f— I Ein schneidiges Ditndei. Dorsbild aus Steiermart von- Peter Rosegger. »Dirndel, heu-t’!" »Was denn heut’?« ,,Heut’ hab’ ich dich endlich einmal!« »Wer? Du mich? Hi hi hit« »Ja- ich dich. Ha km ha!« »Da wir-d sich wol-l einer schneiden! So begann ein Zwiegespräch zwi schen dem Johann Wen-diinger usnd der Kunigunde Reiterin, als sie selbanoer des Weges gingen ins Dorf zur Kirchweih. Er war usrn zwei Köpfe größer als sie, sie um ein-en gescheidter als er. » »Warum just du nlit mir so trotzig bist, Kundel2« fragte er sie. »Und warum dir just mein Trutzig sein so zuwider ist, Hansel?« war ihre Wiederred’. I Er blieb stehen, breitete seine Armel aus und rief mit großem Schwunge:· »Weil ich dich liebe!« »in hi hi, jetzt hätt’ ich bald ge lacht!« versetzte sie lustig. »Was giebt’5" da zu lachen, möcht’ ich wissen!« »Jst’å dir lieber, wenn ich slenne?« lachte sie. »Gern haben sollst mich!« Antwortete sie: »Für so einen schö nen Buben thät’ ich wohl viel zu schlecht sein-. Und du tslyust gerad’ ein ;nal in drei Stücken nit für mich pas en.« »Na, das wär« nit schlecht!« sagte er und richtete sich stattlich aus, so daß man die Pracht seiner Gestalt, seines Tuchgewandes und seiner Uhr-wie recht imstande war, zu bewundern. ,,Sein thut-z so«, suhr sie fort, ,,siir’s erste bist du mir zu schön, siir’s zweite zu start und fürc-; dritte zu reich.« »Geb, sovpe du einen anderen!« »Gewiß auch noch!« versicherte sie. »Will dir’s auch sagen, wie es gemeint ist. Den-n weil du mich am heutigen Tage schon das drittemsal fragst s— du siebit, daß ich meine Knopf mach im Sadtüchel —- so mus-, ich dir doch mei ne Meinung ein-mal siirhaltsen.« Ganz ernst-hast stand es vor dem eckigen Burschen, das kleine lose Ding mit dem rothen Bollmondgesichtlein und mit dem blauseidenen Busentuchl über die anmuthige Gegend herab, von ker er sein Auge nicht« tonnte wendenJ »Schau, Bübel, sein thut’5 so!« be gann sie. »Dein Haar thut eh schön, glänzen, auch wenn du es nit thiitesti schmieren mit Schweinsett. Und dein; satrischer Schnurrbart möcht’ dochF sicher auch ohne Schusterpech ein paars Hördeln aufbringen. Und daß du« viel Thaler hast, weis; ohnehin jeder,i daß du sie nit erst mußtest an dert Uhrtette spazieren siihren. Daß dul start bist, glaubt sian dir auch gern-, ohne dasz du alle-Sonntag einen Raus-? handel anheben mußtest. So, jetzti weißt e5.« l Der Bursch glotzte nur einmal der-« bliisst drein, auch beobachtete er dieI Vorgänge aus dem Gesichte deg- reschens Dirndls, ob es wirklich Ernst sei, oderl ob man die Rede als Spaß nehmen dürste. Das letztere ging nicht recht mi, so sagte er start gedänipst: »’leicht könntest einen Schulbuben nehmen, der noch keinen Bart hat zum Spitzen, oder einen alten Taderling, der kein Haar mehr hat zum Schmierens. Oder einen Psriindner, so einer wird dir gewiß keine Thaler spazieren führen und auch teinen Raushandel anheben -—— mindste- ! ,,Hi hi, jetzt ist er schon gistigt« licherte sie. »Und rausen thu’ ich eh nur deinet wegen!« setzte er bei. »Weil sie mich allemal spötteln, daß du mich nit magst, diese Haderlumpen!« »Und« deswegen soll ich Dich halt mögen, daß du dich nachher prahlen könntest, gelt?« »Hörst, Kundeh mit dir ist nichts auszureden. Du thust mir’s zu Fleiß, du bist eine boghaste Person. Aber das sag’ sich dir, Model, wenn ich dich nit haben kann, so soll dich ein anderer auch nit haben· Dent’, wag ich gesagt hab’!« Wie jetzt sein Gesicht blaß geworden war, wie er seine Finger in- deie Tuch weste eintrampste, da wäre es der Ku nigunde schier lieber gewesen, sie hätte aus diesem Wege ihr Gutachten über seine Eigenschaften nicht ausgepackt »Auf-en wir's halt sehen-!« sagte sie noch in einem sast singen-den Ton und ging htniiber zum rechten Stra ßenrand, dieweil-n der hansel an dem linken- mit seinen etwas sichelbeinigen Lein-sein schwersiillig dahinschritt Er steckte seine Nin-de in die hosentaschen unt- siua lachte tm ou pfeife-r Nach einer Weile sing er wieder t F« l an: »Jst’s dir dort drüben auf dem ftseinigen Rain lieber, wie bei mir her üben-'s« ,,Bedank mich schön, darüber hab’ ich noch nit nachgedachst«, antwortete sie kurz. Dann pfiff cr wieder so halb laut vor sich hin-. Ein Märschlein pfiff .er unsd dachte, sie würde nach feinem iTaite Schritt halten. Sie trippelte aber viel zu rasch dahin. Auf einmal fragt-e er: »Ist dir das Gernhaben leicht zu wenig? Willst ge heirathet sein?« »Freilich«, antwortete sie. »Jetzt ist mir der Teuer schon ei nerlei, ich heiratshe dich au·ch!« »Ja, bitt’ Dich gar schön, sei so gut!« spottete sie. Jetzt hätte ihr der neuerdings ent rüstete Hansel gerne gesagt, daß sie, die arme Person-, froh sein könnte, wen-n er, der reiche Bauerssohn, sie nehme. Aber sie war leine arme Per son. Sie war die jüngste Tochter des zwar nicht reichen Zimmermeisters Reiter. Jhre älteren vier Schwestern waren bereits angesehen verheirathet und ganz ausgezeichnete Haus-stauen ie steinfest zu ihren Männern hielten, gesunde Kinder hatten und dabei sel ber noch alleweil schöner wurden. So war natürlich auch die Jüngste dieser guten Gattung rechtschaffen umwor ben. Um die Auszeichnung anzudeu ten, die ihr durch seinen Antrag werde, sagte er nun: »Wenn- ich will, an je rem Finger bleibt mir eine hängen-" »Glaub’ dir’s«, antwortete sie. »Und die an ten Fingern nit Plan haben, tannst dir der Reihe nach an·"·å Uhrkettel fassen. Auf deine-n Hut kannst ihrer auch ein paar stecken.« Den Burschen zuckte es in den Ar men, er knollte die Fäuste im Sack, dTIe Kuindel merkte es wohl; iichernd eilte sie fürbasi, er trottete hinten nach und sann auf Gelegenheit und Mittel, den Hohn zu rächen. Daß diese Zim mermeisierische so gar nicht Transa kriegen ist! Als sie gegen das Dorf «hinabtamen, war sie ihm schon um hundert Schritte voraus. Der Hansel gesellte sich zu einem Kameraden, der Duckmauserisch dahinsisfelte und sich sortweg mit dem rothen Sacktuchballen im Gesicht her umfuhr, weil er Triefaugen und eine Triefnase hatte. Dem klagte er die Hoifart der Kandel. Der Duclmauser entgegensete in wei nerlichem Tone: ,,Sollst dir halt zu helfen wissen. Ein einziges Nachtel ist genug, um Weiberleuthoffart aus zutreiben. « Beim Hirschenwi rih war Tanzmus sit. Alles-, was sauber und lustig war im Thale, hatte sich bereits eingesun den, und auch etwelches, was nicht sauber war. Es wurden schon die Kerzen angezündet, und das ist alle mal eine reizende Zeit. Die Rundel war auch da, mit ib rem Vater, dem Zimmermeister. Der fafz mit dem Schullehrer und dem Schmied und rein Schneidermeister Im Ertraftiibel und sie sprachen fast so tlug wie ein Minister und so schön wie ein Professor über die Wahlre form. Ob auch Unoerheirathete wäh len dürfen, Batierntnechte, Hand werksgesellen-? Die im Ertrastübel waren darüber noch nicht einig, als im Tanzsaal das allgemeine Wahlrecht bereits praktisch ausgeübt wurde. Je der ohne Unterschied des Standes wählte sich ein-e. Die meisten Wahlen wurden siir giltig anerkannt, nur die alte Schlägelduttin bestritt ihrem Manne das Wahlrecht, zerrte den Ar men aus dem Wirthshause und heim in’s finstere Duttenhäusel. Ein junger Mensch, der mit einer blassen, aber gutmiithig dreinschauen den alten Frau in die Wirthsstube trat, wählte auch, vorläufig aber nur den Tisch, an dem sie sich niederlassen wollten« Derselbe stansd in der Nähe des Ofens, und an ihm saß die sinni gunde Reiterin mit ein-er verheirathe ten Schwester. Gar artig verneigte sich der junge Mann vor den Weibern und seine Mutter —-—- die mit ihm ge kommen war -—— meinte freundlich, sie setze sich schon gern in die Nähe des Ofens, warm! Das sei ihr das liebste auf der Welt. Das waren die Kleintvächtsersleute, Idie draußen in den Auen ein Häuschen besassen und eine Korbflechterei, die sie Tziemlich knapp ernährte. Der Alte war seit ein paar Jahren todt und nun war es ganz an dem fleißigen Paul, das tümmerlicheGiitel aufrecht zuerhalten und seiner Mutter ein Besi stand zu sein. heute hatte er sie auf die Kirchweih geführt, daß sie wieder einmal ein Tröpsel Wein vertoste unt-d lustige Musik höre. Gar besonders festlich nahmen sich die Leutchen- nicht aus· Die Frau trug ein schwarzes Kleid und ein dunkelbraunes Halstuch dar - s l «iiber, genau wie sie es bei dem Leichen begängnisse ihres Mann-es angehabt hatte, auch denselben schwarz-en Strohhut mit dem Flarbansde. Schwarz, meinte sie, könne man- im mer tragen. Jhr Sohn, der Paul, hatte ein lustiges-, mattgraues Ge kwändlein an; die lichtblaue Hals ,schleife und eine Spätneltse im Knopf Iloch zeigten seine sesttiigigse Stim mung aber immer noch nicht so ent lschieden an, als sein frisch-es, heiteres Flug-, mit dem ek jetzt die Kunst-et mi Hlachtr. Er war ein ganz hübscher »Jun-ge, nsur ein bigcheni zu- weichmii sthig und unsterthänig in der Stimme, als er jetzt eine kleine Flasche Wein Imit zwei Trinkgläsernund einer Sem imel bestellte. Der dicke Wirth röchelte :überlau«t lachen-d die Wort-e hervor, zur IKirchweih bekomme man bei ihm nur sleischene Semmeln! worauf die Frau bescheiden entgegnete, Rachtmahl ge gessen hätten sie schon« zu Hause. Der Paul kam zwischen Ofen und Knigunde zu sitzen, wozu er scherzend bemerkte: »Na, kalt wsird mir bei die sem Tisch nit werden« Dabei lächelte er das Dirndel gasr treuherzig an und zupste an dem Flöckchen seines Schnurrbiirtleins, das schüchtern uind völlig farblos über dem Munsdwinckel hervorguctte. » »Der Ofen ist ja gar nit geheizt!« lacht-e die Kundel lustig auf. »Wenn das ist, dann muß ich mich näher an diese Seite halten-", sagte der Paul und rückte so nahe an’s Dirndel, daß sich ihre Ellbogen ein wenig be rührten. Und so saßen sie gesittig da und wußten nichts recht, was sie mit einander sprechen sollten. Weil vom Tanzboden her die Pfeifen und Geigen klangen, so sagte dser Bursch endlich leise zu seiner Nachbarin: »Weißt du," lang’ wird sich’g nit thun mit dem Sitzen dal« Den-n der steierische Landler zuckte ihm durch die Bein-e. »Weil die Mannleut’ iein Fried geben mögen!« entgegnete das DirnsdeL die weilen trat sie mit ihren Zehen-spitzen selber den Takt, ganz heimlich zwar, aber der Junge merkte es doch, und jetzt zuckte es lihm zweifach durch die Beine, der Landlerund ihr Taittreten. Plötzlich jtansd er auf, nahm das Dirndel am Arm und sagte ganz zärt lich: »Es geht nit anders, gehn- wir un- iutrzcu llukcllvtlllllå Jhr war’5 recht, und sie eilten hin: ans. Es tanzten nur wenige Paare, darunter auch der Wendlinger Hansel mit einer schwarzhaarigen Jtalienerin. die mit welschen Maurern in’s Land gekommen war, und es- tanizte der Duclmanser mit einer glotzäugigen Magd. staunt war unser junges Pärchen schüchtern einmal herumge walzt, alg der Hansel auf sie herfiel und den Paul aus dein Kreise riß: »Jetzt wird nit getanzt, störbels-Bltb! Den Tau-z l)ab’ ich ae.zal)lt!« Und es war Sich so, der Silbergulden lag auf dem Spielleuttisch Vlafz vor Verlegenheit kamen die beiden zuriick in die Stube zum Ofen, dort fliisterte der Paul seiner Mutter zu: »Ich bitt dich schön, ich muß einen Tanz zahlen.« Die Frau wendete sich halb in die Ecke und begann ihren Fiittelsact aus zusuchen Es zitterten ihr dabei die Hände ein wenig, und sie machtetein besonders frohes Gesicht. Endlich hatte sie eins Silberzwaniiaer lein hersiirgebracht, und gierig, wie eg« sonst nicht seinen Art war, haschte der Junge danach. I Als der eine Tanz aus war, zahlte er den seinen. Rasch strichen die ISpielleute das geringe Münzlein in lfden Lederbeutel, daß es nicht vor den HAitgen »der Leute daliegse und ein schlechtes Beispiel gebet Mit nur hal ber Lunge begannen sie einen langwei— jligen »Altväterischen« zu blasen und der Paul begann niit der Kandel tu drehen. Dabei lud er toipsnickend die anderen Paare ein, nur mitzuthun et liche spranan auch ein, da schrie der Hansel arell: »Aush«o"ren-!« und warf einen Gulden auf den Spielleuttisch hin. -,,Lliislialten!« ries der Paul drein, aber er konnte feinem Befehle nicht den silbernen Nachdruck verleihen, und die Musikanten legte ihre Instrumente auf den« Tisch. Sie müßten ja doch einmal aus-schnaufen »Na, wartet!« rief die KundeL »ich will euch den Blasebalg schon wieder ausziehen-!« Eilte zum Tische und legte ein Guldenstsiick hin. »Und ich werde in den Blasebalg ein großes Loch machen, daß er pfeisen kann, wenn die saubere Jungfer Ku niguwde mit ihrem Lotterbwa tan zen will t« So der Johanns Wendlim aer und ließ einen Fünfgatlldenschein hinslattetn auf den Spielleut«tisch. Das war jetzt ein Auszucken in der Stube, als hätten es allen den« Athem [ l verschlagen-. Alle schauten auf die Kundel und den Korbflechtser Paul. Der letztere duckte den Kopf und ver zog sich. Aber das Dirndel trat vor, trat so nsahe hin an ten großen Ben gel. daß ishre Nasen-spitze fast an seine schwere silberne Uhrkette stieß: »Jetzt muß ich schon fragen, der Lotterbub! Was meinst denn damit?« »Er soll kommen und mich selber fragen!« antwortete darauf der Han sel herrisch. .,,Jst’s dir nit recht?« fragte sie scharf. — »Ah, du bist mir eh recht«, sagte er und wollte seine Arm-e um ihren Nacken leg-en. »So ein-e möcht« ich hieut’!« « »Da hast eines« rief sie, und die Ohrfeige saß ihm an der Backe. — Sie lief hinaus, er taumelte ishr nach, aber nur bis zur Thür, dort wurde er« zu rückgehatten Er ballte die Fäuste, mußte aber, von mehreren Männern gefaßt, stehen« bleiben-. »Jetzt hast eine!« spotteten sie, ,,mit der kannst schlafen geben« Das Gelächter, wel ches über ihn jetzt losbrach, hat seine Wuth nicht geheimpr Als die Kundel in- die Gaststube zu rückkam, wo der Paul bereits wieder beim Ofen saß, setzte sie sich nicht mlehr hin. Sie stellte sich nur an den Tisch und sagte leise zum Burschen: »Du Paul, wenn Du wieder einmal tanzen- willst, so nimm Dir ein Strohweibel dazu. Heißt das, wenn Du eZ niist etwa für einen Hasenschrecber hältst und davon läu-fst!« . Dachte er ein wenig nach, was das iheißen sollte. Und dann entgegnete er: sDes Wendlingers wegen-, gelt? Weißt, sich bab’ mir gedacht, mit so einem Fle Igel will ich nichts zu sthuns haben und Jdier Gescheirtsere giebt nach!« l »Geh, geh, red’ du dich jetzt auf die jGeschetidtheit aus! Die ist bei Dir ganz unschuldig, verstehst? — Auch Iniir araust vor’m Raufen und das Jhab’ ich dem Pölli da draußen auch Ifction gesagt. Wenn ich aber ein HMannsbild bins und tanz’ mit einem iMadel und so einer heißt mich einen sLotterbubsen und ver-schimpft sie damit, Inachher triech’ ich nlit erst der Ge ’scheidtk,eit unter dennittel — zuschtags sich!« ’ »Ja, und schmeißt Dich der groß’ Lümmel an die Wand wie eine Hafer garb!« »Ist mir alles eins, ’s Madel laß’ ich inir nit verschandiren!« »Mußt nit bös sei-n, Kunsdel,« sagte der junge Korbslechter und wollte seine Hand zärtlich auf ihren Arm legen. Sie schnellte ihn mit einer raschen Be wegung ab und sagte: »Weißt Du, wie’5 bei den Spatzeii der Brauch ist? Ein Mandel, daß das Weibel nit kann beschutzen, bleibt allein stehen, als ein samer Spatz! -—-« Damlit De weißt, daß ich auch kann korbslechten uinsd brauch’ nit einmal Weiden dazu. So, ausgeredet ist’5!« Daß das Röcklein flog, so rasch wendete sie sich uni, schritt zu ihren Schwestern und zeigte ihnen an, daß sie heimgehe. Die Schwestern beglei teten sie, weil der Vater Zimmermann im tkrtrastijbel das-Z Wahlrecht noch nicht fertig hatte. Paul’5 Mutter tain jetzt näher an sihren Sohn und fragte, ob es etwas gegeben hätte. Da warf der Paul seinen Kopf in den Ellenbogenwinkei und hub an zusweinen. »Aber Kind! Fiind!« jammerte sie. »Was ist geschehen? Thut Dir etwas weh?« Da sprang der Bursche auf, ballte gegen den Tanzboden die Faust: »Die ser verdammte Liiinsmel!« Dann stand er ein paar Augenblicke starr da, im Gesicht war er noch blasser als sonst. Sein-e Mutter legte die Hände zusam men und hauchte: »Aber Paul-»Aber Paul! — Was machst denn sijr Au gen,« Plötzlich riß er voin Osengeländer einen Balken los und stürzte dainsit zur Thiire hinaus aus den Tanzboden Nun ging eS rasch vor sich-. Ein wü ster Lärm, die Musik brach schrill abl ein gellender Schrei —— dann- haben ihn ihrer zwei Männer in die Stube ge tragen. Am Dorsende, wo das Kreuz stehtl wurden die Weiber aus dem Heimwe ge erreicht. ,.H(Ibts gehört?« rief ih nen der Bote nach. »Sie werden« gleich läuten. Für den Korbflechter. Für den Paul. Erschlagen- shasbsen sie ihn·!« —- Die Sterne, die sonst fest am Him mel stehen-, hnben vor den Augen dei Kundel zu tanzen an. . . . « Geläutet wurde. Aber nicht dir Stetbeglocke, sondern die Hochzeits glocke nach sechs Wochen, als der Bur sche wieder heil war-. Die Kundel hat te wohl gemeint, der Paul könne sich Yseiue Kökbe serber frechien und hat den ihren wieder zurückgenommen Manchmal ist nämlich auch das Bauerndirndel wie eine exotische Gott heit. Sie begnügt sich nicht mit dem Lippengebet der Liebe, auch nicht mit dem bewußten »ganzen Herzen«, sie will ihr Blutopfer haben, dann ist sie gnädig. Der Wendlinger Johanns ist nicht bei der Hochzeit gewesen-. Wäscht nd im Wirthshaus die nämliche n Pfeifen und Geigen klangen die er früher nach Belieben angerichtet ober abgestellt hatte, saß er mit dem Duckmauser draußen unter einem Heuschober Der» Duckmauser hielt setin Sacktuch vor die triefensdens Augen, der Johanns biß sich die Fingernägel und knurrte: »Höll saggra! Jst das eisn dummer Tagt« ... —-.—— Der Ring des Bankiers Berliner Blätter berichten: Jm Anklageraum steht ein junger Mann. Er macht ein-en gut-en Eindruck. Häu fig richtet er seine Blick-e nach dem Zu hörerraumi auf ein junges Mädchen, das sich isn die äußerste Ecke der langen Bank gedrückt hat unsd ersichtlich schwere Seel-esanalens duldet. Der An geklagte wirft ihm noch einen ermu thigenden Blick zu, als der Gerichts hof eintritt. Das junge Mädchen wendet die thränensumflorten Aug-en dem Vorsitzenden zu. Er sieht so streng aus. Wie kalt und geschäftsmäßsig es klingt, als er seinen- Platz einnimmt mit den Worten »Die Sitzung ist er öffnet, als erste Sache steht die Dieb stahlssache gegen den Tapeziergsehsilfen M. am.« »O mein Gott! mein Gott!« schluchzt das jungeMädchen und preßt trampfhaft das Taschen-tuch zwischen den Händen. Der Borsitzende sieht aus« »Hören Sie mal, Rührscenen können wir hier nicht gebrauchen, wenn Sie wein-en wollen; müssen Sie den Saal oerlasfen«. — »Ach bitte, bitte, lassen Sie mich, ich werde mich schon beherrschen und gasnz still sein-.« — »Das muß ich mir allerdinng aus bitt-en«. Nun sieht der Borsitzensde den Angeklagtens Prüsfesnd an, »Sie wissen ja, um was es sich handelt, Sie sind beschuldigt, dem Kaufmann ein-en Brillaniring gestohlen zu- shaden. Der Ring wurde bei Ihnen gesunden, also werden Sie wohl ein offenes Geständ niß ablsegen?« Ansgellagter: Stehlen wollte ich ihn nicht, ich wollte nur ———- Borsitzser: Aber, junger Mann, soerfcherzens Sie sich doch die niildiernsden Umstände nicht. Sie sind, wie ich aus den Ak ten ersehen habe, anskindiger Leute Kind und bisher unbescholten, geben Sie doch lieber der Wahrheit die Ehre. Sie haben vielleicht aus Eitelkeit ge fehlt, als Sie den Ring Initnal).men? — ------ sein-geri.: wenommen have ich ihn, das will ich ja nicht bestreiten, aber stehlen wollt-e ich ihn nicht. Vors.: Wie können Sie nur so un derstandig sein und solch-e Wiirgebän: der machen! Wen-n man etwas began gen hat, man man auch den Muth ha ben, es einzugestehen —--- Angekl.: Jch will ja auch die Wahrheit sagen, aber ich wollte wirklich den thing nicht fiir mich behalten. Wenn ich nur er zählen dürfte, wie ich dazu gekommen bin. Vor. (ungeduldig): Nun, denn er-« zählen Sie, aber Sie haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn Sie bei der Strafabmessunig härter angesehen werden. —- Angekl.: Jch war im 1. Juli nach Berlin gekommen und san-d sofort Stellung bei dem Hof-Tapezie; rer H Vor.: Ja, Sie sollen ein geschickter Mensch sein. Angell.: Am Z. Juli wurde ich von meinem Prinzipal nach der Kurfiirslenstraße geschickt, ich soll te vom Ftommerzienrath B., der einen Solon neu dekorirt haben wollte, die Jnstruttionen entgegennehmen. Als ich klingelte, öffnet mir das Mädchen und fiihrt mich in ein kleine-J Em pfansgszimmer. Aug der anstoßenden Stube kommt ein Herr heran-J, dem ich mich vorstellte. »Ach so«, sagt er, »ich habe gerade Besuch, aber er dau ert nicht lange. Sehen Sie sich nur so lange, hier auf dem Tisch liegt ein Al: bum mit Zimnier-Dekorationsen, seh-en Sie sich dieselben an-, eH wird Sie in tersessiren«. Jch blieb nun allein im Zimmer und sah mir die Bilder an. Da fand ich zwischen zwei Blättern ei nen Brillantring liegen, wahrschein lich hatte der Kommerzienrath den Ring vorn Fing-er gezogen und hinein gelegt, um die Seite zu markiren. Jch besah mir den Ring und ließ mich ver leiten, zu prüfen, ob er mir paßte Da hörte ich plötzlich, »daß die Thür hinter mir geöffnet wurde, der Korn merzienrath führte seinen Besuch durch die Stube, verabschiedete sich von ihm wnd wandte sich zu mir mit den Worten: So, nun kommen Sie.« Dass alles ging so schnell, daß ich den Ring nicht erst vom Finger ziehen konnte. Wir gingen -i·n’s Nebenzsim mer, und hier tsheilte er mir seine Wünsche mit. Jch stand Höllenqualen aus. Die Hände hielt ich immer auf den Rücken und versuchte unablässig, den Ring vom Fing-er zu ziehen, ich wollt-e ihn dann unbemerkt aus irgend ein-en Tisch hegen. Aber durch die Angst und Verlegenheit wsarsens mir die Finger gequo«llen, es war mir uns möglich, den Ring herunter zu bekom men. Ehe ich mich versah, befand ich mich wieder draußen, ich weiß selbst nicht, wie ich dazu gekommen bin. Aber stehlen — hier brach ihm die Stimme —- wollte ich den Ring ganz gewiß nicht, so wahr — Vors.: Na, na, na, die Betheueruns gen lassen Sie nur, das kennen wir schon-. War-um in asller Welt haben Sie ·den««n nicht dem Herrn reinen Wein eingeschenkt und gesagt-: »Ent schuldigen·«Sie, ich bin neugierig ge wesen, hier ist der Ring«. — Angekl.: Herr Präsident, es wäre ganz gewiß besser gewesen, wen-n iich dies gethan hätt-e, der Gedankeschosß miir auch durch Kopf, aber wen-n Sise mir nicht glau bens wollen, dassz ich nicht habe stehlen wollen-, warum sollte der Herr mir den-n glauben? Mißtrausen würde er doch gegen mich gehabt haben-, und vielleicht würd-e er mein-en Prinzipal unter Mittheilung des Vorgesallensen ersucht haben, ihm ein-en anderen jun gen Man-n zu schicken. Meine Stel lung wäre so wie so verlor-en gewesen. Vors.: Nach zwei Stunden hat be reits ein Kriminsalbeamier Nachfrage bei Jhnen gehalten, und ihm haben Sie den Ring sofort herausge geben? —- Asngekl.: Jawth — Vors.: Jch bitte um Antrag, Herr Staat-san walt. Der Staatsanwalt halt eine kurze Rede. Er behauptet, daß der Ange klagte wohl schwerlich ein-en Menschen finden werde, der ihm das geschickt ausgedachte Märchen glaube. Bei der Höhe des Objekts und bei der Drei stigkeit, mit der der Angeklagte geleug net hasbe, beantragt-e er ein-e Gefäng nisstrafe von 14Tagen. —- Das jun-ge Mädchen erstickt ein-en Aufschrei da durch, daß es das Taschentuch gegen den Mund preßt. —- Vors.: (den An geklagten lange und scharf ansehen-d, als wolle er den Grund seiner Seele erforschen)«: Angeklagter, haben Sie noch etwas anzuführen? — Angekl: (einen verzweifeltens Blick nach dem Zuhörerraum werfend): Jch wollte bei Gott nicht stehlen. — Bors.: Dann wird fich der Gerichtshof zur Bera thung zurückziehen —- Wie ernst sieht er aus, wie furchtbar ernst! Die Berathunsg dauert nur wenige Minuten· Ein gewinnender Zug liegt um den Mund des Richters. —- »An getlagter, Sie sind freigesprochen. Was Sie ung erzählt haben ift so rein menschlich, daß wir Ihn-en geglaubt haben. Sie sind kein Dieb! Gehen Sie nach Hause« —- — Auf dem Flur hängt das junge Ajlädchen an seinem Halse. EI weint Freuden thränen. ,,Otto, Otto, wie wird un sere Mutter glücklich sein!« —-—— .-«-- «» --—-,—-... Recht nnerfreulicheAussich ten haben die Forstleute in Württem derg. Der »Staatganz.« hält es fiir ge boten, vor dem lStudium der Forstwis senschaften zn warnen, da vom Jahre lkltnl —— 1915 das Durchschnitts-alter in dein das ifiiiriiclen in eine Oberfiir sterstelle erfolge, vierzig Jahre sein werde. Ausderlliheinpfalzwirdge meldet: Die Weinlese ist lzum größten Theil vorüber-. Seit Jahren ist der ,,«Jtene« nicht so sauer gewse en wie dies Jahr. Der Voligninnd h t den 96er Li -- Onng Tschang getauft. Der 94er — aich ein ininderwerthiger Wein — hatte den Namen »Wei-hei-Wei« erhal ten. Jn einer sächsischen Ansstel lungg Lotterie init Gewinnen »i. W.«, das heißt : »im Werth«, hatte, wie die ,,Breol. Zig.« schreibt, ein Kaufmann in Seitendorf (sächsische Laiisitz) laut Ziehnnggliste den Gewinn No. 36 er halten. Wenn No. 1 der Hauptgewinn ist, so muß auch No. 36 noch recht an sehnlich sein, so dachte der glückliche Ge-« winner, vielleicht eine Wohnungseimv richtung, eine Dreschmaschine oder et was Aehnliches. Die Ungewißheit dul-, dete ihn nicht länger daheim. Kurz ent schlossen spannte er die Pferde vor denl Wagen, holte noch drei Freunde herbei,1. die ihm beim Aufladen des Gewinns; behilflich sein sollten, und fort gings ini scharfermTrabe nach der drei Stunden entfernten Ausftellungsstadd Dort: wurde den vier Männern der Gewinn anstandslos ausgehäwdigt — ein Bau lasten im Wetthe von 50 Pfennigen. i