Sonntags — Platt. Vesi«sgkk—s,,Auzeigk-W J. P. Wiudolph, Herausgehen Grund Island, Nebr. den 133. August 1897. No. 6, Jahrgang 18. Hier-ef- ertte Csetttung III meinen Erinnerun en, von W. v. Schierbran . Jn dem Städtchen Dixon, 40 Mei len von Ehieago, herrschte große Auf regung. Seit 2 Tagen und Nächten wiithete schon der Schneesturm, und Alles lag begraben unter der glitzern den, weißen Hülle. Seit Jahren war tein solches Unwetter zu verzeichnen gewesen. Es war nicht sehr kalt, und das Eis im See war, ausgenommen nahe dem Ufer,.auch nicht sehr dick. Auf dem Eise selbst lag fast gar tein Schnee —- der heftige Wind hatte keinen Schnee auf der Eisdecke gedul det —- diese war vielmehr glatt und weiß wie eine Tenne, und die hell griine Farbe des Eises that dem Auge weh. Nachmittags drang die Kunde nach Dixon, daß an White Siding, einem Wendepuntt der Bahn, ein Zug verunglückt sei. Derselbe sei in eine dicke chneebant gerannt, die dort von I der steilen Böschung herabgeglitten war, und es seien eine Anzahl der Passagiere und Bediensteten dabei ge tödtet und andere verwundet worden ; auch seien mehrere Wagen zertrümmert worden. Kurz nach Empfang der Nachricht ging Hilfe ab nach der Un glücksstelle —- Aexte, Verbandzeug, f warme Nahrung und Getränke, und soeben war der Spezialzug mit den E Berungliictten zurückgetehrt nach Dixon. Unter den Leuten, die umherstanden, befand sich auch Steve Blattner, ein junger Bursche von 16, der Sohn eines deutschen Handwerkers in Dixon. Steve war ein stämmiger, tüchtiger Bursche, der fleißi in der Schule ge lernt hatte und dessen höchster Wunsch es war, Reporter einer angesehenen Zeitung zu werden« Leider hatte sein Ehrgeiz wenig Aussicht auf Befriedi gung, denn in Dixon gab es nur ein ; kleines Wochenblättchen, dessen Redak- 1 teur zugleich »der Mann fitr Alles« und an dem nicht viel Ruhm zu ver dienen war. Aber seit Steve lentes Frühjahr die Schule verlassen, hatte er sich doch mit Erfolg dieser Zeitung j niißlich zu machen verstanden, und ; einige bedeutendenLocalereignisse wäh- « rend der verflossenen drei Monate wa ren von seiner Feder behandett wor den, wenn der finanzielle Ertrag dieser : Leistungen auch in keinem richtigen s Verhältniss mit der aufgewandten k Mühe stand. Siebe aber wollte, wie ’ gesagt, höher hinaus, und sein glühen der Ehrgeiz verzehrte sich vergebens, ; denn sein Vater hatte keine Freunde z oder Verwandte in Ehicago, und so ; war wenig Aussicht vorhanden, daß . der Knabe einst an einer der großen T Zeitungen daselbst ankommen werde. ; Mittlerweile half er seinem Vater bei T der Arbeit, aber feine Freizeit benutzte i er dazu, seinen journalistischen Lieb- i habereien zu folgen. l Steve kam gerade zurecht, um die Ankunft der Rettunggzüge zu beob achten, wag ihn bei seinem Rein-riet instincte sehr interessirte. Plötzlich be mertte er, wie ein junger Mann, ein Fremder, mit dem Teiegraphisten der Bahnstation sprach. »Als-) gar keine Möglichteit, auch nur einige Worte I nach Ehicago zu senden?« hörte er ihn fragen. »Gut ieine —- die Drähte sind ge rissen bei der großen Schneelast — schon seit heute Mittag, und ec- wird mindestens big morgen dauern, ehe der Schaden wieder ausgebessert werden kann, denn die- Leitung geht zwischen hier und Bronxville durch mehrere tiefe Schluchten, wo der Draht jedenfalls san Dutzenden vonStellen zerrissen ift.« »Und könnte ich nicht auf irgend eine andereWeise meinem Blatte Nach richt von dem Unfall schicken’s« betonte der Fremde. Der Telegraphist zuckte die Achseln bedauert-d »Wiißte nicht wie,'« sagte er dann. Aergerlieh wandte sich der Fremde « ab, siectte sieh eine Cigarre an und sehte sich aus eine Bank in der Nähe. Steve erkundigte sich bei dem Tele- » raphisten, einem guten Bekannten. ; ieser erzählte ihm, daß der Fremde, s ein Herr Maxtvell, hilfsredactenr der l «Universe«, der bedeutendsten Zeitung ! in Chicago, sei und sich zufällig auf I dein oerungliiekten uge befunden habe. l Selbstverständlich ei es sein Wunsch, l seiner Zeitung eine genaueSchilderung i des ganzen Vorsallö zu geben« umso- ’ mehr als kein anderer Zeitun gmann bisher etwas davon wisse. ber da mit sei es eben siir heute nichts, denn nach Chieago ginge heute tein Zug mehr und die Tekegraphenleitung da hin sei durch den Schneesturm außer Ordnung gerathen. » s e- ss- ; Siebe Blattner machte ein sehr gedankenwlles Gesicht. Dann plößlich blihte fein Auge auf und er trat be scheiden an Herrn Maxtvell heran. « , »Sie möchten gern Ihren Bericht site den «Univerfe« noch heute in Eh - « enge Wi« erkundigte er sich. » »Ja, natürlich,«' erwiderte der An dere mürrisch. »Aber es scheint, es soll nicht sein. Weißt Du vielleicht einen Ausweg, mein Junge?'« »Ich glaube, ich wüßte einen — aber er ist ein wenig riskant, und fiir den Erfolg könnte ich nicht bürgen. Indessen könnte ich’s doch versuchen, das heißt, wenn es Jhnen recht ist.« »Nun —- und wie denn?« srug Herr Marwell, indem er den jungen Bur schen mitden hellen Augen und ge scheidteni Gesicht gespannt ansah. »Ich bin ein guter Schlittschuhläu set — ich alaube der beste in Diron und Umgegend,« sprach Stede. »Ich würde versuchen, quer über dieser Bucht des Sees nach Cedar Grove zu laufen, und dort könnte ich die Depr sche für Sie aufgeben, vorausgesetzt, daß dort nicht auch der Draht ge rissen is .« »You’r(3 u Tismnky my 1)t)»v,« rief Herr Maxwell begeistert, indem er Steve beisiillig aus dieSchulter klopfte. »Wenn Du Dich getraust, den Versuch zu machen, so soll es Dein Schaden nicht sein. Wann kannst Du gehen?« »Ja einer halben Stunde, sobald ich zu Hause meine Schlittschuhe geholt gnämeinen Eltern Bescheid gesagt a .« »Gut, so will ich mittlerweile noch meinen Bericht schreiben, den Du dann abholen iannst,« rief ihm Herr Max well noch nach, denn der lebhafteKnabe war schon fortgerannt. Psiinltlich zur festgesetzten Zeit trat Steve seine gefahrvolle Reise über die Bucht an, die Blätter beschriebenes Papier sorgfältig in der Brusttasche seines Pea Jacket verwahrt. Denn gefahrvoll war sie. Zwar waren es nur lnappe 10 Meilen bis nach Cedar Grove, aber da der Knabe wußte, daß der See noch nicht an allen Stellen· dick und sicher zugefroren war, so würde er wohl mehrmals bedeutende Umwege wählen müssen, und bei dem ungewissen Schein des Mondes, denn der himmel war leicht bewölit, erfor derte das schon große Umsicht. und schnellen Blick, damit er nicht auf dünne Eisschichten gerathe. Einbu chen mitten auf dem See, zur Nacht zeit, ohne jedweden menschlichen Bei stand in der Nähe, bedeutete sicherm Tod, das wußte er. Aber frohen Mu thes brach er auf,- und nachdem er am Ufer seine Schlittschuhe angeschnallt hatte, glitt er pfeilgeschwind iiber die glatte Fläche. Dre ersten 5 Meilen legte er ohne irgendwelchen Zwischenfall zurück, denn er konnte sich in der Nähe des Ufers halten« wo das Eis fest und hart lrar. Aber dann begannen die Schwie rigkeiten. Eedar Grove lag am an deren Ende der Bucht, und um dahin » zu gelangen, mußte er entweder dem Ufer bis zum Ende folgen, was einen großen Umweg und einen Bogen von mindestens weiteren 8 Meilen erfordert hätte, oder er mußte jetzt diagonal über den Seearm laufen, was eine Erspar niß von mindestens einer halben Stunde wäre. Ver-zögerte sich seine Ankunft in Cedar Grove durch den Umweg, so war es zweifelhaft, ob er das Telegraphenamt noch offen finden würde, und alle seine Mühe wäre dann wahrscheinlich vergeblich gewesen, denn es war mittlerweile schon nach 9 Uhr Abends geworden. Zog er dagegen den kürzeren aber gefahrvolleren Weg vor, so war es ein Sprung in’s Un bekannte, der leicht sein Leben kosten lonnte. »Ach was,« redete Siebe sich selbst zu, »dem Muthigen gehört die Welt. Wenn ich regelmäßiger Reporter für den ,,liniverse« wäre, so würde ich auch den kürzeren Weg wählen.« Und so schwenkte er vom Ufer ab und fuhr direct in den See hinein. Eines leichten Schauders konnte er sich doch nicht erwehren, als er die mäch tige, unabsehbare Eissläche vor sich liegen sah, die er nun durchlreuzen wollte. Der Mond gab nur ganz we nig Licht, aber den hellgrünen Schim mer des Eises konnte er doch deutlich erkennen. Und pfeilschnell fuhr er dahin; er hatte setzt den Wind, der ihm bis dahin von rechts her mit ziemlicher Schärfe in’s Gesicht geblasen hatte, di rect im Rücken, wodurch sich sein Lauf bedeutend verschnellertr. — , II I Nachdem Steoe eine Weile so dahin geglitten war, mochte er in der Mitte der Bucht sein« Dort, das wußte er, war das Eis am dünnsten, und er sandte einen Stoßseufzer zum Him mel, daß alles gut ablaufen möge. Deutlich fühlte er unter dem Gewichte seines Körpers die Eisschaale, auf der er sich jegt befand, hin und herschwam ten. Wellenförmig bog sich das Eis unter ihm. Das war ein sehr unbe xfhagliehes Gefühl, und der tluge Junge beschleunigte daher seinen Lan bis zur äußersten Anstrengung. Er wußte, daß darin seine einzige Rettung lag. Aber da hörte er, gerade hinter sich, auf dem Eise. welches er soeben blitz schnell durcheilt, ein Knackem Die Eisdecke barst. Wenn es vor ibm cle schehen sollte, so war er verloren, ret tungslos verloren. Und Siebe flog wie ein Sturmvogel über die gefähr liche Stelle. Schon wenige Minuten später sah er, dort in weiter Ferne, die Lichter von Cedar Grove aufleuchten. Das Eis unter ihm war viel stärker geworden. Und nun hatte er den Lan oungsplatz der Dampfer erreicht. setzte sich hin, schnallte rasch die Schlitt fchuhe ab und folgte dem halbverweh ten Pfade, der durch den Schnee nach dem Telegraphenamte führte. Der Telegraphist riß die Augen ans, als der halbwiichsige But che ihm das Manuskript gab mit der eisung, so fort den Jnhalt zu senden. »Bist Du vom ,,Uniberse« ?« frug er. »Heute Nacht bin ich’s, ja,« ant wortete Steve stolz. Dann horchte er mit Vergnügen auf das Ticken des Instruments, das die lange Depesche an das große Blatt in Ehicago übermittelte. Und er streckte behaglich seine etwas wunden Glieder und durchfrorenen Hände, um sich für die Heimfahrt zu rüsten. Eben wollte er, nachdem er wieder warm geworden, das Qimmer verlassen indem »- spin Schlittschuhe über die Schulter warf, da rief ihm der Telegraphist zu: »He, warte mal, die hier vom ,,Universe« wollen wissen, wie Du die Depesche von Dixon bis hierher befördert hast. 500 Worte sollen’s sein.« Steve stand still und ein Gefühl des Glücks und des Erfolgs durchströmte feine jungen Glieder. Da war ja die Chance, nach der er sich so lange schon gesehnt. Aber würde er die 500 Worte auch so gut schreiben können wie es der »Universe« wollte? GleichvieL er mußte es versuchen. So setzte er sich wieder hin und schrieb einen einfachen, wahrheitsge treuen Bericht über seine Schlittfchuh fahrt bei Nacht über den dünnen Eis rnantel des Sees. Ganz einfach, dann unterschrieb er’S und fügte seine Adresse bei — für mögliche Fälle. Der Telegraphist lächelte, als er ihm die beschriebenen Blätter übergab, aber er lächelte wohlwollend und ermuthi gend. »Yun’1·(: a Tr-u1np,« sagte auch er. Und dann trat Siebe Blattner wie der seine Heimfahrt an über den See. Diesmal eilte er nicht so. Er wählte den längeren, aber sicheren Weg zurück nach Dixon. If II II Eine Wochen später empfin Steve einen Brief ans Chicago. est war vorn Chefredacteur des ,,Universe«. Es lag ein Check dabei. Aber der Check freute den braven Burschen we niger als die Zeilen, die ihn begleite ten. Es wurde ihm darin gesagt, daß er, wenn er Lust habe, einen Versuch machen könne am ,,Univerfe«. Von unten aus natürlich. Mit 810 für den Anfang die Woche. Aber es wurde ihm versprochen, daß wenn er so fort fahre, wie er begonnen, so solle er auf rücken. Natürlich nahm Steve die Offerte an. Und natürlich rückte er auf; so gar ziemlich schnell. Wer heute einmal Gelegenheit hat, in der Nedaction des »Universe« vorzusprechen, der wird da einen stattlichen jungen Mann mit blondem Vollbart und blauen, klaren Augen sprechen können, dessen Wort und dessen Arbeit an der großen Zei « tung etwas gelten. ---- Praxis und Titan. ; Humorcsle ron J. Kot-net ’»Nee, weißt Du Alter —— das Kopf hängen hat noch nie was genutzt3« : sagte Albert Keller — seines Zeichens Schriftsteller — eindringlich un-: schlug seinem Freund auf die Schul ter. »Sprich Dich mal aus! Bism tion Ehrensache.« Ins. ins-il. est edit-. Fritz Walten prakt. Arzt, Armenarzt und Specialist tiir Herz- und Lungentrantheiten, seufzte tief auf. »Es ist ja nicht das leere Wartezim mer allein, was mich so niederdrückt«, sagte er, «natiirlich, angenehm ist es nicht, das lannst Du Dir deuten — -—-!« »Ach was-C unterbrach ihn Kel ter lebhaft, ,,wird in den meisten Fal len so gehen, wenn der Betreffende tein Hiefiger ist und deshalb keine Connexionen hat! Zum Glück hist Du aber nicht daraus angewiesen und lannst schon noch eine Weile zu sehen!« »Damit habe ich mich bisher auch immer getröstet", entgegnete Wolter, »aber im vorliegenden Falle, den ich Dir vortragen will, hilft mir das gar nichts, —- ich muß Patienten habe-W Er stand auf und trat an das Fenster. »Sieh Dir das einstöckige Haus da gegenüber an!« sprach er feierlich. Keller riß die Augen unnatürlich Z weit auf. »Ich sehe!« sagte er. ! »Gut«, entgegnete sein Freund« »siehst Du dann auch dort an dem mittleren Fenster den alten Herrn sitzen?« «Ja«, meinte Keller, »den seh’ ich wohl, was hast Du denn aber mit dem - Rath Walther zu schaffen?!« »Er ist mein Schicksal, —- oder der Vater meines Schicksals, wie Du willst!« tönte es dumpf zurück. ,,. eht weiß ich nicht, hat er »Schicksel« oder »Schicksal« gesagt«, murmette Keller vor sich hin. »Du bist kostbar!« lachte er dann, »so sieht also ein Schicksal aus —- etwas unra sitt, Hauskiippchen, Schlafrock, ganz gemüthliches Exemplar, finde ich!« »Ach, lache auch noch!« rief Wolter ärgerlich ,,dieser Rath ist ein ganz ab-« scheulich hartnäckiger Kerl! Wie der zu der Tochter lomnit!« — — ,,Ah pfeift der Wind aus dem Loch!« dachte Keller und stieß einen kurzen Pfisf aus. »So, so,« sagte er, »die hübsche Grethe kennst Du auch schon?!« »Schon lange!« sagte der Doktor und nahm wieder Platz. Als ich mich damals zum Examen vorbereitete, war sie gerade in Tübingen bei einer Tanie zu Besuch. »Na, und weißt Du, da waren wir zusammen auf ein paar Bällen und dann gab s so nette kleine Tanzereien und — und — — — »Na ja, und so weiter, und so wei ter!« sagte Keller verständnißvoll. »Und so weiter, ganz richtig!« wie holte sein Freund. »Nachdem ich dann mit allem ser tig war, ließ ich mich getrost hier nie der, hatte auch das Glück, den alten herrn im »Adler« kennen zu lernen, — ich durfte mich sogar an seinen Stammtisch setzen! Hieraus machte ich dann Besuch, wurde eingeladen, — kura und aut alles tlavvtei —- —« » »Und die Grethe?« schaltete Keller em. «Aeh,Gtetheist einzig! Einmal, denl', —- iiberraschte ich sie am Herd, wie sie - Apfeltiichlein bucl —- herrlich!« E »Was? die Küchleimi oder — —?« »Sei doch nicht so fad!« rief Wvlter böse. —· »Na also das Mädchen war mir sicher —- ist's noch! —- aber der Alte! Jch gehe beklommenen Herzens hin, feierliches Schwarz hüllt mich ein, dazu pitseine helle Handschuhe, Lackstiesel, —- ich sah gar nicht schlecht aus, weißt Du! Wie der Alte mich so sieht, macht er schon ein mißtraui sches Gesicht, zieht die Nase wie ein Jagdhund, wenn er Witterung hat.« »Hahaha!« lachte Keller-. ,,Jch bitte also ergebenst um die Hand der Fräulein Tochter-, setze zu seiner Beruhigung meine Familien und Geldverhältnisse auseinander und blicke ihn dann ausathmend, erwar tungsvoll an.« — »Na, und der Atte?« «Dantt verbindlichst siir die Ehre! —« »Mein lieber, junger Freund«, sagte er so ungefähr, »das ist ja alles recht nett, aber es vergnügt mir nicht! Se hen Sie, ich sitze Tag siir Tag von morgens acht bis zwölf Uhr und wie der von zwei bis sechs Uhr an diesem Fenster, — da sehe ich dann Alles, was aus der Straße und auch, so weit es möglich ist, was in den Häusern vorgeht. So weis-, ich dann ganz ge nau, daß seit den sieben Monaten, die Sie hier wohnen, außer Jhren Armen, nur ein kleines Mädchen mit seiner Wut ttes le Jhs en war und neulich noch l e: ne alte Dame, die aber jetzt gestorben ist —— — «"« »Sehr gut!« lachte Keller. ».5,)ausar;t«, fuhr der Doktor in sei iter Wiedererzählung fort, »sind Sie nur bei Ihrem Freund, dem Architekt Haberle und weder der, noch seine Frau ist je krank! Mein lieber, jun ger Freund, wir wollen uns wieder sprechen, wenn JhrePraxiS etwas grö fzer geworden ist, nichts für un aut!« Und dann trug er mich ganz harmlos, ob ich zum Abendschoppcn täme!« »Der ist gut, der Alte, kann so blei ben!« meinte Keller belustigt, »wie lange ist denn das schon her?« «Vier Wochen!« seufzte Wollen »Hm, das muß anders werden. Fritze!« rief sein Freund. »Sei mal ruhig! Hier muß es doch einen Aus weg geben —- —« ,,Ausweg! Jawohll —— Patienten! Aber die kommen eben nicht, scheinen mich wie die Pest zu fliehen! Jch kann doch keinen Hausknecht anstellen, der die Leute statt zum Haus hinaus-, in dasselbe hineinwirft!« ,,Nee, nicht gut, — aber Du könntest vielleicht einen Mann miethen, der — etwa bei Gedränge oder Glatteig — die Leute anrempelt — sie fallen hin, schimpfen, stöhnen, —- eben dieser Mann richtet sie auch wieder auf, schleppt sie trotz allen Widerstrebens zu Dir, wo Du sie aus Hals-, Arm- oder Leinbruch hin untersuchst —- macht dann zehn Marki« »Du bist verrückt!« brummte der Doktor und stützte sein sorgenbelastetes Haupt in seine Hand. »Weißt Du«, sagte Keller, »varuber muß ich ,ungestört nachdenken, mein Hirn arbeitet jetzt schon rasend! Sei überzeugt, ich Iinde einen Ausweg, — wozu wäre ich denn Schriftsteller, des sen Beruf es ist, Conslicte herbeizu führen und sein säuberlich wieder zu lösen, wobei dann die Geschichte alle nal mit einer Verlobung ausgeht, — das ist meine Forcel Na, adicu, sei ein Mann und raffe Dich auf!« »Der hat gut schwatzen!« murmelte« Wolter ihm nach. Es war einige Tage später, und der Herr Rath Walther saß schon über eine Stunde mit einem unbeschreiblich er staunten Gesicht in seinem Lehnstuhl am Fenster und hielt die Zeitung ver kehrt in der Hand. »Nun-Mem drei!« schrie er plötzlich und fuhr von seinem Sitz aus, »ja, was ist denn da drüben los-N Viel leicht geht die zur Posträthin —- — --— ei, der Kuckuck, sie tritt in’s War tezimmer ! — Grethe, Grethe!" brüllte cr, »h·ort denn das IJtädelnicht, Gme thei« »Ja, Papa» was ist denn?« rief sei ne Tochter und strich eilig die blonden, etwas ausgegangenen Löckchen aus dem vom Küchenfeuer erhitzten Gesicht, »was ist denn nur geschehen?« »Um 9 Uhr kam die erste, um halb 10 Uhr die zweite und nun ging gerade die dritte zu ihm —- ——— —!« »Ja was denn, wo denn?« frug Grethe und trat mit dem Finger hin ter deutete nur mit dem Finger hin über. »Acht« stammelte Grethe, plötz lich noch röther werdend, ,,Patien ten! ! Da kommt eine wieder heraus! Zu dumm, man kann wegen dem Schleier nicht sehen, wer’s ist«,, sagte sie ärgerlich. ,,’Ne feine Dame ist’s«, meinte der Rath. »Sieh! da zieht die zweite ge rade ihren Mantel an, die letzte ist bei ihm drin.« ,,Zu dumm!« seufzte Grethe, »auch die ist verschleiert!« Nach einer Vier telstunde erschien die dritte, aber ohne »Scheuleder«, wie der Rath sich aus drückte. »Ein nettes junges Ding, was mag der wohl fehlen?« sagte er mitleidig. Außer zwei Arbeitern kam an dem J Tag niemand mehr· »Na, was sagst Du nun dazu?« frug der Rath seine Tochter beim Abendessen. »Jch?« sagte diese und legte die Ga bel fort, »ich habe es gar nicht anders erwartet, — einmal mußten sie doch kommen! Jch begreise überhaupt nicht, wie man nur den alten häßlichen Me dicinalrath haben mag! Emmy sagte neulich, er hätte ihren Papa ganz falsch behandelt vorigen Winter.« »Emmy ist ’ne Gansl« rief der Rath. »Und die zwei andern Aerzte hier sind auch nicht viel besser«, fuhr Gre the kaltbliitig fort, »der Dr. Messner soll ja erst aus einen Stuhl steigen müssen, um sich die Zunge seiner Kranken besehen zu können, und der dicke Dr. Hartwig rieche ganz schreck lich nach Bier und Tabak, hörte ich neulich!« »Da bliebe siir die leidende Mensch heit also nur noch Dr. Wolter übrig?« lachte der Rath belustigt, ,,nun, mir soll’s recht sein!« Kurz nach diesem Gespräch begaben ; sie sich zur Ruhe, sie gingen beide früh schlafen· Plötzlich, es mochte schon elf Uhr i sein, wurden sie durch das schrille Läu ; ten der Hausglocke aufgefchreckt. »Zum i striciuch wag ist denn das!« rief der s Rath, als das Läuten noch stürmischer J wiederholt wurde »vielleicht ’ne Depr « sche!« Hastig fuhr er in seinen Schlaf rocl und rannte an das Fenster. Un tcn stand ein Mann und brüllte, als er ihn sah, in die Höhe: »Der Herr Dol tor Wolter möchten sofort wieder kom men, — kaum wie der Herr Doktor fortgegangen, ist es schlimmer gewor . den.« ; »Hören Sie doch!« überschrie ihn « endlich wiithend der Rath, »ich heiße ’ nicht Wolter, sondern Walther, der Doktor wohnt gegenüber! Ein ander ; mal b:sehenSie doch gnädigst dieHaus s schilder, verstanden?« Damit schmet terte er sein Fenster zu und kroch wie der in’s Bett. Nach einer geraumen Zeit wachte der Rath wieder an einem Sturmliiuten auf, gleich darauf ver nahm er aber, wie jemand sagte: »Der Herr Doktor Wolter wohnt nicht hier sondern da drüben, —- er wird aber wohl nicht da sein, sie haben ihn vor ei ner Stunde geholt!« »Ich wünschte die ser Mensch säße auf dem Blocksberg!« murmelte der Rath ingrimmig und versuchte wieder einzuschlafen. — Von diesemTage ab schien das Glück sich dem jungen Arzte zugewandt zu haben. Das Wartezimmer war nie mehr leer —- merkwiirdigerweise waren eLI immer verschleierte Damen (,,mit Hautleiden behaftete«, erklärte der Rath es sich und seiner Tochter), dann sah dieser aber auch ab und zu einen sejncr Bekannten bineinaehen. und H hörte von diesen in der Kneipe, sie hät ten ihn, —- den Wolter —- jetzt als . Hausarzt, — der Medicinalrath werde sich ja ohnehin bald zur Ruhe seyen und der junge Doktor solle mit einem Male einen riesigen Zulan haben — das konnte der Rath allerdings bestä tigen. Und daß des Doktors Nacht glocke nicht mehr das »ungezogenste« Ding der Stadt war, um diesen alten Witz zu gebrauchen, —- davon wußte der Rath ein Lieds zu singen. Es war so oft vorgekommen, daß in der Nacht sein Name mit dem des anderen verwechselt wurde daß er sein Schild kürzlich hatte ent fernen lassen, seitdem genoß er unge stört wieder die Nachtruhe. »Jetzt könnte er meinetwegen mal wieder an klopfen«, sagte er eines Tags zu Gre the, nachdem er die Frau BaroninHocle bei dem jungen Arzt hatte vorfahren sehen· »Sek«keint wirklich ein tüchtiger Kerl zu sein! Jst zudem auch ganz profitlich, einen Arzt als Schwieger sohn zu haben, was meinst Du, Gre the?« Ob nun Wolter ein ungeheuer fein ausgebildetes Ahnungsvermögen besaß, oder ob da eine gewisse kleine Person die Vorsehung gespielt hatte — genau konnte es nie festgestellt (werden —- jedenfalls schellte es oben bei Rath-Z etwa um halb zwölf Uhr, gleich darauf wurde der Herr Doktor Wolter gemel det. Diesrnal schien er mit seiner Werbung mehr Erfolg gehabt zu ha ben, denn Bertha, oder das Mädchen für Alles, welches beim Conditor noch geschwind einen Nachtisch bestellte, er zählte daselbst, sie sei um was zu fra gen, in das Zimmer gegangen und fast auf den Rücken gefallen, denn da habe gerade der hübsche Doktor Wolter ihr Fräulein geküßt, und der Herr Rath fei am Fenster gesessen, als wenn er blind und taub wäre! Der erste, dem’s- der Doktor selber mittheilte, war sein Freund Keller, — ; inertwiirdigerweise bedankte er sich bei T dem für den guten Ausgang und dieser erwiderte darauf: »Pah, das find die Vortheile einer grossen Familie Meine fiinf Schwe sterlein baden Dich sehr gerne abwechs lungstreise besucht und meine Herrn Briter mußten von ihrem Stammb lal aus ohnehin jeden Abend an Dei neö Schwiegervaters Haus vorbei! Ei gentlich that mir der Alte leid, aber es ging nicht anders! Und nun noch mals von Herzen Glück, Dir und Dei ner Grethe!« Am SclawicksWuitdcrfee. Das Territorium Alaska hatCurio sitiiten genug auszuweisen, welche ker neswegs in den Goldgräber - Regio nen zu sehen sind. Eine dieser Curiositäten ist der Se lawick - See, ein kleiner Wasserlörper nicht sehr weit vorn alastanischen Tlieeresgestade Dieser Binnensee hat aenau dieselbe Ebbe Und Fluthen, wie der Ocean, nnd im selben Verhältniß. US wird Vermuthet, daß irgend eine unterseeische Verbindung zwischen ihm nnd dem Weltmeer bestehe; doch ge bricht cI bis-H jetzt an jedem positiven Nnhaltspunkt fiir diese Annahme. Xndirect scheint darauf freilich ein Umstand zu deuten, der noch merkwür diger ist, als der erstere. Der See ist nämlich ebzn ein Süßwasser-See, xsnten aber soll sich eine große Salz wasfer Schirth befinden. Man hat ratiirlirh noch andere Beispiele von Binnenseem welche Salzwasser enthal ten; aber esz ist kein zweites Beispiel eines derartigen Mischsees im Binnen Tand bekannt geworden. Und noch einefsjterkwiirdigteiU Es gibt heiße Quellen in diesem See, und in deren unmittelbarer Umgebung kann das Wasser natürlich nicht gefrieren, — aber sie sind von kreisrunden Mauern non stig- umgeben, die mitunter 8 Fuß hoch sind. Biirften dürfen nur mit trockener Kleie gereinigt werden. Jst man gezwungen, Wasser anzuwenden, dann soll man wenigstens kaltes neh men, da warmes Wasser die Borsten weich macht. Eine feuchte Bürste soll nie mit den Borsten nach unten gelegt werden, sonst zieht die Feuchtigkeit in die Bürstenwand, und diese springt. Blitzgefahr für Radfah r e r. Bei Touren durch ebenes, baum lofes Gelände oder am Wasser entlang soll man während eines Gewitters die Fahrt einstellen. Das Rad soll flach auf die Erde gelegt werden. Der Rad fahrer bildet nämlich für amosphäri sche Electricität einen Condensator, da er mit der Erde nur durch Pneumatic reifen in Berührung kommt Und diese elektrifche Ströme nicht ableiten. An dererseits bilden die Metalltheile des Rades gute Leiter fiir die Electrieität. Jn bewaldeten Gegenden jedoch kann die tliadfalzrt während eines Gewitters fortgesetzt werden, da in diesen Gebie ten die Blitzgesahr nicht entfernt so groß ist wie die Ebene.