Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, January 15, 1897, Sonntags-Blatt., Image 12

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    M
Jeanne.
Von h.Mara.
Es lag weit draußen, fast am Ende
der Stadt, aber es war das- hübschefte
hänschen in ganz Bitte; die beiden
hohen Bäume vor der Thür beschatte
len das has,ns ohne es zu verbergen; es
war weiß angestrichen und hatte grüne
Löden und an den Fenstern blühten
dunkelrothe Blumen
Die Schule war eben aus und die
fröhlichen Kinder eilten jubelnd nach
Hause.
»Sieh,« sagte ein kleines Mädchen
zu seiner Gefährtin als sie an dem
weißen Häuschen vorübergingen »sich
die schönen rothen Blumen!«
»O,« rief die andere unsd zog die
. men bliillyen, wohnt der Motd!«
- und bohrte ihr die kleinen Fäuste In die
dem Ubert-dessen durfte sie, Jeanne,
Freundin schnell fort, »die smsd schreck
lich!« Sieh nur, die Blüthen gleichen
Bluisiropfem die langsam herasbfallen
Meine Großmutter sagte: wo die Blu
Die Kleinen sprachen laut, nach Kin
derart, unsd die junge Frau, die auf
dem Balkon faß, hatte jedes Wort ge
hört. Erschreckt, mit ver-störten Zügen,
sprang sie aut:
»Fort sollen sie, die fchreclfkchen Blu
men-l« unid sie eilte in’s Zimmer —
axber da stand die Wiege. Sie riß ih
ren Kleinen in die Höhe und drückte ilm
an sich. Das Kind lachte und lrähte
Angen. Sie küßte flin, und spielte mit
ilnrh bis er einschlief — und die rothen
Blumen waren vergessen-. s—— —
Als die junge Frau ein klein-es Mäd
chen war, hatte das weiße Häuschen
anders ausgeschm, als jetzt. Da wohn
te det alte Didier mit seiner Frau Und
feinen zwei Knaben darin; er war ein
Künstler von Gottes Gnaden und ein
Ltrmp aus eigener Kraft. Er ließ das
Haus verfallen, mißhansdelte Frau und
Kinder und trug jeden Frank, den er
verdienste, in die Schenke. — Wie an
ders war ihr eigener Vater gewesen!
Wenn er nach Hause kam, lief sie ihm
jubelnd entgegen; er hob sie auf und
trug sie in’s Haus zur Mutter. Nach
noch ein klein wenig unten bleiben und,
auf dem Sopha lieged, zuhören, wie
der Vater erzählte; sie mußte verspre
chen, die Augen zu schließen — und
wenn- sie sie wieder öffnete, war es
Morgen und sie lag in ihrem Bett —
aber sie konnte sich nicht erklären, wie
sie dahin gekommen-und wenn sie frag
te, lachte nran sie aus: ein so großes
Mädchen usnd weiß nichts, wie sie in’s
Bett gekommen! Von ihrem Vaterl
hatte sie die dunklen Augen« geerbt und
das sonnige Temperament, von dert
Mutter die goldenen Haare und diej
Sonngieit und die wundervolle Zart
heit der Haut
Der Vater wurde krank und mußtej
im Bett liegen. Er sah todten-blaß aus »
unsd zuweilen hustete er in der Nacht so’
statt, daß sie davon erwachte. !
Eines Tages kam die Tanie Mart-i
atme, die nicht einmal französisch spie-i
chen konnte, und nahm sie bei der Hand»
tmd führte sie hinunter in den Salon
Da lag der Vater in einem ganz engen
Bett und es waren viele, viele Blume-m
da und große Kerzen brannten auf l
hohen schwarzen Leuchtern. Sie wolltej
den Vater küssen, aber Tante Marian
ne zeigte aus die gesalteten Hände und
die geschlossenen Augen und Jeannel
begriff Mß et schlief Wd ließ sich stillt
hinaus führen.
Demn zog sie mit der Mutter in ein
kleines Häuschen am Ende von Di
dier’s Garten; sie spielte mit Jean
Adieu der nicht viel älter war, als sie,
nnd der so schöne blaue Augen hatte,
so hell lachen konnte und immer solch
tolle Streiche machte; und sie liebte
Vierte, der viel, viel größer war —
aber vor dem »ersten Didier« fürchtete
sb sich. Und er liebte sie! Wenn sie
im Garten mit ihren Puppen, oder auf
der Straße Ball spielte, tief er leiden
schaftlich: die möchte ich malen! Die
ill- ja tausendmal schöner als all die
Haus-baden Raphaels — und mit
« f TM hingen- die Blicke des Will-trun
sM Malers an den blonden seiden
« heissen Locken, die das erhitzte Gesicht
mahsnten und an den- dunklen
, die fett in fröshlichem Ueber
lachten und dann- tvieder mit
thdiewistvnckim—
Die-»Wer: sen-rette not, -
Url. erst zärtlich- dmm drohend.
d,liefftin’i fund
sich hinter dem der
Mcmzeystersaßundnähte
MJIIMÆ
L — - —
nun nie, nie mehr schlagen?« und
tanzte vor Vergnügen ans einem Bein;
der älteste Sohn, Monsieur Vierte, wie
ihn die Leut-e nannten-. stand todten
bleich an der Bahre; er biß die Zähne;
auf einander und in seinen großen Axt-L
gen leuchtete es — aber man wußte
nicht-, war es Freude oder Trauer.
Wenige Wochen später hatte auch
Frau Diidier sich todtgetrunkens und
Jeanne’s Mutter zog mit dieser zu
Pierre und Jean—, um ihnen die Wirth
schaft zu führen — so war’s am Besten
für Alle; Frau Mars brauchte nun
nicht mehr so emsig zu nähen und
Pierre’s Verdienst trug der Vater nicht
mehr in die Schenke.
»Wie glücklich waren diese vier Men
schen! Pierre sorgte für Alles, konnte
Alles, wußte Alles. Frau Mars führ
te die Wirthschast, und wenn Pierre
von der Arbeit kam —- er war Zeichner
in der großen Tapetenfabrik —- und
die Kinder aus der Schule kamen, er
wartete sie ein seckeres Mahht hübsch
angerichtet auis ocurnensgejchmuater,
weißgedeckter Tafel. Das that ihrem
Schönheitssinn und ihrem Magen gleich
wohl. — Die Kinder spielten zusam
men, machten unter Pierre’s Ausfsicht
ihre Schularbeiten und waren sehr;
glücklich; Abends aber wsar’s am
schönsten; dann saß die ganze Familie
um den runden Tisch, die Lampe
brannie, Frau Mars und Jeanette hat
ten eine Handarbeit und Vierte las ils
nen wundervolle Geschichten vor, wäh
rend Jean Menschen oder Landschaf
ten zeichnete — je nach dem, was die
Geschichte i-hm·eingab — meistens war
es aber doch Jeanette’s Bild, das er
aus dein Papier oder aus Thon gebil
det vor sich entstehen ließ. Wenn sie
sich entzweit hatten, zeichnete Jean
Schlangen, die arme kleine Vögel mit
giftigen Blicken bypnotisirtem oder
Katzen, die spitze Krallen tief in den
kleinen Körper der armen Vögel bohr
ten — aber die Schlangen und Katzen
hatten Jeanne’s Gesicht und die armen
rnrschuldigens Vöglein sahen Jeans Di
dier frappant ähnlich. Wenn Pierre
diese Bilder sah, zuckte es um seinen
schönen, ausdrusclsvollen Mund nnd in
den Augen lag eins düsteres Feuer, aber
er ließ die Kinder gewähren . . .. Und
dann — wie war das nur so schnell
gekommen? —- waren sie keine Kinder
mehr. Jean sollte nach Paris, um sich
vollends zum Künstlerauszubilden und
Jeanne in die Stadt, um Blumen
machen zu lernen. Noch aber tonnste sie
nicht fort, die Mutter war kränklich und
bedurfte ihrer.
Es war arn Tage von Jean"5 Ab
reise; Jeanne allein hatte ihn zum
Bahnhsof begleitet, Pierre konnte sich
nicht frei machen, und die Mutter war
zu krank um auszugehen —- Jetzt saß
Jeanne im Garten in der Laube, vor
ihr stand ein großesBild, daß ihrJean
noch im letzten Augenblick gegeben—es
war sein seor gerungeneg Portrait in
Kreide, ein letztes Geschenk für Jeanne.
Das junge Mädchen blickte mit Ebra
nenilberströmtem Gesicht dran und
sliisterte vor sich hin: ,,Leb’ wohl, leb’
wohll« Sie war so in Träumen ver
sunken, daß sie Pierre nicht hörte, der
leise herangekommen war und jetzt hin
der ihr stand. Als sie sich plößlich
umso-h, erschrak sie vor dem tiefen
Schmerz, der sich in seinem Gesicht aus
prägte:
»Ob, Pierre, wie wird er uns feh
len!« rief sie, und die Thränen flossen
von Neuem.
»Armes Kind!« sagte Vierte leise
wird strich ihr liebevoll über das seiden
weiche Haar. »Armes-Kind!« wieder
holte er —- «er wird bald wiederkom
men, und dann — ist Hochzeit«
Jeasnne starrte ihn- mit weit offenen
Augen an.
«Will denn Jean heirathen? — oder
—- oder Du ?«
Die Stimmer versagte ihr, nnd
dunkle Röthe überng flft Gesicht
Der Ausdruck des Schreckens in dem
UttschUEdigm Gesichschm ließ PEMEZ
here hoher schlugen
,,Ja,« fragte er, ,,willst denn Du
Jean nicht heirathen ?«
Das junge Mädchen lachte hell aus.
»Ich? Man heirathet doch seinen
Bund-er nichts«
»Wie-r liebst Du ihn denn nicht?"
»O gewiß, sehr, sehr!« und die
Thränen flossen wieder.
»Und näch, liebst Du mich auch wie
enden Mes« —- seine halb etstickte
W»bebte, er wagte nicht, das
MOR Messe-se «- gch
«- . e m . ,
wie den- liesben Gott«
»Aber den W Gott — heirathet
— m —- doch nichtk
Sieschisdusskmdalöseein
MWW M,Mekbi-jest
W M ist-ver Was-M, alt
P U M III Licht M M »
II
I— «
Vcränderuug in· ihr vor; er war nicht
mehr Monsieur Pier-te zu dem sie aus
blickte, wie zu dem lieben Gott, er war
nicht mehr ihre Bruder, vor dem eine
scheue Ehrfurcht sie fern hielt —- er war
ishr Vierte, ihr Geliebten ihr Mann!
— Jm nächsten Augenblick hing sie an
feinem Halse, lachend und weinend,
Und et bedeckte The Gesicht, ihren Hals,
ihre Hände mit Küssen, und es gab kei
nen glücklicher-en Menschen auf der
ganzen weiten Erde, als Pierre Di
dier. —
Da ore Mutter es wun1ch1e, ließen
sie sich in aller Stille trauen —- Jean,
den sie dringend gebeten, zur Hochzeit
zu kommen, schickte einen kurz-en Glück
wunsch und schrieb, es sei ihm uns-mög
lich, sich gerade jetzt srei zu machen.
Bald darauf starb die Mutter; »von
Jean hörten sie selten direkt. desto öfter
durch die Zeitungen, die den jungen
Maler. der zugleich Großartiges als
Bildhauer leistete, nicht genug rühmen
konnten.
Jn- dem weißen Häuschen aber
wohnte das Glück, und was des jungen
Gatten anbetende Liebe erdenken konn
te, mußte Jeanne haben.
Eines Tages hatte Pierre sich in der
Fabrik svei gemachturrd war zur Stadt
gegangen —- er kehrte bleich und trau
rig zurück; — aus Jeanne’s besorgte
Fragen antwortete er: Er habe Unan
nehlichteiten im Geschäft gehabt. Sie
durfte nicht wissen, daß er ausgegangen
war, um sich in eine Lebensversicherung
ausnehmen zu lassen, — daß man ihn
abgewiesen; er könne noch viele Jathre
leben, aber er mässe jeden Augenblick
aus den Tod gefaßt sein — ein Herz
llappensehler sei ein böses Ding.
Er konnte es nicht iassen-——Sterben!
Er sollte sterben, und er fing doch eben
erst an, zu leben. Er wußte ja seit so
kurzer Zeit erst, was es heißt: glücklich
sein —— leben. Jetzt sterben? Er rang
mit sich, er wollte den brennenden
Schmerz niederkiimpsem Stunden
lang irrte er durch die Felder und auf
einsamen Wegen durch den Wald; —
dann hatte er sich gefaßt und eilte nach
Hause in sein sriedliches glückliches
Heim, über dem fortan ein-e Wolle
hing. Aber Jeanne sollte nichts ersalp
ren, ihr wollte er die harmlose Glück
seligkeit nicht stören; er wollte stark
sein-, er wollte leben, wie ein vernünf
tiger glücklicher Mensch und sterben,
» wie ein Mann —- wenn es seinj
» mußte ..... E
Eines Abends erwartete ihn Jeannej
Ean der Hausthür; mit gliickstrahlendemT
EGesicht und glänzenden Augen slsiisterte
Esie sihm zu
E »Ich habe eine Ueberraschung fiir
7 Dich — eine große Ueberraschung!"
E Jhm war, als müsse sein armes
Etratrles Herz stille stehen. Wollte sie
'ihm jetzt sagen, woraus er siins Jahre
voll Sehnsucht gewartet, sollte er jeßt
EVater werden, jetzt,« wo es zu spät
E mak?
»
i
)
i
; »Was ist’s?« fragte er kaum hörbar.
E ,,Komm’ in’s Haus, dann sollst Du
es ersahren.«
z Als er die Tbür geöffnet, die in’"g
Wobmzimrner führte, fühlte er srch von
strästigen Armen umschlungen, und»
JJean preßte ihn an sich und jubelte: »
; »Hasb’ ich Dich endlich wieder, mein;
Haltet Vierte, mein Vater, mein bester-s
iFreund!« - J
s Pierre war sehr bleich geworden,?
Tdie Aufregung, die plötzliche Freude»
i war fast zu viel für ihn — aber er war
; sehr glücklich.
; »Sieh nur« wie schön er geworden!"i
rief Jeanne und sah dem Fmsnde in’
die großen- glänzenden Augen mit derj
Miene einer liebenden Matten derer-;
Jüngstrr eben in’s Elternhauö zurück-H
lgerchkr. ;
«J«eht bleibst Du aber hier-S« ent-;
schied sie. »Du glaubst gar nicht, wies
gemiithlich es bei uns ist«——und Pierrej
stimmte ihr bei. z
Dann merkte Jean erzählen, von sei
, nen Studien in Paris, von seinen Rei-l
sserh von neuen Entwiirfen und Plänen.
z— Und er wußte so wunderbar zu er
Lzäblent Wenn Pier-re sort war, saßl
kJerrn stundenlang bei der jungen Frau
sdre chrn so gern zuhörte Sie waren(
kmnner bei einander, wie früher. Er
Ebals ilyr im Garten und in- der Kiiche,
j pflückte Erbsen- und Bohnen und rührte
’ die TIanD
I Aber nach den ersten Wochen des
iGliickes wurde es anders. Jean ginig
des Morgens mit Vierte fort, und so
viel Jeanne arrch nach ihm aussehn-nie
er kam nicht vor Abend wieder. Die
junge Its-« verlegte ihr fröhliches
Lachen nnd erstappte sich øst dabei, daß
sie leise vor sich bist-tate- «Jch liebe
Pier-re, Mem ganz alleinls
Und Vierte wurde täglich bleicher,
nnd sei-e großen Jugend-unser trauri
S W w Amt-. sue die
Ibusde leet W. versuchte umr,
—- J
die glücklichen Zeitm der Kindheit zu
riickzurrrsfem die Lampe braun-te auf
dem runden Tisch, Jeanne nähte und
Jean zeichnete oder modelliriez aber
Pier-te hatte fast immer zu arbeiden,
selten las er vor —- es war nicht wie
friisher, das Glück war aus dem kleinen
Hause entflohn-.
Wenn Jeanne von ihrer Arbeit ausf
blickte, fah sie in die Augen Jean’ö, die
mit verzehrender Gluth sie anstarrten.
oder sie begegnete den todesttaurigen
Blicken Meeres, die ihr das Herz zer
rissen.
Eines Abends kam Jean von einem
seiner langen Spaziergänge, die ilyn
fast den ganzen Tag von Haufe fern
viel-ten, früher zurück. Er brachte ein
großes Bouquet von Farrenkkaui und
rothen Blumen mit, das er Jeanne
reichte
»Wie schon sie sind!" rief die junge
»Frau —- aber nach kurzer Pause fügte
sie hinzu:
»Weißt Du, wie man sie nennt?
Blutende Herzen.«
Eine dunkle Röthe überzog ihr Ge
sicht, das sie schnell in dem Blumen
strauß verbarg.
»Und Du willst sie bebalieni" rief
Jecm wild. »Mein blühendes Herz
zertrittft Du tin-d wirsst es von Dir-«
,.Srill, Jean,« bat sie, « rede nicht
so« ich —«
»Du magst es nicht hören-? Jch
weij es, aber Du s ollsi mich hören. Jch
habe Dich mein Leben lang geliebt —
ich weiß keinen Tag, keine Stunde, wo
Du mir nicht das Höchste, das Liebste
gewesen!"
Sie wollte ihn unterbrechen —— es
war vergebens: er sprach nicht laut,
crber es schien ihr, als ob er die Worte
herausschrir. Jn seinen Augen glühte
ein Feuer, vor dem Jeanne etbebte.
»Als ich ersubr, daß Du Pierre’s
Weib werden wolltest, da raste ich —
ich hätte mir das Leben genommen,
aber ich wollte Dir nicht wehe thun —
Dir und ihm! Jch arbeitete, Um zu
vergessen. Und jetzt, nach süni Juch
ren, nachdem ich Geld und Ruhm und
eine Zutun-it erarbeitet, jetzt glaubte ich
überwunden zu haben —- und es ist
schlimmer, schlimmer als je!«
Jeanne war in einen Stuhl gesun
ken —- Jean kniete vor ibr und verbarg
das Gesicht in ihren Schooszx sie legte
die gesalteten Hände auf seinen Kopf,
wtie betend, und um ihren Mund zuckte
es lranwfbast: »Jean, mein armer
Jean!« flüsterte sie.
Es mochte etwas in ihrer- Stimme
liegen, das er sriiberf nicht darin ge
hört, er sprang auf und riß sie zu sich
empor — et umschlang sie mit beiden
Armen und küßte sie mit wilder Lei
denschafi.
s- --- - «- - —
um »unter eriOlcll m Olqem AU
genblick Pierre’s todtenbleiches Antlitz
----— aber die Beiden sahen ihn nicht -——
ein« Gefühl maßloser Wirth bemächtigte
sich seiner, er fühlte einen itechenden
unerträglichen Schmerz im Herzen
er wankte und es wurde dunkel vor den
Augen; mühsam schleppte der unglück
liche Mann sich bis an den Eingang
des Hauses —— dort sank er nieder.
Jean hatte sich gefaßt; er etgrifs
Jeanne’s Hände und blickte ihr mit
rithrendet Zärtlichkeit in die Augen-:
»Berzeih’ mir, Jeanne«, bat er, »oh,
verzeih« mir! Siehst Du, ich kam um
Abschied zu nehmen. Jch gehe fort,
noch in dieser Stunde -—»ktir immer!«
Als er die Thrjinen in Jeannes Au
gen sah, wollte er das schöne junge
Weib wieder ans sich ziehen, aber er be
herrlchte sich
,,Gr1«iß’ mir Pierre«, sagte er und
wandte sich ab ——- »ich darj ihn jetzt
nicht sehen, unseren armen lieben edlen
Pierre.«
Diran war er fort und sie hörte ihn
die Treppe hinaufstiirmen in sein Zim
mer.
Jearme vergrub ihren Kaps in den
Kissen des Sovhaö und weinte, als ob
ihr her-z brechen müsse.
»Viel-re Vierte, ich liebe Dich, Dich
ganz alleini« rief sie wieder und wieder
—— aber ihr herz widersproch! Du
lügstl Du liigstt
Dann schien es ihr,als ob sie Schrit
te vemähme —- jth ging Jean fort,
sortt Fort stir immer!
Sie stürzte zur Thür, sie wollte ihn
rufen, sie konnt-e ihn ja nicht ziehen
lassen, sie tomrte ohne ihn nicht leben
Da hörte sie einen gellenden Schrei
—- Jean hatte den sterbenden Bruder
gefunden.
«- - «
Seitdem sind fünf Jahre vergan
gen; Jean nudJeannehakn fiel-ge
herrathet und leben in Port-. aber drei
Monateiujedem ehre bringen siein
Bitte zu, in dem t weißen hause,
das irrem Wehen gemiithlicher und
ehsanter wird. Sie le täglich
von Ame is innig-st- Lielie und sind
CW is dein Wen-. er habe nie
—- l
ekfahten. daß sie ihm einen Augenblick
— einen Augen-blies inn- — untre-u ge
wesen.
Und als Jeatme ebm jew, auf der
Veranda sitzend, das Gespräch der Kin
der gehört, sieht sie im Geiste die rothen
Blumen, die John ihr einst gebracht
—- aber sie almi nicht, daß sie und ihr
Mann —- Mördn sind.
ON
Der weitere Weg.
Eine Geschichte wijhugo Klein.
i
! Arm in Arm warens sie schon eine
kStunde gegangen und hatten wenig
«nrit einander gesprochen. Die schöne
IINatur ringsum war für sie lauen da.
«Die griinen hiigeh die wehenden An
s« den, die Blumengärtem welche die Bil
Zlenstraße einsäumten, die nsiedlichen
? Landshäuser darin, nichts zog ihre Aus
i mertsamleit aus sich. Ihr Blick starr-te
in’s Leere und mechanisch schritten sie
dahin, ohne Vergnügen zu empfinden
oder Ermüdung
Jshre Seelen waren gebrochen und sie
hatten beschlossen, zusammen zu ster
ben. Seit einem Jahre liebtcn sie sich,
heiß, treu und keusch. Sie war ein
reiches Mädchen, die Tochter angesehe
« ner Leute, er ein armer Beamter in ei
nem Banlhause der Stadt, jung, ar
beitssreudig nicht ohne Kenntnisse,
nicht ungeschickt Der reiche Mann
hätte ihm bei seinen vielfachen Unter
nehmungen leicht eine Stellung einräu
men können-, die eine Familie schlecht
und rechst nährte Der junge Mann
hätte gearbeitet, sich nützlich gemacht
und sein Weibchen gehalten wie eine
Königin. Der vornehme Herr wollte
aber von dem unbedeutenden Freier1
nichts wissen und wies ishn ab, erst lalt
und höflich, dann zornerfiillt und hef-;
tig. Weder die Bitten und Vorstellun- T
gen des Bewerbers, noch die Thränen
der Tochter rührten ihn. Seit einem
Jahre wurde schon der Kampf um die
väterliche Zustimmung geführt, ohne
Erfolg. Erst gestern hatte der Alte der
Tochter erklärt, er werde niemals seine
Einwilligung geben, niemals-, gerade
weil sie es sich in- den Kopf gesetzt, den
jungen Mann zu heirathen-. Dem Letz
teren aber schrieb er, er wolle die’Hilse
der Polizei tin Anspruch nehmen, salls
der Ueberlästige es wagen sollt-e, seine
Bemiihuwgen usm das Mädchen fortzu
setzen und dieses weiter zu behelligen
So hatten sie denn beschlossen, zu
sterben. Zusammen wollten sie den
lTod suchen. .Während der Abwesen
theit der Eltern, die ein-e lleine Reise
Emachtem verließ sie das elterlicheHauI.
ZAm Ende der Stadt traf sie mit dem
iGeliebten zusammen und nun schritten
idie Beiden weiter durch die griinen
xAlleen der Cottage-Anlagen. So ge
Zdachtens sie zu gehen, bis es Abend wur
!de, und dann hinabzuschreiten an das
EUfer des Stronies. Noch einen langen
Fluß wollten sie sich geben, einander
sumarmen und sin— der Umarmung in
1das Wellengrab tauchen. Aber dazu
Imuszte es, wie gesagt, Abend werden.
Ein unheimlicher Plan wie dieser
konnte nicht bei Tageslicht ausgeführt
werden- wo so viele Augen sehen. Wenn
die Schatten der Nacht niedersanken
so sollte ihre Todesstunde geschlagen
, .
Nahezu drei Stunden waren sie schon
geschritten, aber der Abend war noch
immer fern. Sie blickten-·end1sich um
sich. Sie waren in einem kleinen, en
gen, grünen Thale, rechts abgegrenzt
von ein-er bewaldeten Höhe, die sie vom
Strome trennte, ihrem letzten Ziele.
Rings herum wiederum Hügel, mit
Laubbolz bewachsen oder mit Reben
bei-sinnst Ein llares Bachwasser
sprang in seinem Felzbette leise rau
schend von Stein zu Stein. Die Sonne
spiegelte sich blendend darin. Nicht
sern von den Lebean, im lauscht
gen Grün halb verborgen, sah man die
gesälligenFormen eines zierlichen Bau
es des Restaurantö »Zum Waldvogel«,
eines Ausflugszieles der vornehmen
städtischenWelt an warmen Frühlings
tagen und schönen Sommerabenden
Jm Augenblick lag der »Waldvogel«
verlassen da, um diese Stunde strebte
ihm niemand zu. Etwas später moch
ten hier viele gepunte Damen und not-le
hereen den eleganten Karossen entstei-;
gen. Vorläufig fehlten noch die Gäste.j
Die Weichenen Tische und Stil-b
le standen leer zwischen den Gebüschm
Ein Kätchen lag schläfrig im Sonnen
schein, wähnend ein anderes mit einem
Watte s vielle, das vom Baume gefallen
war. An einem der leiten Tische saß
ein bar-Unser Kellnerjunge und schrieb
emsig an den Speis-arten- dei Tawx
Der junge Mann- drilckte den- Arm
destchenssesteranssich strichliebs
w—--W·«- T— —
tosend mit der Hand über ilnr weißen
Finger und sagte:
»Ah-lieu wir hier warten, bis es
Abend wirdi« .
Sie traten in den Gasthandgarten
und nahmen an einem der Tische Plat,
so daß sie von ihrem Sihe aus die
Aussicht auf die liebliche Scenerie im
Freien, den hüpfendeni Bach und die
spielenden Sonnenstrahlen hatten. Der
junge Mann bestellte eineFlasche Wein.
Unwillliirlich blickten sie dann um sich.
Der offen-e Gatten war im Hinter
grunde durch eine gedeckte Terrasse alk
gegrenzt. Zur Linlen gab eiz noch ei
nen Ausgang. dort führte ein Steg
über den Bach. Aus der Terrasse han
tirte eine Bussetdame mit ihren Liiörs
flaschen und blickte dann in tin- Massa
Buch· Es war eine Gestalt von mitt
lerer Größe, mit schwarzem haar und
einem niedlichen dunklen Gesicht-eben
Sie wandte sich nun ans einen Angen
blicl den frühen Gästen zu und ais sich
die Blicke der beiden Mädchen begegne
ten, enisuht den Lippen Ernestinens
ein Ausruf der Ueberraschung
»v.)ag Marthens riet ne.
Das Malchen, so erklärte sie rasch
ihrem Begleiter-, war ihre Milchschwe
ster vorn Lande« wo sie beide ihre Kind
heit verbracht. Zusammen hatten-— sie
in turzen Röckchen gespielt, gelacht, ge
tollt. Jahre lang. Später warens sie
auseinander gekommen. Das reiche
Fräulein übersiedelte mit den Eltern
nach der Stadt, die Tochter des disk-sti
chen Postmeisters blieb mit den Ihri
gen aus dem Lande. Nie hatte Mat
chen versäumt, die Jugendfreundin zu
besuchen, wenn sie nach der Stadt kann,
zu der sie nur dreiStunden Eisenbahn
fahrt hatte. Das waren dann sitt bei
de sekige Stunden der Erinnerung und
des heiteren Schwatzens. Die Besuche
waren nie zu häufig gewesen und hat
ten die letzten Jahre ganz awsgehört.
Ernestine wußte schon lange nicht« was
aus dem Malchen geworden war.
Auch dieses hatte die Freundin er
kannt und eilte nun herbei. Die Mit-d
chen umarmten und tiiszten sieh stiirs
misch.
»Wie kommst Du hierier« vie-s Er
nestinr.
»Ach, das ist eine lange Geschichte!«
-,,Unsd so nah von uns, hast Du nie
gedacht, uns zu besuchen?«
»Die lente Zeit wohl, aber da gab es
viel. Arbeit ——— und noch anderes . . .«
Das Mädchen war inGegenevart des
fremden jungen Mannes zurüQaltenU
Sie zögerte einen Augenblick, dann
sagte sie
»W:e Du winni
Als sie bei den letzten Worten zu ihm
aufbliclte, stellte ihn Ernestisne vor.
»Mein Bräutigam," sagte sie kurz.
»Ah, Du bist Braut! Wie schön,
dass; ich Dir Glück wiinschen lannt
Mögest Du in Deine-r lkhe allen Se
gen finden, den Du ver-dienst! Und
Sie, junger Herr, hüten Sie mir wohl
mein Ernestinchen, und achten Sie dar
zaus, daß ihr nie ein Haar getriimmt
;tvird!«
t Die Kleine bemerkte nicht in ihrer
Freude, wie bitter die Bealiietwiinschte
lächelte und wie peinlich berithrt der
junge Mann von ihrer letzten Bemer
kung war. Malchen schwatzte dann
weiter, ertunidigte sich nach den Eltern
der Freundin, gemeinsamen Bekannten
und sand an ihrer Rede so viel Ge
fallen, dasß sie gar nicht merkte, wie
woritarg die Antworten der Anderen
waren.
-,,O, wenn Du wüßtest, was ich Al
les erlebt habe, seitdem wir uns zuleft
gesehen,« schloß Malchen endlich ihren
Wortschtoail
Ossewbar brannte sie daraus, der
vertrauten Freundin alle ihre Erleb
nisse mitzutheilen, und als diese noch
mals ein-e Frage darnach that, ließ sie
isich nicht viel bitten und begann ihre
HEtzählung.
»Dente Dir, Liebste, ich war so un
glücklich, dasz ich mir ein Leid antehusn
wolltet.«. Aber ich will nicht mit
dein Ende beginnen, sondern mit dem
Anfang. Jm vorigen Jahre also war’s,
da lernte ich aus einem Faschingstränz
chen in unserem kleinen Dorfe einen
neu-en Forstbeamten kennen, der nach
unserem Gemeindebezirl oersth wor
den war. Er war so hitbsch, so gefäl
lig, so sein« so ganz anders alwie Uh
rrgens jungen Leute, daß ich mich aus
den ersten Blick in ihn verliebte. Du
wurdest es begreiflich gesunden haben,
wenn Du ihn gelannt hättest. Auch ich
Mel Ihm seht und —- wozu soll ich
viele Worte machen -——— wik pur-den »in
Liebe-paar Er versprach, um meine
HMD Möuhakkm sobald er im Amte
vornitcken würde, und ich M .
Dann rückte er im Amte vor nnd schob
M Freien hinan-, ne et em- Wu
de Schuld sent-it hinterm te- geme
Im euch W- Ich In- sue-,
VII » ssskt- M M er