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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Oct. 23, 1896)
Sonntags -Blatt. q» - — Bcllagc des »chzcigcr Und Hengst-zu No. ,,Ja;rgang l,. J P. Windmpr Herausgeber . Grund Jscaud, Nein-» den 23. Oktober 1896. Dönningljausktr. P.—-— Roman von Claice o. Glümer —--.— Summe »Wenn-Z mir erst gesagt wäre! Wenn ich wenigstens den Anfang hät te!——— Der Anfang ist einfach, daß ich's in den Waldburg’schen Armenionvew tiieln ebensowenig aushielt, wie in den Wildenhahnschen Kinderstuben Meine bitte-re Enttäuschung in Bezug aus die Kaiserstadt Wien habe ich Dir gleich nach der ersten Antunft bei Waldurgg gemeldet. Aber die Wohlthätigkeit5 marotte der Martia und der Tugend fanatismus der Töchter sind seitdem noch gewachsen —- ich bin dabei beinahe verrückt geworden. Bite, sieh’ nicht so böse aus, liebe Tante ThetlaL Sagt doch Goethe sogar —— eg ist das Einsi ge, was ich mir je von ihm gemerkt be —- : Lieber will ich schlechter werden, Als mich ennuhiren! »Von unserem Wohlthätigkeitsba zar schrieb ich Dir. Jch durfte verkau fen. Diesiinder derFinsterniß stehen in dem Nase, klüger zu sein, als die Kin-. der des Lichts, und ich habe wirklich brillante Geschäfte gemacht; nichts ist übrig gebliebenAbon allen Horreurs, ote unter oen Schutz meiner schonen Augen gestellt waren. Das meiste taus te ein junger, eleganter Mann, der an allen drei Verkaufstagen Morgens und Nachmittags erschien, stundenlang da blieb und mir rasend die Cour machte» Der Zufall — oder sagen wir die Vor sehung — — wollte, daß wir eine gemein-J same Bekannte hatten, die eine Art. Haus macht. Wir sahen uns wieder« ich ternte seine Eltern kennen: Mama klein, dict, dekolletirt und reich mitj Brillanten dekorirL Papa lang undl dünn, mit knochigen Händen und gro ßem Erwerbsgenir. Sein Vater hat Ochsen geschlachtet; er schlachtete Gü ter, ist dann unter die neumodischen Spekuianten gegangen und soll sich mehrere Millionen zufammengegriin-. det haben. Seine Frau ist eine Gast-? wirthötochter —- ihr Stammhaus soll noch in der Kumpsgasse zu sehen sein Beide waren charmant gegen mich; bei-! de theilten die Wünsche ihres Herkul Sohnes, das heißt sie lechzten nur so nach meinem blauen Blute, während esi i h m um meine ganze Persönlichkeit zu thun ist. Der Aermste ist wirklich bis über die Ohren in mich verliebt, mass neben feiner sonstigen Blasirtheit rüh-’ tend- -komisch wirkt. — Daß Großpapa niemals Ja sagen würde, wußte ich: nur zu gut und sohaheich endlich einent »Eoup dEtat« ausgefuhrt, den Pepil —- osfiziell heißt erjetzt Feltr— -erson- - nen Uns in Wien ohne Sang und Klang trauen zu lassen, war unmög-I lich. Die Eitelkeit der Eltern hatte zu sehr darunter gelitten. Jch nahm also Abschied von Walburgs unter dem Bornkandh nachherstadt zu gehen, vtn aber in Paris gelandet. Felix ist mir nachgereest und seit vorgestern bin ich Barontn Erlenhusch auf Erlenbusch Bei Beides an der Sau »Dein himmel sei Dant, nun hab« ich’s aus der Feder und von der Seele! Und nun sei gut, liebe, einzige, himm lische Tantel Bitte, bitte! falte die Hände unsd beuge die Kn ee, und stehst Du —- da ist eine wirkliche, echte Thräne aufs Papier gefallen; denn trotz alles Leichtsinns, der mir — wahrlich nicht durch meine Schuld — angeerdt ist, habe ich Euch lieb, ihr seltsamen, stolzen, guten, ernsten Dön ninghäuser, und wenn ich auch nicht mehr unter Euch lebe, liegt mi: doch daran, mein Heimathsrecht in Eurem alten Gemäuer zu behalten. Du mußt es auch dahin bringen, Carissima, daß ich eines Tages mit Felix kommen darf. Fürchtet nichts! Er sieht vor trefflich aus: lang, schaut, elegant --— mit etwas mehr Ruhe könnte er sogar vornehm erscheinen. Ob er es ist? — qui vivra, verra! Jedenfalls hat er viel vom Kavalier, ist Sportsmann mit allen Chicanen, Pferdeienner, Kunstmiicen — für Ballet und Balle rinnen -— spielt, wettet, hat prachtvolle 1 «Rennpserde und wird das schnell zu sammen ,,gegriindete« Vermögen des Vaters schnell wieder durch tausend Canäle sortströrnen lassen. —- Du er-» innerst mich an den armen Wilfried,! fragst, wie ich mein Glück zum zweitens , Male aus solche Karte wagen kann? ——! i Liebste Tante, ich war verhungert undj sverdurstet nach Freude, Leben, Bewe t gung, Glanz, Schönheit, Liebe —— nachi «Allem, was mir seit Jahren versagti blieb. Jetzt genieße ich’s mit vollen« Zügen. Unsern Honigmond wollen wirl hier in Paris zubringen, im «Paradies! des femmes«, dann geht’s zurück nacht Wien. Ader vorher muß ich von Diks hören: ein Wort der Liebe, der Ver-f zeihung, der Hoffnung, an Baronin Magelone von Erlenbusch poste restan te Paris. »Schön ist der Name nicht, alt auch nicht! aber ergebt Euch darin und ac-l ceptiri ihn und den neuen Großsohnl und Neffen, wie ich die Schwiegerel tern acceptiren muß. Jesus, Maria und Joseph! die in meinem Salon! — aber ich werde die Zähne zusammen-s beißen und aimable sein. Schwieger-! mutters Diamanten decken mancheni Fauxpas, und wer so mit den Millio-« nen klimpert, wie Schwiegervater, darf sich schon ’mal unsaubere Wäsche er-l lauben. —-— Du siehst übrigens, daß mein neuer Lebensweg kein dornenlo ser ist; darum sei noch einmal instän dig gebeten, Großvater mit mir zu ver söhnen, dainit ich wenigstens in Ge danken zu Euch flüchten kann, wenn —— —s-— aber Magelonei sind das die vassenden Gedanken fis-«- -in- imm ------ doch meinen Brautschmuck zeigen, lieb ste Tante! »Ich hab’ Diamanten und Perlen, Hab’ Alles-, was Menschenbegehr ---— Und hab’ die schönsten Augen —-- —-—« »Und wenn ihr verzeiht, ist Alles gut und ich bin auf immerdar Eure glückliche Magelone.« Der Freiherr war währen des Le iens in gleichmäßigern Schritt auf und ab gegangen und setzte auch jetzt feine Wanderung fort. Johann Leopold fah gedankenvoll in's Feuer-. Tante Thet la nahm den Brief und las ihn noch einmal durch. Magelonens Bitte um Verzeihung rührte ihr Herz » die junge Frau hatte Recht, Tante Thella konnte ihr nicht lange zürnen. Was ihr Leichtsinn verbrach, machte ihre Anmuth wieder gut· Auch jetzt war es der alten Dame inniger Wunsch, dem verzogenen Lieblinge beizustehen, und ihren Muth zusammennehmend, sagte sie endlich: »Liebe: Bruder, ich muß doch ant worten.... was darf ich schreiben?« »Was du willst!« rief er, an ihr vor über gehend. Plötzlich machte er Kehrt und trat an das Tischchen, auf dem die Lampe stand. Sein Gesicht war wie versteinert in Zorn und Entschlossen heit. »Nein, nicht was Du willst!« sagte er in hartem Tone. »Wer weiß, zu ließest! Schreiben wirft du der Frau Baronin Erlenbusch, daß die Angehö-z rigen meines Hauses nicht zum Pläsirii auf der Welt sind, sondern um nacht Kräften ihre verfluchte Pflicht und Schuldigteit zu thun· Wer das Pläsirs vorsieht, muß es draußen suchen; inj unsern Kreis gehört er nicht mehr.« »Aber nicht wahr,« fingTante Thel la wieder an, »wenn Magelone her käme, deine Verzeihun zu erbitten . .« ,,Wiirde sie verschlosseneThiiren fin den!« fiel der Freiherr ein; »es wäre. denn, daß der Herr Baron Felix von Erlenbusch die Ahnung seiner Frau erfüllt und das ergaunerte Geld seines Vaters wieder durchgebracht hätte Kommt sie dann allein und hilfsbe dürftig zu uns zurück, so wird man ihr Brod und Obdach gewähren. So lan - ge sie aber in Jubel unsd Freuden jener ’Clique angehört, darf ihr Fuß meine Schwelle nicht betreten. Kein Wort ?dagegen, Schwester!" fügte der alte Herr mit erhobener Stimme hinzu. · »Dent’ an Agnes und Johanna! Jch itann nicht in der letzten Stunde ver kleugnem was mein Lebenlang die iRichtschnur meines Hausess gewesen Hist« Und nach einer Pause sagte er Iim weicheren Tone: »Wir müssen uns ldarein ergeben, Theilu! Einsamkeit ; ist die traurige Mitgabe des Alters — tvelchen Concessionen du dich verleitenj i wir verstehen die junge Welt nicht m»ehr und werden nicht mehr verstanden." Leicht wurde auch dem Freiherrn die Ergebung nicht. die er von der Schwe ster verlangte So lange er Otto s und Magelonens Gegenwart auch schon entbehrt hatte, wirklich getrennt fühlte er sich erst, seitdem er sie den Chrisc griffen seines Hauses nicht mehr eins-ji gen konnte. »Ich bin nur noch ein alter, mir scher Stamm,« sagte er am Neujahes morgen, als ihm Tante Thekla then Gkückwunsch bracht-. »Nicht nur »Hm Blätterschmuci hat mir der Winteåäk notnmen; auch die lebensvollsten te find mir gebrochen. eg geht zu Esde mit Dönninghausen!« ; Jn dieser Stimmung saß er , Morgen des dritten Januar mit Seinigen beim Frühstück, als Do Werner gemeldet wurde . »Was! unser indischer Doktor?i Kerl, du irrst dich!« schrie er den Die-; ner an. Aber es war Ludwig Weran ; der hereintrat und mit ebenso Freude als Verwunderung begr wurde Its »Das nenne ich die Leute überfa- ! schen-« sagte der Freiherr noch einmal, als Ludwig endlich an seiner Seite saßj und von Tante Thetla mii Kaffee ver sorgt war. »Nun aber hübsch Bescheid gegeben. Zuerst: woher so früh Csrn Tage?« »Von Lindenbad; ich habe die Fäh tage bei den Meinigen zugebra « antwortete Ludwig »Mit dem Ft - zuae bin ich gekommen, weil ich te; noch nach Hannover muß. « T m. 442 L s« — t k-..d-—.: s: »k.,,i I mi I i i l »so-usu- uu. UH MLIYIUVILL »An-litt Sie einmal wieder in meiner Gewalt, sind, sollen Sie mir nicht so bald ent-; schläpfen.« z »Oder wenn Sie heute fort müssen,« ; fügte Johann Leopold in seiner rück-; sichtsvollen Weise hinzu, ,,verfprechenz Sie wenigstens, von Hannover W hierher zu tommen.« »Auch das kann ich leider nicht,« antwortete Ludwig. »Es ist eine neue wissenschaftliche Erpedition im Werke, diesmal nach den Westghats; ich bin dazu aufgefordert und muß wach Lon don zurück, um meine Vorbereitungen ’« zu treffen.« »Wie, Sie wollen wieder fort?« sag te Tante Thetla. »Johann Leopold meinte, Sie würden in Deutschland eine Professur annehmen . .. Wir Alle freuten uns darüber.« »Besten Dank fiir Jhre Freundlich leit, gnädiges Fräulein! Jch habe kurze Zeit daran gedacht, mich wieder in der Heimath einzubürgern, fcheine jedoch unrettbar dem Vagabunsdenthum verfallen.« Ludwig sagte das in ruhig heiterem Tone, aber Tante Thetla so wohl wie Johann Leopold konnten sich des Eindrucks nicht erwehren, das-, er sich Gewalt anthat, und sahen ihn for fchend an. Der Freiherr zog die Brauen zusammen. M-- k—ll4- Wä- l-:L. Äl«»«s« -:-c -«- « Ush Im I I--,Ult hlks Lss ' »an Jhnlen steckt was Besseres als ei ner der neumodifchen Landläufer Bleiben Sie hier, junger Mann! Sie finden auch hier genug zu thun.« ,,Später vielleicht M in Jahregfrift bin ich wieder da,« antwortete Lud wig; dann fah er mit verdüstertem Blick von Einem zum Andern und sagte: »Etwas habe ich übrigens noch vor meiner Abreise zu ordnen und bin deshalb hergekommen» Jch habe Johanna gesehen» Der Freiherr fiel ihm in s Wort. »Bei uns wird nicht mehr von ihr gesprochen,« fagte er in hartem Tone. ,,Verzeihen Sie, Herr von Dönning hausen! Als Johanncks Bruder habe ich das Recht, Erklärungen zu verlan gen und zu geben « antwortete Ludwig mit ruhiger Entfchiedenheit. »Sie scheinen zu glauben, daß Johanna dem Batti’fchen Cirrus angehört?« »Wir wissen es,« antwortete Jo hann Leopold, »die Zeitungen haben ausführlich darüber berichtet« »Und darauf hin haben Sie Johan na unbefragt und ungehört fallen las fen ?« fiel Ludwig bitter ein. »Glauben Sie etwa, wir hätten den Eifenkovf umftimmen können?« rief der Freiherr. ,,Kiinftlerblut, lieber junger Freund! Erbsiinde, die ihr vielleicht nicht zum Vorwurf gemachti werden darf, sie und uns aber auf im F— s mer scheidet. Freitvillig hat sie Hei math, Familie und Verlobten im Stich gelassen, um — wie es in der Zeitung hieß — die Ungebundenheit des Kunst-s lerlebens dafür einzutauschen. Mir hat sie sagen lassen: sie hosfe sich durch ihr Talent unabhängig zu mach-en . .. Sie sehen also!« »Alles Jrrthum und Mißverständ niß,« antwortete Ludwig. »Schon vor dein Tode der Stiefmutter hatte sie sich von Batti’s getrennt und hat sich und ihr Stiefschwesterchen durch schriftstel lerische Arbeiten erhalten — hier ist ihr erstes Buch.« Der Freiherr starrte ihn an. »Johanna nicht im Circus!« sagte er, mechanisch nach dem Buche grei send. »Und was ihr Verlangen nach un gebundenem Künstlerleben betrifft,« fuhr Ludwig fort, »so kann ich Jhnen sagen, daß sie jede Annäherung, die ihr Talent hervorgerufen, zurückgewiesen hat, weil sie nur das Bedürfsuiß nach Ruhe und Sammlung empfand. Jch weiß das von ihrem einzigen Freund und Berather, einem Doktor Wolf. Außerdem verkehrt sie nur mit einer einfachen Lehrerssamilie, und ihr-e Le bensweise ist die einer bescheidenen Ar beiterin.« Der Freiherr fuhr aus. »Warum hat man mir das nicht ge sagt!« rief er; »es ist unrecht von Jo hanna, ist undankbar! Warum blieb sie nicht bei uns, wenn sie nichts Ande reg in die Ferne lockte?« ·Das weiß ich nicht, « antwortete Ludwig· »Ich weiß nur, daß man Jhnen aus falscher Rücksicht verhehlt, warum Johanna ihre Verlobung lösen mußte. Mündlich hat sie das schon angedeutet und jetzt schreibt sie mit kla ren Worten: ich möge aus jede Erklä rung oerzichten. Nicht um ihren ehe maligen Verlobten zu schonen, sondern um Jhnen Herr von Dönninghausen, schweren Kummer zu ersparen, dürfe die Sache niemals aufgeklärt werden. Auch Fräulein Thekla, die von Allem Bescheid wisse, hätte verlangt, daß Ih nen der wahreGrund des Bruches zwi schen den Verlobten verschwiegen bliebe. .. « »Was!« schrie der Freiherr, indem er sich erhob. ,,Bin ich ein unmündi- · ges Kind, daß Andere bestimmen, was ich erfahren darf und wag nicht! Au genblictlich will ich Alles wissen ..... « Thekla, heraus damit!« Die alte Dame, die mit den Uebri- « gen vom Tische ausgestanden war, zit- ' terte so heftig, daß sie sich wieder setzen « mußte « »Sei nicht böse, lieber Bruder, « be- «« gann sie in schüchternem Tone; der ( Freiherr trat aus sie zu. ,,Keine Vorrede, Schwester!« sagte·« er grollend. »Was war’S mit Otto I und Johanna? —- Antwort, kurz und! bündig« i «Johanna hatte ..... « sing Tante Thetla zögern-d an, »Johanna hatte er- Z fahren, daß Otto Magelone liebte und; sie ihn . . . . Das Billet, das du da mals fandest, war für Magelone be stimmt . . . .« »Das ist nicht wahr!« donnerte der Freiherr. »So lügt kein Dönning hausen. Und Magelone, Johann Leo pold’s Braut . . .« «Hat wochenlang zärtliche Rendez vous mit Otto gehabt,« siel Johansn Leopold sein, indem er, wie zur Unter stützung der Tante, an ihre Seite trat und die Hand auf ihre Stuhllehne legte. ,,Unstnn! Schandgeschichtent Wer hat Euch dergleichen zugsetragen?« rief der Freiherr-. Johann Leopold preßte die Lippen zusammen; den rothen Jakob zu nen nen, ging iiber sein-eKräste, aber Tante Thetla zwang sich zur Antwort. ,,Otto selbst hat mir Alles gestan den!« flüsterte sie. Einen Augenblick war der Freiherr wie betäubt; dann lachte er bitter auf und trat an’s Fenster-. Nach langer, lastender Pause sagte Johann Leo pold: - »Das wollten wir dir ersparen.« Der Freiherr wendete sich hastig uni. »Mir ersparen!« rief er und seine Augen blitzten. »Ist damit dieSchmach von uns abgewendet, —- und habe ich die Beiden nicht doch verlieren müssen? i-— Oder habt Jhr geglaubt, daß solche A Nichtswiirdigkeiten spurlos über einen Menschen hingehen können?—— — Mir ersparen!« wiederholte er mit mühsam beherrschter Hestigkeit. »Und um das zu können, ruhig mit ansehen, wie ich das Kind, die Johann-a — mit Allem, was sie schon durch Einen von uns er litten hat — in die Welt hinausstoßel . . . . Und das soll ich Euch danken? — Und Jhr wollt mein Fleisch und Blut sein? — Schämt Euch! Jhr gehört nicht zu mir — der Doktor ist der Ein zige, der mich lennt.« Z Tante Thekla weinte; Johann Leo--L pold sah vor sich nieder. ,,Johanna hat es selbst so gewollt,«. sagte Ludwig nach einer Pause. E »Johanna!« rief der Freiherr und! es slog wie ein Aufleuchten über das strenge Gesicht. »Mit ihr habe ich nicht« zu rechten. —--- Sie hat in ihrer Thor heit sich selbst das Schwerste auferlegt ....Sie hat nicht lügen und heucheln können, hat lieber entbehrt und gear-z beitet.... ein Thörin ist sie, ein Ei-. senkops, aber ein goldenes Herz —- einej wirkliche, wahrhaftige Dönninghawj scn!« : Nach diesen Worten ging er eins paarmal im Zimmer hin und her, dann« blieb er vor Ludwig stehen. i ,,Doktor, wann geht Jhr Zug nachsv Hannover?« fragte er; »ich fahre mitk und hole mir das Kind.« l Tante Thekla hob bittend die Händes aus« i ,,Lieber Johann, du reisen, jetzt ins dieser Winterszeit —— das ist nicht dein I Ernst!« sagte sie, und Johann Leopolds bat: n-k- ...·--, k s k· - -» - « I »Hut, unu; sur-tru, llcucl Wulst-DU- I er.« s Aber der Freiherr schüttelte den! Kopf 1 »Nein, mein Junge! Die Genug-l huung bin ich ihr und mir selber schul-I qu, « antwortete er. »Es bleibt dabei, ! ieber Doktor, wir reisen mit einander! and ich hole mir mein braves ,tapferesI Kind!« Es war ein milddurchsonnter Win-· ternachmittagx das TierrassenhäuschenI sag in traumhafter Ruhe; die Kinder Varen in der Schule: nur das einförJ niae Ticktack der Schwarzwälderuhr ins dem Vorplatze ließ sich hören und Das Schwaizen der Sperlinge, die auf Ier Terrasse die Brosarnen aufsuchten, velche von sorglichen Händen täglich kür sie aestreut wurden. Johanna saß am Schreibtisch. Sie )atte sich endlich, wie sie es nannte, zur Urheit heimgefunden. Die Feder flog iber das Papier, und wenn sie hin und vieder stockte, und Johanna die ge enlte Stirn erhob, lag ein milder Blanz in ihren Augen. Plötzlich wurde sie ausgseschreckt. Die Treppenllingel gellte; Männerschritte kamen iiber den Vorplatz. ,,Ludwig,« dachte Johanna, indem ie hastig aufstand. Aber ein Anderer trat in »die Thür! Einen Augenhlick Vclc Zoyclllrllcl ch chTHUL Dann tollcj ich der Bann. »Großvater!« jubelte sie auf und flog ihm in die ansgsebreiteten Arme. Aber schon war es dem alten Herrn zu viel der Rührung. »Laß dich ’mal ansehen!« sagte er, indem er sich los-machte und die En kelin auf Armes-lange fortschob. »Ganz Die Alte! — Was fafelt denn der Dok tor von müden Augen und blassem Ge sicht!—— —Aber wo ftecltdenn der Mensch? Mit einem Schritte war er an der Thiir und sah hinaus. ,,Sind Sie des Teufels, Doktor!« schrie er Ludwig an, der sich nach der Glasthiir der Terrasse zurückgezogen hatte, und während Johanna dem Herantretensden beide Hände entgegn streckte, fügte der alte Herr hinzu: ,,Kannst dich bei ihm bedanken, Kind!« Er ift’s, der mich geholt und deine Unbernunft und die der Anderen gut gemacht hat — Du wirst doch nicht weinen? Thue mir das nicht anll Wir haben lange genug die Köpfe hän gen lassen.« »Es ist nur Freude!« sagt-e Jo hanna, die Augen trocknend. »Setzt Euch, erzählt — mir ift’s noch wie ein Traum! —— Du hier, Großpapa . . . .« Und wieder flossen ihre Thränen. Auch dem alten Herrn war das Herz so weich, daß er einen Augenblick nicht sprechen konnte Während Ludwig mit einem bitter-en Gefühl, dazersich selbst zum Vorwurf machte, an dus Fenster trat und in die anbrechende Dämmerung hinaus sah, schob der Freiherr einen Stuhl mitten in’s Zim mer, setzte sich, stemmte beide Hände auf die Kniee und sah sich nach allen Seiten um. ,,Jn diesem engen Käfig hast du die ganze Zeit gesteckt?« sagte er endlich und sein Ton war noch immer mehr wehmüthig als humoristisch. Jetzt wollte ihm Johanna zu Hilfe kommen. »Gefällt er dir nicht, Großpapa?« fragte sie lächelnd. »Sieh’ ’mal zum Fenster hinaus-; die hübsche kleine Ter rasse gehört auch dazu.« Der Freiherr schüttelte den-Kopf. ,,Alles zu eng und klein für dich!« grollt-e er. »Nun, es hat ja die längste Zeit gedauert. Morgen früh— ich habe meiner alten Schwester verspr chen müssen, die Nacht über hier zu bleiben —- aber morgen früh geht’s auf und davon nach Dönninghausen».. Eins aber mache ich mir aus: vom Heimlichkeiten darf zwischen uns nie mehr die Rede sein. Du kannst und mußt mir Alles sage-n . « Versprich es mir!« Mit diesen Worten streckte er Johanna die Rechte entgegen und seine Augen blitzten sie unterden zusammen gezogenen Brauen an; sie legte ihre Hand in die seine. »Ja, Großpapa,« antwortete sie, »das will ich, und will gleich damit anfangen. —- Nach Dönninghausew kommen — du weißt, wie mein Herz daran hängt —- aber dahin zurücktom- -- men kann ich nur, wenn ich Zwseierlei mitbringen darf: mein Schwesterchen und mein-e Arbeit . . . .« Der Freiherr hielt die kalte, zittern de Hand der Enkelin fest; seine Augen blitzten sie abermals an —- ses war, als ob sie Johanna durch-bohren wollten; aber sie ertrug den Blick und nach und nach wurde er milder. »Deine Schwester . . . .« fing er an; da wurde die Thüre ausgerissen und Lisbeth stürmte herein. »O Hanny!« rief sie, erblickte im Halbdunkel zwei fremde Gestalten und verstummte. »Das ist sie wohl?« fragte der Frei herr. »Komm’ her, Kleine, gib mir die Handl« ,,Komrn’, « sagte auch Johanna. ,,Dies ist mein lieber Großpapa, von dem ich dir so viel erzählt habe.« Lisbeth gehorchte. Unter dem schwar zen Filzhütchen quollen die blonden Locker hervor und umrahmten das ro sige, fröhliche Kindergesicht, aus dem den Freiherrn große, kluge Augen for schend anstrahltem Der eine Blick entschied. Das schöne Kind hatte das Herz des Greises ge wonnen, in dessen Geschlecht die Schön heit Erbgut war. »Nun, du kleines Prachtexemplar!« rief er, sie an sich ziehend, »willst du m« h«:».»- CAN-Thus q» m- ·-« fommpnq Vu» vpl —— Du mußt aber ein gutes Kind sein, mußt mich lieb haben und mir gehor chen, und Großpapa zu mir sagen.« Aber Johanna’s Stimme war es, die den theuren Namen rief, und vor ihm niedersinkend, flossen ihre Thes nen auf die welke, zitternde Hand, die sie mit Küssen bedeckte. ,,.Kind, bist du toll! Steh auf ——— steh’ auf!« rief der Freiherr und wäh rend er sich erhob, trat Ludwig heran. »Nun ift Alles so schön und gut,« sagte er mit mühsam behaupteter Fas s ung, »daß ich dich ohne Sorge verlas sen kann —— —- l-eb’ wohl!« »Was heißt das?« fragte Johanna, mehr Von seinem Tone, als von den einfachen Worten berührt. »Wohiw willst du so eilig?« ,,Vorläufig nach London,« antwor tete er, »und demnächstwieder nach Jn dien . . . .« »Nein!« fiel ihm Johanna ins Wort und ihr Blick drang ihm wie Sonnen schein in’s Herz. »Du bleibst bei Uns, wir können dich nicht entbehren.« Sie hatte seine Hände erfaßt; ev zog sie an sich. »Johanna!« flüsterie er; »wenn ich bleiben soll, muß ich hoffen dürfen!« »Das wollen wir Beide tl)un!« ani wortete sie mit strahlendem Lächeln, und zu dem Freiherrn gewendet, fügte sie hinzu: ,,Groszpapa, auch Ludwig geht mit nachDönninghausen.« (Schluß folgt.)