Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 11, 1896, Sonntags-Blatt., Image 7

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    Sonntags-Blatt
is Beilage des »Anzcigcr und Herold« zu No. I4, Jahrgang l?.
F d P Windle. Herausgehen
« (83rand.sslank- Nebr» den« Dezember 1896
Hurnoreste von H. Darsay.
«Wesche, ach welche soll ich heira
then?« fragte sich der Limdenant Ser
»Jch habe Sie Bei-de ganzgleich
lieb. Madaleiwe wie Suzanne be
wen dieseiben Augen, dieselbe Haar
Farbe dieselbe Gestalt, sie haben die
F- niineliche Stimme, die nämlichen Lieb- «
, hasbereienv die gleicheAnmuth. Es wird
mir gar zu jchwe-, unter diesen Ver-T
hältnsissen eine Wahl zu treffen, von
der ich überzeugt bin, sie wicht sofort
wieder zu bereuen «
»holla! Wer ist da?«
Es klopfte leise an die Thür
-. »Ich, Herr Lieutenant « antwortete
ein Husar und trat in s Zimmer.
»Schön Wie viel Uhr, Jean?« s
»Ich-n Minuten nach Fünf, « fagtez
die Ordonanuz »Der Herr Lieutenant
haben gerade noch Zeit, wenn Sie zum
Abmarsch recht kommen wollen «
Eine Viertelstunde später sprang
Servais in den Sattel und begab Tich
in den Kasernenhof zu feiner Esta
dron.
Der Tag war völlig angebrochen,
als das Negiment die Quartiere ver-«
ließ uni zwei Meilen weit zu denl
Uebungen zu marschiren (
Am Horizont der langen Ebene
zeigte die Sonne ein Stückchen sihrer
goldenen Scheibe. Der Morgenwindi
führte den erquickenden Duft frisch ge
mäbten Heu-Z mit sich und denGeruch
der Blumen die zu beiden Seiten der
Straße im Schatten des Gehölzesj
lptkßtenm
F « urt
Mc Plrulcnulll lluulk scllccl XIV-·
theilung zur Seite.
Wie weit weg doch seine Gedanken
waren von dem umständlichen AIH
gtissspkam der um ihn herum das al-l
leinige Gesprächstkyema bildete! Plötz-«
lich richtete er sich aus« zog die Unifotm
straff asn und hielt sich forsch auf dem!
hearedemm eugtischen Samt, vonl
dem sich das tiefe Schwarz der Mon
tur vorkheilhaft abheb. Das Regi
mmt kam an der Woan der Da
men Roncetay vorüber.
Das Dass machte ein-en herrschaft
Ibchen Eindruck unsd war von einem
Garten vsgebenz dessen Aussehen
sorgfältjoe Pftlge verrieth. Auf denl
künstlerisch angebogten Becken mischjen
Geranien Wre leuchtenden- Fatben mist
dem sanften Grün der Nesebenz ein
Teich, über den sich eine Natueholz
drücke wischte spiegelte vie erstenl
Strahlen der Sonne wieder; hinter,
einem Gitter entdeckte der Beschauer
Man-km Rebchühnet und wilde Tau-]
»Sie sind da," sagte such der Neu-;
teuern-t. Sein her-z schlug zum Zer-.
springe-«
Wirklich beobachtete-n Madeleiwe und
Suzanne hinter den halb geschlossenen
Lödm den Vorbeimarsch der husaren
Doch bei Sanais Erscheinen stieß die
Jüngere den Laden aus; es durchiuht
den jungen Ofsizier wie ein Blitz. Alle
Augen wandten sich nach dem Fenster,
welches das anmuthige Bild in seinem
Rahmen umschloß.
Gleich an Schönheit, gleich an Lieb
reiz, wie es sich der Lieutenant gesagt
hatte, lächelten die jungen Mädchen in
die srtediiche Morgenlanbschast hin
aus. Jhre Aehnlichkeit fiel derart in
die Augen. daß eine Verwechslung sehr
entschubbar gewesen wäre. Dunlel
wie die Rache waren ihre Haare, ihre
Augen blau gleich dem Vergißrneins
nicht. .
Der Lteutenant verneigte sich und
sandte verstohlen einen Gruß hinaus,
desse stumme Beredsamteit von den
jungen Mädchen wohl gewürdigt
wurde.
»Welches Welche?« hörte er reicht
aus, sich zu fragen-, der unglückliche
Lieutensant —
Am Sammelplatz umringten khn die
Kameraden
«Gltickspilz!« ries der Ntttmelster
Damand ihm zu. »Was, Sie kann
ten diese beiden auserlesenen Perlen
und haben- uns noch nie von ihnen ge
sptochm2«
»Seht leicht ertlärlich," mitzelte der
Unterlieutenant Dusbrulle. Kamerad
Servais hat Angst, man könne ihm
Konkurrenz machen-«
»Das fürchte ich durchaus nicht,«
erwiderte Senats. »Ich verkchre erst
seit knapp vier Wochen in der Familie
Noneeray und werde demnächst heira
then.«
,,Welche?« frugen zu gleicher Zeit
der Mttrneister und der Unter-Heute
nani.
»Ach, da liegt eben der Hase im
Pseffert« sagte der arme Verliebte,
»daß ich das nicht weiß. Jch liebe sie
alle Beide, Eine wie die Andere.«
»Donnerwet-ter!« bemerkte der Ritt
meister bewundernd. »Das geht aber
slott bei Jhnent Schneidig!«
»Oh, aber gar ncht,« begann Ser
vais von Neuem mit tummervoller
Miene, »ich leide unter dieser lächer
lichen Geschichte und gäbe viel darum,
wenn ich mit mir selbst in’3 Reine
kommen tönnte.«
»Sieh-er Freun-d,« schlug der Unter
lieutenant in biederem Tone vor,
»wenn sich Dir unter diesen Umständen
irgendwie von Nutzen sein kann, thue
mir nicht die Kränkung ans, daß Du
meine Dienste verschmähs
»Ich dsnte so,« sprach der Rittmei
ster dazwischen, »Sie stellen uns den
Damen vor. Nach dem ersten Besuche
werde ich Jhnen schon sagen, welche
die Bewußte ist. Jhre eigentliche
Flamme. Jch habe ein ganz beson
deres Talent in derartigen Vermitt
lungen. Es ist doch eine gute Fa
milie?«
»Un, Herr nimmer-neu die Damen
Ronceray sind die Töchter eines in den
Rolonien gesallenen Obersten. Ihr
Vermögen isi ebenso groß wie ihre
Schönheit.«
»Und das will etwas heißen«, mein
te der Lieutenant Dubrullte.
»Und was die Anstänldigteit be
trisst ———'«
»Gem!g«, unterbrach ihn Rittmei
ster Darm-and, »wir gehen hin. Jch
bin ganz ins der Laune, Jhnen einen
Gefallen zu erweisen. Aber eben höre
ich das Signal, schnell zu Pferde, mei
ne Herren, wir wollen später darüber
reden, beim Essen.« «
Nach beendeter Uebung begaben sich
die Reiter in’s Quariier zurück. Dien
tenant Servaiis gab Jean seine Be
fehle; Rittmeister Hannand und der
Unterlieutenant owrulle einigte-i sich
dahin, nach Tisch mit ihrern·Freund
zusammen- Frau Ronceray zum ersten
Ma1e zu besuchen.
Die Dame empfing die von dem
Lieuienant vorgestellten Ossiziere mit
der größten Liebenswiirdigleit Ma
delaine und Suzanne boten The-e an
mit ihren zartenHänden,die weißer als
das Porzellan der Meißener Tassen
schienen.
Bald entspann sichein lebhaftes Ge
spräch. Dann sedte Madeleine srch
an's Klavier-, während Suzanne mit
dem Lieutienant Dubrulle, der eine
hübsche Tenorstimme besaß, Duette
aus Operetten durchprobirte.
»Wun«dervoll, wundervoll!« rief der
begeisterte Riiimeister. »Das ist ein
Abend, den ich nie in meinem Leben
vergessen werde.«
Die Stunden schwanden wie im
Fluge. Es war schon spät, als die
Ossiziere an’s Abschiede dach
ten.
Eine ruhige Nacht, wie geschossen
zum Spazievmgehm, eine richtige
iSommernachQ Aus der weißen,
tmondbeschienenen Landstraße kamen
die drei Freunde rasch in-’s Plaudern.
I ,,,Nun Herr Ritstmeisier,« fragte
Servais, »wissen Sie, welche mir am
besten gesällt?«
I »Oh, ph, meini Liebe-, ich versich
vollkommen Jhre Qual. Sie sind so
schön nnd so ähnlich, alle Beide. Man
muß gestehen, daß Madeleine eine
vorm-Mich- Clavierspielevin ist, aber
Zuges-me si dcsilr entzückend.«
»Ich ist« Wie der Unterlieuies
III-«
s usw wiss-ich. W, ich muß
Egeskkhm daß mein- Schavfknick auch
Imanchmal versagt. Nach meiner un
smaßgeblichen Meinung giebt es hier
ein- Mitsteh Ihre wahre Geliebte aus
sindig zu wachem«
; ,,Saigen Sies mir rasch, Herr Ritt
meister.«
- »Höre-n- Sie denn. Jch will le
nen sagen, was ich thun würde, wenn
ich an Jhret Stelle wäre. Jch würde
"ganz gemiithkich einen kleinen Urlaub
von so acht bis vierzehn Tagen nely
men, unsd weit, weit weg-reisen. Jn
wer Ferne gewinnt man am besten
Klarheit über seine natürlichen Ge
fühle. Fuhren Sie im Land’ umher,
gehen Sie nach dem Süden, an die
blauen Gestade der Rinier-a. Und
dort, am Meere, besinnen Sie sich auf
Jhr wahres Selbst, schließen die Au
gen« stellen sich Madeleine’s und Su
zanne’s Bild vor, überlegen unsd ver
gleichen ins Seelenrushe. Jch will ei
nen Schwur daraus ablegen, ldaß Sie
bei Jhrer Rückkehr völlig im Klaren
sind.«
D·. c,s,,» m-.s-,A « -..s-LL.-L. L-—
( »Wi( PLUTII J(W,’l, LLlUTMLlc Uck
’Lieutenant, »aber wie kann ich diesen
Urlaub bekommen?«
,,Bin ich etwa nicht mehr auf der
Welt, ich, Jhr R-ittmeister, als Bürge
für die Wahrheit unseres Vorwansdes2
Sie dürfen ganz ruhig sein« ich sorge
für Alles.«
»Ach, tausend Dant, Herr Rittmei
ster,« rief der Lientenant bewegt, »ich
versichere Sie . . . .«
»Schon gut, schon gut, lieber
Freund. Man muß sich doch im Leben
einander beistehen.« -—- »s-—
Zwei Tage darauf schnallte Ser
vais seinen Koffer und begab sich auf
den Weg nach dem Mittelländischen
Meere, ihm das Geheimniß seiner ver
schleierten Liebe zu entreißen.
Während er nun zwischen Toulon
und Nizza umherstrich konnt-e man
Rittmeister Harmand und den Unter
lieustenant mit vieler Beharrlichkeit bei
Frau Noneeray Besuche abstatten
sahen. Der Rittmeister machte Wade
kaine den Hof und der Unterlieurenant
umwarb Suzanne, was bei Jedem miii
einem Heiratshsantrag schloss, den aber
Beide sorgsam vor einander geheim
hiektem
»Ich bin mit meinem Gewissen in
Frieden,« sagte sich der Rittmeister.
»Wenn- der Lieutenant zurückbme
wird es mir ein Leichtes sein, ihn zu
überradem daß es Suzanne ist, die er
liebt."
»Ich habe mir nichts vorzumerfen,«
dachte der Unterlieutenansi. »Wenn
Kamerad Servais zurück sein wird,
kann ich ihn ohne Mühe davon über
zrugenz daß er Madeleine heirathen
muß.« ———
Nach Ablauf seines Urlaubs er
schien Servais wieder am Ossizievss
tisch.
Seltsamer Weise trugen alle Drei
verlegene Mienen zur Schau. Es war
offenbar, daß das unvemieisdliche Zu
sammensein von- Keinem freudig be:
grijßt wurde; sie begegneten einander
mit sichtlicher Zurückhaltung
Rittmeister Harmand faßte sich end
lich ein Herz. Er war der Erste, der
das Wort ergriff·
«Also,« sagte er mit einem tiefen
Atlxnizuge, »es ist ausgemacht, Sie
heirathen Suzanne.«
»Nein, nein, Sie wollten sagen:
Madeleine,« berichtigte rasch der Un
terli«eustenant.
«Suzanne!«
»Masdele·rne!«
»Aber Hölle und Teufel,« donnerie
der Ritimeister, »ich habe doch urn
Fräulein Madeleine’3 Hand angehal
ten und bin erhört worden«
. ,,Ued ich habe um Fräulein Suzam
jnes Hand gebeten und habe ihr Ja
wori erhalten« platzte nun der Unin
, lieuimant beraus.
! »Ach meine Freuuive,« sagte Set
vais, dessens Gesicht sich erstaunlich
schnell erhellte, »wie glücklich macht
streicht-its denninEanneI hubeichfa
«eine junge Dame gesunde-n dieich ichan
beic— invietWochmsolldiehoche
M sei-! «
,,Bortkefflich,« fiel der Rittmeister
ein, »so istAlles in schönster Ordnung,
und jetzt haben wir es nicht mehr nö
thig, uns zu fragen: »Welche?««
— ..-. -».«. f, - ,
Uicht zu Hause·
Skizzen von J. Bergen
Nicht zu Haufe! Jhr häßlichen,
gleichgiltigen, oft lügnerischsens Worte!
Welch ein-e Welt von Schmerz-, Elend,
Aerger unfd Enttäuschung habt ihr
oft im Gefolge!
st- IOI st
Es isft Mitternacht! Durch die öde-n
sStraßen jagt der Sturm und peitscht
Ischwsere Regentropfen auf das Stra
.ßenpflaster. Kein Sternlein blinkt
Izu-r Ende hernieder. deurchdringlich
lund schwarz ist die Finsterniß dieser
JRachi.
- s -« « . «
» »aber nie einsame Frau vorr, kocraze
Imit dem Sturm zu eilen scheinst, fühlt
weder Negenschauer noch Kälte. Nur
ein Gedanke treibt sie weiter, imnser
zweiter. Jshr Kind ist sehr krank, dise
Kriimpse schütteln seinen kleinen Kör
per. Die arme Frau jagt »in ihrer
Herzensangst zu dem einzigen Arzte
der kleinen Stadt, zu welchem sie
heute wohl schon dreimal geschickt. Er
war ,,nicht zu Hause«, hieß es immer
wieder. Aber jetzt, um des Himmels
»Barmherzigkeist willen, jetzt mitten in
zder Nacht musz er zu Hause sein. Jhr
lKind darf ja nicht sterben, die Mut-—
Jter muß ihm Hülfe bringen-. Da ist
sie schon vor dem Hause des Doktor-s
angelangt. Hestig reißt sie an der
zNachtgloeke Niemand öffnet. Noch
Heinmsal und noch einmal schellt sie
jJetzt endlich lassens sich schlürfen-de
Tritte hören. Eine brummige Stim
me fragt: »Wer ist da?«
»Der Doktor muß mitkommen,
gleich, sofort, mein Kind liegt im
Sterben!« schreit das junge Weib
durch die ein klein wenig geöffnete
Hausthür.
Was wird ihr zur Antwort?
»Der Herr Doktor ist über Land
gefahren, der alsteGrIas in Neudorsf hat
sich erkältet.« Wie betäubt hört die
Frau die Worte; sie scheint ihren Jn
»hal-t kaum zu verstehen. Sie fragt wie
Igeistesabwesend noch einmal: »Nicht
jwahr, der Doktor kommt jetzt mit?«
« »Na, Frau, hören Sie denn nicht?«
ruft die-Stimme der rohen« Magd, »der
jDoktor ist »nicht zu Hause«!« und sie
schlägt schellewd die schwere Thür zu.
I Jetzt erst erfaßt die Mutter den
zSimi der schrecklichen Worte, »der
eDoktor ist nicht zu Hause.«
I Nun ist ihr Kind verloren — mit
twan«kensdewcschxiritten eilt sie dem Hause
izu. Sie sinkt an das Beinchen ihres
leinzigen Kindes —— ach» da war kein
HArzt mehr nöthial
l se
II L
»Amt"grichtesrchen, Amtsvichterchen!
IsJch warne Sie. Schon zwei volle
IMonate sind Sie in unserer Stadt
Hund haben Jshren Kollegen noch immer
i keinen Besuch nbgestatteM Jsch
.sjirchte, man vergißt Ihnen diesen
s,,saur pas« nicht. Holen Sie nur
zmotgen das Versäumte nach und bege
-bebn Sie sichan die Visitentour, sonst
; stehe ich für nichts!«
Der junxkeAmtsrichtser zuckt lächelnd
diie Achseln, drückt dem wohlmeinen
den, jovialen Arzt die Hand und er
ztlärt setyr ruhig, daß er sich nächstens
Iden Richtersamilien vorstellen werde.
Jndessen läßt er noch eine bedenk
liche Zeit verstveichen, ehe er den Vor
saß ausführt Man ist empört über
die Formlosigkeit Die Kollegensvauen
stecken in den Kasseees ihre Köpfe zu
sammens. Armee Amtsrichtert Es ist
anzunehmen, daß hier ein Komplott
gegen Dich geschmiedet w«ird.
Endlich besinnt sich der junge Mann
seines gegebenen Versprechens. Eines
Sonntags Vormittag, punkt zwölf
Uhr, sticht er in: Frach Cylinder und
tadellos-en Glaeevs vor der Thür des
Präsident-m Er Nin-gelit- Ein dienst
bsfltssener Diener öffnet sofort
z »Herrschaften zu Hause?«
I »Bediaure sehr,«errvti7verte der Wohl
inrstruivte ,,Herrschasten sind ,,nichct
zu Hause«.« Die Karte wird abgege
ben, und der junge Mann geht weiter.
Dasselbe Gespräch mit den dienen
den Geistern der anderen Familie-n er
newevt sich. Immer tönt ilym gons den
Lippen der Dosmnestikenwelt das »Nicht
zu Hause« entgegen.
; Nun hat er nur noch einen Beswch
asbzustatten
Doch etwas verstimmt über diese
ssortwährenden Abweisungen, will et
ljetzt dem öffnen-den- Mädchens zuvor
-koni«men, er überreicht sein-e Karte mit
»dem Zusatze: »Herrschaften-. sind nicht
zu Hause, nicht wahr?« Das Dienst
mäidchen geht in das Zimmer tin-d
kommt mit der Antwort wieder: »qu
Räthin Tarnow läßt bitten.«
Erstaunt tritt er in das Wohnstu
mer der Familie Eine junge, freund
lich Frau empfängt ihm; Nach der üb
lichen Begriißunsg sagt sie munter:
»Aber Herr Amtsrichter, Sie haben
uns Alle recht lange auis Ihren Besuch
warten lassen!«
»Ja meine gnädige Frau, ich beken
nse mich schuldig, man hat mich auch
meins Versäumniiß büßen lassen; ich
wurde von allen- Thüren mit einem
strengen »Nicht zu Hause!« fortgereis
sen. Nur Sie, meine Gnädige, waren
so aütig, den armen Sünder holdreich
auszu·nel)me-.« —
»O, tcy war nrcyt im Romplott,"
erwiderte sie lustig. Da öffnete sich
die Thür, und ein junges Mädchen
tritt herein.
»Erlausbe. liebe Schwester, daß ich
Dir Herrn Amtsrichter von Zimmer
mann vorstelle.«
Alter Walden, die schöne Schwester
der kleinen, liebenswürdigen Frau,
verbeugte sich erröthend. Noch eine
kurze Unterhaltung, unsd der junge
Mann entfernt sich.
Wochen waren vergangen Zimmer
mann hatte im Laufe dieser Zeit trotz
der ersten ihm zur Schau getragenen
Feindseliigkeit doch von allen- Kollegen
fasmilien Einladungm zu- großen und
kleinen Gesellschaften erhalten. Denn
so ganz unld gar durfte man den jun
gen, reichen Mann nicht fasllenl lassen»
hatte die tsöchterreiche Frau Direktor
den übrigens Damen erklärt. Aber,
welche Enttäuschuingt Der Ums-rich
ter lehwte überall ab; nur in der Fa
milie Tat-now verkehrte er oft und
Als der Winter zu Ende ging, da
war es kein Geheimnis-; mehr, daß die
schöne Alice Walden und Franz von
Zimmermann sich für’s Leben gefun
den hatten.
III Iß III
Meister und Gesellen haben Feier
Abend gemach-t. Der ehrsame Schuh
inachetmeister Gotthelf Funke zieht sich
seine-n- Sonnsdagsrock an. Dann nimmt
Funke ein« Paar soeben fertig gewor
dene zierliche weiße Atlasstiefeletten
svom Tisch, hüllt sie vorsoglich ein und
Lmachit scch auf den Weg zur Signora
Albina, der Primadonna des Stadt
.theat)ersi. Seine Fvasu sagt ihm zum
Abschied: »Alter, vergiß die Rechnung
nicht! Es sind jetzt schon hundert
Mart, die uns Alhina sch11»ldet. Jn
acht Tagen miissen wir unsere Miethe
bezahlen, uind das Geld ist noch nicht
beisammen, also übereiche ihr nur dsie
Rechnn«n«g!«·
»Mutter, sei nicht so ängstlich um
dass Geld besorgt!« brummte der Alte
im Fortgehen, nachdem er aber doch
wohlweißlich aus den-Rath seiner Frau
die Rechnung an stich genommen hatte.
Bald ist er vor dem Hause der
Sängerin angelangt. Ein allerlieb
stes Kammerkätzchen öffnet auf sein
Kl)ingeln-. Noch ehe er zu Worte kom
men kann, sagt das Mädchen schnip
pisch: »Nun endlich bringen Sie die
Schuhe! Meine Gnädige wartet schon
lange darauf. Signova will ausf den
Maske-shall gehen-J unsd sie nimmt
ihm rasch dass klein-e Packet aus der
Hand. »Hier-, schönes Kind, ist auch
die Rechnung; ich werde auif die Be
zahlmvg warten-.«
»Ach, die Signor-a ist nicht zu Hau
sse,« erwiderte ihm Lisette gedehkntm
Tours, »kommen Sie gelegentlich ein
mal wieder!« und damit hatte sie sich
rasch mit den Schuhen entfernt, die
Thür hinter sich zuschlagend.
Enttiiuscht ging Funke nach Hause,
mit dem festen Vorsatz, morgen wieder
ldie Rechnung zu präsentiren. Aber
auch da getan-g es ihm nicht. zu seinem
Gelde zu kommen. Er kam immer usnsd
immer wieder vergeben-By die berühmte
Sängerin war immer ,,nicht zu Hau
se«. Nach einiger Zeit wollte er es
zum letzten Male versuchen-, auf güt
vöchem Wege die Susmme zu erhalten«
Schon auf der Treppe tust iihm die
Zofe entgegens: »Die Abbinia ist nicht
zu Hause, Meister; sie kommt über
haupt nicht mehr nach Hause-. Heute
Nacht ist sie mit dem dicken Tenoristen
Brüller entfloh-en- un«d Sie unid viele
andere Leute haben das Nachsehen.«
Mit verblüfftem Gesicht vernahm
Funke diese Schrecken-Stunde Zu sei
nem Aerger um das verlorene Geld
gesellte sich noch dsie Furcht vor seiner
Frau. Wie wird die arme Seele das
Unglück tra-gen?« Am liebsten ginge
Funke, der gute Mann, auch »n-icht
nach Hause«·
.- ---....
US wlro oerlchlen ,,Ls.5ros.
Erich Schmidt hat als Sekretär der
Komission der Schillerpreis-Stiftung
resignirt. Den Anlaß hat die Meige
rung des Kaisers gegeben, dien- Preis
des letzten Jahres Gerhart Haupt
mann, als dem Schöpfer des ,,Hans
nele«, zu v-erleihen.«
Also doch ei n Mann- unter den
Waschlappen! Aber vielleicht bekom
men jetzt die Anderen auch Kourage.
Ein französischer Pro
se ssor der Chemie hat auis dem We
ge des wissenschaftlichen Experimenti
vens mit organischen Stoffen die Ewi
deckung gemacht, daß Gasolingas die
weibliche Stimme um verschiedene No
ten erhöht. Aus dem Wege der alltäg
lichsten Erfahrung der organischen
Welt war man schon längst mit einem
gleichwirkenden Agens nur zu gut be
kanInii. Man sage zu einer Frau nur
einmal: Nein!
Ein langwieriger Kampf
ist gliicklich beendigt: Die Kunst
Kommission und das Direktorium der
Bostonser Bibliothel haben sder bekann
ten Skuliptur der ,,Bachan.tin« Einlaß
in die heiligen Hallen der BiIbliotshet
gewährt, nachdem sich die nackte
Bachantin wohl genügend geschämt
hat — über die Kurzsichtisgteit jener
«Ku1nsft - Kommission« in ästhetischen
Sachen.
Die Geschichte von dem
,,Elopement« der Tochter von
Don Carlos, der Prinzessin Elvira,
ist doch etwas anders, als man’s zu
erst gemeldet hatte: der Mann, mit
welchem sie entfloh, war nichts weni
ger als ein Krüppel -——— er ist ein bild
schöner Mann-; auch nicht ein Mann
aus niederern Gebliite —- er ist ein
hochgeborener Graf; sie floh auch nicht
von wegen ihrer bösen Stiefmutter —
sie lief dem Grafen nach, weil sie in
toller Lieb’ zu ihm entbrannt und
jahrelang vorher ,,nervös«, ,,hhster«isch«
war . . ..
». « « »
J n ei ne r Chicagoer Frauen-ver
sammlung ist dsieser Tage das Thema
erörtert worden: ,,S-ollen wir unser-e
Knaben körperlich züchtigen?« Man
stritt hin untd her, »die Einen sagten ja,
die Anderen nein, und schon wollte
man sich vertagen, ohne zu einem Re
sultat gekommen zu sein, als ein zu
fällig answesender Arzt als Schieds
richtier angerufen wurde. Unsd der
hub an unid sagt-e: »Meine Damen!
wenn ein Jung-e die Poeten hat, dann
muß ich ihn- in eine griiwdliche Kur
nehme-n; und wenn er sie noch nicht
hat, dann simspfe ich ihn-»daß er sie nicht
kriegt.«
» , -,.... W
Freusnstn ,,. . . Nun bist Du ja ein
glücklicher Eihemanni und hast Dein
eignes Heim! . . . Wie kommst Dir’s
denn- so vort«
Jung-et Ehemasnn (leise): ,,Etwa3
unsheimlich!«