Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 06, 1896, Sonntags-Blatt., Image 15

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    H
C
lag ein vetrofteter Säbel in Stücken;
bei einer andern waren die Zähne noch
gut erhalten-.
M«ün ster. Der Schnee hat sich
auf den Bergen in der Umgebung von
Münster eingestellt. Die Melker ha
ben die Höhen verlassen und steigen in
die Thaler nieder.
-Oberhomburg. Ein schwerer
Uns-all betraf den schon 70 Jahre al
ten Nikolaus Friedrich. Derselbe be
gab sich Morgens auf den Heuschober,
um Futter für das Vieh zu ru-pfen.
Dabei stürzte er vom Geriift herab und
fiel mit dem Kopfe fo unglücklich auf
Den Boden auf» daß er den Schädel
zertrümmertr. Er ist seinen schweren
Verletzungen erlegen.
Schwei z.
Be rn-. Gewissenhafter als Regie
rungsrath Marti beachtet sein Schütz
ling· Nationalrath Hirten selber das
Gesetz, indem er auf den Wini der Jn
terpellation Dürrenrnatt hin sein Amt
als Eisenbahnverwaltungsrath nieder
legte.
Erd- und Schlammbewegungen sind
infolge des Regens in Saanen einge
treten·
Der Kanton ist jetzt in sieben Miti
törtteise eingetheilt, von denen jeder 8
Bataillone umfaßt; nur der 6. Kreis
zählt blos zwei Batallone.
B a s e l· Für die Volksinitiative
betreffend die Verftaatlichung der Ei
senbahnen vermittelst Expropriation ist
die Zahl der nöthigen Unterschriften,
Mnftft sifvffkfnitfon
---------------------
Kanalisation wurde vom Voll mit
3713 gegen 15327 Stimmen angenom
men. Es stimmten nicht einmal 2s5
der Stimmberechtigten!
Der Eidgenöfstsche Verein beschloß
Verwerfung aller drei Referendums
vorlagen.
G e n f. Der große Rath betäthein
Arbeiterinnenschutzgesetz.
Die radikale-n Genfer wollen unter
Führung des neugebactenenEisenbahn
verwaltunggrathes Favom das Rech
nungsgesetz annehmen.
G l a r u S. Gean das allzu mild-e
Urtheil über die Steuerbetriiger und
Falschschwörer Emil Schlittler und
Pfarrer Lienhard hat der Regierungs-:
rath an-«’g Obergericht appellirt.
L u z e r n. Jn einer Voltsveri
sammlung zu Sursee wurde ebenso
energifch gegen wie für das Rechnungs
gcsetz gesprochen
N e u e n b u r g. Der radikale Par
teitag sprach sich gegen das Rechnungs
gesetz aus.
Die über ihre Ufer getretene Reuse
hat bei Bondry Schaden angestiftet.
Schaffbausen. Der Verfas
sungsrath hat feine Arbeit beendet und
den Entwurf init 54 gegen 15 Stim
mkn angenommen. Die Voltsabftimi
mung findet am 15. November statt.
S ch w h z. Die Vollgabftimmung
be willigte mit großem »Mehr« die Er
richtung einer tantonalen Strafan
stalt· Bon 13,000 Stimmberechtigten
gingen 1900 zur Urne.
S o l ot hu r n. Bei den propor:
tionalen Bürgerrathswahlen in der
Stadt erhielten die Konservativen Isi.
die Raditalen 14 Sitze; letztere er
oberten dabei 4 neue Mandate.
U r i. Jm Forchenwald bei Bürg
len im Schächenthal droht eine ,,Ftien
holstatastrophe«. Ein gewaltiger
Erdrutsch bereitet sichvor und hat schon
begonnen.
Z ii r i ch. Joseph Bloch, Kaufmann
aus Stuttgart, wurde beim Platzspiefz
hinter dem Hauptbahnhof von einem
Wegelagerer angefallen, mit einem
Messer schwer verlegt, seiner Baar
schaft, der Uhr und des Ueberzieherg
beraubt und zuletzt in die Limat ge
worfen. Bloch lonnte sich aus dem
Wasser retten, schwebt aber in Lebens
gefahr.
Der Große Stadtrath beschloß nach
lebhafter Diskussion (infolge des
Auszersihler Krawalls) die Verstär
kung des Polizeicorpg auf 40 Mann
und Unterstellung des Beschlusses un
ter das obligatorische Referendum.
Das letztere verlangten die Sozialde
motraten, nachdem ihre Opposition ge
gen das erstere fruchtlos gewesen war.
Auf eine Jnterpellation Greulich ant
wortete der Stadtrath, daß er umsonst
Fr. 1,250,000 für das Strafhaus
areal geboten habe, da die Regierung
ohne die versprochene vorherige Mit
theilusng an die Stadt das Areal an
eine Privatgesellschaft um Fr. 1,650,
000 verkaufte.
Schöne Aussicht.
Mutter- .«....Jch sage Dir, wenn
Du diesen Mann hettathest, wirst Du
später noch betteln gebeut«
W (fchwsrmussch): «Ache w
W ich WAdolszu gut...· da
Wer Wl«»
W
Von Hand zu Hund«
Eine Halsbandgeschichte von Paul Büß
Die Königin dieser Halsbasn-d-Ge
schichte ist die weltbetansnte Sängerin
und Tänzerin Madame Lolo.
Madame Lolo ist eine reife Schott
heit, üppig und voll erblüht, im Ze
nith ihrer Reize wie ihrer Erfolge.
Sie macht ein großes Haus, wie sich
das für eine Dame mit so fürstenhaf
tem Einkommen gehört. Jhre Vereh
ter tommens unsdi gehen, vvon Mittag
bis Abend, einer nach dem anderen, je
der voll von Ausmerksamteitesn umd
Galan-terien, um sich die Gunst der
Diva zu erhalten.
Eines Tages skam der Marquis
d’Esplange. Er hatte die schöne Da
me am Abend vorher zum ersten Mal
auf dem Podium im »Jard-in de Pa
ris« gesehen, und war num Feuer und
FlanMIr. Er brachte ein-en Strauß
wundervoller Marschall Niel- und Ca
mille Modena-Rossen, und et wurde
empfangen.
Madame war von außergewöhn
licher Liebenswiirdigkeit, so daß der
Marquig aus dem Entzücken gar nicht
herauskom. Als sie eine halbe Stunde
verplaudert hatten, und er sich verab
schiedete, bekam er die Einladung, bald
wieder zu kommen.
Am anderen Tage besuchte der Mar
quis seinen Juweliet in der Rue Tun
bigo, erstand dort ein entzückend-es
Diamant —- Halgband und schickte
dies mit einem schonen Gruß an Ma
dame.
Die Diva vesah das Schmuctstijck
mir ieichinin. Die war ichiechi ge
launi, Gott weiß weshalb! Und so
lani es, daß sie an dem kostbaren
Halsbcind gar tein Gefallen fand.
Sie ließ es durch ihre Zofe Jeaniiette
in ihren Schmuckschrant tragen, allwo
schon viele solcher Kostbarkeiten auf
bewahrt wurden.
thd als der Marquis nach zwei
Tagen wiederkam, wurde esnicht ems
Pfasngen, Madame sei beschäftigt,
eine neue Piece einzustudiren, da
mit mußte er sich zufrieden geben·
Der Marquis war ein Mensche-n
kenner. Diese Abweisung verdroß ihn
also nicht. Er ziiclte nur init den
Schuttern, lächelte voll Pessiinismiis
iind meiniet »Nun, so wird man eben
warten, bis Madame besser gelaiint
ist«
So wartete er also, um einige Tage
spät-er wieder zu tommeii.
Arn Abend desselben Tages ging die
Zofe zum Ball.
Es war ein Dienstbotensest· Und
Jea.nnette, ein hübsches, eitles Ding,
hatte sich für diesen Abend, uni die
Königin des Festes zu sein, ein
Schmuckstiick ihrer Herrin angeeignet
Sie hatt-e das Halsband des Marqiiis
gewählt, weil sie sicher war, daß Ma
dame es nicht wieder herausnehmen
würde, nachdem sie es einmal mit sol:
cher Nichtachtung hatte fortlegeii las
sen.
So tam das arg niißhandelte Hals-.
band dennoch schnell zu Ehren.
Jeannette sash entzückend aus, iiiid
die blitzenden Steine-, die sie trug ,er
regten hier berechtigtes Aufsehen.
Ein eleganier junger Mann, den die
Zofe bereits taniite, machte sich heute
mehr denn je zu schaffen, iim die Gunst
der Festtönigin zu erhaschen.
«"5r"ciiilein Jeannette,« rief er voll
Begeisterusng »Sie sind das schönste
Mädchen, das ich ienne!«
Und sie entgegnete lachend: »Herr
Charles, Sie sind der größte Schmeich
ler, den Paris hat!«
Aber trotzdem gab sie deni flsotteii
straminen Bursche-n keinen Korb, son
dern tanzte die ganze Nacht hindurch
mit ihm, und in den Pausen saß sie
bei ihin im Weingarten, wo sie billi
gen Schaumweiii tranken und scherz
ten und lachten.
Asls sie gegen drei Uhr Morgens
merkte, daß sie ein-en lleinen Schwibs
bekam, wollte sie nach Hause fahren.
Plötzlich aber entdeckte sie, daß ihr
haTöband verloren gegangen war.
Mit einem Male war sie nüchtern
Sofort wurde der Wirth benachrich
tigt. Es wurde Alarm geschlagen.
Alles war aus den Beinen, das kostbare
Schmuckstück zu suchen.
Das ganze Lokal wurde durchsucht,
jedeZ«Wiiixkelche-n durchstöbert Aber
alles war umsonst. Das Halsband
fand man iiicht wieder.
Jeanriette war aanz untröstlich,
selbst Herr Charles tonnie sie nicht be
ruhigen·
Eine furchtbare Nacht verging.
Die betrübte Zofe saß in ihrem
Stäbchen imd dachte nach, wie sie sich
ani besten aus der Affaire zog.
Dass erste, was sie am nächsten- Mor
gen that, war. daß sie den Schlüssel
—
—---.——
zum Schmuckschrant ihrer Her-tin ver
steckte Somit konnte sie die Entdeck
ung des Verlustes wenigstens um ein
paar Tage hiniausschieben.
Aber das Glück war ihr günstig.
Masdame fühlte sich am nächsten
Tage derart u-npäszlich, daß sie ihr
Boukdpir überhaupt nicht verließ und
für keinen ihrer Verehrer zu sprechen
war.
Und dann am dritten Tage kam
ein Bote von dem Wirth des Tanzlo
kais unsd brachte das Halsband zurück,
——— es sei erst heute im Weingarten,
mitten in einer der Blattpflanzens
Gruppen, gefunden worden.
Jeannette war überglücklich Zwar
konnte sie sich gar nicht erklären, wie
dasselbe dahin gekommen war, aber so
oder so, Hauptsache war doch, daß sie
es wieder hatte.
Sie legte also das Halsband zurück
in den Schmuckschranl, legte auch den
Schlüssel an seinen alten Platz zurück
und athmete nun wieder frei auf.
Drei Tage später war Madame
wieder leidlich wohl. Der Arzt aber
meinte, daß sie derart nervös und ans
gegriffen sei, daß sie auf ein paar
Wochen- nach dem Süden gehen müsse.
Madame war natürlich einverstan
den. Aber zum Reisen brauchte man
Geld, und da ihre Baarmittel augen
blicklich ganz aufgebraucht waren, so
mußte man einige der vielen Schmuck
gegenstiinsde in s Leihhaus tragen
Der Schmuckschranl wurde durch
sucht.
»Oh, da ist ja das- geschmacllsose
Halgdanid von dem Margaiöj rief
Madame, »das kann versilibert wer
den«
Es geschah. Jeannette wanderte
damit ins Leishhaug.
Das Zofchen genirte sich gar nicht«
Sie hatte solche Gänge schon öfter ge
macht und wußte genau Bescheid.
Aber das alte Männchens, das im
Leihhause als Taxator angestellt war,
sagte lächelnd zu Jeannettet »Mein
Kindchen, daraus geben wir nichts, die
Steine sind ja unecht.«
Die Zofe war wie vom Schlage ge
troffen. So etwas war ihr bei die
ser Herrin noch nicht Passirt. »Das
will ein Marquiå sein,« rief sie em
pört und voll Verachtung, »und
schenkt einen Sirnili:«Schmuck, pfui!«
Und deshalb hatte sie in solcher Angst
gelebt, als der Schmuck verloren war!
Oh, sie war tviithend vor Aerger!
Und mit hochrotbem Gesicht erzählte
sie dann der Herrin das Ergebniß ih
rer Mission.
Madame war nicht minder wü
thend. Aber sie lächelte nur, war-f
das arme Halsband in die Erte, und
sagte: »Er soll nur wiederkommen!«
Um ein Uhr tam der Marqui5·
Jeannette beachtete ihn taum.
»Mir herein-,« rief Madame, als die
Zofe ihn meldete.
Lächelnd trat der Marquig eizi
»Es geht Ihnen besser, meine Gnii
digste?«
Sie nickte nur leichthin, lud ihn
nicht zum Sitzen ein, sondern warf
sich auf den Divan und brannte sich
eine Cigarette an.
Resignirt ließ er sich nieder auf ei
nen Sessel, stellte seinen Claque neben
sich auf den Teppich, zog die Hanids
schuhe ab, und sah lächeln-d zu der
Künstlerin hinüber.
Endlich sagte sie: »Marqui"5 wir-.
wiirden Sie thun, wenn ein-er Ihrer
Freunde Ihnen ------ sagen wir mal -
eine Firavattensnadel schenkt, und es
stellt sich nachher heraus, « daß diese
Nadel unecht und ganz werthlos ist?«
Erstaunt lächelnd erwiderte er:
»Nun, ich würde das für eine Beleidi
gung halten. und den Frechen dafür
strafen-«
Da sprang sie auf, holte das Hals
band, warf es ihm zu, und rief voll
Empörusng: »Nun denn, mein Herr
lljtarqiiis, ich werde ebenso handeln.
Auch mir schenkt man keinen unechten
Sckmiuck!«
Marquis d’(fsplange war bleich ge
worden. Er besah das Halsband
Jn der That, die Steine waren falsch!
—- Er war ganz sprachlos- Die
Steine waren damals aber echt gerne
san:! —- Oder sollte er sich haben täu
schen lassen? « Aber sein Juwelier
war doch ein ehrlicher Mann-! «-- Er
wußte sich im Augenblick keinen Rath.
Alles ging wirr durch seine-n Kopf.
Endlich sprach er mit finsterem Ge
sicht: «Madame, ich hätte nicht ge
gtiausbt daß Sie mich einer soTchen
Taktlosigteit siisr fähig hielten. Es
bedarf wohl keiner Versicherung, daß
ich daran- schuldlos bin. Allein ich
will sofort zu meinem Juwelier, um
Ihnen die Bestätigung dasitr zu er
bringen-«
Er ging mit kaltem Grwß uind ließ
. 1
die vollständig verblijsste Diva allein
zurrück.
Der Juwelier war empört über den
Betrug. Sosort erkannte er, daß dsie
echten Steine durch unechte, allerdings
täuschend nachgemachte, ersetzt worden
waren. Er wollte sofosrt idem Staat-s
anwalt davon Mittheilung machen.
Doch der Marquis bat vorerst noch um
Stillschwaitgen.«
Ein-e halbe Stunde später war et
wieder bei Madame Lolo· »Meine
Gnädiige,« sagte er, »ich habe mich so
eben von der Rechtlichteit meines Ju
weliers überzeugt. Somit bleibt dsie
Thatsache, daß Sie das Opfer eines
gemeinen Betruges geworden sind.
Und wenn Sie mir erlauben, übergebe
ich die Sache sofort dem Gericht.«
Madame war einer Ohnmacht nahe,
der bloße Gedanke, daß sie mit der Ju
stiz ins Berührung kommen konnte,
machte sie schon nervös. Also bat sie
den Marquis slehentlich um Entschul
digung, und beschwor ihn, die ganze
Angelegenheit zu verschweigen, was kesr
Marquis denn auch versprach.
Aks sie wieder allein war, ließ sie
Jeasnnette kommen
,,Jeasnnette, was ist mit dem Hals
band geschehen?« rief sie aufgeregt.
»Du allein hast den Schlüssel zu mei
nem SchmuckschranL --—- Gestehe Alles,
oder ich entlasse Dich aus der Stelle!«
Unsd das Zofchen gestand dann auch
unter Thränen Alles-, — daß sie zum
Ball gewesen, daß sie viel mit denn
Herrn Charles getanzt habe, daß sie
schließlich das Halgband verloren und
es in drei Tagen zuriickbekommen habe.
»Wer und wag ist dieser Herr
Ohartegcfv
»O, Madame, ein« sehr feiner. jun
der Mann. Er nennt sich Chor-les
Leroux. Uebrigens hat er mir einmal
gesagt, daß er Madame kenne, und daß
Madame sich sein-er auch wohl entsin
nen werden«
Madame war plötzlich bleich gewor
den. Mit aller Kraft nahm sie sich
zusammen. Dann fragte sie: »Wie
sieht denn dieser Mensch aus?«
O, ich habe ja seine Photographie
Bitte sehr, Madame,« dabei zeigte
sie ihrer Herrn das klein-e Medaillon
Bildchen.
Madame sah eg. Entsetzen ergriff
sie. Ihre Vermuthung war richtig.
Mit übermenschlicher Anstrengung er
hielt sie sich aufrecht, um sich nicht zu
verrathen. Endlich sagte fie: »Gehen
Sie nur, Jeannette, ich werde das- Wei
tseIe untersuchen.«
lind als sie allein war, sant sie hin
mit Weinen und Schluck-gen . . .. ihr
Bruder war es, ihr einziger rechter
Bruder. der den Betrug vollführt
hattet
Stundenlang lag sie so da in
lrampfhaften Zuckungen, - dis ganze
Vergangenheit wurde wieder lebendig
vor ihr, wie sie früh die Eltern ver
loren---—swi.e sie als Kind schon auf den
breiten Weg gerathen war, der zum
Wohlleben führt, wie sie dann des
verloddertesn Bruders sich schämte, ihn
ijber’S Meer wegschickte, damit sie un
behelligt ihre Freuden weiter genießen
konnte, — alles, alle-H durchlebte sie
wieder. Und nun war er also wieder
wieder da, nun kam er nicht mehr zu
ishr, aber er versuchte sie auf solche
Weise zu brandschatzen «— und es wür
de dag nun fortgehen, bald so oder auf
anidere Art, denn sie kann-te ja sei-n
SpitzbubetrGenie nur zu gut ein-e
Schraube ohne Ende war dies-. Was
aber sollte sie thun? Anzeigen konnte
sie ihn nicht, das brachte sie nicht fer«
tig . . .. Und plötzlich iiberlamjie ein
furchtbarer lklel vor all diesem Elend
und Schmutz, und plötzlich stand auch
ihr eigenes Leben klar und jeder Hülle
entschleiert vor ihr und nun sie diesen
Abgrund von Elend und Schmutz sah,
überfiel sie eine entsetzliche Angst und
ein Grauen vor diesem Leben-. Sie
sprang auf, wars einen Mantel über
ucnid rannte hinaus, über Straßen unsd
Plätze, weiter und itnsmser weiter, wie
von Furien gehegt bis sie endlich an
den nsachbdunilen Fluß kam . . «
Man hat sie nie wiedergefunden
» « -O-·--— s
Deutsch-Ostafrika im Volk-Ihn
mor.
Seit zwölf Jahren hat das deutsche
Reich Koloniaibesitz, und obwohl der
gesamth Komplex an Flächeninhalt
das ganze deutsche Reich mehrmals in
sich faßt, sind DtchTausendeoaran vor
über gegansrtm als an einer Sache, die
nicht von Bedeutung stät das mitth
schaftlichc Leben ist. Aus-re haben die
Sache vor- der poetisch - patriotischen
Seite aufgefaßt und sind Kot-emai
schwärmer geworden. Und ricse letz
teren haben, wenigstens in der ersten
dälfts des loslonialen Ida-»Dumm
mns, die Oberhand behalten, und dank
»
Idieset Pppsularität ist sdas kotoniaie
jAfrika Gegenstand lebhaften Volk-sha
-mors geworden. Der von dem unsern
)abweichensde Kultusrzustand, die Versu
»che der Europäer, diesen zu heben, die
tBeschaffenheit der Kolonien, die Afri
Ikaveisendem und nicht zum mindesten
Hauch die heimische Kolonialschwärme
;rei, das alles bot dem Volkshumor
intele Angriffspunkte.
; Zu den unbedingteften Kolonial
Hschwärmern gehörte dsie Jugend. Die
jJndianer mußten dem Interesse für
ESomali - Neger weichen, und dement
ssprechend wurden die bunten Titelbil
ider auf den Jugendschriften geändert.
,Der Patriotische Nachwuchs Deutsch
lands antwortete auf die Frage »Was
lwillst Du werden?« nicht mehr »Kon
iditot« oder ,,Dr-oschkenskutscher«, fon
Idiern »Afrikareisender« oder gar »Ne
;gerhäuptling«. Kühler verhielt-en sich
.fchon die Schüler der oberen Klassen,
Zdie es nicht verwinden konnten, daß
Ensunmsehr dise ,,weißen Stellen« im Jn
-nern Afrikas auf den Landkarten aus
igefüllt und der Lernftoff dadurch ver
Jmehrt werden sollt-e. Die Jünglinge
svon zehn bis fünfzehn Jahren dagegen,
tdieselbem die um Weihnachten herum
tsich mit Begier auf afrikanischse Letta
Yre warfen, schwärmten für Kolonien
iunid spielten mit Vorliebe ,,Flaggen
;hissen«.
; Die Vorstellung, daß man in einem
jschwarzen Lan-de nur die deutscheFlag
jge hissen dürfe, um es zu annektirsen,
Hforderte den Spott der Scherzbolde
;heraus. Gelegentlich der Erwerbung
THelgolands meinten sie, man hätte die
TJnsel weit billiger bekommen können,
llullllcly UUUUKUJ, UUB clll Uscllll1c1
send-er dort die deutsche Flagge aufhif
se. Auch schlug man vor, dise Helgo
länder schwarz anzustreichen unid Spi
rituofen nach Helgoland zu transpor
tiren, um dort ,,Afsen« zu erzeugen.
Jn Berlin bemächtigte sich beson
ders die ,,Kunst« des afrikanischen
Stoffes. Jn den heutigen Panopti
ken zeugens noch heute afrikanische
Gruppen - Wachsbilder von der dama
ligen Mode. Das »Centraltheater«
brachte das Eouplet ,,Nach Afrika, nach
Kamerun, nach Angra - Pequena« in
Schwung. Stanleh und Wißmann
waren die Helden des Tages. Des Er
steren Werk »Im dunkelsten Afrika«
wurde viel citirt. An seiner Stelle er
Hzählt Stanlet), Eniin Pascha habe im
Urwalde Affen mit angezündeten Fa
»ckeln gesehen. ,,Kein Wundert« wurde
;dazu bemerkt, »sie wollt-en eben Licht in
«das »dunk-elste Afrika« bringen«
s Den Schwärmern gegenüber standen
die, welche von der Werthlosigkeit der
Kolonien überzeugt waren. Dieser
EUeberzeugung gab auch das erwähnte,
viel befangene Couplet Ausdruck, in
Ewelchem Afrita als ein Deportations
sort für alles in der Heimath Mißliebi
ge empfohlen wurde. Angra-Pequena
stellte man als Streusandbüchse des
deutschen Reiches — als Pendant zur
:Mark Brandenburg, der »Streusand
lbiichse des heiligen römischen Reiches«
J-« ein Vergleich allerdings, der für die
Zukunft Angra - Peauena das Beste
Tverheisz Nothleidenden Landwirthen
erzählt man, daß in den Kolonien fiir
einige Perlenschniire und ein paar Fla
ifchen Rum leicht einschuldenfreies Rit
tergut zu erwerben fei. auf welchem die
INilpferdziichterei und die Kokosnuß
Tinilcherei im Großen betrieb-en werden
Jorisne Klima, Pflanzens unsd Thier
iwelt des ,,neuen Deutschland« sind ei
nen-artig genug, um den humoristisch-ein
E Vergleich herauszufordern
Z Den ergiebigstsen Stoff bietet den
JSpöttern der Rutturzustansd des Lan
sdes. Da giebt es z. B. noch komischere
1I».5tönige« als sie in unser-en Opretsen
Jvorgefiihrt werden. Wer einen Entm
Tderhut und einen Frack besitzt, ist dort
König, sagt man Jedoch erfuhr diese
Erinsicht eine Korrektur durch die Mit
stheilung der Zeitungen in England
sgiibe es eine Fabrik, welche Kronen für
afritanischeKönige zu allen-Preisen lie
j.fere Der in Kamerun unterrichtende
ELehrer Christaller äußerte, »König«
Bell fei nur ein betriigserifcher Händler
und die »töniglichen Prinzen« seien
verwahrloste Rangen.
Die Nachrichten von dem Bestehen
der Staverei in Afrika erregten über
all Entriistung, ihre Abschasfung war
mit Schwierigkeiten aller Art verknüpft
und ist es noch heute. Folgende Inse
rate aus »ostafritanischen« Zeitungeni
werden kolportirt: !
»Ein junger Schwarzer, bisher»
Sklave, soeben befreit, wünscht wieder
Sklave einer verimögendens, hübschen
jungen Dame zu- werden Konfession
und Hautfarsbe gleichgültig.«
«Skl-avens- werden« unter Garantie
vollständig befreit. Man sende einen
Vorschuß von zehn Mark u. s. w.«
»Heute wurde meine liebe Frau, ge
M
borense Lvango, von zwei Sklavchen
glücklich besoeit.«
Am meisten aber machte sich der all
gemeine Humor aber mit dem Kaum-«
balismus zu schaffen, dessen zweifel
hafte Existenz siir Mittelasrika als
seststsehend angenommen wurde. Dieses
ans und sijr sich gruseligse Thema hat
durch den beständigen Spott alles ab
schneckende verloren. Es dars nur auf
die meisterhaften Zeichnungen Oberlän
ders in den ,,Fliegenden« hingewiesen
werden, welche dies Extrem menschli
cher Verirrung von der lustigen Seite
auffaßten. Da bemerkt ein Kanniba
le zum andern-, es stehe ,,noch etwas
kalter Missionär in- der Osenröhr-e«,
und ein zweiter versichert einem Lands
mann, der bei ihm »Visit-e msacht«, er
habe seinen Onkel wohl gekannt, es sei
ein recht schmackhafter alter Herr ge
wesen. Ein Dritt-er, auf dem Sterbe
bette aufgefordert, seinen Feinden zu
vergeben, versichert, ier habe keine Fein
de, er habe sie alle aufgegessen. ,,Eine
einzige habe ich wirklich und wahrhaf
tig geli«ebt,« seufzt ein Schwarzer, »und
gerade die mußte ich verzehren« Vier
Kannibalsen spielen Skat und im Eifer
des Spiels essen sie den Strohmann
auf. Lebhast beklagt wird das Fehlen
eines »Menschen - Kochbuches«. Zum
Schluß eine schreckliche Tragödie: Ein·
Bräutigam besucht seine Braut und
tritt gerade ein, als die schwarzen Bei
ne seines Nebenbuhlers im Schorn
verschwinden. Der Eifersuchtige schlägt
mit teuflischem Lachen die Klappe zu,
der Nebenbuhler wird im Rauchfange
geräuchert und von dem Br·autpaar,
das sich wieder versöhnt, als delikate
Rauchwaare Verzehrt.
Unstev den zahlreichen Zeitungs-,
Druck- unsd Stilsehlern, welche eine un
bewußte Kannibalen - Lust äußern,
sei nur eine erwähnt. Jm »Fürsten
waldner Anzeigeblatt« (1886, No. 89)
ist zu lesen: »Der Besuch der Jubilä
ums - Ausstsellung in Berlin hat einen
vielversprechenden Anfang genommen.
Bisher waren täglich 15,000 Personen
in der Ausstellung anwesend unsd aßien
über 1000 Gäste dort pro Tag zuMit
tag.«
Die Versuche, Afrika zu civilisiren,
wurden auch nicht immer ernst genom
men. Die männlich-en »Civilisirten«
sind äußerlich mit Cylisnder, Badehose
unsd wenn es hoch kommt mit ein-ern
Frack bekleidet, die weiblichen rnsit Na
senring und Krinoline oder Tournstjre.
Der erste Sport macht sich in Gestalt
eines Wettrennens auf Giraffen be
merkbar, das erste aufgeführte Thea
terstiick wird mittelst der ,,Unfriedens
pfeifen« abgelehnt. Eine Seg
nung der Kultur eignen sich die Neger
rasch an, sie — trinken Sschnaps. Epo
chemiachend itt bei den Ostafrsikanern
dise Eröffnung der ersten Eisenbahn.
Die Billsets hängen die schwarzen Pas
sagiere bei der durchlochten Stelle an
der Nase auss, in der Gsepäck - Expedi
tion werden mit Zetteln beklsesbte Lö
wen, Klapperschlangen untd dergl. auf
gegeben. Die Waggons stellen sich in
Gestalt von Bambushiitten dar. Das
Pfeifen der Lokomotibe wird irrthüm
lich für das Krisegsgseheul eines frem
den Stammes gehalten und der Zug
langt mit einer halben Stunde Ver
spätung an, weil der Zugfiihrer den
Heizser aufgefressen bat.
Der erste Schullehrer kommt nach
Kamerun. Er läßt dort Göthe’s »Erl
löniq deklamiren und dieSchijler wun
dern sich, daß das Gedicht keinen
Schluß hat. Wer aß denn den todten
Knaben auf?
Endlich sind auch die Afrikareisen
den vom Witz nicht verschont word-en.
Einer derselben theilt mit, daß er al
les aufgewendet habe, um 21 Verträ
Sultanen zu Stande zu bringen. ,,2
ge mit ebenso Vielen Hauptliugen und
Liter Blut ausLiter Blut aus derbfskf
Liter Blut aus der Ader gelassen (der
Blutsbrüderschaft wegen), 17 Sul
tans - Tanteu und Schwiegermuttern
den Hof gemacht, meine beiden Ohr
läppchen und die Nasenspitze zu einem
Ragout hergegeben.« Ein Reisender
klagte, es sei jetzt so schwer, auch das
kleinste neue Dorf zu entdecken, wäh
rend früher oerhältnißmäßig leichter
ein ganzer Welttheil entdeckt worden
fei. — »Damals war auch alles billi
ger,« wurde ihm geantwortet.
Daß heute der Humor sich mit den
Kolonien in weit geringerm
beschäftigt als früher, ch « III-w Tr: ein
Zeichen, daß jetzt das ernste Bestreben
die Oberhand gewinnt, unser-e Koloni
en als seisn Stück Deutschland anzuse
hen wnd demgemäß zu behandeln
Dr Max Hirschfeld
— Beim Brande der Porzellanfab
rik in Alton, O, ist auch Dr Tannen
der Hungervorstelluingens gab, ver
brannt. Tanners wirklicher Name
»war Francis Harrison.