Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 06, 1896, Sonntags-Blatt., Image 13

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    L
ktd
v gend, daß Sampson mit dem er in re
gem brieflichenVerkehr stand, ihm end
lich rieth, sich geduldig zu fügen-, seine
Gesundheit zu schonen und wenigstens
einstweilen zu seinen Eltern zurückzu-!
kehren. Doch Forreft wollte davons
nichts wissen; mit fieberhafter Eile
durchstreifte er selbst die fernsten Ge- l
enden in die in den letzten Jahren der
ZJienfchengeistF Cultur und Gesittung
getragen hatte, aber Alleg, Alles ver
gebens. Morton war und blieb ver
schwunden, als ob ihn der Erdboden
verschlungen hätte.
An Leib und Seele gebrochen langte
ForVest wieder in St. Louis an und
selbst sein Freund Sampson vermochte
ihn nicht zu trösten. In trüber Stim
mung und völlig theilnahmslos und
abgestumpft schlich er durch die Stra
ßen, laum noch ein Schatten seiner
Selbst; wirr durchzuckten allerlei
Selbstvernichtungsgedanten sein Hirn
und eine Kugel oder der Inhalt einer
Giftphiole hätte sicherlich seinem ihm
unerträglich gewordenen Dasein ein
jäshes Ende bereitet, wenn nicht ein hef
tiges Nervenfieber ihn völlig hülflos
aufs Krankenlager geworfen hätte
Sampson benachrichtigte per Tele
gramm die Eltern des jungen Mannes
und in wenigen Tagen standen die
jammernde Mutter und der tief ge
beugte Vater am Krankenbette des mit
dem Tode ringenden. Die Aerzte hat
ten alle Hoffnung aufgegeben, ihre
Kunst war zu Ende; die Krisis war»
eingetreten und wenn die Natur nicht
Widerstandslraft genug besaß, lonn-’
ten auch Arzneigaben nicht mehr hel-i
fen und der noch vor Kurzem blühende?
junge Mann war verloren. Jn ban
ger Erwartung lauschte die betrübte?
Mutter auf jeden Athernzua des Va
i
tienten, den wilde FieberphantasioenJ
unruhig auf seinem Lager hin- undj
herwarsen; wild rollten die Augen in«
ihren Höhlen, krampfhaft griff er mit
den Armen in die Luft und mit einem
schweren, keuchenden Athemzug sank er
kraftlos in die Kissen zurück. Weinend
beugte sich die Mutter über ihn; zit
ternd umspannte sie seine Hand; er
hatte ausgelitiem
Die herbeigerufenen Aerzte traten
in’s Krankenzimmer und beobachteten
gespannt den ruhig Daiiegenden; ein
im Dienst ergrauter Jünger Alex-zeu
laps fühlte den Puls-, legte sein Ohr
horchend an die Brust des Patienten,
dreht-e sich dann langsam nach der hän
deringen Mutter um und sprach: »Ihr
Sohn ist gerettet; er hat die Krisis
glücklich überstanden, aber jetzt bedarf
er vor allen Dingen der Ruhe. Lassen
Sie ihn ruhig schlafen, er schlummert
jetzt seiner Genesung entgegen.
Wer vermöchte die Gefühle wieder
zugeben, die ein Mutterherz bei solcher
Botschaft durchströmen; das Herz ei
ner Mutter, die noch soeben bei dem
Gedanken an das Hinscheiden ihres
einzigen Kindes vom wildesten
Schmerz übermannt wurde.
s II Is
Die kräftige Natur Forresth hatte!
den Sieg davongetragen; unter sorg-»
samer Pflege genas er langsam und
nach etwa acht Wochen war er bereit-»
soweit wieder hergestellt, daß er in Be
gleitung feiner Mutter —- fein Vater!
Inst- MOTFKXIOO Irr-»Is- fkbnm This Ninos-I
i
rer Zeit wieder abgereist -- -die Heini-»
reife antreten tonnte Allmälig ver-i
schwanden auch äußerlich die Spuren
der schweren strantheit, innerlich aberi
war er ein ganz Anderer geworden »
Früher aufgeräuiiit und dein heiterenj
Lebensgenuß ergeben, war er jetzt still;
und in sich gelehrt; im streise seineri
Freien-de war er ein sehr seltener Gasti
und die einzige Erholung, die er sich
außerhalb der Geschäftsstundeii gönn- i
te, fand er in einsamen Spaziergän- l
gen, die er längs des Seeufertz unter
nahm oder häufig bis nach Union Hill
aus-dehnte Seine Eltern fühlten mir
zu gut, was ihn bedrückte; wenn aber
seine Mutter einmal das fiir ihn so
peinliche Thema berührte, erhob er sich
um sich in seinen Gemächern einzu
schließen.
Er tonnte und wollte Luise nicht
vergessen, wenn er sich auch mehr und
mehr von der Erfolglosigteit seiner
und jetzt auch seiner Eltern Bemühun
gen, den Aufenthaltsort der Ver
fchwmidenen ausfindig zu machen,
überzeugte. Wahrscheinlich weilte sie
längst nicht mehr unter den Lebenden;
vielleicht auch hatte sie selbst an seiner
« Treue gezweifelt und war jetzt bereits
Gattin und Mutter. Alles war ja
möglich, da schon viele Monate dar
iiber hingegangen waren.
Eines Tages —- es war gerade am
, Vierten Juli —- wanderte John For
rest wiederum den Strand entlang;
plötzlich erinnerte er sich, daß er den
sehr wichtigen Brief eines Geschäfts
freundes zu beantworten vergessen
habe. Von seiner Wohnung war er
ziemlich weit entfernt, zum Geschäfts
lotal seines Vaters führte er grade au
genblicklich keinen Schlüssel bei sich und
die Geschäfte in der unteren Stadt
waren des Feiertages halber geschlos
sen geblieben. Er überlegte, wag er
thun solle; der Brief mußte unter al
len Umständen noch heute zur Post,
damit er mit dem ersten Frühzuges des
nächsten Tages nach seinem Bestim
mungsort abgehen konnte; Berzöge
rung könnte seinem Freunde empfind
liche Verluste zufügen. Doch war ja
noch eine Möglichkeit vorhanden, daß
er einen der kleineren Laden, hinter
welchen die Besitzer zur selben Zeit zu
wohnen pflegten, geöffnet finden wer
de und daß er sich dort mit Schreibw
pier nebst Zubehör werde versehen tön
nen, um seine Pflicht zu genügen. Ja
richtig, dort war ja schon eine Zei
stungsniederlage und offen war sie
ebenfalls-. Die nöthigen Schreibma
terialien waren rasch zur Hand und
Forrest trat auf das freundliche Er
suchen des Eigenthümers an das Pult,
um rasch die nöthigen Zeilen auf’ s
Papier zu werfen. Schon langte seine
Hand nach dem Löschbiatt, da fiel sein
Blick auf ein auf dem Pulte stehendes,
zierliches Pappschächtelchen Entsetzt
Prallte er zurück, der Athem stockte.
Nochmals betrachtete er die in kräfti
gen Ziigen auf der Schachtel gkänzende
Adresse. Nein, es war keine Täu
schung, es war Wirklichkeit! Lang
sam drehte er sich nach dem Ladenbe- !
sitzer um unsd zitternd, stotternd brachte
er mühsam die Worte hervor: »Meins
Herr, —-— kennen Sie —-— kennen Sie
diese Dame?« i
,,Ei gewiß!«, erwiderte der Augen-«
dete lächelnd. »Es ift eine Jugendge
III -f- » m-»--0 Q-«» kä- sk- q» Pfui-»O
............... »....., -.. . . - W,
morgigen Geburtstage eine kleine;
Ueberraschung zugedacht hat Es sindjl
Briefbogen und Couverts mit ihren
Jnitialen, sehr schöne Waare, das-!
Neueste im Markte. Möchten Sie viel-I
leicht ----- ?«
,,Dante bestens-, danke Ihnen. Und.
das Geburtstagstind Luise Morton,s
weilt augenblicklich inAlbany, N. Y.?«E
»Ja, mein Herr. Sie wohnte srühers
mit ihrem Vater zusammen, einems
Gärtner, in Hoboten; eine Liebes-ge
schichte aber —- —«
»Ja, ich verstehe, ich verstehe! Bin.
Jhnen sehr verbunden, mein Herris
und mit den Worten stürmte Forrest’
in’S Freie·
Strahlend vor Freude langte er zu
Hause an, um seiner staunenden Ma
ma mitzutheilem daß er morgen mit
dem ersten Zuge nach Albany abreisenl
werde. I
Den Schluß der Erzählung wird
der Leser jetzt leicht errathen können«
Forrest reiste nach Albany ab; wenige;
Worte genügten, den ganzen Sachver-;
halt llar darzulegen; die,Eltern sei-;
ner Luise verziehen großmüthig Allegj
unsd jubeln-d unter Thriinen san! sie’
beglückt an seine Brust Eine Depesx
sche benachrichtigte Jobn s Elten von
dem unersetzlichen Funde, die sreudigei
Einwilligung blieb natürlich nicht lan-. «
ge aus und kurz daraus ward eink
glückliches Paar in Hymens Fesseln ge-;
schmiedet. Glück aus!«
OO
llni das eigene Leben. ;
Daß doch manche Leute anderen das
nicht verzeihen können, wag bei ihnen?
selber der Fall gewesenl Der Gast-f
wirth Grögter hat Grund, sich seiner’
jetzigen behaglichen Existenz zu rüh
men und des Ansehens, das er ob sei
ner Rechtlichteit überall genießt. Nur
seine Vergangenheit durfte man miti
keinem Worte berühren, wollte man
ihn nicht fuchgteufelgwild machen, an
statt daß er sich derselben gerühmt hat
te! Klein, sehr klein und bescheiden
war sein Anfang gewesen uwd vieler
Mühe und eines zähen, unerschütterli
chen Fleißes hatte es bedurft, bis aus
dem ,,Hauslnecht« ein kleiner Schenk-.
wikih und aus diesem endlich ein Ins-!
stanrateur geworden.
X Mit dieser Schwäche hatte der Franz
Lechner nicht gerechnet, der, eines wohl
habensden Weinbauern einziger Sohn.
nach Wien in das Grögler’sche Geschäft
gekommen war, halb als Kellermeister,
halb als — Hausknecht, mn sich die
Kenntnisse zu erwerben, die ihn einmal
besähigen sollten, ein vollwichtiger Ge
schäftskolloge des Grögler zu werden. "
Der Lechner, riefenstark untd unab
lässige, schwere Arbeit gewöhnt, hausie
te nnkd schaffte unverdrossen tin-d ersetz
te die Arbeit von Dreien; daneben fand
er aber noch Muße, sich in eine der
«Gröglerifchen«, in die Anna, zu ver
lieben, er wußte selber nicht, wie das ·
so gekommen. meinte aber mit Recht,
daß er eine seschere, flinkere untd lusti
I
geve Wirthin nirgends mehr finden
köWss Das Pärchen war über vie
Sache bald einig Und zweifelte nicht,
Daß Mutter und Vater kein Hinderniß
bilden werden. Bei der Mutter war es
fo· Beim Vater Grögler aber macht-c
M Franz, der die Worte nicht zierlich
tlU setzen Verstand und gleich mit der
Thük MS Haus fiel. den sataben
Schnitzek- welcher alle Hoffnungen
über den Haufen wars-.
Couragirt war der Lechner, in sei
ner Gegend der meistrespeltirte Kirch
tagrauser, in derartigen Dingen nicht
absonderlich, nnd so paßte er lange auf
Den Augenblick, der ihm günstig schien
Der Grögler hörte ruhig zu, wie er
das Anliegen vor-trug, und bemerkte,
als der Lechner den Wohlstand des Va
vers recht herausstrich: «
»Na ja, 1Pia-s- is schon in Ordnwnng
aber von an’ Schwiegersohn verlang’ I
halt do a Wengserl mehr —«
HJ bin anständig, lan Mensch kann
mir Was Unrechks wachsag’n.«,
»Stim1nt, stimmt. So mass a net
3’m-ant. Aber Jhner jetzige Lebensstel
lumgt Wann mi wer sragert: wag 143
dean eigentli der Bräutigam ·Von Ih
nerer AnwerL so müßt’ i do rein d’raus
Ja sew . . . ·« ’
s g,A Hausknecht«, entgegnete der Lechj
ner ruhig »Je- schliseßlich a kalScharfd
denn Sie selber hab’n «-ebenfa«llg net ans
bers ang’fangt, net wahr?« ' «
Das war die ungeschickte Bemer
lwng Die-r Wirth wwrde blutroth vor
Zorn und antwortete heftig.
»J will’s net in Abrede stellen . .
Der Lechner, gutmiithig lachend unsd
die plötzliche Röthe des Alten falsch
deute-nd, triumphirte « «
»Weil S’ net können und weil’s Je
der ohnehin toeiß.« !
»Aber i habg Zeug dazu g’habt, mi
in M Höh z’ arbeiten, ohne ’g Geld
vom Vatern.« -
«
r--t , s«·«— L-:
,,;F Wo u wer wem Deut-us mug »k
Jhnen Fasselrn schaupfen; i bin« a kasn
Gsel.«
«Wär’ erst nachz’weisen««, meinte der
Grögler giftig «- "
Jetzt war dsite Reihe zum Rothwemsden
an Franz. Beschimpfungen ruhig ein-.
zu-stecken, wasr er nicht gewöhnt Er
ballte die Fäuste, aber hinterm Rücken-,
und sagt-e entrüstet:
«,,Herr, a solche Keckheit darf si selbst
der Vater von dem Madel net heraus
nehmen-, »das i get-W hab’, wann er net
will, daß i ihm d’ Nasen einhau, ver
starwen?" -
Noch einige heftige Worte, nsoch ein
paar kurze Wechsel-reden, und »dann ge
schah etwas, was dieser Brautwerbung
bald ein äußerst bedenkliches Ende be
neitet hätte· Der Alte ließ sich hin-.
reißen, dem jungen Mann einen
Schlag in’S Gesicht zu versetzen, unt
der Lechner wollte sich aus seinen Geg
ner stürzen. Wer weiß, was geschehen
wärt-n hätt-e sich die Ausna, die in der
Neugier und Besorrgniß ihres Herzen-s
in der Nähe gelau·scht, nicht zwischen
die Männer geworfen und mit Thij
nen den Geliebten beschworen, ihr zu
Liebe feinen Zorn zu bändigen. « -
»Dir zulieb’, ja,« teuchte der Loch-—
ner, todtenblaß, ,,sonst, beim Herr
gott. ..«
Die Alma drängte ihn hinaus, unt:
er hörte wie der Alte schrie:
Mu- hem bang soll mit »Der Bursch
augenblickli, und Di jag’ i ilnn nach.
Ivannst nur a Wori, nur an’ Blick mehr
fiif den haft!« «
Der Lechner ging nach seiner Rain
nier, uin die Such-en zu packen-. Er
schritt wortlos dahin, niii zusammen
getniffenen Lippen Das Mädchen
sprach ihm halb ängstlich, halb zärt
lich zu. —
l»Bezähm’ Dich, Franz, er is ja do
mein Vater, wenn er a Unrecht hat, eg
wird no Alles gut werden Er giebt
schon :nach. . . « »
Est giebt nach!« rief der Jüngling
bitter und wies nach dem Gesichte-, dag
oon dem erhaltenen Schlag einen blut
unlerlaufenen Striemen zeigte »Das
kann mir kein Teufel mehr wegneh«
Liban, das -da!« Und grimmig brach er
Der Versuch der Anna, den Vater
mikder zu stimmen, schlug fehl. Sie
traf ihn nicht mehr oben. Vielleicht
bereute er, wie die meisten Jähzornsis
IM- schon sein-e That. Er sei in den
Weinkeller hinabgegccngen, hieß es. — -
Als der Lechner herabkam, erschien
auch die Wirshim um Von ihm Ade
schisd zu nehmen Die rundliche Frau
mußte sich mit dem Schürzemipfel wie
Ievholi die überhauvtleicht überfließen
den Augen trockne-n.
;.Häiie«iss doch mir kdie ganze
G’ichichi’ überw: wä-r’ All’s schon
iw Ordnung Aber i gib die Hoffnung
mä auf, i nei, da ten-nein S’ rni schlecht.
Franz und er wird Wer no selber
imsückhokn müssen. Qersnen S’ mir
net mein’ Alten« kennen. Er is do a
grundguter Mann, und es thut ihm
schon lad, was g’fcheg’n is; umsonst
hat er si net im Weinieller eing’sperrt.«
Der Lachner, der bisher dem Wort
fchwall sder guten Frau ziemlich theil- T
nahmslos hatte über sich ergehen las -
sen, horchte auf.
),,Jm Wein-kiell«er? Das is do un
mögli, das is ja Wahnsinn! Sie wer
d’n Ihn-an irren, Frau Grögler.«
»Nein, er is hinunter und eing’sperrt
hat er si. J war g’rad unten und hab
g’fagst, er soll aufmachen. Er gibt gar
ka Antwort, der Dickkopf.«
,,K«a Antwort?! Mein Gott« jetzt,
wo der Most schon so arbeit’t!«
Den Handkoffer ließ der Lechner zurr
Erde fallen und sprang hinein, um ein
Beil zu holen. Wie ein Blitz erfchreckte
die Frauen den Gedanke, welch ein Un
heil sich schon zugetragen haben könne«
Vor mehreren Jahren war es bei ihm
selber geschehen, daß ein Hausknecht in
den mit der giftigen Luft des gehun
den Traubenfaftes erfüllten Keller hin
abgegangen war. Als Leiche hatte
man ihn wieder an’s Tageslicht ge
bracht.
Anfangs lähmste sie das Enfetzem
danm brachen sie in Wehklagen aus.
Der Lechner hatte aber an die blast
unterlaufenen Striemen auf feiner «
Stirne vergessen; er wußte nur Eines:
daß der, welcher ihm das schimpfliche «
Mal beigebracht, unter der Erde viel
leicht mit dem Tode ringe.
Die Leute lief-en zusammen
,,An’ Doktor holt’s, g’fchwind«, rief
er ikmen zu, »das Andere laßt’s mi be- »
forgenl J iomm’ mit dem Grögier ;
herauf, oder —--— i bleib’ ebenfalls un
ten !«
PET- «---- muxtIks III-sk- mZI kos
cui Heu-u- svuuyugx spiqu »u. »H
Hacke ließen idsie Kellerthüre in Trüm- ·
mer sinken. Man wollte ihn zurück
halten. Er streifte die, welche ihm
wehren wollten, gleich Kindern von sich
ab und stieg rasch die Stufen hin-ab
Die ossene Kerze, die er in der Rechten
trug, erlosch, als er den ebenen Boden -
erreicht hatte. E
Eine Stille trat ein. Man hätte
schier das Klopfen der Herzen verneh
men können· Kurz war die Frist, die
verstrich, und sie schien dennoch Allen
eine Ewigkeit der Angst. s
»Alle Zwei sind verloresn!« rief einer
der Männer. s
Da schrie die Asnsna gellend aus; es
war aber ein Ausschrei der Fremde-. Sie
wies in die Tiefe.
»Da kommt er! Franz, mein lie
ber, guiteir Franz halt aus nur die paar
Augenblicke noch!« s «
Die Kräfte des Jünglinng, der den
Alten mit sich geschleppt hatte, waren
jedoch zu Enlde und auf der halben
Stiege schlug er mitsammt seine-r
Bürde ohnmächtig nieder.
Die Aerzte hatten mit den Beiden
ein tüchtiges Stück Arbeit, mit dem
Retter mehr, wie mit dem Geretteten.
Alg der alte Grögler sich das erste Mal
an das Bett dies noch recht »dasig« da
liegenden Lechner begeben konnt-.
reichte er ihm die Haiwd und sagte, ir.
seiner Verlegenheit nsach der rechter-.
Wange zeigen-d:
»Zuerst han’ mir ein-e Ordentliche
herunter, daß wir weg’n dem da quitt
sind, dann gehst D’ in Osten Keller l)’un
ter in's hinterste Winkel nnd laßt Di .
hnns mir außerhalb irrt-TM Und —-— UND
dannerst rednwir miteinander, wann
Hochzeit gwashi werd’n soll! Je eben- j
der, desto lieber, denn sonst werd’ i «
leicht nio amiol rapbleri!«
O - «
Ter Gcntlcmmn
— -.--.·
tinmokeske non Ceoraes Curiol (Paki:s.
Es waren einmal einmal ist nicht »
immer -—- zwei Herren; der eine war
rother Gesichtsfatbe und schauderhaft
tahllöpsig; der ankdere bleich und stan
dalös siruppig.
Der dicke Kahnon kam eines Mot
geng zu dem behaarten Blaszgesicht,
verbeugte sich zu dein Jnnern seines
Hutes, als wollte er die dort ausge
tlebten Ansangsbuchstaben seines Na-«
mens in Augenschein nehmen und
sprach:
»Mein Herr, ich habe die Ehre, Sie
zu begrüßen.«
»Mein Herr,« erwiderte der Sirup- !
piae, den haarigen Schmuck seines -
Kopfes schüttelnd, »ich bin, wie man so
sagt, entzückt Sie zu bemerkend-aß trotz
sder Freude, ioiie ich- envpsinde, sie in
blühender Gesundheit zu sehen, muß :
ich Ihnen gestehe-m daß Sie mich aus :
einer großenPerlegenheit befreien widr- T
ner großen Verlegenheii befreien wür: «
den-, wenns Sie mir den Zweck Jhres
Besuches auseinandersetzen wollten« .
h« Damit schob er ihm einen Stuhl
In. :
Der Andere setzte sich, ließ als Eini
eituing den Stuhl ins seinen Fugen er
leben unsd fushr fort:
»Sie haben jedenfalls schon von mir
kehört?«
»Ich gestehe Ihnen mit der größten
Zerknirschung, daß der Ruf Ihre-Ma
wens unid Jhsrer Bedeutung noch nicht
bis zu mir gedrungen ist. Wenn das
Gerücht in- der Minute 340 Meter —
vie man behauptet —- durchläuft, so
Iehme ich an, daß Sie mindestens in
Ohina wohnen«
»Durchaus nicht, ich wohn-e in der
line de la Paix.«
,,Hiibsche Gegend, mein Herr, sehr
sübsche Gegen. Undwias thuin Sie,
venn die Frage nicht unbescheiden ist,
n der Rwe de la Paix?«
»Mein Herr, ich bin Schneider, und
ihne mich zu rühmen, sdiaß ich der erste
Schneider von Paris bin, wag-e ich doch
zu behaupten, daß ich kein gewöhnli
her Schneider bin, denn ich bin auch
Ihr Schneider.«
»Mein Herr, Sie smsd sehr liebens
viirdig, daß Sie mich ausgesucht ha
)en; doch wahrhaftig, augenblicklich
Irauche ich gar nichts!«
»Sie irren, mein Her-r. Wenn ich
Zie ausgesucht habe, so geschah es, weil
ch gerade etwas brauche. Mit einem
Vort, mein Herr, ich komm-e um Geld
»Mein Herr,« erwiderte der Behaar
e mit liebenswürdigem Lächeln-, »ich
)in bereit, Jhnen mein letzt-es Hemd zu
i.berbassens, sobald ich es von der Wä
cherei zurück erhalte, doch ich habe nicht
Jie geringste Summe zur Verfügung
Sie sehen mich entsetzt, aber ich kann
Ihnen- diosen Monat nichts geben«
s»Also immer noch dieselbe Geschich
.-e?«
Der Reslex der Liebenswiirdigkeii,
Ier das Gesicht des Haasrigen bis zu
Iiesem Augenblick verklärt hatte, ver
"chstvand plötzlich bei diesenWorten und
er fragte trocken:
»Was für eine Geschichte?«
»Ich sage ganz einfach: immer die
ielbe Geschichte Jch nehme an, Sie
verstehen mich?«
»Nein, mein Herr, ich verstehe Sie
durchaus nicht. Vielleicht mangelt es
mir an Divinatio·nsgabe. Doch ich
Deiß nicht, von welcher Geschichte Sie
sprechen, und ebenso wenig kenne ich
Iie übrigen Geschichten, auf die Sie an
spielen.«
,,Verzeihung, mein Herr; ich spiele
micht anl«
»Sie thun es doch-,« versetzte des
Blassez »Sie thun es doch, mein Herr;
ich bin ein Gentleman und ich gestatte
nicht, daß mir eine Schneiderseele in
mein-er eigenen Wohnung aus den Fuß
tritt « nicht einmal mit Worten. Jch
sage Ihnen, es ist mir in diesem Mo
nat nicht möglichl Das ist klar und
deutlich; oder genügtJhnen das nicht?"
Er machte zu diesen Worten eine
äußerst strenge Miene, kreintsc die Ar
me, hob sich auf den Zehen und fragte:
,,O-der zweifelst Si- vielleicht an
meinen Worten? Glauben Sie etwa,
ich werde Jhnen diese elende Summe
mich-i betaf,«en?«
»Ju) vin durchaus nicht unruhig«
srwiderte der rothbäckige Schneider mit
"chw-acher Stimme, »ich weiß. Sie sind
ein Gentleinam doch ich mus; Ihnen be
nerken, daß Sie mich seit bald einem
Jahre umsonst hierher laufen lassen.
Xedesmah wenn ich Ihnen meine Rech
jung vor-eine antworten Zie: GL- ist
nir in diesem Monat reirs unmöglich,
sehnen etwan Zu geben. Das sieht nun
"ch—on seit neun Monaten.«
Als die blasse, struppiae Persönlich
keit diese Worte gehöri, sei-im sie sich
siwas ge isralligen und sagte-.
»Mein Herr, an dTern THE an des-i
ch Ihnen Geld versprechen werde-, use-.
)e ich besen auch welches neben, denn
eb bin ein rechtschaffener-. korrekt-It
Mann, ein VII-in von Wori. Wäh
rend dieser mein Monate, saan Sie
"elbst, habe ich LIhnen erk!iirt, ich werde
Ihnen nichts geben. ansolge dessen
bin ich neun Monate meinem Verspre
chen treu aebiisben . . . Ober balde ich
nein Wort nich nur ein einziges Mal
iebrochen ?«
»Nein . .
»Nun alfoc Worübes beklagen Sie
sich da-nr.?«
De Feddcrweiszcr.
Bon Schau Schorch Zintfade, (-85rocetie
nnd Saluhniieper.
Es is e Teufels-wei, de Feder-weiße e
eick’scher Felle-e, ma trinkt und trinkt
end glaubt, de Stomeck is leer, dasor
s aber de Kon um so mehr full. Das
Exab ich in die vergangene Woch in e
Saluhn an der Ebene A ausgefunde.
Da komm ich darein und sind e paar
ilte Brienis, »die trinken Fedetweißen
end ware schon etwas exßeited. Se
Habe da was von de Ex-Rehs geholleti,
wo man durch e Bord gucke kennt, usnd
da ihat Eimer g’sagt, er wer e Lei. Da
hat der Mann g’sagt, er wollt de An
dere daun Taurn nehme und wollte ishm
Alles zeige, was in sei Kopf steckt. Da
hat der Meik g’sagt, er wüßt scho, was
der Andere im Kopf hätt, das kennt ma
jede Tag auf de Hehmarket sehe. Da
het’s beinahe e Fett gebe, ich hab’s aber
geschtoppt und wir habe weiter getrun
ke. De Meil wo die Eap schief auf de
Kopf gesetzt hat, fängt an-, von de
soßial«queschtsche zu taltse unsd sagt, es
wär e Schand, daß man der Federweiß
bezahle müßt. Jn e gut Gowernment
müßt Alles frei sei. Der Pieht hatt
gemeint, das wird alle Salushns auf
breche und das gäb schlechte Zeite in
Ntei York.
Der Meik hett gesagt, da geb er nix
·drum. De Salutynskieper wäre besser
dran, wenn se de Federwseiß saufe
kennst, als wenn- se ihn verkause mißt.
De Piet, wo sich geärgert hat weg-en de
Heu, hat gesagt: ,,Gelt Meik, das wär
schön in Ider soßialistische Schtahst· De
werst immer so besoffe, daß de kei Zeit
hesttst zu schaffe?« De Meik schumpt
auf unsd sagt: »Ach, Du alter Hunger
leider, wo Du all Dei Nickel in de Bill
ding Soßeietie drägst, was verschtehst
Du von de soßial Queschtsche! Das
verschtehe blos de Leit, wo nichts habe.
Jsch sag Dir, de Queschtsche wird doch
gelest, laß mich blos noch e paar Schop
pe Federweißen trinken, dann ßettel ich
de Sach noch heit Abend« De Piet
hat gesagt: ,,Well Meik, wenn Du auch
immer meinst, ich bin er blutwürstige
Kapitalsbestie, will ich doch drei
Schoppe für Dich bezahle, damit de
auf gute Eidiehs kommst.« De Meik
hat nix geäußert und blos getrunke.
Bei de Zweite Schovve bat er aekrifche:
O
»Ich habs, de Quseschtsche ist gesettelt!«
»Na wie?« ich war auch kjuries zu
höre. »Well,« hat de Meik ges agt, »sehr
simpel. De größte Frag von de Sßo
ßeietie ist, wie man die Rent bezahlt.
Von de Grocers und de Bsehkers kann
man ticke, aber de Ländlords, diese
Vlutsauger, schmeiße Eine raus, wenn
man de Rent nicht bezahlt. Wir misse
e Government habe, wo mia kei Rent zu
bezahle braucht. Das Einfachste wär,
de Ländlords zu schute Und ihne ihre
Heiser wegzunehme, aber das macht zu
viel Neuß. Da hab ich a beßres
Skiehm. Das Government läßt for
Jede, wo will, e Balluhn mach-e and
hängt e aroß’ Boot daran,und da kann
Jeder darin wohne. Wenn er weiter
will, macht er de Rohp los und zieht
weiter, da gieb’s kei Muhs-Expenses
und kei Rehlrods zu bezahle. Das is
de beste Plan von der Welt. Jch wer
morge e Programm drucke lasse und
Alle, wo nicht dazu belansge wolle sind
Kapitalsbestien, Blutsauger, Bam
pibre!«
Jsch hab nichts gesagt, weil ich gesehe
hab, das-; de Meik immer höher gestiege
is, zuletzt is er umgesalle us de Bode.
Der Saluhnkieper hat gesagt. »Jetzt
schmeiß ich de Kerl raus. Jch kenn de
telle nicht und will ihn auch nicht in
mei Saluhn, er insoltet blos »die Gäs .«
»Well,« hab ich gesagt: »Den Mann
kenn ich, er war srier e Koscbtijhmer
von mir; er is wohl das Meist schul
dia blieben, bot man muß e Mensch
sein, auch wenn de andere e Soschielist
is. Wir bringe ihn heim.« Wie der
Pieht nnd ich de Meit auf die Schtriet
nskkwrpit FVJXD knnk es n» fu«-ff .— nnß
wie de Meik die Luft zu schnappe ges
kriegt hat, is er ganz zusammegeklappt.
Mir hab-e ihn gepnllt, bis e Polißman
gekornme is und hat gefragt, was de
meddser is. »Well,« habe ich gesagt,
»ich bin de Mr. Zintfod-e.« Da hat der
Offißesr gesagt: ,,Ei don’t kehr, hn yu
are! Was is met de Feller da los?«
Da hat der Piet gesagt, »er hat de fal
ling sickneß.« Da hat der Offißer ge
schmeilt und gesagt: »Yeß, der hat die
fsalling sickneß, er fällt alle feif minuts.
Bringt ihn schnell hom!« At läft find
wir nach de Hudson Schireet komme,
wo de Meik gewohnt hat. ,,Meik,« hab
ich gefragt, ,,wo wohnft?«
,,J—n a Balluhn!« »Meik, paß auf,
in welch-es Haus wohnst2« »Ja a
Balluhn!«
«Meik, wenns nicht sagst, wo du
wohnst, lasse wir dich liege und dann
wirst arrested!«
Aber der Meik hat blos gesagt:
»Blutwiirstige Dieteriche! Jn a Bal
luhn!«
Zuletscht is a kleiner Boy gekomme
und hat gerufe: »Da ist Red Meik!«
,,Kennst de Meil, weißt wo er wohnt?«
hab ich de Bub gefragt. »Der wohnt
an der Ebene A.« »Ich habe gedenkt,
er wohnt ins Hudf on Schtreet?«
Well, wir habe ihn wach Haus ge
schafft, drei Stories heih. Und wie er
die Steht-s ran gange is, hat er immer
gekrissche: ,,Up in a Balluhm boys, up
in a Balluhn!«
De Federweißer von 1896 vergeß ich
mei Lebtag Licht. »