Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 13, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags — Platt.
Vesi«sgkk—s,,Auzeigk-W
J. P. Wiudolph, Herausgehen
Grund Island, Nebr. den 133. August 1897.
No. 6, Jahrgang 18.
Hier-ef- ertte Csetttung
III meinen Erinnerun en, von W. v.
Schierbran .
Jn dem Städtchen Dixon, 40 Mei
len von Ehieago, herrschte große Auf
regung. Seit 2 Tagen und Nächten
wiithete schon der Schneesturm, und
Alles lag begraben unter der glitzern
den, weißen Hülle. Seit Jahren war
tein solches Unwetter zu verzeichnen
gewesen. Es war nicht sehr kalt, und
das Eis im See war, ausgenommen
nahe dem Ufer,.auch nicht sehr dick.
Auf dem Eise selbst lag fast gar tein
Schnee —- der heftige Wind hatte
keinen Schnee auf der Eisdecke gedul
det —- diese war vielmehr glatt und
weiß wie eine Tenne, und die hell
griine Farbe des Eises that dem Auge
weh. Nachmittags drang die Kunde
nach Dixon, daß an White Siding,
einem Wendepuntt der Bahn, ein Zug
verunglückt sei. Derselbe sei in eine
dicke chneebant gerannt, die dort von
I der steilen Böschung herabgeglitten
war, und es seien eine Anzahl der
Passagiere und Bediensteten dabei ge
tödtet und andere verwundet worden ;
auch seien mehrere Wagen zertrümmert
worden. Kurz nach Empfang der
Nachricht ging Hilfe ab nach der Un
glücksstelle —- Aexte, Verbandzeug, f
warme Nahrung und Getränke, und
soeben war der Spezialzug mit den E
Berungliictten zurückgetehrt nach
Dixon.
Unter den Leuten, die umherstanden,
befand sich auch Steve Blattner, ein
junger Bursche von 16, der Sohn eines
deutschen Handwerkers in Dixon.
Steve war ein stämmiger, tüchtiger
Bursche, der fleißi in der Schule ge
lernt hatte und dessen höchster Wunsch
es war, Reporter einer angesehenen
Zeitung zu werden« Leider hatte sein
Ehrgeiz wenig Aussicht auf Befriedi
gung, denn in Dixon gab es nur ein ;
kleines Wochenblättchen, dessen Redak- 1
teur zugleich »der Mann fitr Alles«
und an dem nicht viel Ruhm zu ver
dienen war. Aber seit Steve lentes
Frühjahr die Schule verlassen, hatte
er sich doch mit Erfolg dieser Zeitung j
niißlich zu machen verstanden, und ;
einige bedeutendenLocalereignisse wäh- «
rend der verflossenen drei Monate wa
ren von seiner Feder behandett wor
den, wenn der finanzielle Ertrag dieser :
Leistungen auch in keinem richtigen s
Verhältniss mit der aufgewandten k
Mühe stand. Siebe aber wollte, wie ’
gesagt, höher hinaus, und sein glühen
der Ehrgeiz verzehrte sich vergebens, ;
denn sein Vater hatte keine Freunde z
oder Verwandte in Ehicago, und so ;
war wenig Aussicht vorhanden, daß .
der Knabe einst an einer der großen T
Zeitungen daselbst ankommen werde. ;
Mittlerweile half er seinem Vater bei T
der Arbeit, aber feine Freizeit benutzte i
er dazu, seinen journalistischen Lieb- i
habereien zu folgen. l
Steve kam gerade zurecht, um die
Ankunft der Rettunggzüge zu beob
achten, wag ihn bei seinem Rein-riet
instincte sehr interessirte. Plötzlich be
mertte er, wie ein junger Mann, ein
Fremder, mit dem Teiegraphisten der
Bahnstation sprach. »Als-) gar keine
Möglichteit, auch nur einige Worte
I nach Ehicago zu senden?« hörte er ihn
fragen.
»Gut ieine —- die Drähte sind ge
rissen bei der großen Schneelast —
schon seit heute Mittag, und ec- wird
mindestens big morgen dauern, ehe der
Schaden wieder ausgebessert werden
kann, denn die- Leitung geht zwischen
hier und Bronxville durch mehrere tiefe
Schluchten, wo der Draht jedenfalls
san Dutzenden vonStellen zerrissen ift.«
»Und könnte ich nicht auf irgend
eine andereWeise meinem Blatte Nach
richt von dem Unfall schicken’s« betonte
der Fremde.
Der Telegraphist zuckte die Achseln
bedauert-d »Wiißte nicht wie,'« sagte
er dann.
Aergerlieh wandte sich der Fremde
« ab, siectte sieh eine Cigarre an und
sehte sich aus eine Bank in der Nähe.
Steve erkundigte sich bei dem Tele- »
raphisten, einem guten Bekannten. ;
ieser erzählte ihm, daß der Fremde, s
ein Herr Maxtvell, hilfsredactenr der l
«Universe«, der bedeutendsten Zeitung !
in Chicago, sei und sich zufällig auf I
dein oerungliiekten uge befunden habe. l
Selbstverständlich ei es sein Wunsch, l
seiner Zeitung eine genaueSchilderung i
des ganzen Vorsallö zu geben« umso- ’
mehr als kein anderer Zeitun gmann
bisher etwas davon wisse. ber da
mit sei es eben siir heute nichts, denn
nach Chieago ginge heute tein Zug
mehr und die Tekegraphenleitung da
hin sei durch den Schneesturm außer
Ordnung gerathen. »
s e- ss- ;
Siebe Blattner machte ein sehr
gedankenwlles Gesicht. Dann plößlich
blihte fein Auge auf und er trat be
scheiden an Herrn Maxtvell heran. «
, »Sie möchten gern Ihren Bericht
site den «Univerfe« noch heute in Eh - «
enge Wi« erkundigte er sich. »
»Ja, natürlich,«' erwiderte der An
dere mürrisch. »Aber es scheint, es
soll nicht sein. Weißt Du vielleicht
einen Ausweg, mein Junge?'«
»Ich glaube, ich wüßte einen —
aber er ist ein wenig riskant, und fiir
den Erfolg könnte ich nicht bürgen.
Indessen könnte ich’s doch versuchen,
das heißt, wenn es Jhnen recht ist.«
»Nun —- und wie denn?« srug Herr
Marwell, indem er den jungen Bur
schen mitden hellen Augen und ge
scheidteni Gesicht gespannt ansah.
»Ich bin ein guter Schlittschuhläu
set — ich alaube der beste in Diron
und Umgegend,« sprach Stede. »Ich
würde versuchen, quer über dieser
Bucht des Sees nach Cedar Grove zu
laufen, und dort könnte ich die Depr
sche für Sie aufgeben, vorausgesetzt,
daß dort nicht auch der Draht ge
rissen is .«
»You’r(3 u Tismnky my 1)t)»v,« rief
Herr Maxwell begeistert, indem er
Steve beisiillig aus dieSchulter klopfte.
»Wenn Du Dich getraust, den Versuch
zu machen, so soll es Dein Schaden
nicht sein. Wann kannst Du gehen?«
»Ja einer halben Stunde, sobald ich
zu Hause meine Schlittschuhe geholt
gnämeinen Eltern Bescheid gesagt
a .«
»Gut, so will ich mittlerweile noch
meinen Bericht schreiben, den Du dann
abholen iannst,« rief ihm Herr Max
well noch nach, denn der lebhafteKnabe
war schon fortgerannt.
Psiinltlich zur festgesetzten Zeit trat
Steve seine gefahrvolle Reise über die
Bucht an, die Blätter beschriebenes
Papier sorgfältig in der Brusttasche
seines Pea Jacket verwahrt. Denn
gefahrvoll war sie. Zwar waren es
nur lnappe 10 Meilen bis nach Cedar
Grove, aber da der Knabe wußte, daß
der See noch nicht an allen Stellen·
dick und sicher zugefroren war, so
würde er wohl mehrmals bedeutende
Umwege wählen müssen, und bei dem
ungewissen Schein des Mondes, denn
der himmel war leicht bewölit, erfor
derte das schon große Umsicht. und
schnellen Blick, damit er nicht auf
dünne Eisschichten gerathe. Einbu
chen mitten auf dem See, zur Nacht
zeit, ohne jedweden menschlichen Bei
stand in der Nähe, bedeutete sicherm
Tod, das wußte er. Aber frohen Mu
thes brach er auf,- und nachdem er am
Ufer seine Schlittschuhe angeschnallt
hatte, glitt er pfeilgeschwind iiber die
glatte Fläche.
Dre ersten 5 Meilen legte er ohne
irgendwelchen Zwischenfall zurück,
denn er konnte sich in der Nähe des
Ufers halten« wo das Eis fest und hart
lrar. Aber dann begannen die Schwie
rigkeiten. Eedar Grove lag am an
deren Ende der Bucht, und um dahin »
zu gelangen, mußte er entweder dem
Ufer bis zum Ende folgen, was einen
großen Umweg und einen Bogen von
mindestens weiteren 8 Meilen erfordert
hätte, oder er mußte jetzt diagonal über
den Seearm laufen, was eine Erspar
niß von mindestens einer halben
Stunde wäre. Ver-zögerte sich seine
Ankunft in Cedar Grove durch den
Umweg, so war es zweifelhaft, ob er
das Telegraphenamt noch offen finden
würde, und alle seine Mühe wäre dann
wahrscheinlich vergeblich gewesen, denn
es war mittlerweile schon nach 9 Uhr
Abends geworden. Zog er dagegen
den kürzeren aber gefahrvolleren Weg
vor, so war es ein Sprung in’s Un
bekannte, der leicht sein Leben kosten
lonnte.
»Ach was,« redete Siebe sich selbst
zu, »dem Muthigen gehört die Welt.
Wenn ich regelmäßiger Reporter für
den ,,liniverse« wäre, so würde ich auch
den kürzeren Weg wählen.«
Und so schwenkte er vom Ufer ab
und fuhr direct in den See hinein.
Eines leichten Schauders konnte er sich
doch nicht erwehren, als er die mäch
tige, unabsehbare Eissläche vor sich
liegen sah, die er nun durchlreuzen
wollte. Der Mond gab nur ganz we
nig Licht, aber den hellgrünen Schim
mer des Eises konnte er doch deutlich
erkennen. Und pfeilschnell fuhr er
dahin; er hatte setzt den Wind, der ihm
bis dahin von rechts her mit ziemlicher
Schärfe in’s Gesicht geblasen hatte, di
rect im Rücken, wodurch sich sein Lauf
bedeutend verschnellertr. — ,
II I
Nachdem Steoe eine Weile so dahin
geglitten war, mochte er in der Mitte
der Bucht sein« Dort, das wußte er,
war das Eis am dünnsten, und er
sandte einen Stoßseufzer zum Him
mel, daß alles gut ablaufen möge.
Deutlich fühlte er unter dem Gewichte
seines Körpers die Eisschaale, auf der
er sich jegt befand, hin und herschwam
ten. Wellenförmig bog sich das Eis
unter ihm. Das war ein sehr unbe
xfhagliehes Gefühl, und der tluge Junge
beschleunigte daher seinen Lan bis
zur äußersten Anstrengung. Er wußte,
daß darin seine einzige Rettung lag.
Aber da hörte er, gerade hinter sich,
auf dem Eise. welches er soeben blitz
schnell durcheilt, ein Knackem Die
Eisdecke barst. Wenn es vor ibm cle
schehen sollte, so war er verloren, ret
tungslos verloren. Und Siebe flog
wie ein Sturmvogel über die gefähr
liche Stelle. Schon wenige Minuten
später sah er, dort in weiter Ferne, die
Lichter von Cedar Grove aufleuchten.
Das Eis unter ihm war viel stärker
geworden. Und nun hatte er den Lan
oungsplatz der Dampfer erreicht. setzte
sich hin, schnallte rasch die Schlitt
fchuhe ab und folgte dem halbverweh
ten Pfade, der durch den Schnee nach
dem Telegraphenamte führte.
Der Telegraphist riß die Augen ans,
als der halbwiichsige But che ihm das
Manuskript gab mit der eisung, so
fort den Jnhalt zu senden.
»Bist Du vom ,,Uniberse« ?« frug
er.
»Heute Nacht bin ich’s, ja,« ant
wortete Steve stolz.
Dann horchte er mit Vergnügen auf
das Ticken des Instruments, das die
lange Depesche an das große Blatt in
Ehicago übermittelte. Und er streckte
behaglich seine etwas wunden Glieder
und durchfrorenen Hände, um sich für
die Heimfahrt zu rüsten. Eben wollte
er, nachdem er wieder warm geworden,
das Qimmer verlassen indem »- spin
Schlittschuhe über die Schulter warf,
da rief ihm der Telegraphist zu: »He,
warte mal, die hier vom ,,Universe«
wollen wissen, wie Du die Depesche
von Dixon bis hierher befördert hast.
500 Worte sollen’s sein.«
Steve stand still und ein Gefühl des
Glücks und des Erfolgs durchströmte
feine jungen Glieder. Da war ja die
Chance, nach der er sich so lange schon
gesehnt. Aber würde er die 500 Worte
auch so gut schreiben können wie es der
»Universe« wollte? GleichvieL er
mußte es versuchen.
So setzte er sich wieder hin und
schrieb einen einfachen, wahrheitsge
treuen Bericht über seine Schlittfchuh
fahrt bei Nacht über den dünnen Eis
rnantel des Sees. Ganz einfach, dann
unterschrieb er’S und fügte seine
Adresse bei — für mögliche Fälle. Der
Telegraphist lächelte, als er ihm die
beschriebenen Blätter übergab, aber
er lächelte wohlwollend und ermuthi
gend. »Yun’1·(: a Tr-u1np,« sagte
auch er.
Und dann trat Siebe Blattner wie
der seine Heimfahrt an über den See.
Diesmal eilte er nicht so. Er wählte
den längeren, aber sicheren Weg zurück
nach Dixon.
If II II
Eine Wochen später empfin Steve
einen Brief ans Chicago. est war
vorn Chefredacteur des ,,Universe«.
Es lag ein Check dabei. Aber der
Check freute den braven Burschen we
niger als die Zeilen, die ihn begleite
ten. Es wurde ihm darin gesagt, daß
er, wenn er Lust habe, einen Versuch
machen könne am ,,Univerfe«. Von
unten aus natürlich. Mit 810 für
den Anfang die Woche. Aber es wurde
ihm versprochen, daß wenn er so fort
fahre, wie er begonnen, so solle er auf
rücken.
Natürlich nahm Steve die Offerte
an. Und natürlich rückte er auf; so
gar ziemlich schnell. Wer heute einmal
Gelegenheit hat, in der Nedaction des
»Universe« vorzusprechen, der wird da
einen stattlichen jungen Mann mit
blondem Vollbart und blauen, klaren
Augen sprechen können, dessen Wort
und dessen Arbeit an der großen Zei
« tung etwas gelten.
----
Praxis und Titan.
; Humorcsle ron J. Kot-net
’»Nee, weißt Du Alter —— das Kopf
hängen hat noch nie was genutzt3«
: sagte Albert Keller — seines Zeichens
Schriftsteller — eindringlich un-:
schlug seinem Freund auf die Schul
ter. »Sprich Dich mal aus! Bism
tion Ehrensache.«
Ins. ins-il. est edit-. Fritz Walten
prakt. Arzt, Armenarzt und Specialist
tiir Herz- und Lungentrantheiten,
seufzte tief auf.
»Es ist ja nicht das leere Wartezim
mer allein, was mich so niederdrückt«,
sagte er, «natiirlich, angenehm ist es
nicht, das lannst Du Dir deuten —
-—-!« »Ach was-C unterbrach ihn Kel
ter lebhaft, ,,wird in den meisten Fal
len so gehen, wenn der Betreffende
tein Hiefiger ist und deshalb keine
Connexionen hat! Zum Glück hist
Du aber nicht daraus angewiesen
und lannst schon noch eine Weile zu
sehen!«
»Damit habe ich mich bisher auch
immer getröstet", entgegnete Wolter,
»aber im vorliegenden Falle, den ich
Dir vortragen will, hilft mir das gar
nichts, —- ich muß Patienten habe-W
Er stand auf und trat an das
Fenster. »Sieh Dir das einstöckige
Haus da gegenüber an!« sprach er
feierlich.
Keller riß die Augen unnatürlich
Z weit auf. »Ich sehe!« sagte er.
! »Gut«, entgegnete sein Freund«
»siehst Du dann auch dort an dem
mittleren Fenster den alten Herrn
sitzen?«
«Ja«, meinte Keller, »den seh’ ich
wohl, was hast Du denn aber mit dem -
Rath Walther zu schaffen?!«
»Er ist mein Schicksal, —- oder der
Vater meines Schicksals, wie Du
willst!« tönte es dumpf zurück.
,,. eht weiß ich nicht, hat er
»Schicksel« oder »Schicksal« gesagt«,
murmette Keller vor sich hin. »Du
bist kostbar!« lachte er dann, »so sieht
also ein Schicksal aus —- etwas unra
sitt, Hauskiippchen, Schlafrock, ganz
gemüthliches Exemplar, finde ich!«
»Ach, lache auch noch!« rief Wolter
ärgerlich ,,dieser Rath ist ein ganz ab-«
scheulich hartnäckiger Kerl! Wie der zu
der Tochter lomnit!« — —
,,Ah pfeift der Wind aus dem
Loch!« dachte Keller und stieß einen
kurzen Pfisf aus. »So, so,« sagte er,
»die hübsche Grethe kennst Du auch
schon?!«
»Schon lange!« sagte der Doktor
und nahm wieder Platz. Als ich mich
damals zum Examen vorbereitete, war
sie gerade in Tübingen bei einer Tanie
zu Besuch. »Na, und weißt Du, da
waren wir zusammen auf ein paar
Bällen und dann gab s so nette kleine
Tanzereien und — und — — —
»Na ja, und so weiter, und so wei
ter!« sagte Keller verständnißvoll.
»Und so weiter, ganz richtig!« wie
holte sein Freund.
»Nachdem ich dann mit allem ser
tig war, ließ ich mich getrost hier nie
der, hatte auch das Glück, den alten
herrn im »Adler« kennen zu lernen,
— ich durfte mich sogar an seinen
Stammtisch setzen! Hieraus machte ich
dann Besuch, wurde eingeladen, —
kura und aut alles tlavvtei —- —«
» »Und die Grethe?« schaltete Keller
em.
«Aeh,Gtetheist einzig! Einmal, denl',
—- iiberraschte ich sie am Herd, wie sie -
Apfeltiichlein bucl —- herrlich!« E
»Was? die Küchleimi oder — —?«
»Sei doch nicht so fad!« rief Wvlter
böse. —· »Na also das Mädchen war
mir sicher —- ist's noch! —- aber der
Alte! Jch gehe beklommenen Herzens
hin, feierliches Schwarz hüllt mich
ein, dazu pitseine helle Handschuhe,
Lackstiesel, —- ich sah gar nicht schlecht
aus, weißt Du! Wie der Alte mich
so sieht, macht er schon ein mißtraui
sches Gesicht, zieht die Nase wie ein
Jagdhund, wenn er Witterung hat.«
»Hahaha!« lachte Keller-.
,,Jch bitte also ergebenst um die
Hand der Fräulein Tochter-, setze zu
seiner Beruhigung meine Familien
und Geldverhältnisse auseinander und
blicke ihn dann ausathmend, erwar
tungsvoll an.« —
»Na, und der Atte?«
«Dantt verbindlichst siir die
Ehre! —«
»Mein lieber, junger Freund«, sagte
er so ungefähr, »das ist ja alles recht
nett, aber es vergnügt mir nicht! Se
hen Sie, ich sitze Tag siir Tag von
morgens acht bis zwölf Uhr und wie
der von zwei bis sechs Uhr an diesem
Fenster, — da sehe ich dann Alles,
was aus der Straße und auch, so weit
es möglich ist, was in den Häusern
vorgeht. So weis-, ich dann ganz ge
nau, daß seit den sieben Monaten, die
Sie hier wohnen, außer Jhren Armen,
nur ein kleines Mädchen mit seiner
Wut ttes le Jhs en war und neulich noch
l e: ne alte Dame, die aber jetzt gestorben
ist —— — «"«
»Sehr gut!« lachte Keller.
».5,)ausar;t«, fuhr der Doktor in sei
iter Wiedererzählung fort, »sind Sie
nur bei Ihrem Freund, dem Architekt
Haberle und weder der, noch seine
Frau ist je krank! Mein lieber, jun
ger Freund, wir wollen uns wieder
sprechen, wenn JhrePraxiS etwas grö
fzer geworden ist, nichts für un
aut!« Und dann trug er mich ganz
harmlos, ob ich zum Abendschoppcn
täme!«
»Der ist gut, der Alte, kann so blei
ben!« meinte Keller belustigt, »wie
lange ist denn das schon her?«
«Vier Wochen!« seufzte Wollen
»Hm, das muß anders werden.
Fritze!« rief sein Freund. »Sei mal
ruhig! Hier muß es doch einen Aus
weg geben —- —«
,,Ausweg! Jawohll —— Patienten!
Aber die kommen eben nicht, scheinen
mich wie die Pest zu fliehen! Jch kann
doch keinen Hausknecht anstellen, der
die Leute statt zum Haus hinaus-, in
dasselbe hineinwirft!«
,,Nee, nicht gut, — aber Du könntest
vielleicht einen Mann miethen, der —
etwa bei Gedränge oder Glatteig —
die Leute anrempelt — sie fallen hin,
schimpfen, stöhnen, —- eben dieser
Mann richtet sie auch wieder auf,
schleppt sie trotz allen Widerstrebens zu
Dir, wo Du sie aus Hals-, Arm- oder
Leinbruch hin untersuchst —- macht
dann zehn Marki«
»Du bist verrückt!« brummte der
Doktor und stützte sein sorgenbelastetes
Haupt in seine Hand.
»Weißt Du«, sagte Keller, »varuber
muß ich ,ungestört nachdenken, mein
Hirn arbeitet jetzt schon rasend! Sei
überzeugt, ich Iinde einen Ausweg, —
wozu wäre ich denn Schriftsteller, des
sen Beruf es ist, Conslicte herbeizu
führen und sein säuberlich wieder zu
lösen, wobei dann die Geschichte alle
nal mit einer Verlobung ausgeht, —
das ist meine Forcel Na, adicu, sei ein
Mann und raffe Dich auf!«
»Der hat gut schwatzen!« murmelte«
Wolter ihm nach.
Es war einige Tage später, und der
Herr Rath Walther saß schon über eine
Stunde mit einem unbeschreiblich er
staunten Gesicht in seinem Lehnstuhl
am Fenster und hielt die Zeitung ver
kehrt in der Hand.
»Nun-Mem drei!« schrie er plötzlich
und fuhr von seinem Sitz aus, »ja,
was ist denn da drüben los-N Viel
leicht geht die zur Posträthin —- —
--— ei, der Kuckuck, sie tritt in’s War
tezimmer ! — Grethe, Grethe!" brüllte
cr, »h·ort denn das IJtädelnicht, Gme
thei«
»Ja, Papa» was ist denn?« rief sei
ne Tochter und strich eilig die blonden,
etwas ausgegangenen Löckchen aus
dem vom Küchenfeuer erhitzten Gesicht,
»was ist denn nur geschehen?«
»Um 9 Uhr kam die erste, um halb
10 Uhr die zweite und nun ging gerade
die dritte zu ihm —- ——— —!«
»Ja was denn, wo denn?« frug
Grethe und trat mit dem Finger hin
ter deutete nur mit dem Finger hin
über. »Acht« stammelte Grethe, plötz
lich noch röther werdend, ,,Patien
ten! ! Da kommt eine wieder heraus!
Zu dumm, man kann wegen dem
Schleier nicht sehen, wer’s ist«,, sagte sie
ärgerlich.
,,’Ne feine Dame ist’s«, meinte der
Rath. »Sieh! da zieht die zweite ge
rade ihren Mantel an, die letzte ist bei
ihm drin.«
,,Zu dumm!« seufzte Grethe, »auch
die ist verschleiert!« Nach einer Vier
telstunde erschien die dritte, aber ohne
»Scheuleder«, wie der Rath sich aus
drückte.
»Ein nettes junges Ding, was mag
der wohl fehlen?« sagte er mitleidig.
Außer zwei Arbeitern kam an dem
J Tag niemand mehr· »Na, was sagst
Du nun dazu?« frug der Rath seine
Tochter beim Abendessen.
»Jch?« sagte diese und legte die Ga
bel fort, »ich habe es gar nicht anders
erwartet, — einmal mußten sie doch
kommen! Jch begreise überhaupt nicht,
wie man nur den alten häßlichen Me
dicinalrath haben mag! Emmy sagte
neulich, er hätte ihren Papa ganz falsch
behandelt vorigen Winter.«
»Emmy ist ’ne Gansl« rief der
Rath.
»Und die zwei andern Aerzte hier
sind auch nicht viel besser«, fuhr Gre
the kaltbliitig fort, »der Dr. Messner
soll ja erst aus einen Stuhl steigen
müssen, um sich die Zunge seiner
Kranken besehen zu können, und der
dicke Dr. Hartwig rieche ganz schreck
lich nach Bier und Tabak, hörte ich
neulich!«
»Da bliebe siir die leidende Mensch
heit also nur noch Dr. Wolter übrig?«
lachte der Rath belustigt, ,,nun, mir
soll’s recht sein!«
Kurz nach diesem Gespräch begaben
; sie sich zur Ruhe, sie gingen beide früh
schlafen·
Plötzlich, es mochte schon elf Uhr
i sein, wurden sie durch das schrille Läu
; ten der Hausglocke aufgefchreckt. »Zum
i striciuch wag ist denn das!« rief der
s Rath, als das Läuten noch stürmischer
J wiederholt wurde »vielleicht ’ne Depr
« sche!« Hastig fuhr er in seinen Schlaf
rocl und rannte an das Fenster. Un
tcn stand ein Mann und brüllte, als er
ihn sah, in die Höhe: »Der Herr Dol
tor Wolter möchten sofort wieder kom
men, — kaum wie der Herr Doktor
fortgegangen, ist es schlimmer gewor
. den.«
; »Hören Sie doch!« überschrie ihn
« endlich wiithend der Rath, »ich heiße
’ nicht Wolter, sondern Walther, der
Doktor wohnt gegenüber! Ein ander
; mal b:sehenSie doch gnädigst dieHaus
s schilder, verstanden?« Damit schmet
terte er sein Fenster zu und kroch wie
der in’s Bett. Nach einer geraumen
Zeit wachte der Rath wieder an einem
Sturmliiuten auf, gleich darauf ver
nahm er aber, wie jemand sagte: »Der
Herr Doktor Wolter wohnt nicht hier
sondern da drüben, —- er wird aber
wohl nicht da sein, sie haben ihn vor ei
ner Stunde geholt!« »Ich wünschte die
ser Mensch säße auf dem Blocksberg!«
murmelte der Rath ingrimmig und
versuchte wieder einzuschlafen. —
Von diesemTage ab schien das Glück
sich dem jungen Arzte zugewandt zu
haben. Das Wartezimmer war nie
mehr leer —- merkwiirdigerweise waren
eLI immer verschleierte Damen (,,mit
Hautleiden behaftete«, erklärte der
Rath es sich und seiner Tochter), dann
sah dieser aber auch ab und zu einen
sejncr Bekannten bineinaehen. und
H
hörte von diesen in der Kneipe, sie hät
ten ihn, —- den Wolter —- jetzt als
. Hausarzt, — der Medicinalrath werde
sich ja ohnehin bald zur Ruhe seyen
und der junge Doktor solle mit einem
Male einen riesigen Zulan haben —
das konnte der Rath allerdings bestä
tigen. Und daß des Doktors Nacht
glocke nicht mehr das »ungezogenste«
Ding der Stadt war, um diesen alten
Witz zu gebrauchen, —- davon wußte
der Rath ein Lieds zu singen. Es war
so oft vorgekommen, daß in
der Nacht sein Name mit dem
des anderen verwechselt wurde
daß er sein Schild kürzlich hatte ent
fernen lassen, seitdem genoß er unge
stört wieder die Nachtruhe. »Jetzt
könnte er meinetwegen mal wieder an
klopfen«, sagte er eines Tags zu Gre
the, nachdem er die Frau BaroninHocle
bei dem jungen Arzt hatte vorfahren
sehen· »Sek«keint wirklich ein tüchtiger
Kerl zu sein! Jst zudem auch ganz
profitlich, einen Arzt als Schwieger
sohn zu haben, was meinst Du, Gre
the?« Ob nun Wolter ein ungeheuer
fein ausgebildetes Ahnungsvermögen
besaß, oder ob da eine gewisse kleine
Person die Vorsehung gespielt hatte —
genau konnte es nie festgestellt (werden
—- jedenfalls schellte es oben bei Rath-Z
etwa um halb zwölf Uhr, gleich darauf
wurde der Herr Doktor Wolter gemel
det. Diesrnal schien er mit seiner
Werbung mehr Erfolg gehabt zu ha
ben, denn Bertha, oder das Mädchen
für Alles, welches beim Conditor noch
geschwind einen Nachtisch bestellte, er
zählte daselbst, sie sei um was zu fra
gen, in das Zimmer gegangen und
fast auf den Rücken gefallen, denn da
habe gerade der hübsche Doktor Wolter
ihr Fräulein geküßt, und der Herr
Rath fei am Fenster gesessen, als wenn
er blind und taub wäre!
Der erste, dem’s- der Doktor selber
mittheilte, war sein Freund Keller, —
; inertwiirdigerweise bedankte er sich bei
T dem für den guten Ausgang und dieser
erwiderte darauf:
»Pah, das find die Vortheile einer
grossen Familie Meine fiinf Schwe
sterlein baden Dich sehr gerne abwechs
lungstreise besucht und meine Herrn
Briter mußten von ihrem Stammb
lal aus ohnehin jeden Abend an Dei
neö Schwiegervaters Haus vorbei! Ei
gentlich that mir der Alte leid, aber es
ging nicht anders! Und nun noch
mals von Herzen Glück, Dir und Dei
ner Grethe!«
Am SclawicksWuitdcrfee.
Das Territorium Alaska hatCurio
sitiiten genug auszuweisen, welche ker
neswegs in den Goldgräber - Regio
nen zu sehen sind.
Eine dieser Curiositäten ist der Se
lawick - See, ein kleiner Wasserlörper
nicht sehr weit vorn alastanischen
Tlieeresgestade Dieser Binnensee hat
aenau dieselbe Ebbe Und Fluthen, wie
der Ocean, nnd im selben Verhältniß.
US wird Vermuthet, daß irgend eine
unterseeische Verbindung zwischen ihm
nnd dem Weltmeer bestehe; doch ge
bricht cI bis-H jetzt an jedem positiven
Nnhaltspunkt fiir diese Annahme.
Xndirect scheint darauf freilich ein
Umstand zu deuten, der noch merkwür
diger ist, als der erstere. Der See ist
nämlich ebzn ein Süßwasser-See,
xsnten aber soll sich eine große Salz
wasfer Schirth befinden. Man hat
ratiirlirh noch andere Beispiele von
Binnenseem welche Salzwasser enthal
ten; aber esz ist kein zweites Beispiel
eines derartigen Mischsees im Binnen
Tand bekannt geworden. Und noch
einefsjterkwiirdigteiU Es gibt heiße
Quellen in diesem See, und in deren
unmittelbarer Umgebung kann das
Wasser natürlich nicht gefrieren, —
aber sie sind von kreisrunden Mauern
non stig- umgeben, die mitunter 8 Fuß
hoch sind.
Biirften dürfen nur mit
trockener Kleie gereinigt werden. Jst
man gezwungen, Wasser anzuwenden,
dann soll man wenigstens kaltes neh
men, da warmes Wasser die Borsten
weich macht. Eine feuchte Bürste soll
nie mit den Borsten nach unten gelegt
werden, sonst zieht die Feuchtigkeit in
die Bürstenwand, und diese springt.
Blitzgefahr für Radfah
r e r. Bei Touren durch ebenes, baum
lofes Gelände oder am Wasser entlang
soll man während eines Gewitters die
Fahrt einstellen. Das Rad soll flach
auf die Erde gelegt werden. Der Rad
fahrer bildet nämlich für amosphäri
sche Electricität einen Condensator, da
er mit der Erde nur durch Pneumatic
reifen in Berührung kommt Und diese
elektrifche Ströme nicht ableiten. An
dererseits bilden die Metalltheile des
Rades gute Leiter fiir die Electrieität.
Jn bewaldeten Gegenden jedoch kann
die tliadfalzrt während eines Gewitters
fortgesetzt werden, da in diesen Gebie
ten die Blitzgesahr nicht entfernt so
groß ist wie die Ebene.