Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 04, 1896, Sonntags-Blatt., Image 9

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    f— I
Ein schneidiges Ditndei.
Dorsbild aus Steiermart von- Peter
Rosegger.
»Dirndel, heu-t’!"
»Was denn heut’?«
,,Heut’ hab’ ich dich endlich einmal!«
»Wer? Du mich? Hi hi hit«
»Ja- ich dich. Ha km ha!«
»Da wir-d sich wol-l einer schneiden!
So begann ein Zwiegespräch zwi
schen dem Johann Wen-diinger usnd der
Kunigunde Reiterin, als sie selbanoer
des Weges gingen ins Dorf zur
Kirchweih. Er war usrn zwei Köpfe
größer als sie, sie um ein-en gescheidter
als er. »
»Warum just du nlit mir so trotzig
bist, Kundel2« fragte er sie.
»Und warum dir just mein Trutzig
sein so zuwider ist, Hansel?« war ihre
Wiederred’. I
Er blieb stehen, breitete seine Armel
aus und rief mit großem Schwunge:·
»Weil ich dich liebe!«
»in hi hi, jetzt hätt’ ich bald ge
lacht!« versetzte sie lustig.
»Was giebt’5" da zu lachen, möcht’
ich wissen!«
»Jst’å dir lieber, wenn ich slenne?«
lachte sie.
»Gern haben sollst mich!«
Antwortete sie: »Für so einen schö
nen Buben thät’ ich wohl viel zu
schlecht sein-. Und du tslyust gerad’ ein
;nal in drei Stücken nit für mich pas
en.«
»Na, das wär« nit schlecht!« sagte er
und richtete sich stattlich aus, so daß
man die Pracht seiner Gestalt, seines
Tuchgewandes und seiner Uhr-wie
recht imstande war, zu bewundern.
,,Sein thut-z so«, suhr sie fort,
,,siir’s erste bist du mir zu schön, siir’s
zweite zu start und fürc-; dritte zu
reich.«
»Geb, sovpe du einen anderen!«
»Gewiß auch noch!« versicherte sie.
»Will dir’s auch sagen, wie es gemeint
ist. Den-n weil du mich am heutigen
Tage schon das drittemsal fragst s— du
siebit, daß ich meine Knopf mach im
Sadtüchel —- so mus-, ich dir doch mei
ne Meinung ein-mal siirhaltsen.«
Ganz ernst-hast stand es vor dem
eckigen Burschen, das kleine lose Ding
mit dem rothen Bollmondgesichtlein
und mit dem blauseidenen Busentuchl
über die anmuthige Gegend herab, von
ker er sein Auge nicht« tonnte wendenJ
»Schau, Bübel, sein thut’5 so!« be
gann sie. »Dein Haar thut eh schön,
glänzen, auch wenn du es nit thiitesti
schmieren mit Schweinsett. Und dein;
satrischer Schnurrbart möcht’ dochF
sicher auch ohne Schusterpech ein paars
Hördeln aufbringen. Und daß du«
viel Thaler hast, weis; ohnehin jeder,i
daß du sie nit erst mußtest an dert
Uhrtette spazieren siihren. Daß dul
start bist, glaubt sian dir auch gern-,
ohne dasz du alle-Sonntag einen Raus-?
handel anheben mußtest. So, jetzti
weißt e5.« l
Der Bursch glotzte nur einmal der-«
bliisst drein, auch beobachtete er dieI
Vorgänge aus dem Gesichte deg- reschens
Dirndls, ob es wirklich Ernst sei, oderl
ob man die Rede als Spaß nehmen
dürste. Das letztere ging nicht recht
mi, so sagte er start gedänipst: »’leicht
könntest einen Schulbuben nehmen, der
noch keinen Bart hat zum Spitzen,
oder einen alten Taderling, der kein
Haar mehr hat zum Schmierens. Oder
einen Psriindner, so einer wird dir
gewiß keine Thaler spazieren führen
und auch teinen Raushandel anheben
-—— mindste- !
,,Hi hi, jetzt ist er schon gistigt«
licherte sie.
»Und rausen thu’ ich eh nur deinet
wegen!« setzte er bei. »Weil sie mich
allemal spötteln, daß du mich nit
magst, diese Haderlumpen!«
»Und« deswegen soll ich Dich halt
mögen, daß du dich nachher prahlen
könntest, gelt?«
»Hörst, Kundeh mit dir ist nichts
auszureden. Du thust mir’s zu Fleiß,
du bist eine boghaste Person. Aber
das sag’ sich dir, Model, wenn ich dich
nit haben kann, so soll dich ein anderer
auch nit haben· Dent’, wag ich gesagt
hab’!«
Wie jetzt sein Gesicht blaß geworden
war, wie er seine Finger in- deie Tuch
weste eintrampste, da wäre es der Ku
nigunde schier lieber gewesen, sie hätte
aus diesem Wege ihr Gutachten über
seine Eigenschaften nicht ausgepackt
»Auf-en wir's halt sehen-!« sagte
sie noch in einem sast singen-den Ton
und ging htniiber zum rechten Stra
ßenrand, dieweil-n der hansel an dem
linken- mit seinen etwas sichelbeinigen
Lein-sein schwersiillig dahinschritt Er
steckte seine Nin-de in die hosentaschen
unt- siua lachte tm ou pfeife-r
Nach einer Weile sing er wieder
t
F« l
an: »Jst’s dir dort drüben auf dem
ftseinigen Rain lieber, wie bei mir her
üben-'s«
,,Bedank mich schön, darüber hab’
ich noch nit nachgedachst«, antwortete
sie kurz. Dann pfiff cr wieder so halb
laut vor sich hin-. Ein Märschlein pfiff
.er unsd dachte, sie würde nach feinem
iTaite Schritt halten. Sie trippelte
aber viel zu rasch dahin.
Auf einmal fragt-e er: »Ist dir das
Gernhaben leicht zu wenig? Willst ge
heirathet sein?«
»Freilich«, antwortete sie.
»Jetzt ist mir der Teuer schon ei
nerlei, ich heiratshe dich au·ch!«
»Ja, bitt’ Dich gar schön, sei so
gut!« spottete sie.
Jetzt hätte ihr der neuerdings ent
rüstete Hansel gerne gesagt, daß sie,
die arme Person-, froh sein könnte,
wen-n er, der reiche Bauerssohn, sie
nehme. Aber sie war leine arme Per
son. Sie war die jüngste Tochter des
zwar nicht reichen Zimmermeisters
Reiter. Jhre älteren vier Schwestern
waren bereits angesehen verheirathet
und ganz ausgezeichnete Haus-stauen
ie steinfest zu ihren Männern hielten,
gesunde Kinder hatten und dabei sel
ber noch alleweil schöner wurden. So
war natürlich auch die Jüngste dieser
guten Gattung rechtschaffen umwor
ben. Um die Auszeichnung anzudeu
ten, die ihr durch seinen Antrag werde,
sagte er nun: »Wenn- ich will, an je
rem Finger bleibt mir eine hängen-"
»Glaub’ dir’s«, antwortete sie.
»Und die an ten Fingern nit Plan
haben, tannst dir der Reihe nach an·"·å
Uhrkettel fassen. Auf deine-n Hut
kannst ihrer auch ein paar stecken.«
Den Burschen zuckte es in den Ar
men, er knollte die Fäuste im Sack,
dTIe Kuindel merkte es wohl; iichernd
eilte sie fürbasi, er trottete hinten nach
und sann auf Gelegenheit und Mittel,
den Hohn zu rächen. Daß diese Zim
mermeisierische so gar nicht Transa
kriegen ist!
Als sie gegen das Dorf «hinabtamen,
war sie ihm schon um hundert Schritte
voraus. Der Hansel gesellte sich zu
einem Kameraden, der Duckmauserisch
dahinsisfelte und sich sortweg mit dem
rothen Sacktuchballen im Gesicht her
umfuhr, weil er Triefaugen und eine
Triefnase hatte. Dem klagte er die
Hoifart der Kandel.
Der Duclmauser entgegensete in wei
nerlichem Tone: ,,Sollst dir halt zu
helfen wissen. Ein einziges Nachtel
ist genug, um Weiberleuthoffart aus
zutreiben. «
Beim Hirschenwi rih war Tanzmus
sit. Alles-, was sauber und lustig war
im Thale, hatte sich bereits eingesun
den, und auch etwelches, was nicht
sauber war. Es wurden schon die
Kerzen angezündet, und das ist alle
mal eine reizende Zeit.
Die Rundel war auch da, mit ib
rem Vater, dem Zimmermeister. Der
fafz mit dem Schullehrer und dem
Schmied und rein Schneidermeister Im
Ertraftiibel und sie sprachen fast so
tlug wie ein Minister und so schön
wie ein Professor über die Wahlre
form. Ob auch Unoerheirathete wäh
len dürfen, Batierntnechte, Hand
werksgesellen-? Die im Ertrastübel
waren darüber noch nicht einig, als im
Tanzsaal das allgemeine Wahlrecht
bereits praktisch ausgeübt wurde. Je
der ohne Unterschied des Standes
wählte sich ein-e. Die meisten Wahlen
wurden siir giltig anerkannt, nur die
alte Schlägelduttin bestritt ihrem
Manne das Wahlrecht, zerrte den Ar
men aus dem Wirthshause und heim
in’s finstere Duttenhäusel.
Ein junger Mensch, der mit einer
blassen, aber gutmiithig dreinschauen
den alten Frau in die Wirthsstube
trat, wählte auch, vorläufig aber nur
den Tisch, an dem sie sich niederlassen
wollten« Derselbe stansd in der Nähe
des Ofens, und an ihm saß die sinni
gunde Reiterin mit ein-er verheirathe
ten Schwester. Gar artig verneigte
sich der junge Mann vor den Weibern
und seine Mutter —-—- die mit ihm ge
kommen war -—— meinte freundlich, sie
setze sich schon gern in die Nähe des
Ofens, warm! Das sei ihr das liebste
auf der Welt.
Das waren die Kleintvächtsersleute,
Idie draußen in den Auen ein Häuschen
besassen und eine Korbflechterei, die sie
Tziemlich knapp ernährte. Der Alte
war seit ein paar Jahren todt und
nun war es ganz an dem fleißigen
Paul, das tümmerlicheGiitel aufrecht
zuerhalten und seiner Mutter ein Besi
stand zu sein. heute hatte er sie auf
die Kirchweih geführt, daß sie wieder
einmal ein Tröpsel Wein vertoste unt-d
lustige Musik höre. Gar besonders
festlich nahmen sich die Leutchen- nicht
aus·
Die Frau trug ein schwarzes Kleid
und ein dunkelbraunes Halstuch dar
-
s l
«iiber, genau wie sie es bei dem Leichen
begängnisse ihres Mann-es angehabt
hatte, auch denselben schwarz-en
Strohhut mit dem Flarbansde.
Schwarz, meinte sie, könne man- im
mer tragen. Jhr Sohn, der Paul,
hatte ein lustiges-, mattgraues Ge
kwändlein an; die lichtblaue Hals
,schleife und eine Spätneltse im Knopf
Iloch zeigten seine sesttiigigse Stim
mung aber immer noch nicht so ent
lschieden an, als sein frisch-es, heiteres
Flug-, mit dem ek jetzt die Kunst-et mi
Hlachtr. Er war ein ganz hübscher
»Jun-ge, nsur ein bigcheni zu- weichmii
sthig und unsterthänig in der Stimme,
als er jetzt eine kleine Flasche Wein
Imit zwei Trinkgläsernund einer Sem
imel bestellte. Der dicke Wirth röchelte
:überlau«t lachen-d die Wort-e hervor, zur
IKirchweih bekomme man bei ihm nur
sleischene Semmeln! worauf die Frau
bescheiden entgegnete, Rachtmahl ge
gessen hätten sie schon« zu Hause.
Der Paul kam zwischen Ofen und
Knigunde zu sitzen, wozu er scherzend
bemerkte: »Na, kalt wsird mir bei die
sem Tisch nit werden« Dabei lächelte
er das Dirndel gasr treuherzig an und
zupste an dem Flöckchen seines
Schnurrbiirtleins, das schüchtern uind
völlig farblos über dem Munsdwinckel
hervorguctte.
» »Der Ofen ist ja gar nit geheizt!«
lacht-e die Kundel lustig auf.
»Wenn das ist, dann muß ich mich
näher an diese Seite halten-", sagte der
Paul und rückte so nahe an’s Dirndel,
daß sich ihre Ellbogen ein wenig be
rührten. Und so saßen sie gesittig da
und wußten nichts recht, was sie mit
einander sprechen sollten. Weil vom
Tanzboden her die Pfeifen und Geigen
klangen, so sagte dser Bursch endlich
leise zu seiner Nachbarin: »Weißt du,"
lang’ wird sich’g nit thun mit dem
Sitzen dal« Den-n der steierische
Landler zuckte ihm durch die Bein-e.
»Weil die Mannleut’ iein Fried geben
mögen!« entgegnete das DirnsdeL die
weilen trat sie mit ihren Zehen-spitzen
selber den Takt, ganz heimlich zwar,
aber der Junge merkte es doch, und
jetzt zuckte es lihm zweifach durch die
Beine, der Landlerund ihr Taittreten.
Plötzlich jtansd er auf, nahm das
Dirndel am Arm und sagte ganz zärt
lich: »Es geht nit anders, gehn- wir
un- iutrzcu llukcllvtlllllå
Jhr war’5 recht, und sie eilten hin:
ans. Es tanzten nur wenige Paare,
darunter auch der Wendlinger Hansel
mit einer schwarzhaarigen Jtalienerin.
die mit welschen Maurern in’s Land
gekommen war, und es- tanizte der
Duclmanser mit einer glotzäugigen
Magd. staunt war unser junges
Pärchen schüchtern einmal herumge
walzt, alg der Hansel auf sie herfiel
und den Paul aus dein Kreise riß:
»Jetzt wird nit getanzt, störbels-Bltb!
Den Tau-z l)ab’ ich ae.zal)lt!« Und es
war Sich so, der Silbergulden lag auf
dem Spielleuttisch
Vlafz vor Verlegenheit kamen die
beiden zuriick in die Stube zum Ofen,
dort fliisterte der Paul seiner Mutter
zu: »Ich bitt dich schön, ich muß einen
Tanz zahlen.«
Die Frau wendete sich halb in die
Ecke und begann ihren Fiittelsact aus
zusuchen Es zitterten ihr dabei die
Hände ein wenig, und sie machtetein
besonders frohes Gesicht. Endlich
hatte sie eins Silberzwaniiaer
lein hersiirgebracht, und gierig, wie eg«
sonst nicht seinen Art war, haschte der
Junge danach.
I Als der eine Tanz aus war, zahlte
er den seinen. Rasch strichen die
ISpielleute das geringe Münzlein in
lfden Lederbeutel, daß es nicht vor den
HAitgen »der Leute daliegse und ein
schlechtes Beispiel gebet Mit nur hal
ber Lunge begannen sie einen langwei—
jligen »Altväterischen« zu blasen und
der Paul begann niit der Kandel tu
drehen. Dabei lud er toipsnickend die
anderen Paare ein, nur mitzuthun et
liche spranan auch ein, da schrie der
Hansel arell: »Aush«o"ren-!« und warf
einen Gulden auf den Spielleuttisch
hin.
-,,Lliislialten!« ries der Paul drein,
aber er konnte feinem Befehle nicht den
silbernen Nachdruck verleihen, und die
Musikanten legte ihre Instrumente
auf den« Tisch. Sie müßten ja doch
einmal aus-schnaufen
»Na, wartet!« rief die KundeL »ich
will euch den Blasebalg schon wieder
ausziehen-!« Eilte zum Tische und
legte ein Guldenstsiick hin.
»Und ich werde in den Blasebalg
ein großes Loch machen, daß er pfeisen
kann, wenn die saubere Jungfer Ku
niguwde mit ihrem Lotterbwa tan
zen will t« So der Johanns Wendlim
aer und ließ einen Fünfgatlldenschein
hinslattetn auf den Spielleut«tisch.
Das war jetzt ein Auszucken in der
Stube, als hätten es allen den« Athem
[ l
verschlagen-. Alle schauten auf die
Kundel und den Korbflechtser Paul.
Der letztere duckte den Kopf und ver
zog sich. Aber das Dirndel trat vor,
trat so nsahe hin an ten großen Ben
gel. daß ishre Nasen-spitze fast an seine
schwere silberne Uhrkette stieß: »Jetzt
muß ich schon fragen, der Lotterbub!
Was meinst denn damit?«
»Er soll kommen und mich selber
fragen!« antwortete darauf der Han
sel herrisch.
.,,Jst’s dir nit recht?« fragte sie
scharf. —
»Ah, du bist mir eh recht«, sagte er
und wollte seine Arm-e um ihren
Nacken leg-en. »So ein-e möcht« ich
hieut’!« «
»Da hast eines« rief sie, und die
Ohrfeige saß ihm an der Backe. — Sie
lief hinaus, er taumelte ishr nach, aber
nur bis zur Thür, dort wurde er« zu
rückgehatten Er ballte die Fäuste,
mußte aber, von mehreren Männern
gefaßt, stehen« bleiben-. »Jetzt hast
eine!« spotteten sie, ,,mit der kannst
schlafen geben« Das Gelächter, wel
ches über ihn jetzt losbrach, hat seine
Wuth nicht geheimpr
Als die Kundel in- die Gaststube zu
rückkam, wo der Paul bereits wieder
beim Ofen saß, setzte sie sich nicht mlehr
hin.
Sie stellte sich nur an den Tisch und
sagte leise zum Burschen: »Du Paul,
wenn Du wieder einmal tanzen- willst,
so nimm Dir ein Strohweibel dazu.
Heißt das, wenn Du eZ niist etwa für
einen Hasenschrecber hältst und davon
läu-fst!« .
Dachte er ein wenig nach, was das
iheißen sollte. Und dann entgegnete er:
sDes Wendlingers wegen-, gelt? Weißt,
sich bab’ mir gedacht, mit so einem Fle
Igel will ich nichts zu sthuns haben und
Jdier Gescheirtsere giebt nach!«
l »Geh, geh, red’ du dich jetzt auf die
jGeschetidtheit aus! Die ist bei Dir
ganz unschuldig, verstehst? — Auch
Iniir araust vor’m Raufen und das
Jhab’ ich dem Pölli da draußen auch
Ifction gesagt. Wenn ich aber ein
HMannsbild bins und tanz’ mit einem
iMadel und so einer heißt mich einen
sLotterbubsen und ver-schimpft sie damit,
Inachher triech’ ich nlit erst der Ge
’scheidtk,eit unter dennittel — zuschtags
sich!« ’
»Ja, und schmeißt Dich der groß’
Lümmel an die Wand wie eine Hafer
garb!«
»Ist mir alles eins, ’s Madel laß’
ich inir nit verschandiren!«
»Mußt nit bös sei-n, Kunsdel,« sagte
der junge Korbslechter und wollte seine
Hand zärtlich auf ihren Arm legen.
Sie schnellte ihn mit einer raschen Be
wegung ab und sagte: »Weißt Du,
wie’5 bei den Spatzeii der Brauch ist?
Ein Mandel, daß das Weibel nit kann
beschutzen, bleibt allein stehen, als ein
samer Spatz! -—-« Damlit De weißt,
daß ich auch kann korbslechten uinsd
brauch’ nit einmal Weiden dazu. So,
ausgeredet ist’5!«
Daß das Röcklein flog, so rasch
wendete sie sich uni, schritt zu ihren
Schwestern und zeigte ihnen an, daß
sie heimgehe. Die Schwestern beglei
teten sie, weil der Vater Zimmermann
im tkrtrastijbel das-Z Wahlrecht noch
nicht fertig hatte.
Paul’5 Mutter tain jetzt näher an
sihren Sohn und fragte, ob es etwas
gegeben hätte. Da warf der Paul
seinen Kopf in den Ellenbogenwinkei
und hub an zusweinen.
»Aber Kind! Fiind!« jammerte sie.
»Was ist geschehen? Thut Dir etwas
weh?«
Da sprang der Bursche auf, ballte
gegen den Tanzboden die Faust: »Die
ser verdammte Liiinsmel!« Dann stand
er ein paar Augenblicke starr da, im
Gesicht war er noch blasser als sonst.
Sein-e Mutter legte die Hände zusam
men und hauchte: »Aber Paul-»Aber
Paul! — Was machst denn sijr Au
gen,«
Plötzlich riß er voin Osengeländer
einen Balken los und stürzte dainsit
zur Thiire hinaus aus den Tanzboden
Nun ging eS rasch vor sich-. Ein wü
ster Lärm, die Musik brach schrill abl
ein gellender Schrei —— dann- haben ihn
ihrer zwei Männer in die Stube ge
tragen.
Am Dorsende, wo das Kreuz stehtl
wurden die Weiber aus dem Heimwe
ge erreicht. ,.H(Ibts gehört?« rief ih
nen der Bote nach. »Sie werden« gleich
läuten. Für den Korbflechter. Für
den Paul. Erschlagen- shasbsen sie ihn·!«
—- Die Sterne, die sonst fest am Him
mel stehen-, hnben vor den Augen dei
Kundel zu tanzen an. . . . «
Geläutet wurde. Aber nicht dir
Stetbeglocke, sondern die Hochzeits
glocke nach sechs Wochen, als der Bur
sche wieder heil war-. Die Kundel hat
te wohl gemeint, der Paul könne sich
Yseiue Kökbe serber frechien und hat den
ihren wieder zurückgenommen
Manchmal ist nämlich auch das
Bauerndirndel wie eine exotische Gott
heit. Sie begnügt sich nicht mit dem
Lippengebet der Liebe, auch nicht mit
dem bewußten »ganzen Herzen«, sie
will ihr Blutopfer haben, dann ist sie
gnädig.
Der Wendlinger Johanns ist nicht
bei der Hochzeit gewesen-. Wäscht nd
im Wirthshaus die nämliche n Pfeifen
und Geigen klangen die er früher nach
Belieben angerichtet ober abgestellt
hatte, saß er mit dem Duckmauser
draußen unter einem Heuschober Der»
Duckmauser hielt setin Sacktuch vor die
triefensdens Augen, der Johanns biß sich
die Fingernägel und knurrte: »Höll
saggra! Jst das eisn dummer Tagt«
... —-.——
Der Ring des Bankiers
Berliner Blätter berichten: Jm
Anklageraum steht ein junger Mann.
Er macht ein-en gut-en Eindruck. Häu
fig richtet er seine Blick-e nach dem Zu
hörerraumi auf ein junges Mädchen,
das sich isn die äußerste Ecke der langen
Bank gedrückt hat unsd ersichtlich
schwere Seel-esanalens duldet. Der An
geklagte wirft ihm noch einen ermu
thigenden Blick zu, als der Gerichts
hof eintritt. Das junge Mädchen
wendet die thränensumflorten Aug-en
dem Vorsitzenden zu. Er sieht so streng
aus. Wie kalt und geschäftsmäßsig es
klingt, als er seinen- Platz einnimmt
mit den Worten »Die Sitzung ist er
öffnet, als erste Sache steht die Dieb
stahlssache gegen den Tapeziergsehsilfen
M. am.« »O mein Gott! mein Gott!«
schluchzt das jungeMädchen und preßt
trampfhaft das Taschen-tuch zwischen
den Händen. Der Borsitzende sieht
aus« »Hören Sie mal, Rührscenen
können wir hier nicht gebrauchen,
wenn Sie wein-en wollen; müssen Sie
den Saal oerlasfen«. — »Ach bitte,
bitte, lassen Sie mich, ich werde mich
schon beherrschen und gasnz still sein-.«
— »Das muß ich mir allerdinng aus
bitt-en«. Nun sieht der Borsitzensde den
Angeklagtens Prüsfesnd an, »Sie wissen
ja, um was es sich handelt, Sie sind
beschuldigt, dem Kaufmann ein-en
Brillaniring gestohlen zu- shaden. Der
Ring wurde bei Ihnen gesunden, also
werden Sie wohl ein offenes Geständ
niß ablsegen?«
Ansgellagter: Stehlen wollte ich ihn
nicht, ich wollte nur ———- Borsitzser:
Aber, junger Mann, soerfcherzens Sie
sich doch die niildiernsden Umstände
nicht. Sie sind, wie ich aus den Ak
ten ersehen habe, anskindiger Leute
Kind und bisher unbescholten, geben
Sie doch lieber der Wahrheit die Ehre.
Sie haben vielleicht aus Eitelkeit ge
fehlt, als Sie den Ring Initnal).men?
— ------ sein-geri.: wenommen have ich ihn,
das will ich ja nicht bestreiten, aber
stehlen wollt-e ich ihn nicht.
Vors.: Wie können Sie nur so un
derstandig sein und solch-e Wiirgebän:
der machen! Wen-n man etwas began
gen hat, man man auch den Muth ha
ben, es einzugestehen —--- Angekl.:
Jch will ja auch die Wahrheit sagen,
aber ich wollte wirklich den thing nicht
fiir mich behalten. Wenn ich nur er
zählen dürfte, wie ich dazu gekommen
bin.
Vor. (ungeduldig): Nun, denn er-«
zählen Sie, aber Sie haben es sich
selbst zuzuschreiben, wenn Sie bei der
Strafabmessunig härter angesehen
werden. —- Angekl.: Jch war im 1.
Juli nach Berlin gekommen und san-d
sofort Stellung bei dem Hof-Tapezie;
rer H
Vor.: Ja, Sie sollen ein geschickter
Mensch sein. Angell.: Am Z. Juli
wurde ich von meinem Prinzipal nach
der Kurfiirslenstraße geschickt, ich soll
te vom Ftommerzienrath B., der einen
Solon neu dekorirt haben wollte, die
Jnstruttionen entgegennehmen. Als
ich klingelte, öffnet mir das Mädchen
und fiihrt mich in ein kleine-J Em
pfansgszimmer. Aug der anstoßenden
Stube kommt ein Herr heran-J, dem
ich mich vorstellte. »Ach so«, sagt er,
»ich habe gerade Besuch, aber er dau
ert nicht lange. Sehen Sie sich nur so
lange, hier auf dem Tisch liegt ein Al:
bum mit Zimnier-Dekorationsen, seh-en
Sie sich dieselben an-, eH wird Sie in
tersessiren«. Jch blieb nun allein im
Zimmer und sah mir die Bilder an.
Da fand ich zwischen zwei Blättern ei
nen Brillantring liegen, wahrschein
lich hatte der Kommerzienrath den
Ring vorn Fing-er gezogen und hinein
gelegt, um die Seite zu markiren. Jch
besah mir den Ring und ließ mich ver
leiten, zu prüfen, ob er mir paßte
Da hörte ich plötzlich, »daß die Thür
hinter mir geöffnet wurde, der Korn
merzienrath führte seinen Besuch
durch die Stube, verabschiedete sich von
ihm wnd wandte sich zu mir mit den
Worten: So, nun kommen Sie.«
Dass alles ging so schnell, daß ich den
Ring nicht erst vom Finger ziehen
konnte. Wir gingen -i·n’s Nebenzsim
mer, und hier tsheilte er mir seine
Wünsche mit. Jch stand Höllenqualen
aus. Die Hände hielt ich immer auf
den Rücken und versuchte unablässig,
den Ring vom Fing-er zu ziehen, ich
wollt-e ihn dann unbemerkt aus irgend
ein-en Tisch hegen. Aber durch die
Angst und Verlegenheit wsarsens mir
die Finger gequo«llen, es war mir uns
möglich, den Ring herunter zu bekom
men. Ehe ich mich versah, befand ich
mich wieder draußen, ich weiß selbst
nicht, wie ich dazu gekommen bin.
Aber stehlen — hier brach ihm die
Stimme —- wollte ich den Ring ganz
gewiß nicht, so wahr —
Vors.: Na, na, na, die Betheueruns
gen lassen Sie nur, das kennen wir
schon-. War-um in asller Welt haben
Sie ·den««n nicht dem Herrn reinen
Wein eingeschenkt und gesagt-: »Ent
schuldigen·«Sie, ich bin neugierig ge
wesen, hier ist der Ring«. — Angekl.:
Herr Präsident, es wäre ganz gewiß
besser gewesen, wen-n iich dies gethan
hätt-e, der Gedankeschosß miir auch durch
Kopf, aber wen-n Sise mir nicht glau
bens wollen, dassz ich nicht habe stehlen
wollen-, warum sollte der Herr mir
den-n glauben? Mißtrausen würde er
doch gegen mich gehabt haben-, und
vielleicht würd-e er mein-en Prinzipal
unter Mittheilung des Vorgesallensen
ersucht haben, ihm ein-en anderen jun
gen Man-n zu schicken. Meine Stel
lung wäre so wie so verlor-en gewesen.
Vors.: Nach zwei Stunden hat be
reits ein Kriminsalbeamier Nachfrage
bei Jhnen gehalten, und ihm haben
Sie den Ring sofort herausge
geben? —- Asngekl.: Jawth — Vors.:
Jch bitte um Antrag, Herr Staat-san
walt.
Der Staatsanwalt halt eine kurze
Rede. Er behauptet, daß der Ange
klagte wohl schwerlich ein-en Menschen
finden werde, der ihm das geschickt
ausgedachte Märchen glaube. Bei der
Höhe des Objekts und bei der Drei
stigkeit, mit der der Angeklagte geleug
net hasbe, beantragt-e er ein-e Gefäng
nisstrafe von 14Tagen. —- Das jun-ge
Mädchen erstickt ein-en Aufschrei da
durch, daß es das Taschentuch gegen
den Mund preßt. —- Vors.: (den An
geklagten lange und scharf ansehen-d,
als wolle er den Grund seiner Seele
erforschen)«: Angeklagter, haben Sie
noch etwas anzuführen? — Angekl:
(einen verzweifeltens Blick nach dem
Zuhörerraum werfend): Jch wollte
bei Gott nicht stehlen. — Bors.: Dann
wird fich der Gerichtshof zur Bera
thung zurückziehen —- Wie ernst sieht
er aus, wie furchtbar ernst!
Die Berathunsg dauert nur wenige
Minuten· Ein gewinnender Zug liegt
um den Mund des Richters. —- »An
getlagter, Sie sind freigesprochen.
Was Sie ung erzählt haben ift so rein
menschlich, daß wir Ihn-en geglaubt
haben. Sie sind kein Dieb! Gehen
Sie nach Hause« —- — Auf dem
Flur hängt das junge Ajlädchen an
seinem Halse. EI weint Freuden
thränen. ,,Otto, Otto, wie wird un
sere Mutter glücklich sein!«
—-—— .-«-- «» --—-,—-...
Recht nnerfreulicheAussich
ten haben die Forstleute in Württem
derg. Der »Staatganz.« hält es fiir ge
boten, vor dem lStudium der Forstwis
senschaften zn warnen, da vom Jahre
lkltnl —— 1915 das Durchschnitts-alter
in dein das ifiiiriiclen in eine Oberfiir
sterstelle erfolge, vierzig Jahre sein
werde.
Ausderlliheinpfalzwirdge
meldet: Die Weinlese ist lzum größten
Theil vorüber-. Seit Jahren ist der
,,«Jtene« nicht so sauer gewse en wie dies
Jahr. Der Voligninnd h t den 96er
Li -- Onng Tschang getauft. Der 94er
— aich ein ininderwerthiger Wein —
hatte den Namen »Wei-hei-Wei« erhal
ten.
Jn einer sächsischen Ansstel
lungg Lotterie init Gewinnen »i. W.«,
das heißt : »im Werth«, hatte, wie die
,,Breol. Zig.« schreibt, ein Kaufmann
in Seitendorf (sächsische Laiisitz) laut
Ziehnnggliste den Gewinn No. 36 er
halten. Wenn No. 1 der Hauptgewinn
ist, so muß auch No. 36 noch recht an
sehnlich sein, so dachte der glückliche Ge-«
winner, vielleicht eine Wohnungseimv
richtung, eine Dreschmaschine oder et
was Aehnliches. Die Ungewißheit dul-,
dete ihn nicht länger daheim. Kurz ent
schlossen spannte er die Pferde vor denl
Wagen, holte noch drei Freunde herbei,1.
die ihm beim Aufladen des Gewinns;
behilflich sein sollten, und fort gings ini
scharfermTrabe nach der drei Stunden
entfernten Ausftellungsstadd Dort:
wurde den vier Männern der Gewinn
anstandslos ausgehäwdigt — ein Bau
lasten im Wetthe von 50 Pfennigen. i