Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, April 30, 1897, Sonntags-Blatt., Image 12

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    Das Dreigeliinis
Kemsn m sang a. spie-M.
(Fostseiung—)
Wieder und wieder iiberfleg Stets
ten den merkwürdigen Brief. Er
tonnTe nicht in Zweifel sein« we: der
Absender war. Also nicht nur für
ihre eigenen, nicht nur für die Zwecke
ter politischen Patrioten wollte Sophie
Potocka Einsicht in die Akten nehmen,
sie wollte sie auch dem ränkevollen Di
plomatien zur Verfügung stellen, dem
Fürsten von Benevent, der überall, wo
es sich nur ermöglichen ließ, den Jn
ieressen Preußen’s zuwiderhandelitel
Die Schamröthe stieg dem jungen
Tdanne in’s Gesicht. Wie leichtgläubig
harte er sich bethören lassen! Jetzt
war es ja keinem Zweifel mehr unter
worfen: all die leidenschaftlichen
Liebesbetheuerungen der Gräfin waren
nur schnöde Lügen; nur die Mittel ge
wesen« unn ihn zur Pflichtvergessesnheic
zu bewegen, ihn in das Verderben zu
reißen!
Jn der ersten überschäumenden Ent
rüstung hatte Stetien nistt übel Luft.
den Brief an Sophie Potocta mit »dem
kurzen vernichtenden Bemerk, daß er
ihn gelesen, zurückzusendem Aber
dann siegte doch die mhigere Ueberte
gwng: wes-halb sollte er solche unver
gleichliche Waffe aus der Hand sieme
W die Politi, erfuhr Talleyrand
jetzt »W, daß die Uebereirrftirmnnng
ihrer Pläne zur Kenntniß gelangt fei,
so trafen sie sicher ihre Gegenmaß
regeln. Rein, das Billet mußte sein
Geheimniß bleiben, ein kostbarer Ge
beinen-iß das ihm einl gütiger W
anvertraut hatte.
Und vor Allein: war es denn nun
noch ein Zweifel, daß die KomiesseSa
nigriy-Perigord und Lcmäson de Ver
nier ein und dieselbe Person wars —
Schien sie nicht selbst sich dem Qheim
gegenüber verrathen zu haben? Und
hatte sie nicht augenscheinlich in irgend
einer Weise für ihn Partei ergriffen?
Tcs Herz Simon-s war noch so
kosten-d und weh, der Druck, der auf ihrn
las-stete. war so start, daß das innige
Ente-finden daß er einst Loirison ent
gegengebracht hatte, in dieser Stunde
keinen Raum ins seiner Seele fand.
Wohl aber zog ein herzliches Gefühl
dankbaren Mitleids in seine Brust ein:
welche seltsamen Verhältnisse mußten
aufs das arme Mädchen eingewsirtt ha
ben, sdaß sie sich heute als die Nichte
dessekden Mannes ausgeben ließ, den
sie non-d ihre Mutter vor lauen Jahres
frist als ihren ärgsien Feind und Wi
dersacher angesehen hatten! Welche
geheimnißvollen Beziehungen spannen
sich zwischen den drei Menschen, die so
verschieden an Herzensbildung waren?
Und während Kurt sawn und sann,
stieg der Gedanke in ihm auf, sdasz er
dies Geheimniß ergründen müsse, rang
sich in ihm die Ueberzeirgng -durch.
daß er berufen und verpflichtet sei«
dem jungen Mädchen s ein-e Hilfe, s eine
Unterstützung wenigstens anzubieten
Ja, das wollte er thun, an ihr war’k
dann-» sich zu entscheiden, ob sie die
dargebotene Hand annehmen oder zu
rück-weisen wollte.
Wie aver Inn der Komtesse nähern?
Sieiten war kein Freund davon,
ein-mal gesaßte Pläne aus Die Lange
Bank zu schieben. Er wollte Lorcison,
wenn irgend möglich, heute schen spre
che-r« er wollte ihr gegenüber offen sein,
ihr mirfheilem daß er Kenntniß von
ein-ern Briese TaIIeyrand’s habe, der
auch ihre Person treffen. Er mußte
Klarheit haben, ehe Edie Gräsisn das
junge Mädchen besuchte. Und der ge
rade Wieg schien der beste, er mußie
wenigstens versucht werden. So fuhr
er den-n zur Besuchszeit nach dem Pa
laste des Fürsten von- Benevirrt und
ließ Fxsh bei »der Komtesse melden
Aber man schien hier ganz Gestirn-knien
Weis-argen zu» folgen: er wurde nicht
angenvmrnen, die Tarni-esse sei seit
einige-n Tagen leidend, hieß es.
Der gern-de Weg hatte versagt-jetzt
mußte die List zum Ziele führen! Ver
gebens jedoch zwgriisbelie sich Stetten
den Kopf- wie er Lerci-sen eine Nach
richt zukommen lassen könnte.
Mißmut-hig schlenderte er seiner
Wohnung wieder zu, als ihn ein jun
ges, koleit gekleidete-s Mädchen so
scharf fixiere, daß er annehmen mußte,
sie ten-ne ihn. Als er dann mit einer
Leicht-en Verlegenheit gar grüßie, emi
samr er sieh des hübschen Gesichis mit
dem kecke-n Stunrpsnäschen. Es war
die Kammer-starr Sophiens, die er ge
stern zu der Gräsin gerufen. litt-will
kürkich blieb er stehen unsd erkundigte
steh Isitich nach idem Besinden siersel
exi.
Das Mädchen schien Aehnliches er
warte-i Fu haben. Sie gab-bereitwillig
Auskunft. Ihre Gebieterin habe sich
erholt, sei freilich noch sehr erregt,
woce indessen ronbedingt morgen in
aller Frühe abreisen. Sie sei nur in
« die Stabe geschickt worden, unt an
.- i- Såexie der ver-brannten Teils-Umgegen
siisinkr einiges unentbehrliche für die
Reife H besorgen, sie solle außerdem
einen Lsries nach dem Palast des Für
sirn vers Benevent bringen, in dem die
gnädtgste Gräsin der Komtesse wohl
ihre bevorstehende Abreise mittheilte.
Es mache »dem latet-ten Dinge augen
scheinlich Vergnügen, mit dem schmu
cken preußischen Ossizier auf offener
Straße ein längeres Gespräch zu ha
ben.
War das nicht ein Wint Ides Schick
sals? Durste Kurt diese vielleicht nie
wiederkehrende Gelegenheit unbenutzt
vorüber-gehen lassen? —- Nimmermehrt
Er bat die Kleine, einen Augenblick
zu warten, trat in den nächsten Blu
menladen und kaufte ein Vouquei. ließ
sich dann Tinte und Feder geben wird
warf Folgendes aus sdas Papier:
»Ja Erinnerung an einige unver
gessene Stunden in der Gartenvilla
des Marauis Routillier flehe sich Loui
son de Vernier um eine Unterredung
an. Jeb harre in meiner« Wohnung
am Ring 7, auf eine Antwort.
Kurt v. Stetten.'«
Er überlass- das Billet noch einmal,
tniffte es zusammen und verbarg es
trnter den dustensden Blüthen so, daß
es bei einiger Aufmerksamkeit gefun
den werden« muß-te. Dann ließ er den
Strauß sorgfältig entwickeln, damit
der Ueberbringerin das Zettelchen
nicht selbst in die Hand fiele, und trat
wieder aus die Straße.
Die Zofe wartete wirklich noch.
T, »Hier mein Kind-— er ließ ein
Goidstiick in die Hand des Mädchens
jgleiten——« nehmenSie, bitte, auch diese
EBlumen an die Komtesse mit. Jch
möchte aber nicht, daß man weiß, daß
sie von mir send Sie verstehen mich
wohl —"
»Gewiß, gnädiger herrl« lächelte
das Mädchen verschmißL »Der gnä
dige herr können sich ganz aus mich
verlassen Ich weiß ja auch, daß Euer
Gnaden gestern Nacht meine gute
herrtn aus den Flammen getragen ha
ben, da rhäte ich schon ein Uebriges
auch ohne Lobn.«
Stetten til-erkenn doch ern-sites Be
denken, als er, in seine Wohnung zu
rückgekehrt sich seinen getvagtenSchritt
noch ein-mal überlegte. Wie leicht
konnten seine Zeilen einem Uns-emsi
«nen in die Hände sallsni Vielleicht gar
Talleyrand selbst! Wie nahe lag die
:Ge(fahr, daß Toinette dieKammerfrau
Eber Gräfin, dieser irgend eine Mit
theilung von der Begegnung mit ihn
3,machte daß Sophie dann den ganzen
Zusammenhang errieth. Wie aber
mochte Louison seine Zeilen au--sneb
imen, selbst wen-n sie diesele richtig
erhielt? Sie roar bisher so fremd und
kalt an ihm vor-übergegangen —- viel
!leich-t, daß sie auch jetzt isn seiner Bitte
inichts als den unbescheidenen Versuch
seiner Annäherung erblickte, den zurück
lzuweisen sie sich für ver pflichtet halten
;mochte! Aber Die Kugel war einma
Hin s Rolle-n gekommen, eJ blieb nichts
v«iibrig, als das Weitere abzuwart en.
; Die Abenddämmerung brach herein
;die fri.she Dämmerung des Januar
abends. Gequ die Fensterscheiben
.r:eselte Der Schnee in großen Flocken
aus den Straßen waren die wenigen
zLater on, deren sich Wien damals er
Hfreute, bereits angezirndet worden
Kurt o. Stetten hatte sich die Lamp
Zauf seinen Schreibtisch stellen lassen
Funsd wollte an Jakobaa schreiben, ei
;,hofste seinen erregten Jedanten da
kmtt eine Ablentung zu schaffe«
. Kaum aber hatte er einige. Zei! en
geschrieben, so klopfte der Diener an
jdie Thür und meldete, daß eine Dame
Ideg Herrn Hauptmann zu sprechen be
Ictt kk
Sterten sprang auf.
»Ich lasse bitten, einzutretenk«
Jm Thürrahmen erschien eine ver
Hschleierte gebeugte Gestalt, eine ältere
kFrau ohne Zweifel.
; »Womit tann ich Idienen?» fragte
s Stetten erwartungsvoll.
« DieFrau schlug den Schieier zurück«
EEin runzeliges, gutes Greismgesecht
xkam zum Vorschein Wo hatte Kurt
znur dieses Antlitz mit Wem gutmüthk
Egen Ausdruck in den braunen, etwas
scheuen Augen schon gesehen?
" »Sie kennen mich nicht mehr, Mon
sieur de Stetten?« sragte sie mit kei
Ssem, trübern Lächeln.
II Ah! Jetzt wußte er mit einem Mal,
jwo er das Gesicht unterzubringen
khattr. »Madeleine, Modelline, Sie sind
Fes? Sie bringen mir eine Nachricht
tvon Ihrer jungen Herrin? Sie fmtd
Isbei Louison?« über-stürzten sich seine
;Fragen.
! Die alte Dienerin Madame de Ver
sniercs aus der Rue Honore nickte be
"jal;-entd. «Wdemoisell"e hat Jhre Zei
zlen erhalten. Monsieur de Stetten,
Fund will Sie sprechen! Können- Sie
intir folgen?«
i «Selbstverstsändlich, sofort! Ber
! seiden Sie nur einen Augenblick, ich
Eben in wenigen Minuten dereit.«
i Eine Viertelstunde später saßen
jStettens und die alte Frau sich in einem
cMietthstvagen gegenüber nnd rollten
sdurch eine Reihe kleiner Gassen und
ZGäßchen Alt-Wiens ihrem Ziele zu.
iLebkyaft stieg in Steuerfis- Geist die
Erinnerung an eine ansdere Fahrt, die
er auch an der Seite der Greisin gr
macht, empor. Fast ein Jahr war ver
gangen- seit jenen Tagen in Paris, da
er zuerst Losnison sah, ein erieigniß
reiches, wechselwlles Jahr! Und wie
der fuhr er zu ihr, wieder, wie daman
und doch unter so ganz anderen Ver
hältnissen Wieder durfte er sie nur
im tiefsten Geheimniß sehn-, und wie
der war der Feind, der zur Beobach- i
tung aller dieser Vorsichtsnraßregelnl
zwang, Talleyrantd —- er in dessen ei- i
lgenem Palaiö er doch seht Lcyirisond
aufsuchen sollte. l
Der Wagen hielt vor einem hinter: :
hause May-reine führte idem Be-!
Hgleiter durch einige dunkleGiinge, über «
einen Dos, dann sdie Hinterstiege eines
zweiten Hcmses hinan —— endlich öff
nete sie eine Thüre.
» Kurt stand var Lou? son
- Das schöne Mädchen sah sehr bleich
aus, der Wiederschein durchtvachter
ENächte lag auf ihrem Antlih ein tie
Eser Kummer sprach aus ihren A
eme so beredte Sprache, daß der O i
xzier von innigem Mitleid erfüllt
Uwurde Sie hatte schwer, unsagbat
ischwer gelitten das konnte ihm auch
.das flüchtige sreudige Aivsleuchten, das
gsich einen kurzen Moment über ihr
Antlitz breitete, nicht verbergen. Und
jes war wirklich nirr ein ganz flüchtiges
sAuslactern neu erwacht-er Hoffnung
denn gleich daran schlug sie die Hän
de vor das Gesicht, und unter Anf
«schluchzeri stieß sie hervor: »Was müs
jsen Sie von mir denken, Here v. Stet
!ten! Was müssen Sie von mir den
ten?«
Z »Nu: das Eine lassen Sie mich
TLJhneei sagen, Fräulein Louison, daß
ich Ihnen gern mit Rath W That
Fbeistehen mdchte, wen-n Sie es mir ge
Ostatten wollen,« entgegneteKurt warm
. Die schlichte Jnnigteit seiner Worte
schien tder Korntesse wohl zu thun. »O
Herr v. Stett-n, Sie ahren ja nicht,
was mich die Verstellung zu der ich
auch beren gegenüber in den lehten
Wochen gezwungen war, innerlich ge
kostet hat, wie schwer ich an der Maske
trug, die das Verhältnis mir aus
nöthigtt Seit jenem Abend irr der
Haft-arg, an dem ich Ihnen- in Wien
zum ersten Male begegnete, habe ich
unausgesth mit mir cr.g::-ir«rrgien. mich
Ihren zu offenbar-n ich durfte ja
nicht. Und auch heute als Ihr Blu
mengrieß mir sagte, daß Sie troh Al
lem und Allem mich nicht vergessen,
auch heute hätte ich nicht gewagt, Sie
.zu mir zu bitten, wenn ich nicht die
iVewflichtung gefühlt hätte, Sie zu
»warnen. Man hat Böses rnit Jhnesn
!vor, Herr v. Stetten, man will —
? »Man wollte mich zu einer Untreue
Everleiterh Louison aber man hat salsch
sfigerechnet Der Angrisf ist abgeschla
jgen Abe ich danke Ihren, ich danke
;·Ji;r:ren innig siir die Theilnahme, die
Sie mir erwiesen.«
i Sie schaute ihn fragend an, und er
Eberichietr kurz, mit möglichster Scho
»nung fiir die Griisirr Potocka, die Er
Heignisse des gestrige-n Abends. Loui
.son athmete sichtbar erleichtert aus, als
«er geendet; er aber fuhr fort: »Nicht
« Von mir soll nun weiter die Rede sein.
zVon Ihnen lassen Sie uns sprechen!
ÄJch fikhlh daß Sie leiden, und das
greift mir ins Herz! Louison, wenn
Sie eines Freundes-, eines Beratherg
The-dürfen, vergessen Sie nicht, wag ich
»einst Ihnen untd Jhrer Frau Mutter
in Paris sagte: ich wäre glücklich,
wenn ich Jhnen nützen, Jhnen helfen
tönnte!'«
»Mir nelren k« iacyelte jie triibe und
-schwermiithig. »Mir kann Niemand
helfen -—-— Niemand! Jch muß meine
Ketten weiter schleppen, bis sie mich
ermüden, uwd daß ich sie lächelnd tra
gen muß, das ist sdas«Schwerste!«
. »Ein ebrliches Wollen vermag viel
Louifon Und ich bringe Jhnen solch«
;e"men ehrlichen Willen entgegen ——-—wei
»Zer Sie ihn nicht wrück!«
Sie fchiitielte das schöne Haupt.
f,,S-ie meinen es gut, herr- v. Stetten,
;ich weiß es wohl, ich habe es schon
, damals gewußt, als Sie in Paris bei
jung waren unld uns so hochberzig
jJshren Beistand anboten. Es ist da
Hmals schwer genug siir uns gewesen,
ohne Ihnen Nachricht zukommen lassen
lzu tön-nen——weiß ich doch nicht einmal,
iob skie wenigen Zeilen, die ich in der
inle unseres Aufbruchs fiir Sie hin
;terließ, in Jhre Hände gelangten.«
s »Dort-, sdoch3« betheuerte er. »Und
ich sah Sie ja noch einmal amBord der
HFelultr. bei der Abfahrt aus dem Ha
xsen von Touloni«
T «Wirllich? So habe ich mich doch
Fnicht getäuscht? Sie standen aus dem
zBerdeck eines englischen Kriegsschifer
;——ich glaubt, Jchee Stimme iiber die
vKlingen zu mir herüberdringen zu hö
ren!" Das Antlitz Louison’s siirbte
sich in höherem Noth bei ster Erinne
rung. »Wie merkwürdig das Leben
die Menschen doch immer wieder zu
sammenfübrt,· ergänzte sie leise
«Und sollte es nicht ein gutes Vor
zeichen für uns sein, das dem so ists
Schenken Sie mir Ihr Vertrauen,
Louisonl Lassen Sie mich wenigstens
glauben, daß Sie mich rufen werden,
wewn Sie meinen bedürfen!«
«Mein Vertrauen haben Sie unbe
dingt. O, ich wiirde mich wohl glück
lich schätzen, wenn ich einmal meian
erleichtern, mich einmal ganz offen
aussprechen dürfte —--- aber es kann ja
nicht sein!«
»Und warum tann es nicht fein?
Sie wissen, mich treibt keine leicht
fertig-e Neugier-, mich treibt keinerlei
Nebenabsicht, sondern nur der innige
Wunsch, mich lenen dienstbar erwei-s
Fsen Zu dürfen-! Betrachten Sie mich
fals einen Bruder-, der gekommen ist,s
Ihnen zur Seite zu steh-eitl« »
I Das junge Mädchen senkte dass
Haupt, eine Jluth vonGesdanken schiens
durch ihren Sinn zu rauschen, und es
währte geraume Zeit, ehe sie sich zu ei
nemEntschluß hindurchgerimgen hatte.
Dann aber schlug sie die Augen nus
tin-d sagte ruhig und fest: »Ja, es sitt
am besten fo, ich muß mich ausspre
chen, ich kann nll’ das Schwere, das
auf mir lafkst, nicht allein tragen.«
Sie deutete auf einen Sessel. »Neh
men Sie Plag, Herr v. Stetten, ich
will dem vollen Vertrauen, das ich zu
Ihnen hege, auch dadurch Ausdruck
geben daß ich Ihnen meine Lebensge
schichte erzählek Sie lehnte sich in
den Sessel zurück und schien ihre Ge
danken zu ordnen. Mit dem Auss
druck gefpnnnter Erwartung sah er ihr
in das erregte Antlitz, dessen Blässe
mehr und mehr einer tieferen Färbung
Platz machte.
»Ich bin nicht die Nicht Fallen
rand’s, begann sie leise, fast·schiich
tern. »Aber ich bin teine Abenteure
rin wofür Sie mich nach diesem Ge
ftändniß vielleicht halten möchten Der
Name, den ich führe steht mir zu. ich
bin-die Tochter des Fürsten von Be
nevanti Während der Revolutivn
Ihntte sich mein Vater der Bewegung
Iangeschlossem er legte seine geistlichen
Würden nieder Damit hielt er sich
Iausch feines Priestereides für entbun
Zdein Jm Jahre 1792 lernte er sdann
Jnveine Mutter kennen, die Viromteffe
«Ln-bourid, die Schwester des- tapferen
Mannes, den Sie auch tannten Jch
habe später mit blutendem Herzen ge
hört, wie meine Mutter dein Manne
ihrer Wahl nur nach schweren Mini
vfen gegen ihre Verwandten die band
reichen darfst-e, daß mein Vater die
Einwngng sich ersinnt-g indem er
Alle. die meiner Mutter nahe standen,
durch seinen Einfluß aus die Macht
haber von Paris in Schrecken feste
und einfchüchterte. Er muß sie sehr
geliebt haben, meine Mutter, die ich
nie gekannt — ei ist vielleicht ldie ein
zige Person gewesen. der sein herz
je gehörte. Als ich geboren ward,
starb meine Mutter.
Dann same-i die Wirken, die mit
dein Sturz Nobespierre’s verknüpft
waren, mein Vater entfloh nach Eng
land, ich wurde der Pflege unsd Erzie
;hung Madame deBernier’s übergeben
Edie eine Freundin meiner armen Mut
Zier gewesen war· Sie ist mir eine
izweite Mutter geworden. Jhr Herr
von Stetten, gehört auch mein ganzes
Iherz, all« meine Dankbarkeit Wie sie
jahrelang als meine Mutter galt, so
Ihabe ichffe sekbst lange Jahre für mei
zne Mutter gehalten.
Aber ich muß kurz sein. Als Tal
Jemand —— als mein Vater aus der
ZVerbanrnung zurückkehrte, bereitete sich
kein gänzlicher Umschwung der Dinge
vor Die Revolutivn hatte abgewirth
fIchafret, Frnnireich sehnte sich nach
ruhigen Verhältnissen Die Kirche
harte ihre Macht wiedergewonnen, und
lmein Vater hielt es daher für klug,
feine Ehe zu verheimlichen. Sie war
«in den unruhigen Tagen der Hvchfluth
der Revoluti on geschlossen schwere
Stürme waren inzwischen über Frank
weich hingebraust die Register waren
zunregelmäszig geführt worden, waren
jzum Theil vernichtet. Die meisten sdei
Jnäheren Bekannten meines Vaters wa
Iren auf der Guillotine verblutet, oder
sie hüteten sich koch, von der Bergan
genheit zu sprechen. Das war begra
Hut-en und vergessen
um zzahrzeonr verging, ich verblieb
idie Tochter meiner treuen Pslegemuti
iter, blieb Louifon de Vernier. Dann
Iaber änderte sich die Lage. Mein Vo
;ter war inzwischen zu hohen Rang
Hund Würden emporgestiegen, er hatte
Hals einer der Ersten ibie gewaltige
sPersiinlichkeit sdes ersten Konsuls und
Pier diesem, idem General Bonaparte,
jden Mann ertanni, der berufen war,
fan die Spitze Frankreichs zu treten.
jEr hatte sich dem neu aufgehenden
.Gesrirn unbedingt angeschlossen unsd
,tvar von ihm mit Gold usnd Ehren
überhäuft worden.
z · Jetzt erinnerte sich der alte Mann
kpliiylich seines so lange vergessene-n
Heini-es uwb nun begann ein verzwei
ifelter Kampf meiner Pslegemutter ge
gen feine Ansprüche Sie hatte mich
Ein ein kleines entlegenes Kloster in den
iArdennen gebracht, sdort gelang es ihr,
imich jahrelang vor seinen Spähern
sverborgesn zu halten. Sie warf sich
idem Kaiser zu Füßen, und Dank ihrer
Falten Beziehungen zu ihm, breitete er
Iseine fchiitzesnde Hand über sie und
smich. Jch blieb Louison te Vernierl
iMeine Pflegemutter muß schwer-wie
gen-de Grünide gehabt habet-, mich von
meinem Vater fern zu halten« Gründe,
über die sie sich nie aussprach, die ich
auch jeht nur sit-m Theil kenne und
verstehe, aber sie hat mir Talleyranld
bis vor wenigen Monaten stets als
unseren gemeinsammFeind geschildert
,Ob»unb inwiefern bie entschiedene
Theilnahme des Kaisers siir ihre
Wünsche zu der sich stetig steigernde-i
Entsremsrung zwischen ihm und mei
nem Vater beigetragen hat, weiß ich
nicht, jedenfalls griff er erst zu ent
schiedenen Maßregeln, als der Kaiser
vor Jahresfrist aus seiner stolzen Höh-e
herabsanL Jch war bis zusm Winter
vorigen Jahres im Kloster geblieben;
bei der Anna-herang; der berbiindetiu
Heere holte mich meine Pslegemutster
von dort ab und ging mit mir nach
Paris. Dort nun fah mich Tallevs
rano, sah mich mein Vater in der
Notre Dame : Kirche, und von diesen
i
i
Aug-notice ca We et alle Hebel iu’
Bewegung, mich zu sich in sein Haus!
zu bekommen. Vielleicht hätte Mai-Z
dame de Ver-nier, so sagte sie mirs
wenigstens später, damals ringen-il-I
ligt, wenn er mich als seine Tochter«
oolllommen anerkannt hätte. Abers
das witerstrehte feine-n Absichten, er!
wollte mich nur als seine Nichte zu sich j
nehmen« nicht anders! J
Dann tam der Sturz des Kaisers. «
Mein Vater, der seit langer Zeit mit
den Bourbonen unterhandelt hatte, er- z
langte eine vollkommene Machtfiille
in Frankreich, zumal er auch mit den
Alliirten vortrefflich sich zu stellen
wußte.
« Das waren die Tage, in denen Sie
Fmich kennen lernten -«- Tage namenlo
kser Angst und Sorge für meine theure
EPflegemuttert Sie wissen, wie es uns
Hdsann gelang, endlich genügende Pa
iviere zur Flucht aus Paris zu erhal
ten; daß uns in letzter Stunde ein
EVertrauter des Kaisers, Monsieur «-de
Ehaboulon vor einer neuen Gefahr
bewahrte, daß wir unter mannigfa
chen Schwierigkeiten, schließlich unter
einer Verkleidung nach Ell-a entta:
men!«
»Noch Elba!« unterbrach sie Stet
«ten, »alfo doch snach Ell-at Ich ahnte
Tes!«'
Z »Noch einmal waren uns glückliche,
zufriedene Tage auf dem kleinen Ei
land beschieden, für mich nur getrübt
ldurch mannigfache Reisen, die meine
Pflegemutter in dem Auftrag des
Kaisers nach Frankreich unternahm.
—Dann aber erfolgte die Katastrophe.
O, Herr v. Stetten, mit welchen Ge
fühlen denke ich an jene Stunden zu
rück, in denen meine gute und liebe
Pflegemutter mir die Eröffnungen ge
macht hatte, deren otnhalt ich Jhnon
soeben erzählt habet Jch par gerade
damals so fglückliäz mein herz schlug
m einer o ru ·gen, gleichmii · en
Freudigkeit, unid nun muß-te mitgthe
Kunde von all’ dem Gntsekkichen aus
»meinen Hoffnungen, aus allm Hirn
mieln, die ich mir erträumt, herang
;reißen!«
s Jener warum pag Alle-T fragte
Stetten.
i »Mein Vater, dessen Agenten über
all nach mir ausspähtem hatten unsern
Aufenthalt entdeckt, er wiederhokte
seine tategorische Forderung Und
diesmal stand ter Kaiser nicht aus
unserer Seite. Am Gegen-theil, er
forderte, daß ich ztr Taseyrcmd — zu
meinem Vater ging-, seinen-. Rufe
Folge leistete. «-:i:::: soll ich es Ih
nen nicht gestehen er wollte sich in
mir eine unverdächtige Beobachterin
in dem Haufe seines jetzt allmöchtigen
Gegner-I sichern! Ter gewaltige Geist
kann und will sich ja nicht in die engen
Verhältnisse auf Elba fügen, der Aar
trachtet darnach, seineSchwingm aufs
Neue auszubreiten Und weil er
fürchtet, daß man ihm zuvor-kommen
,ihn an unwirthlichere Gestade versetzen
«tönne, so ——— aber genug davon! Las
sen Sie mich zu meinen eigenen Erleb
.nissen zurückkehren
3 Ich reiste ab --—-« mit gebrochenem
Herzen; ich tam hier an, nnd meine
schwersten Besorgnisse wurden über
trøsfen.«
Die Komtesse sah mit großen, trau
jrigen Augen zu Stetten empor nnd
cseuszte ties und schmerzlich aus.
»Arme, arme Louison!« flüsterte er
mitleidig
T »Ja, arme Louiso:i!« wiederholte
·sie trübe. »O, man hatte meinen Kä
fig sehr schön vergoldet, und es wat
an allen Aeusßerlichen nicht gespart
worden! Jch trat an die Spitze eines
wahrhaft fürstlichen Haushalts. Ef
,war ja zweifellos der hauptbeweg
"grurs-d meines Vaters, daß ich in sei
nem Hause repräsentiren sollte! Jch
wurde gefeiert, bewundert, verwöhnt—
sei manches andere Mädchen wär-e
vielleicht sehr glücklich in iem prunten
den Rahmen gewesen, man gab ja auch
;meiner Stellung ein äußerlich-es Re
Zlieft der König hatte mir aus den
EWunsch seines ersten Minister-s bereit
willigst den Titel einer Gräsin Gar-ig
»no-Perigord verliehen, und mein Ba
’ter hatte es verstanden, der neuge
;schafsenen Komiesse den Mantel ur
salter Legimitsät umzuhängem —- Als
kich Elba verließ, war ich selbst schwan
ktend gewesen in meiner Empfindung.
Jch hatte begonnen, die Berechtigung
des langjährigen Hasses meiner Pfle
gemutter anzuztvseiseln —- ich empfand
es bitter, daß sie mir sten Vater so
lange vorenthalten hatte. Mein jun
ges Herz lechzte nach Liebe, nach einem
guten Wort aus dem Munde des Va
ters. Aber als ich nun vor ihm stand,
ten-d er mich mit tiihler Höflsichteit als
seine Nichte begrüßte, als er mit in
wohl überlegter Weise meine Pflichten
auseinander-sehn, als ich hören mußte,
wie er mich enthielt, bald hier, bald
dort tdie Lauscherin zu spielen, alös ich
gleichzeitig bemerkte, wie er jeden mei
ner Schritte beobachtete oder beobach
ten liesz—s«da legte es sich wie Mehtthau »
aus mein herz. Wenn er nur einmal»
ein toärmeres Wort, eine innigere Ern- ;
Nin-Inn für mich gehabt hätte, Alless
wäre cniders geworden. Aber ichi
sollte nur ldas Werkzeug, ein gefügiges I
Weri,e.ig in seinen Händen lein! Das
tonnie ich nicht. Unser Verhältniss;l
wurde dadurch unerträglich Wenn
ich nicht meine alte Mast-»kleine ge
babt hätte, die ich mir aus Paris hatte
kommen lassen, ich wäre längst zu
i
l
Grunde gegangen, in diefer Atmos
phäre der Hinterlift, des Truges-, in
der erftictenten Luft, die mir die Brust
einengt und mir jede freiere Regung
unmöglich macht.'·
»Arme Louison!" wiederholte Stet
ten noch einmal. »Und Jhre Pflege
mutter weiß, wie Sie leiden?«
Sie fenlte den Kopf· »Ja, sie muß
es wissen, denn ich habe lein Hehl da
raus gemacht. Aber ich fürchte, meine
Briefe sind nur zum Theil iin ihre
Hände gelangt, und man ist zudem
unzufrieden mit nrir in Elba. Was
man sich von meinem Aufenthalte hier
versprochen hat, ich kann es ja nicht
erfüllen: ich bin nicht geschaffen dazu,
eine Spionin zu sein --— weder für
meines Vaters Zwecke, noch fiir die
des- Ftaifers. O, Herr v. Stetten, Sie
können gar nicht ermessen, wie un
glückrich ich hing-·
Stetten hatte sich erhoben und
durchmaß einige Male das lleine Zim
mer mit haftigen Schritten. Dann
blieb er vor »dem, jungen Mädchen
ftelzem »Glauben Sie mir, ich em
Pfinde mit Ihnen, als ob Sie mein-e
Schwester wären, Louifont Gerade
weil dem so ist, muß ich Jhnen aber
;rathen: verlassen Sie dies Haus, in
dem Sie sich aufreiben in einem nutz
;lofen, vergeblichen Kampf«
E »Es ist das Haus meines Vaters,
Idem ich Gehorsam zu leisten vekpfkich
)tet bin!«
»Ein Vater hat nicht nur Rechte
er hat auch Pflichten, Lautfønl Wer
die einen beansprucht, muß auch die
anderen zu erfüllen bereit zusein. Der
Fürst von Benevent hat sich des An
spruches auf Ihren kindlichen Gehor
fam felbft beraubt. Sie find frei,
Louifon-!«
«Frei? Die Sklavin, der die Frei
heit winkt, weiß, wohin see fich wenden
foll, sie findet eine Stätte, in der sie
mit ihrer fleißigen hiinde Arbeit das
tägliche Bratd verdienen imm. Ftir
mich, Herr v. Stettem giebt es keinen
Ort, wo mich meines Vaters Agenten
nicht finden, aus dem fie mich nicht
zurückfchleppen würden in meine Fes
feln. Vergessen Sie nicht, wie er
nimmer dulden darf, »daß man erfährt,
die Komtesse Wenigon fei feine Toch
ter! Er würde Himmel untdErde in
Bewegung sehen, mich wieder unter
seinen unmittelbaren Einfluß zu brin
gen« und feine Macht reicht weit!
Jn Steiner Hirn arbeitete es fie
berhaft. Ein Ausweg schwebte ihm
vor «- er dachte daran, Louian einen
Zufluchtsort im stillen Krenmrrosde zu
bieten. Aber wie würde der Vater,
der grimmige Feind alles französischen
Fluges das aufnehmen Wie Into
Z aa -·
I Und doch, es war der beste Ausweg
der einzige!
i Kurt wollte seinen Vorschlag ge
frade vor Louison entwickeln, als »die
lThiir ausgerissen wurde, und Mut-e
zteine mit allen Zeichen äußerster Be
istiirzung hier eintrat· »Der Fürst
jtvirv in wenigen Minuten hier sein,
der ist bereits aus derVortreppe,« keuch
Jte fie. »Mind, er darf Herrn v· Sirt
zten nicht hier treffen!«
I »Und warum nicht?« rief Stetten,
Isich anrichten-n »ich hab- reinen
JGru«nd, eine Begegnung mit dem Für
isten von Benevent zu scheuen!«
i Louison war ausgesprungens und
bob beschwörend »die Hände. »Nein,
nein!« flehte sie. »Er idars Sie nicht
hier finden! Sie kennen ihn nicht!
Jch flehe Sie an, mein Freund, gehen
Sie! Und als Stetten immer noch
zögerte, setzte sie mit liebender Stimme
hinzu: »Iiirchthie nicht für mäch,
Herr v. Stetten; Jch bin gewappnet,
ich weiß, wie ich ihm entgegen zu tre
ten habe!" Sie drii te ihn zur
Thür. »Gehen Sie —- i bitte Sie,
gehen Sie!«
»Er-ji wenn Sie mir versprochen
haben, sich an mich wenden zu wollen,
zsalls Jhnen meine Hilfe irgend erfor
iderlich erscheint!« rief er bestimmt.
I »Ich vsperspreche es Jhnen.«
i Noch einmal drückte er ihre hand,
dann geleitete ihn die alte Dienerin
die schmale hintertreppe« die er gekom
men war, wieder hinab.
I Als sie in dein engen hose acnges
Hlangt waren, blieb Madeleine stehen
»Verlassen Sie meine arme Louison
nicht, Herr v. Stetten!« bat sie. «Sie
will start sein, aber sie ist schwach und
willenlos sdem fürchterlichen Man-ne
gegenüber. Sie geht zu Grunde —
rne«ne arme, gute Louison!«
»Jch bin bereit, meine ganze Kraft
ifiir Jhre herrin einzusehen Mante
zkleine Aber sorgen Sie datsiir, daß
iich Nachricht erhalte, daß ich von Al
zlem unterrichtet werde!«
J .Das will ich, gnädiger herri« ver
sicherte die Greisin unter Thrifnen
»Das will ich, unsd sollte es mein Le
ben tosten.«
(Fortsehung folgt)
—- - Of
Seltene Beute machten Fischer
von Atnaganiett aus Long gestand.
Sie singen und tödteten einen 50 Fuß
langen Wal aus dem sie 600 Pfund
Barte-n und im Faß Oel gewannen.
Der Erlös wird etwa DIE-ou betragen.
Ein sinnt-c fiel iiber 60 Meter
tics in einen ttonlcnsktzactzt von Tur- «
hurti. Ta« lich auf dem lstrunde eine
nur vier Meter ticir Wassrtichicht be
fand, tam cis oline jede cmstcre Beschä
digung davon.