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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Nov. 27, 1896)
Die Schrift deg Todten. itsiiniiml s Geschichte ans dem deutsch-französischen Kriege. Von Jul. May. (Fortsetzung.) »Hast Du gelesen, daß Doriat einen tlufschub bewilligt erhalten hat?« hub er an. »Wäre er wirklich hingerichtet wor den, entgegne Georg leise mit zittern der Stimme, »dann hättest Du außer Deinem ersten Verbrechen jetzt auch noch zwei weitere auf dem Gewissen.« »Was soll das heißen?« »Du hast Bourreille getödtet —- Du würdest dann auch noch Doriat und Deinen eigenen Bruder um’s Leben ge bracht haben, denn ich hätte mit dieser Last auf dem Gewissen mein Dasein nicht weiter zu führen vermocht.« Johann packte ihn bei beiden Armen und zwang ihn, seinen Kon zu erheben und ihm in’s Auge zu schauen. »So, und da hast Du es wohl vorge zogen, den Angeber zu s pielen, wie?« »Nein, das habe ich nicht gethan — ich schwöre es Dir!« rief Georg, bebend vor Scham und ohnmächtigen Zorn. »Aber ich habe allerdings daran ge dacht, Dich anzuklagen, weil es mir gar zu scheußlich vorkam, einen Un schuldigen an Deiner Stelle hinrichten zu lassen.« »Weshalb hast Du es nicht gethan?" »Weil ich ein Feigling, ein armer, energieloser Schwächling bin. Ich bin feige, weil ich leide und kein Leben mehr in den Adern, keine Wärme in meinem armen Körper habe. Trotz Deines Berbrechens hänge ich an Dir, weil mich’s vor dem Alleinsein grausi, das weißt Du ja recht gut. Es ist ein entsetzliches Leben das ich führe, aber mir fehlt der Muth. ihm selbst ein Ziel zu setzen, trotzdem sich Alles in mir empört bei dem Gedanken an das, was · Du gethan hast.« »Es ist nur gut, daß Deine Schwäche größer ist, als die Mahnung Deines Gewissens,« sagte Johann spöttisch. »Auch werde ich dafür Sorge tragen, daß Du keine Dummheiten machst.« »Ach, ich bin ja ganz in Deiner Ge walt,« stöhnte Georg und suchte sich vergeblich von dem Griff des Bruders loszumachen· »Laß mich los, Du thust rnir weht« Der Chemiler gab ihn endlich frei, woraus Georg zu s einem Sessel wankte Wie ohnmächtig fiel er aus den Sitz nieder und blieb dann mit geschlossenen Augen regungslos liegen . . . . Der so plötzlich iiber Frankreich her änbrechende Krieg veränderte das Ber hältniß der Brüder nicht. Johann v. Montmayeur war froh, daß der Krieg eine willkommene Ableitung für den Argwohn bot, den man im Gericht vielleicht einen Augenblick gegen ihn gehegt haben mochte. Arbeiter waren nicht mehr zu haben, folglich hatte die Fabrik ihre Thätigteit einstellen müssen nun konnte er den Krieg auch als Bor wand nehmen, alle Zahlungen hinaus zuschieben und feine Wechsel bis zur Einstellung der Feindseligteiten unein gelöst zu lassen. Bis dahin würde er schon etwas Glaubwiirdiges ersinnen, um den Besitz der aus Bourreille’s Truhe entwendeten Summe zu erklären, mit der er dann seine Erfindung im Großen auszudeuten gedachte. Einst weilen lag die Kassette mit den 50,000 Franken noch immer aus dem trockenen Stunde des Brunnens, wo fie nach seiner Meinung am besten aufgehoben Dar. Vorläufig konnte er jenes Geld entbehren. Nicht lange nach der Schlacht bei Sedan hatte die Fabrik einen Jnsas sen mehr erhalten; die alte Mutter der Gebrüder Montmayeur. Es war eine. kleine, magere Frau mit braunem Gesicht, schwarzem Haar und tiefdunk len Augen. Sie hatte in Bazailles in einem ihr gehörigen Häuschen gewohnt, das am 1. September nieder-gebrannt war. Jenes im Kreise Sedan an der Ostbahn gelegene Dorf mit etwa zwei tausend Einwohnern bildete bekannt lich bei der Schlacht bei Sedan den Stützpuntt des rechten Flügels der Franzosen. Zwölstaukend französische Minim sotdaten hielten es sechs Stunden lang Iegen das anstürmende erste bahrische Korps und Theile des vierten preußi schen Korps und vertheidigten es auf das hartnäckigste · Da auch die math entbrannten Einwohner sich an dem Kampfe gegen die Deutschen betheilig ten, so zeigte sich hier der Krieg in seiner ganzen Größlichteii. Sämmtliche Häu ser des nnglticklichen Ortes gingen in muten aus, so auch das der alten an von Martin-ahead und ihre ge mmte Habe brannte mit. Außerdem ward an demselben verhängnisvollen ein ihr gehstiges zweites Haus in , das sie vermiethet hatte, undi j von dessen Erträgniß sie lebte, gleich falls in Asche gelegt. Sie war jetzt arm wie eine Bettlierin.l Die alte Frau wußte ganz gut. daß ihre Söhne auch nicht viel besaßen, daß Georg sehr krank war, und Johann bisher noch kein Glück mit seinen Erfin dungen gehabt hatte. Dennoch mußte sie jetzt ihre Zuflucht zu ihnen nehmen und machte sich in der Richtung nach Paris aus den Weg. Noch vor den deutschen Belagerungstruppen kam sie eines Tages in Garches an und erschien bei ihren Söhnen — entblößt von Al lem gekleidet wie eine Bettlerin und fast aussehend wie eine alte Zigeunerin. Aus der Heimath des Geschlechts der Montmayeurs brachte sie nichts mit als einen unauslöschlichen Haß gegen die deutschen Soldaten, die in Frank reich eingebrochen waren und ihre Habe vernichtet hatten. Sie vergaß dabei nur, oder wußte auch wohl gar nicht, daß Jene zu Ersterem durch die über rniithige Herausforderung der Fran zosen, und zum Zweiten durch die Nothwendigkeit des Kampfes gezwun gen worden waren. Jn der Seele dieser alten Frau, die halb eine verarmte Aristoiratin, halb eine Bäuerin aus altem Ardenner Blute war, hatte sich ein an Wahnsinn grenzender Rachedurst gegen die »Prussiens« festgesetzt. Das verschloß sie aber als Geheimniß in sich und sprach zu Niemand davon. Wenn ihre Söhne, die sie alsbald mit allem Nöthigen ausgestattet hatten, sie iiber ihre Erlebnisse und Eindrücke während der furchtbaren Schlacht befragten, so wiederholte sie meist nur ganz eintö nig: »Ja, ich sage euch, es war schreck lich, wahrhaftig.« Mitunter setzte sie wohl noch hinzu: »Hätte ich nur ein Gewehr gehabt, dann hätte ich es ihnen heimzahlen wollen!« Jhr verstorbener Mann war Ober sörster gewesen, und sie wußte einc ; Flinte zu handhaben. Mehr war aus ihr niemals heraus zulocken. Aber in ihren schwarzen Augen blitzte es dann aus, die schma len Lippen preßten sich zusammen, man sah es. diese Frau war verbissen und fanatisch. Fast schien es, daß ihr Ver stand stari erschüttert worden sei. Von ihrer ganz auf den einen Punkt gerich teten Jdee abgesehen, begriff sie nur noch wenige Dinge. Die Ankunft ihrer Mutter in der Fabrik nöthigte die Gebrüder Mont mayeur, sich in Garches oder in der weiteren Umgegend nach einem geeig neten weiblichen Wesen umzusehen, welches die halb tindische Frau über wachte und fiir sie sorgte, das zu glei cher Zeit Gesellschafterin und Aufsehe rin fiir sie war. Da sollte Johann o. Montmayeur, der es natürlich hatte übernehmen müs sen, nach einer Person zu suchen, was Unter den gegenwärtigen Zeitverhält nissen gar nicht leicht war, ein Zufall — oder doch etwas-, was er- sür einen Zufall hielt —- zu Hilfe tommen. An einem schwülen Abend kehrte der Chemiter, der in Samt-Gouv zu thun gehabt hatte, durch eine der bereits in Dämmerung gehüllten Alleen des Schloßpartes nach Garches zurück. Da sah er nicht weit vor sich eine in dersel ben Richtung gehende Frauengestalt, in der er aus den ersten Blick Luzie er kannte. Dort ging das süße Geschöpf, des sen dunkle Augen eine so wunderbare Gewalt über dies eherne Herz besaßen und nach dessen Liebe er schmachtete, wie ein Verdurstender nach der lahm den Quelle. Aber was hatte er denn überhaupt zu hassen-— liebte sie nicht Walter Bourreille? Es konnte freilich auch bloßes Mitleid gewesen sein, daß sie zu dem jungen Mann gezogen hatte, als sie ihn bei der Leiche seines Vaters sitzen sah. Und was war überhaupt eine solche kindische Neigung im Vergleiche zu der glühenden Leidenschaft, die ihn erfaßt hatte! Seit langer Zeit schon hatte er aus eine Gelegenheit gewartet, einmal n gesiört mit Luzie sprechen zu tön en, und diese Gelegenheit bot sich nun hier in dem einsamen Parl so unverhofft. » Dennoch zögerte er, seine Schritte zu ; beschleunigen, um ste einzuholen, weil er nicht wußte, welche Rolle Luzie in der Angelegenheit Doriakö gespielt habe. Was hatte sie gesehen und aus gesagti hatte sie die blutige Schrift gelesen? Oder war das nur eine thö richte Einbildung seinerseits? Er mußte darüber in’s Klare korn men und machte seht größere und raschere Schritte. Luzie wußte, wer hinter ihr herkam, denn sie hatte sich ja eigens in den Schloßpart begeben, um sich bei seiner Rückkehr scheinbar von ihm überraschen zu lassen. Sie war in diesem Augen blick furchtbar bleich, und ihre Augen blihten wie im Fieber. Sie wartete darauf« daß er sie ansprechen und; vielleicht sogar von seiner Liebe zu ihrs reden würde. Sie war bereit, Alles anzuhören und selbst dazu zu lächeln, denn sie verfolgte einen bestimmten Plan. " Endlich war er neben ihr, grüßte und begann mit gedämpster Stimme: »Guten Abend, Fräulein Luzie!" Luzie mußte nun doch ihre ganze Willen-straft ausbieten, um sich nicht zu verrathen. Sie schloß einen Mo ment die Augen; Alles war dunkel, um sie her, aber sie glaubte aus diesem Dunkel in flammenden Buchstaben die Worte auftauchen zu sehen: »Johann Montmaneur ist der Mörd—-.« Dann gelang es ihr mit beinahe ganz unbe fangener und natürlich tlingendcr Stimme zu fragen: Was wünschen Sie?« »Fräulein Luzie, Sie lennen meine Gefühle Jhnen gegenüber. Sie haben mich schon einmal zurückgewiesem Doch gebe ich die Hoffnung noch nicht auf» daß Sie noch andern Sinnes werden« ; »Hoffen Sie das nicht« Jch liebes Sie nicht.« »Sie werden eb, wenn Sie erst wis sen, mit welcher Jnnigleit und Hin gebung ich Sie liebe. Jch lege Jhnen Alles zu Füßen, was ich bin uiid habe —- ich will Sie zu einer reichen und an gesehenen Frau machen.« »Sie tommen zu spät, ich muß für Jhr ehrendes Anerbieten danken.« »Weshalb?" » »Weil ich Walter Bourreille liebe und seine Braut bin.« Er wollte zornig aufsahren, bezwang sich aber und versetzte achselzuclend: I »Eine Kinderei. die um io weniger i ernst genommen zu werden verdient, da Sie ihn 1a doch nicht heirathen töniienk »Und wer will mich daran hindern. ?" Mit einer KaltbliiiigleiL die ihr ge radezu Entsetzen einflößte, sagte er daraus: »Sie sind Doriat’5 Pflege tochter. Doriat aber hat den altenI Bourreille ermordet, Sie können doch zden Sohn des Mannes nicht ehelichen iden Jhr Vater um ’s Leben gebrachtI hat « z »Mein Vater itt aber unschuldig," s erwiderte sie mit Nachdruck. E Selbst wenn er das wäre. so hält ihn doch alle Welt siir schuldig, und das ZGericht hat ibn zum Tode verurtheilt ! Sie, als die Tochter dieses Verurtheils ten, können, ich wiederhole es, gar nicht .daran denken. den Sohn seines Opfers I heirathen zu wollen.« Sie senkte den Kopf und sagte nichts. Wenn sie überhaupt geantwortet hatte, so wäre sie nicht langer im Stande ge wesen« ihren Abscheu zu verbergen. Zum Glück war es unter den dichten Rastanienbäumen schon so dämmerig, daß er ihr Minenspiel, daß sie sonst verrathen hätte, nicht beobachten konnte-. So glaubte er, sie überzeugt zu haben, und ein gewaltigesFreudengefühl über tarn ihn. Sie wußte also augen scheinlich nichts von der Schrift des Todten und hegte keinerlei Argwohn gegen ihn; dann durfte er immerhin hoffen, ihre Gegenliebe zu erringen und sie jenen Walter Bourreille verges sen zu machen. - Als Luzie ihre Selbstbeherrschung zurückgewonnen hatte, meinte sie: »Sie haben Recht. Wenn mein Vater das Schassot besteigen muß, so kann ich Waltet nicht heirathen.« »So ist es. Vergessen Sie aber in dem Unglück, das Sie so unverschuldet trifft, nicht« daß es einen Mann gibt, der Sie über Alles liebt.« Das junge Mädchen blieb plötzlich stehen: Herr v. Montmaheur, ich muß Sie bitten, mich jetzt meinen Weg allein fortsetzen zu lassen.« »Wenn Sie das wünschen, so ge horche ich. Nur das versprechen Sie mir beim Abschied, daß ich hassen dars, Sie wiederzusehen!« »Das ist ganz unmöglich!« »O, saaen Sie das nicht! Ich liebe Sie so heiß und innig, daß nothwendig etwas von diesem Gefühl auch aus Sie übergehen muß. Eine solche Liebe iann nicht ohne Gegenliebe bleiben — das ist meine feste Ueberzeugung Und nun hören Sie, was ich von Jhnen er bitten möchte. Jch weiß, daß Sie ge gen Abend mitunter aus dem Wege, der an dein Teiche vorüber zum Walde von Saint-Cucusa führt, spazieren gehen. Jch werde von jetzt ab jeden Abend di sen Weg machen, und wenn in Ihrem Versen eine leise Stimme zu meinen Gunsten sich regen sollte, dann stecken Sie, bitte, eine Blume vorne in Jhr Kleid. Dann werde ich wissen, daß? mein hassen doch nicht ganz vergeblichi gewesen ist. Ich wia Sie nicht belästi-« gen, siirchten Sie nichts, und wenn Sie bei meinem Vorübergeben diese Blume aus die Erde sollen lassen, dann werde Iich wissen, daß Sie mir gestatten wol ! len. mich Sehnen au nähernt« Sie siibltr. daß von ihrer Antwort ibr Glück, vielleicht sogar ihr Leben abhing, und dennoch zitterte sie nicht. Wenn sie ihr Leben einsehte, so geschah es sa, um das ibrei Vaters zu retten, dem sie ewige Dankbarkeit schuldete. und so entgegnete sie denn leise: »Ich will es mir iiberiegen.« l Mit hasiigen Schritten eilte sie da von; Montmaheur aber blieb stehen« i und ein triumphirendes Lächeln spielte um seine Lippen, während er ihr nach schaute. »Ja, sie wird die Meine,« dachte er. »Ich bin schon der Mann, um die tin dische Liebe zu diesem Walter Baute-: reille in ihrem Herzen zu erfticten!« . . . Als er auf der Fabrik wieder an-· langte, fühlte er sich so hoffnungsfroh, daß er das Bedürfniß empfand, sich mitzutheilen. George saß auf seinem gewöhnlichen Platze am Kamin, und als er die heitere Miene des Bruders gewahrte, fragte er: »Was haft Tu? Sind die Nachrichten von der Armee besser? Hat man die Deutschen zurück gedräntt?« »Wer denn?« Es gibt ja teine Ar mee mehr.'« »Warum bist Du denn so ver gnügt?« »Das will ich Dir sagen: weil ich verliebt bin.« »Du?« fagte der Kranke mit einem Erstaunen, das fast dem Entsetzen glich. »Ja, ich. Jst denn das so etwas Verwunderliches?« »Ich hätte Dich eigentlich über solche zärtliche Regungen erhaben geglaubt . . Und wirst Du wieder geliebt?'« »Noch nicht. Aber das wird schon kommen, dessen bin ich ganz gewiß.« »Darf man nicht erfahren, welcher Schönen es gelungen ist, Dein gefühl volles Herz zu erobern ?« fragte Georg mit schneidender Ironie. »Sp"citer —— ietzt noch nicht!« Auch die alte Mutter befand sich in dem Wohnzimmer, worin diese Unter haltung stattfand. Zusammengetauert saß sie in einer Ecke und hörte nur sliichtig aus das, was die Brüder mit einander sprachen. Daß darin von dem seindlichen Heeren die Rede gewesen, war ihr aber doch nicht entgangen. Jhre Augen gewannen wieder Glanz und Feuer, indem sie Johann fragte ,,Also die Preußen marschiren noch immer auf Paris los; wo sind sie denn jetzt? »Wir werden sie bald genug hier haben.« »Gut, gut,« murmelte sie, wieder verstummend und die Augen·schlie ßend, so daß es aussah, als ob sie schliefe. Alle Tage aber fragte sie von nun an ihre Söhne: »Sie sind noch nicht da? Kommen sie noch nicht bald?« Am B. September hatten die siegrei ; chen deutschen Heerschaaren den Marsch i bereits standen sechs und ein halbes I von Sedan aus angetreten, und am 19. Armeelorps und drei Kavalleriedivisiw nen mit 122,661 Mann Jnsanterie, 24,325 Reitern und 622 Gefchiitzen vor Paris, die sich dann bis zum 21. Otto ber aus neun und ein halbes Armee » lorps und vier Kavalleriedivisionen mit I202,030 Mann Jnfanterie, 38,794 ! Mann Kavallerie und 898 Geschützen I derstiirlten. mi . i- - - LLlIl clsclllcl Illug lUUlUc Ulll UUV ge » waltige Seine-Bald geschmiedet, daß damals infolge des massenhaften Her » einströmens Flüchtiger etwa 2,4()0,000 » Einwohner zählte, und in dem seit dem TSturze des Kaiserthums jetzt die »Re i gierung der nationalen Vertheidigung« i das Regiment führte. ! Die vierte deutsche Arme unter dem i Kronprinzen von Sachsen hielt den ) nördlichen Halbkreis des Einschließ ungsringes, am rechten User der Seine und unteren Marne auf der Linie von Argenteuil über Montmagny, Blanc Mesnil durch den Wald von Bondy bis Gournay besetzt. Die dritte Armee unter dem Kronptinzen von Preußen hatte den südlichen Halbkreis inne; von der Station Gournay an der unteren Marne über Bonnoui, Choish-le,Rov, und aus der Halbinsel von Argenteuil iSollten sich beide Armeen die Hand rei- . i M. j Den Stämmen nach hatten die preu »ßischen Armeelorps vorzugsweise den T Norden und den Westen inne; im Sü den bewachten die Bayern unter Hart mann und von der Tann, im Osten die Sachsen unter dem Prinzen Georg und die Wiirttemberger unter Obernitz mit den Preußen gemeinschaftlich die Fe ltungslinie, deren Einschlieszung nach den am 19. September stattgehabten Gesechten von Petit-Bicetre und Cha tillon und der Eroberung der ,,Bat)ern schanze" eine vollständige war. Aber die Deutschen hatten nicht nur vor Aussällen der eingeschlossenen Hee resmassen, derenAnzahl 400,000Mann überstieg, aus der hut sein« sondern sie wurden im Beginn der Belagerung mehrfach auch von einzelnen Banden von Franctireurs anaearissen, die bald bier bald dort eine Abtbeilunq der Ein schließunastrupven übersielen oder Handstreiche aus Proviant-s und Mani tionötolonen waaten. Dem Beispiel anderer jungen Leute aus Garches fol aend. batten auch Paul und heinrich Doriat, die ihr Vater seiner Zeit vom Militiirdiensi losgelauft, freiwillig sich k—— - II einer solchen Freischärlerabtheilung an geschlossen. Dasselbe wurde von Wal ter Bontreille behauptet. doch hatte Luzie noch keine Nachricht, von ihm er halten. Andere Einwohner des Ortes rvaren nach Paris gefliichtet, und über-« all herrschte Unruhe und Verwirrung. Vielleicht gab es in dem ganzen Dor fe nur zwei Personen, die sich weniger davon berührt fühlten: Luzie, die nur an die Ausführung ihres Planes zu Doriat’s Rettung dachte, und Johann v. Montmaheur, den seine Leidenschaft für das schöne Mädchen ganz und gar beherrschte. An der alten Frau v. Montmaheur war eine ganz befremdliche Heiterkeit zu gewahren, seitdem sie wieder deutsche Soldaten sah, die sie seit dem Tage von Bazeilles nicht mehr erblickt hatte. »Da sind sie endlich,«murmelte sie oft vor sich hin, »ich habe sie in meiner Nähe,« und sie lachte dann so unheim lich, dafz ihre Söhne oft glaubten, sie habe jetzt vollständig den Verstand ver loren. ’ Wie Samt-Gouv war auch Garches von den Preußen beseht worden, und an geeigneten Stellen erhoben sich hier alsbald dem weiter nördlich emporra genden Mont Valerien gegenüber ver schiedene wichtige Befestigungen, wie! die Montretout-Schanze und die von’ Buzanval und La Jonchere. Mit den ; zurückgebliebenen Einwohnern vertru-; gen sich die gefürchteten »Prussiens« s durchweg ganz gut; sie gaben den Ar- » men oft genug von ihren Nationen et was ab, suchten sich mit den Leuten zu verständigen, so gut es ging, und ent sprachen durchaus nicht dem Bilde, daß« die Pariser Presse von diesen ,,ent menschten Horden« zu entwerfen be müht gewesen war. Die Fabrik war mit fünfzehn Mann unter einem Sergeanten belegt worden; dieser außerhalb des Dorfes gelegenes Posten hatte die Aufgabe, das Thal; von Saint-Cu(ufa zu überwachen, undI die Leute hatten sich in der eigentlichen « Fabrik, die ja jetzt ganz leer stand und ihnen Raum bot, bald eingerichtet Als sie zum ersten Male einriickten und in dem zur ebenen Erde gelegenen Saale der Fabrik ihre Tornister ableg ten und die Gewehre an der Wand stell ten, war die alte Frau v. Montmayeur hereingekommen. Die Soldaten wollten gutmüthig mit ihr scherzen, und Einer von ihnen, ein Reservist, der fließend französisch sprach, richtete verschiedene Fragen an sie, worauf sie jedoch nicht antwortete. Als aber Einer ihr mit den Worten: »Guten Tag, Großmüt terchen!'« auf die Schulter klopfte-, fuhr sie plötzlich herum und schaute ihn mit so unheimlich funkelnden Augen an, daß der Mann ganz erschrocken zurück prallte. « »Die Aue scheint nicht ganz richtig im Kopfe zu sein,« meinte der Sage ant. »Laßt sie doch zufrieden!« Besonders schienen die an der Wand stehenden Gewehre und die Patronen taschen ihre Neugierde zu erregen; sie betrachtete sie aufmerksam, wendete sich aber plötzlich wieder ab, als wenn sie dabei betroffen zu werden fürchtete, und entfernte sich. An diesem Abend machte Johann v Montmayeur, wie er seit dem Zusam mentreffeu mit Luzie immer zu thun pflegte, einen Spaziergang nach dem Gehölze von Saint-Cucufa zu. Die Deutschen waren damit beschäftigt, längs des Waldrandes einen Verhau anzulegen, und verwehrten den Ein heimischen das Nähertommen. Der Chemiter machte daher Kehrt und wan derte dem Dorfe Garches zu. Da sah er Luzie, die ihm entgegen kam. Sie war blaß und hatte keine Blume an ihrem Kleide, so daß er sie nur im Vorübergehen grüßte, ohne sie anzufprechen. Am nächsten Abend begegnete sie ihn wieder, und diesmal steckte eine Rose in ihrem Gürtel, die aber nicht zur Erde fiel. »Aha,« dachte Johann von Mont maheur, »sie will mich schmachten las sen! Nun das macht nichts, denn jetzt bin ich meiner Sache sicher.« i Und er schien sich auch wirklich nichts getäuscht zu haben. Am dritten Abend tam das junge Mädchen abermals; sie war diesmal noch blasser wie zuvor, und ihre Züge trugen den Ausdruck ei ner krankhaften Müdigkeit. Als der Chemiter in ihre Nähe gekommen war, nahm sie die Blume aus ihrem Gürtel und ließ sie, ohne ihn dabei anzusehen, zu Boden fallen. Mit einem freudigen Ausruf bückte sich Montmayeur dar nach, tüßte die Rose und barg sie in sei ner Brieftafche. »O, wie dante ich Ihnen, Fräulein Luzie,« sagte er dann, ganz beglückt neben ihr gehen-d, »daß Sie mir endlich dieses Zeichen gegeben und mir erlaubt haben, mich Ihnen zu nähern. Sie glauben gar nicht, wie ich Sie liebe — , der ich mir eigentlich vorgenommen hatte, mich niemals ernstlich zu verlie VM Ich hatte schon sv oft gesehen daß die Liebe Männer thöricht und un glücklich machte, daß ich mir sagte, es sei am besten, sich nicht von ihr bethören zu lassen. Aber Sie sehen, wie es mit den guten Vorsiitzen geht! Was vermag, der talt-berechnende Verstand gegen die « , Liebe!« : Jm Gegentheil. Jch habe nur noch das eine Verlangen, Sie zu errin- · gen.« « Und nun redete er wieder leiden schaftlich von seinen Hoffnungen und Plänen und fragte endlich: »Nun ge stehen Sie mir aber auch, Luzie, ob Sie mich auch schon ein bischen gern haben, oder ob ich Jhnen noch immer , gleichgiltig in.« Sie unterdrückte tapfer ein Gefühl: des Schauders nnd antwortete: »Wenn« Sie mir gleichgültig wären, würde ich« nicht gekommen sein.« »Sie weichen mir aus und antworten - nicht direkt auf meine Frage. Seien - s Sie einmal osfenherzig." »So plötzlich kommt die Liebe nicht." »Soll das heißen, daß ich noch gar nicht vorgerückt in Jhrer Gunst bin, daß Sie noch nichts fiir mich empfin den?« »Sie sind im Gegentheil schon viel ; weiter gekommen. Wenn ich Sie auch . jetzt noch nicht liebe, so könnte ich es doch in der Zukunft lernen, wenn Sie so aufmerksam und liebenswürdig blei-»« ben wie bisher.« i Ehe er sie, ganz berauscht von seine « Erfolge, verließ, hatte sie ihn für de folgenden Abend ein neues Stelldichein » versprochen. J I i Es I—sp.—.«—-... Mk s daten auf der Fabrik in großer Auf regung. Es war sogar ein Offizi von Saint-Cloud herübergelomme - und Montmayeur erfuhr nun, eines der Zündnadelgewehre nebst zwei « Packeten Patronen auf unertliirliche Weise verschwunden sei. Der Chemitet betheuerte, daß er diesem befremdlichen Vorfalle völlig fern stehe; auch sein. Bruder sei trank undvermöge das Zim-f mer nicht zu verlassen, seine Mutter eine harmlose alte Frau — diese Beiden ;«·" könne man doch unmöglich im Ver dacht haben. Er bäte, alle Räurne der Fabrik und seines Wohnhauses aus das Genaueste zu durchsuchen. Dies ge schah denn auch, während Montmaveu so lange von einigen Soldaten in de » Parterreraum der Fabrik bewach ; wurde. Man fand jedoch nichts un is gab ihn wieder frei, da weder gegen ihn noch gegen eine andere in der Fabrik« wobnende Person ein begründeter Ber dacht geltend gemacht werden konnte. Als er in das Wahnzimmer trat, wo Georg mit Spannung auf seinen Be richt wartete, nickte die Alte mit dennka Kopfe und sagte: T »So, sie haben Dich wieder steige geben? Jch wette, sie haben das Ge- . weht nicht gefunden, wie?« ,,Nein,« entgegnete Johann, trat dann aber, von einem plötzlichen Arg- «"’ wohn erfaßt, dicht an die Mutter heran und blickte ihr scharf in die Augen-« »Du hast doch nicht etwa das Gewehr entwendet?« « Sie schlug ein gellendes Gelächter auf. »Ei bist Du närrisch? Was sollt ich denn wohl damit anfangen?« Er schien beruhigt, fügte aber doch hinzu: »Ich wollte Dich nur warnen. Du könntest mit einer solchen Thorheit entsetzliches Unheil auf uns herabbe- · schwören." « Als Luzie nach ihrem abermaligen Zusammentresfen mit Montmayeur am folgenden Abend nach Hause lam, glaubte sie zu bemerken, daß Frau Doriat sie mit ganz merkwürdig traut rigen und unruhigen Blicken ansah. s Jhre Pslegemutter sagte jedoch nichts. Zwei Adende darauf hatte Luzie ein neues Stelldichein mit Montmayeur Als sie sich von ihm trennte, um nass der Gärtnerei zurückzukehren, sah sie in - einiger Entfernung vor sich aus deri Straße eine Gestalt, in der sie Frau Doriat zu erkennen glaubte. Es war aber schon ziemlich dunkel, und jene Frau eilte so rasch, daß sie bald ihren Blicken entschwunden war-, und Luzte keine Gewißheit erlangen konnte· Na türlich hatte das junge Mädchen läng auch die satale Möglichkeit in’s Aug . gefaßt, daß ihre Pflegemutter etwa ! von ihren Begegnungen mit Mon mayeur erfuhr· Wie leicht konnte s» nicht von Leuten aus dem Dorfe ode der Umgegend gesehm worden sein« un dann war zehn gegen eins zu wett-« daß die Sache auch Marie Dort zu Ohren kam. War das nun inzw schen bereits geschehen, dann war nicht " natürlichen als daß Frau Doriat ihre Vilegetochter heute Abend heimlich g solgt war, um sich mit eigenen Auge - zu überzeugen, was an jenem Gerede Wahres sei. (Fortsetzung solgt.) —- - —-. Ob— Schriftsteller (dessen dreiaktlge Draina ausgepsissen wurde: »Got wenn es süns Alte gehabt hätte, visit-» si- vg esse gewesen«