die Mütze schwenkte!
. . . Dann würde er das leichte Segel
umsehen, und der Gesellschaft aus der
Jnsel vor der Nase aus- und aimen
zeu.
Der älteste Bruders Ra, das Schim
pfeni — Alle würden ihn slehentlich
bitten, an’s Land zu gehen.
« Nun hatte er schon die Ktiiete ge
faßt. Ei ging zwar langsam und
mühsam, aber nach einigen Minuten
war er doch am Boot ankelangn
Allein, endlich ein Ma allem, ohne
Aufsicht Er blickte sich scheu um
Kein Mensch zu sehen, nur die grau
tkate lag in der Sonne auf den Ver
andaiiufem Er litfte die Kette aus
dem Eifenrtng des Anlerpfalfls und
griff zutn Bootslzalen, urn unter vie
lem Stöhnen das Fahrzeug ins tiefere
Wasser zu drücken und das Bugfprit
fegen die See zu wenden.
Das kleine leichte Segel war bald
wißt und mit der Leine in der band
schob er sich an’s Steuer heran. So
nun konnte et losgeheni Er war-warm
geworden nnd Schweißperlen standen
ihm unter den lockigen, rathblonden
haaren.
Ganz langsam und sanft zuerst glitt
das Fahrzeug aus der kleinen Bucht
heraus, dann rascher und rascher, die
kurzen Wellen kletterten bald am mes
ferscharfen Kiel hinauf.
Nun noch einen Druck aufs Steuers«
Wie ein Vogel flog er dahin, voll
vorm Winde, die schwach wogenden
Wellen theilend. scharf auf die Jnsel
zu.
Er hätte schreien mögen vor Lust!
-—— Sie saßen alle im Kreise auf dem
Sande, sie auch, Dara, im himmel
blauen Sommentleide und in der
Mitte standFrauz und schwenkte etwa-I
in der Luft.
Joachim war fo nahe schon, daß er
ihre Gesichter erlennen konnte.
s
»Im-sit Neptun!« rief Franz und
ließ die leere Flasche im weiten Bogen
durch die Luft sausen, daß sie plat
fchend ins Wasser fiel.
,,Prosit!« schrie Joachim, die Miitzc
hoch fchtventend.
Plötzlich stand die ganze Gesellschaf
auf den Füßen. Joachim unterschie:
, ganz genau ihre überraschten Mienen
I und brach in ein Gelächter aus, weii
s der Eadett vor lauter Staunen verges
j fen hatte, den Mund zuzmnachen. Der
s Iceofficier rang an den Strand unt;
H rief durch die hohle Hand:
s »Oui, Joachim, weiß Gott, Menfdj
; bist Du von Sinnen?'«
j ,,Hurralz!« antwortete Joachim nur,
; lene den Kurs zu ändert-. Die erst:
; Isoge der freienNordsee glitt sanft un
.:r dem Kiel auf. ·
i »Segel herunter, Joachim, —- hörs;
! Du?! Nimm die Ruder,,Du kannst it
nicht zurück. Beidrehenil Zum Dan
nerwetter!«
i Der auene Halm vergag ganz m de-.
EFrtegung daß Joachim mit den Rn
dern auch nichts hätte anfangen tön
ncn, selbst wenn sie der alte Martin im
I Boot getassen hätte.
i Joachim lachte still m sich hin Di:
i mochten nur ein Bischen zappeln, dane
iW nollte er schon zur rechten Zait beider
f
»Ja —- a —- chim, Segel herr- —
:1nter!«
Er hörte dies noch, sich nmblickend,
nnd gewahrte, wie sein Bruder in
Las zurückgebliebme Boot sprang
and wie in diesem das Segel auffing.
»Hurrah, — sangt mich!«
Er tlemmte das Steuer zwischen
Linn und Brust und-drückte es noch fe
.;er heran. Was tümmerte es ihn, daß
Die leichte Nußschale jetzt schon wie ein
Fällen die Wogen hinaus und hinab
sprang; daran dachte er gar nicht! Es
kam wie ein Rausch über ihn. . .
Vor sich das Meer und hinter ihm
der Versolger das war eine regel
techte Jagd, genau wie Ali. der Frei-«
beuter vor der englischen Brigg das
Weite suchte.
Für alles Andere ging ihm in der i
Erregung die Beobachtung verloren,
auch siir den immer schärferm Knall
.:Iit dem die Wellen Zug um Zug ge
gen die leichten Planken anfchlugen,
hinauf, hinab, nur zu! hei, das war
eine Fahrt, und das Sprühwasser flog
ihm in glitzernden Schaumflocten über
das heiße, rathe Gesicht.
Zurückspähend gewahrt er das an
dere Boot, es hatte noch keinen Fuß
breit gewonnen denn es war eine
schwere Schifferdarir.
Sollte es genug des Spaßes sein ?———
Stein« noch die nächste Welle hinaus, die
dort antam mit schneeweißem Kamm,
dann wollte er wenden.
Da, als die Woge wie eine schwarz
blaue, enle breite Wand beransuhr,
durchrieselte es ihn talt. Das sah so
unheimlich dunkel aus mit dem tan
zenden weißen Saume darüber, so un
barmherzig und gewaltig, wie eine dro
hende Faust. Vielleicht hatte er sich
doch zu weit hinausgewagt?
Ah, ihm seste der Athem aus, wie
ee in seiner Jolle an der Wasserwond
hinauswirbelte.
Da, schon wieder eine, —- dahinter
noeh mehr, —- Reihe aus Reihe, wie zur
Schlachtordnung geordnete Trupp-en .
Er verliert den Kopf vollständig, nur
im Ohr klingt ihm der Ruf des Bru
ders, als er an der Jnsel vorbeifuhr
Segel herunter!
Gewiß, ja, jeht ist es höchste Zeit, er
läßt die Leine fahren und will zum
Mast rutscheni
Das Segel wirbelt heruml
Als wollte sie aus dem Element flie
gen. so saust die Jalle hinaus dreht
sich- stürzt hinab ———« die nächste
Welle —— —
«hilsel«
»Joachimt« tönt es noch einmal
über das Wasser und dann —- -— tie
«loben tanzt die Jolle von Welle zu
Welle, —- eö sieht ganz leicht und lustig
aus, obgleich der im anderen Boote
glaubt, in dieser Selunde graue Haare
bekommen zu müssen.
»Jo —- a —- chiiim!"
Ja wo ist Joachim? —- —
Du lieber, freundlichen armer
terll Es war dein erster dummer
treich!. . .
Otnie Interesse.
Pariser Slijze von Feiz ksptdp h,
Vor einem der großen Caseö am
Boulevarid des Italiens stand er —
der held meiner Geschichte nämlich.
Zum hundertsten Male bereits nimmt ,
i
et seinen Hut ab, um immer mit dein- .
selben Enthusiasmus auszurufem
»Meine Dame- und Herrenl Die
Industrie wirkt Wunder; Arbeitclohn
giebkz nicht mehr; die Concurvenz
macht, daß wir alle umsonst arbeiten;
früher war eine Uhr ein großer Schatz,
heute trage sogar ich eine bei mir.
Sehen Sie, meine Herren und Damen,
sehen Sie heol Eine Kette, eine Re
monteirnhr, welche man ausziehen
kann, sehe schön gearbeitet, unverwüst
lich, ganz fasnos, um Jhte Kinder,
Jhre Richten, Ihre Neffen oder Ihre
Enteltindet glücklich damit zn machen;
das Alles für? — für-? —- siir dreißig
Centinieå, meine Herren und Damen;
dreißig Eenkimes, sechs Soug!!!«
Ein junger Geck lauft ihm zwei
Uhren as nnd zahlte mit einem Zehn
fmrccsstiick Der Mann läßt sieh von
einem der Kellnee sein Geldstiick wech
seln und fängt daran an, vor dem
nächsten Snfe seinen Resrain mit noch
mäfzerem Eifer zn singen: »Dreißig
Ceniinicg, sechs Sons!«
O I O
,
Zufällig kannte ich ein kleines Stück
seiner Lebensgeschichte
Vor einigen Wochen hatte ich ihn im
Atelier des Bildhauers Not-try, meines «
Freundes, gesehen, dem er fiir Brust
und Arm Modell stand
In den Ateliers hatte man ihm den
Ieinamen »Be! - Ocil" gegeben, weil
er so schöne hellblaue Augen hatte, die
non Geist nnd Lebenslust sprühten und
suntelten.
Einjungcr Maler-Hatte ihn entdeckt
und ihn ein paar Male Modell sitzen
lassen; so war erv allmälig in den
Tlteliers bekannt geworden-. Aber bald
schon begann das ewige »Modellsitzen«
ihn zu langweilen, unt-» sir bat-te der
anternelimende »Be! - Oeilqy angefan
gen, Handel zu treiben· Anfangs mit
selbst sabrizirten Aesschen und Hünd
chen aus Wolle, dann mit Kuchen, Ge
beibiichern und Kirchenbiichern, später
mii Uhren fiir Kinder-, mit Taschen
bleistiften und tausendmal-· anderen
Kleinigkeitem
Währenddessen hatte ersich eine Le
bensgesähttin erwählt, nnd der ge
schickte Kaufmann war-Vater- gewor
den.
Aber Blanche begann zu lriinkelm
nnd mit ihrer Gesundheit entslohen
auch seine Sparpsennige der einfachen,
hoch oben auf dem Montrnartre gele
genen Wohnung.
So ward Claude denn wiederum
»Bei-Seil« und wanderte, wie früher-,
ieden Morgen nach der Plaee Pigalle,
in der Hoffnung, von einem in der
Nähe wohnenden Künstler geholt zu
werden
Ersi am Nachmittage nahm· etdann
seine Lieblingsbeschiiftiguna, den Han-«
del, wieder ani. So hatte er es mög
lich gemacht, seine kranle Frau bei sich
Eelsalten zu können; um keinen Preis
liiite er sie. so lange es nicht unum
aänglich nöthig war, in eines der ihm
so verhaßten Kranienbiiuser gebracht.
« II- .
Aus dem Trotioir war ein Aufruhr
:nlstanden.
Einen Augenblick später sah ich,
wie der ask-nie Claude von zwei Schutz
leuten auf das Polizeirevier gebracht
wurde. Er war todt«enblafz, die
Thriinen standen ihm in den Angen,
und er stammelte nur in einem fort:
»Ich habe das Zehnsrancsstiick selbst
von einem Herrn bekommen; ich hin
unschuldig; meine arme Frau, meine
arene Frau!«
Die Menge indessen schrie nnd
johlte: «Schurte! Falschmünzer! Gan
nett«
Einer der herren eerhite, daß
Claude dem Kellnet ein falsches Zehn
francsstiicl gegeben und gegen gutes
Geld eingewechselt habe..
»Wenn er das absichtlich ethan
hätte, würde er sich doch gewis ans
dem Staube gemacht haben! warf ich
ein, aber leider vergeblich.
Erst drei Tage später wurde der
arme Mann auf Mantiss Veranlas
sung wieder freigelassen.
Tags darauf sprach ich den Bild
dauer·
Er stürmte von der Pvöfeetur direct
in sein armselige-I Dachsiiihchen.
Es war geschl'ossen. .
Seiner Kinder hatte sich eine mit-’
teidiae Nachbarin angenommen.
Seine Frau hatte vor Angst und
Erregung einen heftigen sieberanfall
bekommen; rnan hatte sie«n das Ho
spital »Lari oitiere« transporstirt
Erst nach drei Tagen durfte Claude
sie besuchen. An einen zweiten Trans
port war gar nicht zu denken.
Und doch —- doch hörte ich ihn ge
stern Abend schon wieder rufen
»Dreißig Centirne5, sechs Sonst«
Ein armen Teufel kann sich den
Luxus nicht gestatten. den Muth zu
verlieren. Claude mußte essen; seine
Kinder mußten genährt und gekleidet
werden!
Nonen war naiv genug gewefen, die
in kurzen Worten verfaßte Schilde
rung von Claud« Schicksal einein
Pariser Platte einzusenden. Voller
Jronie hatte man ihm geantwortet:
»Aber) ich bitte Sie, mein herr, -
solche » Geschick-ten passiren hier alle
Tage. Wir würden Sie sehe erne
verpflichten, aber wirklich, die acht
ist gar In anbedeutend.« .