Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, February 12, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9

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ringstr. Wenigstens ist mir die Hand
schrift« der Adresse völlig fremd- M
Brief hast du mir noch nicht gezeigt.
Es ist die nämliche, und was er ewi
hiiti, habe ich dir mitgetheilt.
Die bekannte Klatschereit Man
brauscht kein Oedipus zu sein, um das
zu- errathen.
Allerdings, aber —- Hölle und Teu
fel! —- ich will den Schrift tennen ler
nen, der auf solche Weise mit meiner
Ehre zu spielen wagt, und . . . Baron
Robert hielt sein Pferd an, drückte die
rechte Faust auf die Brust und stieß
zwischen denzusamrnengebissenen Zäh
nen hervor: und das Füntchen Wahr
heit, das ni- diesem Hausen Unrath ent
halten ist.
Und wieder zuckte Egon im Weiter
reiten die Achseln, obwohl er wußte,
wie sehr dieses Zeichen gelassener
Gleichgiltigkeit den« Hitztöpsigens reizte.
Damit wären wir wieder am Aus
gangspunkte angelangt Was zwischen
beiden auch vorher geschehen, weiß ich
nicht; es liegt auch nichts daran. Mei
nes Erachtens konnte Melitta nicht
wohl anders, als den Verusnigliicttens,
den sie allein san-d, bei sich aufnehmen
und die Dehors, soweit dies eben mögs
lich, nicht besser wahren, als durch die
Anwesenheit seiner Cousine, die man
füglich seine Schwester nennen kann.
Ob sie sich bereits vorher kennen- ge
lernt, weiß ich nicht, und da ich ihren
späteren Verkehr während seiner An
wesenheit aus dem Schlosse zu beobach
ten- ieine Grtegenshcit fand, vermag ich
auch darüber nicht Auåtunst zu geben.
Meliita lud dich nicht ein?
Der Arzt Verbots jeden Besuch.
Es ist doch ein ehrlicher Mann, die:
Ohne Zweifel; ein bischen stumpf
und verbannt-—- dn leitnst ja diese alte
Art Lan-darste.
Es lag in ligons so sorglos nüchter
nen Antworten etwa-J Iliisweichensdes,
was die Erregtlseitnnd das Mißtrauen
Baron Robertss noch zu verstörten an:
statt abzuschwächen schien. lieber dass
kühn- nnd scharfgeschnisttene, dunkel
gebräunte Gesicht des Majoratsherrn
lief ein nnwilliges Zacken
Und der Lieutenant? fragte er wei
ter mit einer Stimme, die in ihrem er
zwungenen Flüstertone wie ferne-Z
Donnerrollen aus der mächtigen Brust
hervorilang
Ein netter Kerl, ein liebenswürdi
ger Schwer-mischen wie man so sagt;
jung und hübsch, slott und galant,
ausgezeichneter Reiter und brillanter
Tänzer, dabei geistvoller als derglei
chen, die nur den Champagnerschaum
mit einem Wort einer jener Glückli
chen, rie nur den Ehampagnerschaurn
des Lebens abzuschiipfens verstehen und
darum allen Weibern gefallen-.
Dies-mal gab Robert keine Antwort,
fragte auch nicht weiter. Schweigen-d
ritten sie bis an die Biegunsg des We
ges, wo dieser in scharfer Zickzackliniic
zur Burg aufzusteigen begann. Hier
stiegen sie ab. Der Reittnecht, der sich
bisher in einiger Entfernung zurück
gehaltene nahm die Pferde in Em
pfang und erhielt den Befehl, zu war
tm, woraus die beiden Herren ein-en
Faßng einschlagen, auf welchem sie,
durch das Gebüsch gedeckt, unsbeobachs
tet bis zur Schloßterrasse gelangten-—
ES war der zwei-te Tag, nachdem
Konrad Buchrodt die Nicolsburg ver
lassen, in bitterem Groll, wie sich Me
lcitta sagte, obwohl er nicht mit einem
Wort oder Blick mehr an das Gesche
hene erinnert hatte. Es schien, als sei
ein undurchdringlicher Schleier dar
über gefallen. Sicherlich zum Glück
für beide, und doch hatte DieAtta ein
leises Bedauern dafür. War es nur
die verletzte Eitelkeit der Frau, die eben
nicht hätte so ganz Weib sein miissen,
unt sich nicht von der Leidenschaft ei
nes nicht gewöhniichen Mannes zum
mindesten geschmeichelt zu fühlen und
durch die so plötzlich hervor-gekehrte
kühle Gleichgiltigleit beleidigt zu wer
den, oder war es in der That der Keim
eines wärmeren Gefiil)les, dar- auch in
ihrem Herzen emporzuteimen begon
nen — sie wußte es selbst nicht und
wollte es nicht wissen-. Jedes Nach
grübeln- darüber verbannend, arbeitete
sie in ihrem Zimmer so eifrig, als gelte
es das tägliche Brod, an einer jener
nichtsbedeutenden Stier-stetem die auf
ein erregtes Frauengsemiith etwa den
selben Einfluß üben wie die Cigarre
auf den Mann. Selbst als sie die
Mr öffnen hörte, schaute sie nicht
sof, sondern begnügte sich mit der
Frage: Sind Sie es, Marietta2
Ich bin ed. antwortete die tiefe
Stimme ihres Gatten
Nnn fuhr sie empor,erröthend zwar,
doch ohne Verbeng seinem scharfen,
sit-steten ftslikt bogegnend Langsam
MMUWJUWMIMM
Gruß entging-Miit wieder zurück,
da er die Arme fest über der breiten
I— H
Brust gelteuzt hielt. Die starke, fai
viesenhafte Männevgesiali mit den
dunklem Gesicht unid den Xeidensfchaft
lichens Augen- bildeie ein-e vortrefflich
Illustration zu den wunderbaren Ge
schichtem die sich die Neustädter voi
dem indischen Capittin erzählten.
Also hier finde ich dich? sagte e:
langsam.
Habe ich kein- Recht mehr, hier zi
fein-? gab Melitta zurück.
O doch, gewiß! Nur gestehe ausch
bitte, mit das Recht zu, dich zu fragen
was dich zu dieser, gelinde gesagt, seh1
merkwürdigen Reise veranlaßte, die ei:
net-Flucht ungerne-in ähnlich sah
Nenne es immerhin so! Ja, ick
s-- ,
Iroq, oor orr wie vor nur 1c1v11, ooi
den Verhältniss-en, die du« uns geschaf
fen hattest. Sagtest du das nicht dii
selbst oder hast du vergessen, wie wsii
seit einem Jahre lebten-? Eins Dämon
des Mißtrauens, der Unruhe und Ei
fersucht hatt-e von dir Besitz ergriffen
Mit Argusaugen überwachtest du jeden
meiner Schritte; jedes gleichgiltsigi
Wort-, das ich zu einem anderen sprach
legtest du in der gehäfisgsten Weise
aus-; jeder harmlose Scherz, der nicht
dir galt, wurde für dich zum Anzeichen
einer niedrig-en Verirrung Und wenn
du heute dein- Unheil entsahest, mich
um Verzeihung batest, so war dies
eben nur ein Beessserunig fiir wentige
Stunden, und morgen begann die
Qual von Neuem, tin-bekümmert dar
tun, ob wir zum Spott der ganzen
Welt wurden. Jch will diese widri
·en Seen-en nicht genauer in dein Ge
dächtnis; zuriirirufen, du entsinnst dich
ihrer jedenfalls ebensogut tste ich —
sie länger zu ertragen überstieg meine
straft. Dieses rastlose Kämper nnd
Grämen rieb michan Jch hatte nichts
mehr zu- hoffen als Ruhe ——- ich, die
stolze, starke Melitta, die vordem den
Kampf mit der ganz-en Welt ausge
nommen unsd nichts fürchtete als ih:
eigenes- Herz uin den Verlust deiner
JLiebe. Weißt du noch, wie du friiher
mich so gern mit einem Adler Ver-—
glichest, der über das niedrige Gewiihl
der gemeinen Menschheit hinweg tiihn
nach der Sonne strebt Nun, du hast
es trefflich verstanden, meine Schwin
qsen zu brechen und mich in- die Nie
drigkeit herabzuziehens —— oder meine
Schuld! Hätte ich je wirklich gefehlt,
ich wäre zu stolz, vielleicht auch zu
furchtsam und zu ungeschickt gewesen«
es dir zu verbergen. Du kanntest mich
genügend, um das zu wissen« usxddem
noch kein Ende dieser Qual, bis sich
fammenrasfte und heimlich den- Frie
den dieses weltentlegenen Schlosses
suchte.
Und hier«-Z fragte Robert, in dessen
wie aus dunkler Bronze gegossen-Im
Gesicht während aller dieser heftig ihm
zugeschleuderten Antlagen keine Mus
kel gezuckt hatt-c
Jch fand ithn auch hier nicht, ant
wortete Melittsa leise.
Dagegen vielleicht etwas Besseres,
Augen«-starkes lachte der-Baron schnei
dend auf und warf den Brief, den er
noch immer zusammengeballt in der
linken- Hand hielt, auf den Tisch. Da
ist der Bett-et —— nun- sprich noch ein
mal!
Meian erblaßte, eine bange Ah
nung stieg ins ihr auf, doch während
sie las, trat allmälig wieder eine flam
men-de Röthe in ihre Wangen. Der
anonhine Brief enthielt in dürren
Worten die Anschaldigung, sie stehe zu
dem Lieutenant Buchrotdt, der seinen
Unfall nur geheuchelt, Ein sträfliche-n
Beziehungen Er entglist ihren-— zit
ternden Händen, noch bevor sie ihn zu
Ende gelesen —- heftig trat sie mit dem
Fuß daraus
du«-,- sll THE-m ch«-«»c schwie
--, »u« il »so-us »s
ich gar keine Antriiorh gieb sie Dir
selbst!
Mekitta! donnerte der Baron
Ich antworte nichts --— nichts!
Dez- Lieuienanxt war hin?
Schwer verletzt, das ist die Wahr
heit.
Und du pflegtest ihn —-- natürlich
dieser Samaritevdienst ist ja schon
unzähbigse Male der Grund-Wirt des
Liebe gewesen. Dieser intteressanti
Offizier ist jünger, hübscher-, liebens
würdiger als ich.... Meliita — bit
Stimme des Mannes ging in ein fast
unverständliche-L dumpfes Röcheln
über; sei-list seine Riesmtraft reicht
nicht mehr aug, seine furchtbare Erre
gung wie bisher unter die Maste stei
nemer Ruhe zu bändsigem Die Adern
auf seiner Stirn schmollen wie Stils
an, die breite Mitbe auf seiner Wangi
färbte sich psrpurtotchz die mächtig(
Brust rang mühsam und pfeisend nacl
Athem Melan, wiederholte er nock
einmal, bedeute dein- nächstes Wort-:
Ehre untd Leben dreierMenschen thöngi
davon ab.
Und müßte ich sofort von deinet
band sterbe-, ich kann nicht anders
sagen: dieser Wisch ist gemeine Ver
stude
Es lag ein eigenthümlicher Klasm
: insMelittas Tone, der selbst den seine
- Sitme kaum noch Mächtigen zur Ruh
I zwang. Er faßte, wie um der in iky1
toben-den Wuth einen Abflsuß zu ver
: schaffen, mit der Hand wasch dem näch
sten Sessel und brach mit einem Grif
: die Lehnse ab.
Es geht Alles zu Stücken, murmelt
, er, die Splistter so heftig fortschsleus
, dem-d, daß sue eine Vase zertrümmcr
« ten, Hole und Porzellan, Glück un!
Glas — warum nicht auch ein Men
tschenleben! pah, was liegt daran!
Willst du mich ruhig anhören, Ro
bett? fragte Melitta sanft.
----l—
Opuwi
Jn- rückhaltsloser Weise berichtet-e sii
von ihremZusasminentresfen mit Buch
rodt in Lasnig, von der Bogegnuiix
an der Teufelsschlucht und der Zei«
seines Aufenthaltes im Schlosse, nichts
beschönigend als höchstens die Leiden
schastlichkeit des Li«eutensants, die sii
mehr als etwas aufdringliche, aber be
deutungslose Courmacherei hinstellte
Für sich selbst hatte sie keine arederi
Entschuldigung als den Wunsch, uner
kannt zu bleiben, der ihr verboten
hatte, sich ihm zu nennen. Als sie ge
endet, blieb der Baron, der bisher mit
starken Schritten m Zimmer auf- unt
abgewandert war, dicht vor ihr stehen«
Wäre das alles die volle, unge
schnrinkte Wahrbeit, so müßte ich dick
wohl deiner Undorsichtigleit halbei
Etadeln, dich mehr als den Liexutenant
aber —- unterbrach ser sich raush —- es
klingt mir denn doch zu unschuldig, zu
Lromanhaft
j Ich kann nichts von dem, was ich
gesagt, wegnehmen, nichts mehr hinzu
Eftigen———thue du nun, was du für dein
Recht hältst erwiderte Melitta einfach
iiiid setzte sich, die Hände in den
Schoosz legen-d, gefafit wie ein Ange
Illagter den Urtheilsspruch des Ri ch
« ters erwartet
; Der Baron preßtc beide Fäuste ge
i cien die glühende Stirn.
i Wenn ich dir glauben könnte, Me
Elittei Du ahnsi nicht, was ich seit einem
Fahre gelitten habe; dii kennst die Gi
seriucht nicht, dieses allgewaltige Ge
spenst, das mich in dein seligsten Au
genblicl faßt, mein Herz vergiftet, wie
init glühenden Klammern preßt nnd
zerfleiischt, das, tausendmal abgeschiit
.telt, immer von Neuem zurückkehrt,
unnennbare Qualen-, Raserei und
Wahnsinn im Gefolge· Aus der lee
ren Luft zaubert sie ihren Trug her
zvor, und ich muß ihn glauben, ob ich
« will oder nicht.
Spricht das ein Mann —-« der
Mann, der mir einst schwur, sein
Dasein lebe nur noch in mir, der sich
, start genug fühlt, mich der ganzen
EWelt abzurinigen, die Sterne vom
Himmel herasbzuholen, wenns ich nach
ihnen Begehr trüge —- und nun bist du
; so schwach geworden, daß du nicht dein
Ieigenes, vor dir selbst als falsch aner
ttanntes Gefühl beherrschms kaniist?..
TO Robert, toelch’ andere glückliche Zei
ten haben wir erlebt, damals, als un
sere Herzen sich wie im Sturme fan
den! Da warst du ganz der meine, ich
ganz die deine, und mit tausend heili
gen Eiden schwirren wir uns, nie solle
ein« Schatten zwischen uns treten. Du
allein brachst sie, du beschworst die Ge
witter herauf, die ueiser Glück Vermeh
tetens, Sieh, meine Hand faßt noch ein«
mal nach der deinen, sie ist rein wie
ehe; ich tann Dir frei inis Auge sehen
. ist nun der Sturm bertobt, kön
nen wir wieder riithig und glücklich
sein?
I Ver zucegr san schmeicyenwe Hon.
tdie flehmde, hingebende Zärtlichkeit ir
Miene und Blick verliehen der schönen
Frau einen unwiderstehlichen Reiz
Dem sanften Druck ihrer Hand ges
horchensd neigte sich Robert über sie
doch noch ehe seine Lippen die ihm ent
gegsenstrebendeni ihrigen berührten
warf er mit einer trotzig-en Bewegung
den Kopf wieder zuriick. Jn feine-i
Augen brannte das wilde, mißtrnni
sche Feuer von neuem auf.
Nein, nein! stieß er barsch hervor
Die Wolken stehen noch finster, mi·
leuchtet noch kein-e klare Erkenntniß
kelxn blauer Himmel.... ich seh-e nocl
Blitze drohen, die uns alle zerfcknnet
tern können . . .. Wahrkheist gebt mir
Wahrheit! er murmelte es noch einmo
in den Bart, während er ohne Grul
zur Thür und ohne einen Blick zurück
zuwerfen, hinausging.
Melitta machte keinen Versuch, ih
zurückzuhalten oder ihm zu folg-en
Sie beugte den Kopf auf die auf den
Tisch gekreuztew Arme und —- weinte
Jn dein mit altenodiseh gediegener
wenn auch etwas verblieben-er Psach
ausgestattetens Solon erwartete Egoi
««- von Nikolai rnsit steigen-der Ungedull
» die Rückkehr des Beweis. Dies
a—
Stunde konnte, nein, mußte die Ent
scheidung bringen, was er von der Zu
2kunft zu erwarten hatt-se, Und er hoffte
das beste —- in seinem Sinne. Mit
welch Unendlichek Vorsicht und Mühe
hatten-» diesen Schlag vorbereitet; er
muß-te treffen.
Endlich tmt Robert ein, zündete sich
eine Cigarve an-, stellte sich ans Fenster
und sprach kein Wort. Sein Gesicht
war finster, dennoch gefiel es dem Un
- geduldigen nicht recht, der sich auf eine
ganz andere Scene vorbereiet hatt-e
und nach mehrmaligseim erfolglosem
- Räuspsern sich endlich zu einer direkten
Frage genöthigt sah.
Hast du nkit Melitta gesprochen?
» Ah, dubtst noch da? wandte sich
Iwoecr yaw herum.
e Pitirt griff der andere nach seinem
: Hut-e: Entschuldige, wenn ich störte,
; doch batest du mich selbst, zu warten.
. Ganz recht! ich habe um Entschul
. digsung zu bitten, verzeih lenkte der
Baron ein, zog die Glocke und warf
s sich auf einen Sessel, der trotz seiner
soliden Bauart unter Der wuchtigsen
Last fast zusammen-brach. Ich bin
heute eins verzweifelt schlechter Wirth
und Gesellschaften Bitte, erzähle mir
irgend etwas ausNeu-stadt, wen-n über
haupt in den letzten fünsundzwanzig
Jahren in diesem Jammernest etwas
Erzählmswerthes vorgefallen ist.
Jacques mußte Erfrischungen auf
tragen, wobei ihm Egon einen kurzen,
bedeutungsvollen Blick zuwarf, den je
ner durch ein unmerklich-es Neigen sei
nes tadellos gieschetiteltens Kopfes be
antworte. Diese beiden schönen See
lsen verstand-en sich ohne Worte-.
Der Baron begniiate sich, stark zu
tauchen und noch stärker zu trinken
Wenn Egon, der allein die Kosten der
Unterhaltung trug, hoffte, der fast uns
mäfzige Weingenuß werde ihn gesprä:
chiger machen, so wurde er bitter ent
tiiuscht — es fiel kein Wort mehr über
Melistta oder den Leieutenant Buchrodt,
und durch eine direkteAnspielung den;
offenbar nur leise schimmernden Zorn
des gereiztcn Löwen gegen sich toachzsui
rufen, hätte der Vorsichtigse nie aewagt.
Seine Situation erschien- Iilnn ohnedieZ
unsicher und drücken-d, so daß er, die
Einladung zu Tische ablehnend er
leichtert ausathmete, als er dem
Schlosse den Rücken- wandte.
Seinen Reiiknecht schickte er voraus;
er selbst blieb im Dorfe und kehrte ge
gen Abend zu Fuß nach dem Schloß
parte zurück. Hier traf er, der stum
men Verabredung gemäß, den« Kam
mer-dienen Es war wenig und uner
sreulich genug, was dieser zu berichten
hatte: der Baron und Melitta hatten
zusammen gespeist und sich dabei in
ruhig freundlicher Weise unterhalten
dann jedoch sofort, entgegen ihrer son
stigen Gewohnheit ihre getrennten
Zimmer aufgesucht und dahin den Thee
befohlen.
Mißmuthig lehrte Egon nach Neu
stadt zurück. Er hatte fast gefürchtet,
die ihm nur zu gut bekannte sinnlose
Wut-h Robert-Z werde diesen zu weit
hin-reißen —- und nun war so gut wie
nicht-s geschehen! ein kalter Schlag —-—
man muß dafür sorgen-, daß der näch- i
sde zündet und vernichtet, die Wolken
stehen noch immer am Himmel.
Siebentes Capitel.
Mele täuschte sich nicht: bitteren
Groll und Verzweiflimg im Herzen
war Konrad von der Nsicolssbuisg ge
schieden-. Er schalt sie falsch und kokett
und hätte doch ein Jahr seines Lebens
dafür gegeben, noch einmal mit ihr
sprechen zu dürfen. Die Verwandten
schoben sein-e trübe Stimmung noch
auf seine Krankheit und suchten ihn in
ihrer liebevollen Weise aufzuheitern
freilich eine recht schwierige und un
dankbare Ausgabe. Ehrlich genug, sich
einzugestehen, daß er gerade jetzt diese
Giite weniger denn je verdiente-, fühlte
er sich davon nur noch um so mehr be
. drückt. Dazu trat noch sein Verhält
; nisz zu Clar—a. Wohl erkannte er jetzt,
: da ihm Melitta’s Worte die Schuppen
von den- Augren genmnmen, ilrre tiefe,
stille Liebe, aber zwischen ihnen
. stand die beriiekende Gestalt jener Frau
« und die Gewißheit, das; Clara diese
, Leidensckmst ahnte-, uin das Motiv sei
nier Plötzlichen Werbuug wußte.
s Nun wagte er darüber kein Wort
, mehr zu ihr. Scheu wich er ihr nach
Möglichkeit aus, und wenn sie ihsre
Augen auf ihn richtete, sählte er die
—- Röthe der Scham auf seinen Wangen
bvemrem Sitte selbst heuchelte völliges
Vergessen, nur war sie noch bleicher
. und stiller als vorher. Wie eine be
sättidie lebende Anklage erschien sie
. i .
. Gras Alenegg brachte jede frei-e
» Stunde in- Lichtenau zu. Er allein
bemerkte keine Veränderung ans dem
Freunde, nur eins entging ihm nicht,
. die tiefe Traurigkeit Eli-rat Darin
J
fsteh er schärfer als alle anderm wen-r
er auch ihren Grund nicht zu mirs-th
seln vermochte. Es drängte ihn mit
unwiderstehlicher Gewalt, ihr seira
Hilfe anzubieten, nur wußte er rächt
recht, wie er dies Verlangen in- Worte
kleiden sollte —— seine Liebe war mit
einer fast ängstliichen Ehrfurcht ge
paart. Eine günstige Gelegenheit bot
si chihm, als er eines Tages mit Clara
allein im Garten war. Während er,
sein Herz mit zärtlicher Sorge erfüllt,
sein Hirn noch vergebens nach einer
passen-den Anrede zermasrdertse, fragte
Clara plötzlich: Glaubens Sie, daß
Konrad fähig wäre, vielleicht eins Un
recht zu begeian
Das lag so außerhalb seine-Z Ge
dankenkreises, daß er sie, ohne zu ant
worten, nur verständnißlos anstarrte.
Jch meine, fuhr sie esröbhendp fort,
ob er sich von seiner unbesonnenen Hi
tze, d: e Sie ja «kennen ,hinreißen lassen
könnte, etwas zu thun, was er bei
kühl-er Ueberlesgung selbst als Unehren
haftigteit bezeichnen müßte?
Konrad —- etwas UnehrenhuftesL
Nie, nie, antwortete Altenegg eifrig,
dann schütelte er den Kon und fügte
langsam hinzu: Pardon, gnädiges
Fräulein, glaube wirttich, ich habe
Sie nicht recht verstanden.
O doch, erwiderte Elsara, indem sie
scheu nach der Veranda blickte, wo so
eben Konrad-s Gestalt sichtbar wurde.
Jch fürchte, er ist auf einen Jrrweg
verleitet worden, er schreitet, ohne es
zu wissen, einem Abgrund zu. Wenn
Sie sein, und wie Sie mir einst versi
Janrten mein Freund sind, so retten
Sie ihn Vor einer syrau, die ihm ge
!fäl)rlicl) werden m1rß.(5rmuntern Sie
ihn zu einer Reise, auf Ihre Güter,
wohin Sie wo.lleu .fragen Sie m ich
nicht weiter-, ich darf Ihn-en nichts
mehr sagen, ich bitte Sie nur, so herz
lich, al sein EUTensch bitten kann.
Sie drückte thn beideHiinde, schaute
ihm flehend in die Augen und eilte da
Von, den Guten in einer nicht geringen
Bestiirzung zurücklassend -— war es
das, was sie bedrückte? jeden-falls
wohl, aber was bedeutete eigentlich
dieses »Das«? Altent, in dessen
einfach harmlosen Anschauungen eine
ernste Leidenschaft für eine verheira
thete Dame auf dersele Wahrschein
lichkeitsstuse stand, wie eine Reise nach
dem Monde, würde noch lange vergeb
lich über dieses risithsellhafte »Das-«
nachgesonnen haben, hätte er sich nicht
zufällig einiger Worte entsonnen, wel
che Herr von Meolai heute beim Früh
schoppen im Adler geäußert. Diese Er
innerung führte ihm auf die richtige
Spur, und förmlich stolz auf seinen
Scharfsinn, winkte er den noch immer
auf der Veranda stehenden Freunde.
Du, komm doch mal her, möchte dir
zwei Worte im Vertrauen sagen.
Langsam schritt Konrad heran.
Nun, was gibt’s Hat mich Clara
bei dir verklagt?
ullllllllt —— 1275 Wal Voll) Illcyl so
leicht, den rechten Anfang zu finden-—
Weißt du, Konrad, scheinst dich da
oben auf der Nicolzburg verdammt
niedlich gemacht zu haben, start die
Cour geschnitten, was-?
Wer sagt das? braust-e Konrad er
glühend auf, Clara vielleicht?
Auf Ehre, nein! betheuerte der Graf
aufrichtig. Kommt aus einer anderen
Quelle, vielleicht nicht ganz so rein,
mußt aber doch damit rechnen. —
Würde an deiner Stelle aus ein paar
Wochen verreisen, damit der albern-e
Klatsch aufhört Werde Urlaub neh
men und mit dir nach Alten-egg fah
ren, Rehböcle schießen, sangen schon
an, sich zu Verfiirbcn; brillante Jagd
auf junge Gänse — was meinst du?
Konrad zog die Brauen zusammen.
Ich bleibe hier. Bitte, nenne mir
deine sogenannte nicht ganz reine
Quelle-. Ich möchte den Frechen gern
näher kennen lernen.
Richtiaen Stand-il fertig machen,
was? Nein, nein, Bester; bin übri
gens wirklich verpflichtet, zu schweigen,
auf Parole! Weißt du schon, daß der
Nicolslmraer Baron angekommen ist?
Soll nicht recht richtia sein —-- in Nen
stadt pfeifen’s die Spatzen auf den
Dächern. Wenn er von dem Klatsch
hört »s— bedenke, Mensch, bringst ja die
arme Baronin in Teufels Küche- Habe
gehört, der Baron will Besuche ma
chen, euch natürlich zuerst, eifct·si3chtig
ist er wie sein Türke, kann ein ganz un
schuldiges Wort falsch verstehen, Mal
heur fertig, mußt entschieden vorbeu
gen. — Der Graf hatte sich seit Lan
gem in keiner ähnlich fatalen Situa
tion befunden nnd seine abgebrochenen
Sätze ging-en immer mehr in gänzlich
zusammenihanglose Worte über, deren
Zwischenpausen er durch verlegenezil
Räuspern ausfüllte. —- Familie —
Ehre —·- Rücksicht —— Verdacht durch
aus vermeiden — das Weitere verstarb
in einem unverständlichen Murmeln
L -.-., I
das er plöhvich, mit der Hand über den
Fluß nach den Bergen zeigend, mit
dem Aufruf Unterbrach: Da steh, da
komm-en sie schon!
Jn der That konnte ein scharfes
Augen einen Wagen unterschein der
aus dem Bergwalde heraus dem Thale
zufuhr. Der betveffenbe Weg führte
von der Nicolgburg direkt nach Lich
tenau usnd durfte als Privatstraße nim- «
von den Besitzer-n beider Güte-I benutzt
werd-any Die Schlußfolgerung Alten
qus erschien demnach nich-! unberech
tigL
Di Hand, welche Konrad Bucht-odi,
die Augen schützend, um schärfer zu
sehen, ans die Stirn legte, zitterte.
iEine wilde Gedankenreihe jagte durch
sein Gehirn — sollte er vor dem Ba
ron als abgewiesener Cmirmacher im
Scheine der Lächerlichkeiit dastehen?
Durste sich Melitta, die lyerzlose Ko
kette, an seiner Verlegenheit weiden?
Nie und nimmermehr! Hastisa wandte
er sich um und ließ die Hand sinken.
Du kannst recht haben; es wäre
mindestens seltsam, wenn sie nach
Lichtenau kämen, ohne dem Onkel ei
nen Besuch zu machen. Sei übrigens
ohsne Sorge, sie brauchen wenigstens
noch eine halbe Stunde, da sie die un
tere Brücke pas stren müssen. — Das ist«
meier als genügend Zeit, um die
Stein-e des Ansioßes, svon denen du
jsprachsih ans dem Wege zu räumen.
z Er wand-te sich zum Gehm, hielt je
Edoch an den zur Veranda emporfiih
jrenden Stufen noch einmal an und
istieß heftig, abgebrochen, wobei er die
JAUgen zu Boden senkte, hervor: Da
Tmit du es weißt —— du hast wohl ein
Recht daran —- ich werde mich sofort
«mit Clara Verloren — das wird hof
fentlich der Frau Varonin und dem
Herrn Baron sowie der ganz-en verehr
lichen Einwohnerschaft von Neustadt
und Umgegend genügen, schloß er bit
ter und sprang schnell die Stuer ern-.
por.
Jm Hanflur traf er Clara. -
Sie machte ein-en liastigen Schritt
rückwärts, als wolle sie in das Zim
mer, das sie soeben verlassen, zuriick
treten. Er hielt sie aber bei der Hand
fest.
Erinnerst du dich noch des letzten
Tages auf der Nicolsburg? sragte er
leise.
Ein Zittern durchlief die zarte Ge
stalt, sie Mchselte die Farbe, während
sie mühsam hervorbrachte: Es war
doch mir einer deiner Scherz-e, Konrad
—- ich bitte, laß mich jetzt.
Nicht bevor ich deine Antwort habe,
ein offenesJa oder ein unumiwemdenes
Nein! Es ist msir feierlicher Ernst da
mit! Sprich, du mußt darüber schon
nachgedacht haben, denn du mußtest,
daß ich nicht scherzte!
Du liebst mich nicht, Konde
Konrad zuckte zusammen unter
Claras sanftem, vorwurssvollem Blick.
Doch sah er sie offen an, indem er ant
wortete:
m-«--- .«»«- - « -. «
roteunazt Imyl 1o, mir W es lll Mo
manen gelesen oder deine stillen Mäd
chengedanlen es sich axsgemalthabem
aber doch, ich liebe dich, das edelste.
reinste Weile, das meine Augen je ge
sehen. Ich liebe dich, wie man die Ju
gend, alle Reine und Erhabene liebt,
den Stern, der dem Beritrten im
Sumpse vomsnleuchtet und ihm die
lrechte Bahn zeigt. Und ich- bin- ein
»Verirrter, ein Ossizier, der den Ab
’schised nehmen muß, weil er sein Ver
.ni«o·gen Vergeudete, »ein Mann, der das
Jbeste Gesiihl seines Herzens im lächer
ilichen Spiel ein-er Kolette verzettelte.
»Du nur kannst mich retten aus dem
IWusL in dem isch mich verlor. Sei du«
Hinein hoher, leuchtender Stern, und ich
Iwill es dir dank-en mein Leben lang,
tdich glücklich «zu machen suchen, so viel
lich kann —-- ist es auch gleich nicht so
lviel, als dsu verdienst —— das ist Alles,
»was ich dir zu sagen habe. Färchte
knichh mich durch ein Nein zu erzürwm
iJsch weiß es nur zu gut, daß ich dich
Iniclit verdiene!
E Jch sage Ja, antwortete das Mäd
jchen einfach.
I Konrad lies-, ji«-re Hand ans- der sei
Inen nnd trat ein-en Schritt zurück.
Laß dich nicht vom Mitleid bestim
;n:rn. Ich wiederkole dir: du kniipsest
kdein hoffnungsvollcs reines Dasein an
»ein-en 11halb verlorenen I.Stann, der nichts
ist und nichts besitzt Du findest tun
send bessere was liegt schließlich an
mir? Ein Billet nach Amerika, noch
besser ein Kugel, macht Alles gut,
wenn es nicht anders sein lannl
Konrad!
Sie lag an seiner Brust Und schlang
ihre Arme um seinen Hals. .
Jsch halte dich mit den Banden der
Lsisebe zurück, flüsterte sie zärtlich. Das
so lange zurückgedämmte tiese Gefühl
brach sich Bahn. Jch will dein sein,
das ist mir Glücks genug, so lange ich
deiner Treue gewiß bin!
Fortsetzung solgt.)