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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (July 30, 1897)
I I, i ( Greylocii gsoodg NVMM M Jvici Tremuanm (3. Fortseßung) Endlich wich die erzwungene Ruhe des Mädchens und sie fuhr mit leiden schaftlicher Stimme aus: »Und das wagst Du mir in s Gesicht zu sagen?! Glaubst Du, daß ich die Zeit vergessen habe, da Du mir hier in diesem Zimmer Deine Liebe erilärtesti Oh, Du hattest eine geschmeidige Zun ge, nnd ich Thörin glaubte Alles, was Du sagtest! Aber bei Gott, es warI nicht meine Schule Brachtest Du mir doch sogar Viicher zum Lesen, und ich I glaubte, Du beabsichtigt-st, eine Lady aus mir zu machen, deren Du Dich nichi zu schämen brauchtestt Und wie habe ich mich in Dir getäuscht! Eines Tages sah ich Dich einem grauen Ha dicht, den Du aus der Jagd geschossen hattest, den hals umdrehen. Da er kannte ich zum ersten Male, daß Du iroy Deines hübschen Gesichtes und Deiner seinen Manieren ein grausameå Herz hattest. Bald darauf fing Dein Vater an, wegen Deiner häutigen Be suche in diesem Hause argwöhnisch zu werden; er ahnte, was Dich hierher chickte Dich fort in die Stadt, um zu Flog, gerieth in Wuth darüber und udieren.« su th W’ d »Und ich gerieth aus dem Regen tn die Traute,« murmeite Greylock halb laut vor sich hin. »Dort unten am Strande schieden wir von einander. Jch stand seither oft Stunden lang am Fenster und schaute hinaus nach dem Punkte. Du« Iiihtest mich und versprachst mit, oft u schreiben, in wenigen Wochen nach lackport zurückzukehren» Es waren Liigen —- schändliche Lügeni —- Du schriebst mir keinen Brief — Du kehr test nicht zurück! Einen Monat später hitrte ich, daß Du eine Tänzerin gehei rathet hattest. Jch begreise noch heute nicht, daß mich bei dieser Nachricht nicht der Schlag gerührt hat!« Das Mädchen rang ihre Hände mit leidenschaftlicher Geberde und fuhr dann mit begeisterter Heftigteit fort: »Eine: von meines Vaters Kamera den iam eines Tages zu uns und er zählte mir von Deiner heirath und von Deines Vaters Wirth darüber-. Jch dachte, ich müsse sterben; ich flog zum Hause hinaus und zum Strande hinab -—- dahin, wo wir von einander schieden; ich fluchte eJDir aus der Tiefe meines unglücklichen Herzens — sluchte der Stunde, in der ich geboren wurde! Dann lief ich weiter und wei ter nach den Marschen, verbarg mein Gesicht in dem hohen braunen Gras und blieb die ganze Nacht dort liegen. Ein heftiger Sturm brauste über mich hin, ich achtete nicht darauf. Hätte ich in jener Nacht Dich und Deine Frau in meine Hände bekommen, so hätte ich Euch Beide getödtet! Seit jenem Abend —- ais ich von Deiner Heirath hörte — hat fich die Welt völlig für mich verän dert: mein Herz ist todt, wie jener Habicht.« »Du hättest mich längst vergessen sollen; ich glaubte, Dich glücklich an ei nen der vielen Jünglinge verheirathet zu finden, die in früheren Jahren Dir den hof machten.« »Ich tann nicht vergessen!« erwi derte sie heftig. »Ich werde mich nie mals verheirathen, Robert!« »Als ich Blactport verließ, war es wirklich meine Absicht, Dir mein Ber svrechen zu halten, Mercy,« sagte Ro bert, durch ihren Schmerz weicher ge stimmt; ,das Schicksal aber wollte es anders; vergiß die Vergangenheit, Merch — geschehene Dinge sind nicht su ändern.« Merev wurde leichenblafz; es war ihr jetzt klar, daß Robert nicht die ge ringste Reue über seine Treulosigteit empfand, und dieser Umstand erbitterte sie noch mehr. »Jch hatte Recht, als ich Dich grau sam nanntet" leuchte sie; »glaube in dessen nicht, daß Du der Strafe ent gehen wirst!« »Liebe Merm, beruhige Dich; sie ist mir bereits zu Theil geworden.« Wie ein Funten flammte es aus ihrem schwarzen Auge; sie schritt um den Tisch herum, blieb dicht vor ihm stehen, blickte ihm scharf in's Gesicht und sprach: »Ist das wahr? Es muß wahr sein; setzt erst sehe ich, daß Du abgehärmt und schäbig aussiehst — Du bist nicht mehr der heitere, junge Mensch, der mir vor zwei Jahren ewige Liebe gelobte . —- Du hast Dich sehr verändert, Ro bert —- nicht zu Deinem Bortheil.« Zu Roberts großer Erleichterung ging in diesem Augenblick die Thür aus und Jte Poole trat ein. Die guten Leute von Blattport slegten zu sagen, daß der Gasthosbe itzer längst ein Opser der Truntsucht geworden wäre, wenn seine Tochter ihn nicht in den Schranken der Mäßigteit ehalten hätte. Nichts entging ihren ugen; ihre Zunge war scharf wie ein zweischneidiges Schwert; sie war die eigentliche Beherrscherin des hat-set «Meiner Treu!" ries Jie beim An blick des Gastes am Tische; »ich hörte laute Worte und glaubte Jhre Stimme zu vernehmen, junger Freund.« Er reichte Robert seine derbe, rothe Hand. »Es sreut mich, Sie wieder hier zu sehen; Sie hatten wohl einen Wort wechsel mit Merchi Das Mädel wird mit jedem Tage herrschsüchtiger; es ist bald nicht mehr zum Auihalten Nun, wie gehtls Ihnen, Mr. Robert? Sie find wohl nach Blackport gekom sc ’ men, um mit dem Alten in Greyloct Wnods die Friedenspseise zu rauchen?« Robert drückte dem Gastwirthe die hand, wich indessen einem Umar mungsversuche geschickt aus. Zu viel heißer Whiskh - Punsch machte den Fetzen Jte stets ungewöhnlich zutrau ,,Ja,« antwortete Robert, »ich kam, um meinenVater auszusuchen und mich womöglich mit ihm auszusöhnen.« . Ifder alte Jte schüttelte seinen Glatz vP »Ihr Vater ist ein harter Mann, mein junger Freund; man erzählt sich in der Stadt, daß er damit umgeht, sein Vermögen einem Vetter in Eng land zu vermachen; wir wollen indes sen hossen, daß es nur Gerede ist. Sie haben wohl Jhre Frau nicht mitge bracht — sie, die an dem ganzen Un heil schuld ist?« »Nein,« antwortete Robert kurz. »Seit Adams und Evas Tagen,« rief der Gastwirth mit energischer Be tonung, ,,sind die Weiber die beständi gen Plagegeister der Männer! Sie mißgönnen uns unseren Tabat und unser Gläschen Grog und setzen uns ohne Unterlaß mit ihren scharfen Zun gen zu! Sie gehen doch nicht heute Nacht noch nach Grehlock Woods hin aus?« Der junge Mann wars einen Blick auf die Uhr in der Ecke und erhob sich. »Doch. ich muß mich sofort auf die Beine machen; Sie wissen, es ist ein langer und beschwerlicher Weg.« »So nehmen Sie wenigstens erst noch einen Schluck Brandy, um sich ge- - gen die Kälte zu schützen. —- Merry, hole die schwarze Flasche aus dem Schranke.« m s-»---« se - . Ucl Illilgc Alllllll Ichullcclc Ucll UUPL »Nein, Jke; ich will nüchtern vor meinem Vater erscheinen; seien Sie indessen so gut und lassen Sie ein Bett sür mich hier im Gasthofe bereit hal ten; ich werde wohl schwerlich zu Greis lock Woods übernachten dürfen. Jch bin nicht einmal sicher, ob es mir ge stattet sein wird, den Fuß über die Schwelle zu setzen.« Merch hatte angefangen, den Tisch abzudecken; ihr Gesicht hatte einen steinernen Ausdruck, allein ihre brau nen Hände zitterten. »Ich bin so aufgeregt, wie nur ein Mann in dieser Welt sein kann, Jte,« fuhr Greylock fort, indem er das Geld sür sein Abenddrot auf den Tisch warf. »Es ist möglich, daß ich nicht wieder zurückkehre; ich möchte teine Schulden hinterlassen.« Merm, die die Kasse des Gasthoch führte, strich das Geld ein. »Verlieren Sie den Muth nicht,« er widerte der Gastwirth. »Ihr Vater ist doch kein Fisch; er muß noch etwas Ge sühl im Leibe haben. Sollten Sie je doch kein Unterkommen in Greyloct Woodö erhalten, so werden Sie hier ein gutes, warmes Zimmer bereit sin den; nehmen Sie meine und Merchs besten Wünsche mit auf den Weg.« »Sprich für Dich selbst, Vater — nicht für mich!" sagte das hübsche Mädchen. Wie eine Nachegöttin stand sie da; sie sah ihren einstigen Geliebten gehen Und ries ihm die Worte nach: »Wenn Du über das Marschland gehst, so bleib’ einen Augenblick stehen und gedenke der ctunde, da wir uns dort verabschiedeten!« Robert, der schon im Hausslur war, blickte sich noch einmal um; er sprach kein Wort, verliess den Gasthof und schritt in die kalte, sinstere Nacht hin aus. 5· C a p i t e l. Am Himmel machte der Vollmonr vergebliche Anstrengungen, die grauen Wolkenmassen zu durchbrechen. Es war schon spät, Robert Grehlock mußte daher seine Schritte beschleunigen, wenn er seines Vaters Haus erreichen wollte, ehe die Bewohner im Schlum mer lagen. Der nächste Weg nach Greyloct Woods führte durch die gefrorenen Salzwiesen. Ein solcher Gang um diese Zeit der Nacht hatte sicher nichts Einladendes; allein es blieb dem jun gen Manne teine andere Wahl; die Angelegenheit, die ihn dorthin führte, war dringender Art; er mußte noch einmal in seines Vaters Gesicht blicken, mußte genau wissen, was er von dem eisernen herzen des alten Mannes zu erwarten hatte. » Nur durch wenige Fenster der Häu- i ser von Bladvort schimmerten noch » Lichter in die Nacht hinaus; die mei sten Bewohner des Städtchens zogen sich sriih zur Ruhe zurück. Die Mar schen, die Robert zu durchwandern hatte, dehnten sich vor ihm aus —- eine dunlle, lautlvse und schaurige Oede. Auf der einen Seite gliherte der Salz bach, ein Arm der nahen Bat. Das Leuchtfeuer von Bird Jsland bildete den einzigen hellen Punkt in der un heimlichen Finsterniß. Robert tannte das Terrain sehr ge nau; sein Fuß wanderte ja aus hei mathlicher Haide. hier war es, tvo er die Stunden seiner glücklicheren Tage damit zugebracht hatte, Seevögel zu schießen und Merch von seiner Liebe zu sprechen. Er gedachte der Steue, die sich zwischen ihm und der Tochter des Wirthes zugetragen hatte. .Wer hätte ahnen können, daß das Mädchen sich die Sache so zu Herzen nehmen würdes« murmelte er vor sich hin. »Es ist schon möglich, daß ich ihr die Ehe versprach, obgleich ich mich des - sen nicht erinnere; ich war leichtsinnig genug dazu.« Nach einem tüchtigen Marsche er reichte er das Ende des niedrigen Lan .q; : I des und hatte nun die längst nicht mehr bearbeiteth Salzgruben vor sich-. Das Licht des halbverhiillten Mondes schimmerte auf eine Menge Erdhiigel, verfallene Schuppen und gefrorene Pfützen herab. Eine ziemlich steile An höhe führte zu der Landstraße empor. Jn wenigen Augenblicken hatte Robert die Höhe erklommen und befand sich nun am Saume eines Paries, der von einer hohen steinernen Mauer einge fchlosfen war. Er verlor teine Zeit, nach einer Eingangspforte zu suchen, sondern bediente sich eines Felsbloctes, der dicht neben der Mauer lag, als Stufe zum Ertlettern und befand sich im nächsten Moment im Innern des Bartes. Stattliche Tannen und Fichten stan den in dichten Gruppen umher. Fahr wege und Fußpfade zogen sich nach allen Richtungen hin durch die Anlagen nnd doch war dies nur ein tleinerTheil des herrlichen Erbes, dessen Verlust Robert durch feine Heirath zu beklagen hatte. Auf sorgfältig gepflegten Pfaden eilte er durch den Part, überfchritt eine Brücke, die sich über einen kleinen Bach wölbte, eilte an Treibhäufern vorbei, erstieg einen Rasenhiigel und erblickte endlich mitten im Parte das Haus, eine stilvoll gebaute Villa mit einer hohen Manfarde und einem vier eckigen Thurme. Aus einem der unte ren Fenfter schimmerte ein mattes Licht hervor. »Gott sei Dani!« rief er, als feine Augen den hellen Schein gewahr wur den, ,,er ist noch in der Bibliothet; eri ist noch aufr« l Jm nächsten Augenblick war er an der Tbür und ilingelte heftig. Niemand iamx die Dienerschast hatte sich offenbar schon zur Ruhe begeben. Robert ilingelte noch lauter, und nach einiger Zeit blickte ein freundliche-its ältliches Gesicht in einer Spitzenhaube durch das Guckloch ,,Machen Sie die Thin auf, Mrs. Hoptins,« sagte Robert; »ich bin’s!« Die Alte wankte bestürzt zurück. »Gerechter Himmel!« rief sie, »war es mir doch, als hätte ich dieses Klin geln gekannt! Oh, Herr Robert, was bringt Sie hierher?« Die alte Mrs. Hoptins war seit Roberts Kindheit Haushalterin zu Greylock Woods gewesen. »Ich komme, um meinen Vater zu sprechen; ich weis-» er ist hier und noch nicht im Vette; beeilen Sie sich, ihm meine Ankunft mitzutheiten.« Frau Hoptins erblaßte sichtlich, als sie Roberts Vegehr vernahm. »Oh, das darf ich nicht thun!« ieuchte sie; ,,es würde mich meine Stel lung kosten, Herr Robert; Jhr Vater ist so tvüthend auf Sie —- so wü thend —'« ,,Wo ist Tante Pamela?« unterbrach Robert die Sprechende. »Die ist bereits zu Bett gegangen; j sie hat schreckliche-B Kopfweh!" : »Ich muß meinen Vater sehen, Mrs. Hopkinsx unter diesem Dache werde ich doch keine Umstände machen!« Mit diesen Worten schob er die Frau ans dem Wege und schritt auf eine Thür aus Wallnußholz auf der ande ren Seite des Hausflurs zu. Jm nächsten Moment drehte sich diese in ihren großen messingenen Angeln. ; Das Gemach, das Robert nun be-s trat, war das Bibliothetzimmer. Von ’ der Mitte des mit Fresken geschmück ten Ptafondg hing an einer Kette eine silberne Lampe herab, die ein überaus klares, sanftes Licht verbreitete. An dem Tische unter dieser Lampe saß ein Mann, der die mittleren Jahre bereits hinter sich hatte und dessen kleine Ge: s statt in einem sammtenen Schlafrock! gehüllt war; er war mit Lesen beschäf- » tigt. i Der Besitzer von Greyioa Wooos war einer der elegantesten, zugleich aber auch einer der unzugänglichsten Männer, die man sich deuten kann. Jn seinem Wesen, wie in seinem Geschmack war er durchaus vornehm. Seine Hände waren tlein und weiß; sein strenges und hartes Profil glich dein einer Marmorstatue; seine Lippen wa ren ungewöhnlich dünn; seine grauen Augen hatten den Ausdruck unbeugsa mer Härte. Mr. Greylocl hatte schon ein recht hübsches Vermögen von seinem Vater ererbt. es aber als Bankier durch glück liche Geschäfte noch bedeutend vermehrt. » Gegen Leute, die ihm gleich standen,? war er artig und zuvorlommend, siir alle den niederen Klassen aiigehörenden Menschen jedoch unnahbar. Er war, wie man zu sagen pflegt, ein Mann mit steinernem Herzen, lau in der Freundschaft, schroff in seinen Abnei gungen. Als die Thiir ausging, blickte der alte Herr von seinem Buche aus. Beim Anblick der Gestalt aus der Schwelle schrat er nicht zusammen, er entsärbte sich nicht einmal, sondern legte das Buch aus den Ebenholztisch und rief mit drohender Stimme: »Mrs. Hoptinö!« Allein Mes. Hoplins hatte lein Ver langen, dem loininenden Sturme die Stirn zu bieten; sie erschien nicht. Der Besitzer von Greylock Woods er hob sich von seinem Fauteuil und sah den jungen Mann an der Thiir scharf an, sein einziges Kind« den Sohn sei ner Gattin, die bei der Geburt des Knaben gestorben war. »Was willst Du hier?« fragte er mit einer Stimme, die eisig lalt war. »Eine lurze Unterredung mit mei nein Vater.« antwortete Robert, indem er ruhig eintrat; er näherte sich seinem Vater und reichte ihm die hand. Der alte Herr machte eine abweh rende Gebcrde nnd sagte scharf: »Was Hast Du mir zu sagen? Fasse Dich kurzl« Robert blieb aus der anderen Seite des reich n;it Schnitzwrk verzierten Ti sches stehen; das milde Licht der Hän gelampe fiel auf sein Antlitz und be leuchtete seine abgehärmte Gestalt. Ohne sich durch den stostigen Empfang entmuthigen zu lassen, antwortete er: »Ich will den Osten verlassen, um mein Gliiel zu suchen; ich will nach dem fernen Westen reisen; ist es nicht mög lich, daß wir uns vor meiner Abreise aussöhnen?« Das Gesicht des alten Herrn nahm einen noch härteren Ausdruck an. »Nein!« erwiderte er kurz. . Ein peinliches Schweigen entstand. Robert blickte in dem wohlbekannten, prächtigen Zimmer umher und heftete dann die Augen auf den kostbaren Teppich. »Ich werde es sehr bedauern,« sagte er endlich; »denn wahrscheinlich ist dies das letzte Mal, daß wir uns in diesem Leben sehen; verzeihe mir, Vater, las-, uns in Frieden scheiden!« ,,Vor achtzehn Monaten trafst Du Deine Wahl —- ich sagte Dir damals, daß ich Dir nie verzeihen würde; der Himmel sei mein Zeuge, daß ich es nie thun werdet« - »Ist das nicht zu hart, Vater?« stasumelte der junge Mann. »Du warst mein einziges Kind,« be gann der alte Herr aufs Neue; ,,alle meine Hoffnungen richteten sich aus Dich. Die Greyloets sind ein stolzes Geschlecht; wir haben, wie Du weißt, adeliges Blut in den Adern. Du soll test, wie ich hoffte, die Ehre unseres Namens aufrecht erhalten; mein gan zes Vermögen wäre dereinst Dir zuge fallen. Jeh sparte weder Geld noch Mühe, um Dich fiir die Dir zukom mende gesellschaftliche Stellung zu er ziehen. Du hättest unter den Besten» unseres Landes wählen können, uth Dir eine Gattin zu suchen. Noch halb - ein Junge, verliebft Du Dich, wenn man es so nennen kann, Hals über Kon in eine niedere Bühnen - Creatur — in ein Mädchen, das in Tricots und kurzen Röcken zur Belustigung eine gemischten Auditoriums auf der Bühne tanzt. Von einer ganzen Weis Voll Frauen war dies die einzige, die mein hochgebildeter, hochstrebender Sohn fiir würdig hielt, meine Schwie gertochter zu werden — ein geschwind teH Weib von sehr zweifelhaften: N :fe!« ,,Lieber VI ter,« unterbrach Robert den alten Herrn ruhig, »ich bitte Dich, Deine Bemerkungen und Deine Vor wiirfe nur auf mich zu beschränken, — laß meine Frau bei unserer Untern dung ans- dem Spiel!« Jetzt verlor der alte Herr seine Selbstbeherrschnng und rief wijthend: »Unreifer Bube! Du willst Deinen Vater zurechtweisen, während mir längst bekannt ist, in welchem Einver nehmen Du mit der Ertorenen Deine-: Herzens lebst? Der Wahn war sehr kurz; trage die jyolgen Deiner Hand lungsweise, ich lehne iede’ s« streut wert lichteit ab! Ich habe Dich gexrarnt, ich habe Dich gebeten — aber Alles war vergebens-F »Es ist nutzlos, weiter auf diesen Gegenstand einzunehm, Vate:,« ent gegnete Robert ruhig. »Ich werde we der mit Dir, noch mit sonst Jemandem iiber mein eheliches Leben sprechen. Jch will Niemandem die Verantwort lichkeit siir meine Handlungsweise aus biirden, ich werde die Folgen unter al len Umständen zu tragen wissen!« »So ift’s rechtl« höhnte der Alte; »ich liebe stoische Ergebung in das Un abänderliche.« »Ich tarn heute Abend mit einer dop pelten Absicht nach Greyloet Woods,« begann Robert nach einer kurzen, pein lichen Pause. »Ich wollte Dich wegen des Geschehenen um Verzeihung bitten und um die zu meiner Reise nach Co lorado nöthigen Mittel ersuchen.« »Du bist also nicht gut bei Fiassei« rief der ältere Grehloet mit grausamen-i Hohnr. ,,Womit hast Du Dich denn seit Deiner Verheirathung ernährt?« »Ah und zu habe ich durch Beiträge siir Zeitungen einige Dollars verdient; allein — ich gestehe es im Bewußtsein meiner eigenen Ohnmacht ein — zum » größten Theile hat meine Frau ungj mit ihrem geringen Einkommen er nährt.« »Und Das heirathet!« stieß Herr Greylock zwischen den Zähnen hervor. »Schmachvoll! Du hast auch ein Kind?« »Ja, eine Tochter.« »Bedauerns.swiirdiges Geschöpf! Un ter solchen Verhältnissen soll ein Abs kömmling der Greylocks aufwachsenL Du willst nach dem Westen; gedenkst Du Frau und Kind mitzunehmen ?« »Nein, ich gebe vorerst allein·« Der alte Herr entnahm einen: Schräntchen ein Päckchenz dies seinem Sohne gebend, sagte er: »Hier sind 500 Dollnrs; mach’ einen guten Gebrauch von dem Gelde; er« ist das letzte, das Du von rnir er hälts Robert nahm das Geld und steckte es in die Tasche. »Im Namen Von Frau und Kind danke ich Dir, Vater,« sprach er; »ich hoffe, es wird mir Segen bringen; ins werde, meiner Uebcrzeugung nach, in Stande sein, mir durch eigene Thäsig ieit eine Existenz zu grünt-en Da dieses Haus nicht länger meine Hei-— math ist, so will ich nach »Poole’s Jun« zurückkehren; lssv wohl, mein lieber Vatert« L—— »Verlasse mich!« rics der alte Herr, indem er gebieterisch mit dem Finger aus die Thür wies. »Ich gehe,« erwiderte Robert lang sam; ,,möchtest Du es nie bereuen, daß wir uns auf diese Weise trennten! Leb’ wohl, Vater!« Mit diesen Worten verließ Robert das Zimmer und trat in den Haus flur ein. Jn demselben Augenblick eilte eine weibliche Gestalt in einem weißen Nachtgewande die breite Treppe herab und fiel mit einem Aufschrei in die ausgebreiteten Arme des jungen Man tief-. »Oh, mein lieber Junge!« rief Misz Pamela Greylock. »Die alte Hopkins hat mir gesagt, daß Du hier bist; was » hat Dein Vater zu Dir gesprochen?« ; »Er hat mich aus dem Hause gewie- s sen, Tante,« antwortete Robert, indem s er die kleine, salte Dame zärtlich,um-t armte; »es ist nun Alles vorbei! Jch ( gehe nach Colorado — ich werde Dir schreiben, sobald ich meine neue Hei math erreicht habe.« s ,,Nach Coloradoi Großer Gott! Ro- s bert! Mein lieber, lieber Junge, das ist s ja schrecklich! Warum mußtest Du ge- ; gen seinen Will-en heirathen und all’i dieses Unaliick über uns bringen? Und s wo ist Dein kleines Töchterehen? Wie; mich danach verlangt, das Kind zu se- I ben! Jch liebe es jetzt schon. Komm, er- ! zähle mir von ihr!« l »Ich kann nicht Tante!« rief Robert « schmerzlich erregt. »Laß mich gehen —I ich muß fort —— lebe wohl, liebe, gute ’ Tante; Gott segne Dich!« s Er riß sich aus ihren Armen, öffnete J die Hausthür und verschwand in der finstern, kalten Nacht, Noch einen letzten Blick wars er zu- ! rück aus die vom Licht erhellt-en Fenster des Bibliothelzimmers: dann schritt er schweren Herzens den mit Tannen und » Fichten eingesäumten Hauptweg hin-; ab, der Landstraße zu. Die Stadtuhr von Blackport schlug elf, als Robert die Allee hinabschritt, die ihm in dieser Nacht kein Ende zu haben dünlte; er beabsichtigte, in Pooles Gasthof zu übernachten und mit dem Morgenzug nach New York zurückkehren. Der Mond mühte sich noch vergeblich ab, die grauen Wolken massen zu durchdringen, und warf nur aus Augenblicke ein mattes, gespensti ges Licht über den großen Part. Eine eiserne Psorte führte von der Tannen - Allee nach der Landstraße. Als Robert sich mit raschen Schrit ten dieser Pforte näherte, gewahrte er deutlich eine menschliche Gestalt, die in lauernder Haltung neben der Thür stand. Der von einem Schlepphut be deckte Kops reichte bis lZum oberen Ende des nur mäßig hohen Thiirpsosteng; der übrige Theil deksiörperss Verlor sich im Schatten. Robert siihlte sich unwill kürlich etwas betroffen und machte Halt. Jn demselbtri Augenblick ent deckte die Gestalt seine Annälzerung und sprang auf. »Wer da"?!« rief Robert. Fieine Antwort erfolate. »Wer seid Ihr, und was wollt Jhr von mir?« sprach Robert mit lauter Stimme. Das Gesicht ihm zugewandt, alle-n oöllig vom Schatten und der Dunkel heit verhüllt, stand der Fremde einen Augenblick still, als wäre er unschliis » sig, ob er antworten sollte oder nicht« I Dann verschwand die Gestalt plötzlich, als ob die Erde sie verschlungen hätte. Robert eilte jetzt auf die Pforte zu; er blickte umher und lauschte, sah und hörte aber nichts. »Sonderbar!« sagte er mit einem Achselzuclen. ,,Sicher ha ben meine Augen mich nicht getäuscht. Wer mochte wohl der späte Wanderer sein, der um diese Stunde der Nacht, E am Eingang des Bartes auf der Lauer stand? Vielleicht ein Anbeter einer der Küchenmägde.« Er trat aus die Land straße hinaus; sie war einsam und menschenleer. «.,-.- « Ulll Wlllo cllsUU slU), UND TO Wllkoc von Minute zu Minute später. Das tiefe Schweigen, das aus der Land straße herrschte, trug nicht wenig dazu bei, die Niedergeschlagenheit des nächt lichenWanderers zu vermehren; er griff mit der Hand nach der Vrusttasche und iiberzeugte sich, daß sie noch da waren, die fünfhundert Dollars, das letzte Ge schenk seines Vaters. Ohne auch nur noch einen einzigen Blick nach der Heimath seiner Kindheit und Jugend zurückzuwerfen, schlug er - den Weg nach dem Gasthof ein. Die Aussicht, wiederum mit Mercy zusam menzukommen, war ihm unangenehm; : allein er mußte sich daraus gefaßt ma- « chen: vielleicht hatte sie sich schon zur Ruhe begeben, ehe er den Gasthof er reichte. Jetzt verließ er die Landstraße, um den Weg einzuschlagen, der an den Salzgruben vorbei und über die Mar schen führte. Plötzlich vernahm er ge dämpste Fnßtritte hinter sich. Zu jeder Zeit und an jedem Orte hat der Gedanke, einen Verfolger imRijcken zu haben, etwas überaus Unangeneh mes; in dieser Stunde der Nacht aber, und in seinem gegenwärtigen aufge regten Zustande fand Robert diesen Argwohn doppelt unerträglich; er drehte sich daher rasch um und rief abgemals mit lauter Stimme: »Wer das.« Kein Laut ließ sich vernehmen. Was war mit dem sonst so muthigen und unverzagten Robert vorgegangen, daß er sich auf feinem mitternächtlichen Wege über das wohlbekannte Terrain so vielen trüben Gedanken und Ah nungen hingab? Jn der Ferne flackerie das Leuchtseuer von Bird J land, hin und wieder drang der dumpfe Wellen fchlag des Meeres an sein Ohr. Jetzt hatte er einen alten, verfallenen Schup pen erreicht. Er mußte mit Vorsicht set nen Weg durch den Schutt der verlasse nen Salzgruben suchen. Wiederum vernahm er Fußtritte hinter sich —- oder war es nur dasEcho seiner eigenen Tritte? Jndem er sich umwandte, glitt sein Fuß auf einem gefrorenen Salztiimpel aus, und ehe er sich wieder völlig erhoben hatte, trat eine menschliche Gestalt aus demSchat ten des verfallenen Schuppenö hervor und versperrte ihm den Weg. ,,Halt!« rief ihm der Fremde zu. Da das Licht hier ziemlich günstig war und die Entfernung zwischen ihm und dem Anderen nur einige Fuß be trug, so vermochte Robert das Gesicht seines Verfolgers deutlich zu sehen. Mit größter Bestiirzung erkannte et die Züge, die der Schlapphut nur halb verhüllte; er trat einen Schritt zurück. »Um Gotteswillen, was-i« rief et aus. Allein er vermochte den Satz nichtszu vollenden; ein Blitz, ein Knall, Robert Greylock stürzte nieder und fiel mit dem Gesicht auf die Erde. —- — Lauter ertönte der Wellenschlag des Meeres an dem Strande; lauter stöhnte der Wind über die Salzwiesen. Die Lichter in der Villa von Greylock Woods waren insgesammt erloschen; sämmtliche Mitglieder derFamilie hat ten sich zur Ruhe begeben, der Voll mond erkämpfte einen Sieg über die Wolkenmassen. Er schien nun hell und länzend auf die schweigende Land schaft hinab. Er schien hernieder auf den schmalen Fußpfad auf die Mar schen, auf die alten Salzgruben und auf Robert Greylock, der todt auf dem gefrorenen Grunde im Schatten eines verfallenen Schuppens lag. ö. te- a p 1 r e 1 Jte Poole stand im Morgensonnews scheine am Fenster seines Wirthszim mers und blickte auf die langweilige Hauptstraße von Blackport hinaus. Plötzlich rollte eine prächtige Kutsche am Gasthofe vorüber, ein farbigerKut scher in Livröe saß auf dem Bock, und ein bleicher, eleganter Herr, in kostbare Pelze eingehiillt, ruhte auf den üppigen Polstern Beim Anblick dieses Mannes dämmerte ein Gedanke in Jtes Geist auf. »Meiner Treu, Macht« rief er, »Robert Greylock ist gestern nicht mehr zurückgekommen.« Mercy, die ihre Aermel bis über die Ellbogen aufgestiilpt hatte und eine große Arbeitsschiirze trug, war eben J damit beschäftigt, den Schanktisch zu reinigen nnd die äußerst sauberenGlä ser auf ihm zu ordnen. Ohne von ihrer Arbeit aufzublickem sagte sie: »Hast » Du dies jetzt erst wahrgenommen, Va ter? Was frage ich aber auch, Du warst ja gestern Abend. als Du in Dein Zim mer hinauftaumeltest, so schwer im :"»iopfe, daß Du nicht wußtest, wer im Hause war oder wer nicht.« »Ich gestehe, ich habe meine Schwä chen, Mercy,« sagte der alte Jke klein laut; ,,allein Du, meine eigene Tochter, solltest nicht so hart aegen mich sein. Es freut mich herzlich, daß Robert in seines Vaters Haus ein Unterkommen gefunden hat« Dort fährt der Alte hin, stolz wie ein Lord und steif wie eine Tonne. Die Leute von Blactport konn ten ihn nie leiden und werden es auch nie. Nun, es ist gut, daß er sich endlich doch mit seinem Sohne ausgesöhnt hat. « Junge Leute sehen nicht mit den Augen der Alten, und was mich anbelangt, so sage ich rund heraus, daß jeder junge Mann in diesem freien Lande das Recht hat, sich nach eigenem Geschmack ein Weib zu wählen « Merch verließ ihre Gläser; sie trat zu ihrem Vater heran und blickte über-« seine Schulter der davon rollenden Equipage nach »Ja « sagte sic« »si müssen sich ausgesöhnt haben, sonst xväre er schon lange wieder hier gewe en »Hast Du gestern Nacht auf ihn g» wartet, Mercy?« »Ich habe aus ihm gewartet.« »Du hast große Stücke auf Robert gehalten, und er aus Dichsf sagte Jke; »ich hoffe, er wird sein Weib und sein Kind nach den Woods kommen lassen, Und diese einsame Gegend etwas leben diger machen; er versteht es ja, Geld unter die Leute zu bringen!« Das dunkle Gesicht des Mädchens wurde aschgrau. »Du sprichst thöricht!'« rief sie, indem sie von ihrem Vater weg trat. Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Natürlich wird er sein Weib und sein Kind hierher bringen, warum nicht? Meinst Du, daß mir etwas da ran gelegen sei? Ich hätte indessen nicht gedacht, daß es so kommen würde; ich hätte nicht geglaubt, daß sein Vater so schnell bereit gewesen wäre, ihm zu ver geben; man hält den Alten für einen hartherzigen Mann.« »Deiner Rede nach sollte man mei nen, daß es Dir leid wäre, daß das Herz des Alten sich von den Bitten des Sohnes erweichen ließ.« Mercys Wangen särbten sich mit tie ser Röthex sie legte ihre Hand aus des BatersSchulter und sagte: »Ich glaube an die Aussöhnung nicht recht, denn hätte er seinen Sohn wieder zu Gnaden ausgenommen, so hätte er ihn diesen Morgen mit aussahren lassen, er hätte dadurch am Besten den Leuten von Blackport zeigen können, daß die Ver söhnung zwischen Vater und Kind vollständig sei.« (Fortsetzung folgt.) — Uebereinstimmung. — Dichterling: »Ich fürchte, Sie werden meine Gedichte in den Papierkorb wer sen.« — Redacteur: ,,Ossen gestanden, ich stivchte es auch.«