Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 16, 1896, Sonntags-Blatt., Image 15

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    istlus der .,Jllinols Staatspeitungxy
Der Mal-di
Die seit einigen Tagen kmtch Die
Blätter gehende Nachricht, daß der
Mahdi das itliche gesegnet habe, er
regt an und iir sich nicht das Interesse,
welches der ganzen Bewegung, die er im
Sud-m herausbeschworen bat, entge
engebracht wird. Es ist dies aber voll
ständig gerechtfertigt, denn trotzdem es
der ,,Mabdi« ist, mit dem die ganze Er
hebung steht und fällt, so kommt es doch
aus die Persönlichteit, der diese Bezeich
nung beigelegt wird, im Allgemeinen
sehr wenig an. Deßhalb ist auch die
Bemerkung, er habe die Bewegung im
Sudan veranlaßt, gerechtfertigt, ob
gleich Der. welcher soeben mit dem Tode
abgegangen ist, bereits ein Nachfolger
des ersten war; das Mabdithum, wenn
man es so nennen darf, gebt eben direkt
aus diesen von einem Vorgänger über,
und es ist glei gültig, in welcher Pers
son es vertörpert wird. Das Wort
Mahds bedeutet nicht, wie vielfach an
genommen wird, »Der. welcher leitet«,
also den gebotenen Führer, sondern
»Der, welcher geleitet wird«, das heißt
den Gott sich ausersehen, um durch ihn
seinen Willen zum Ausdruck zu brin
gen. Der Propbet selbst ist ein ebenso
. unwissendes und schwaches Geschöpf,
wie alle anderen Menschen; er ist nur
das Werkzeug des Herrn, seine Fähig
keiten brauchen die seiner Brüder nicht
im Geringsten zu übertreffen. Dies
ertläri, weßhalb der soeben verstorbene
Mahdi, trog seiner Unbedeutenheit be
reitwillig acceptirt wurde und deßhalb
die Persönlichkeit des neuen nur von
geringem Belang ist.
Der Erne, welcher sich im·Surian
zum Mahdi aufgeworfen, mußte aller
dings hervorragenden Gaben besitzen,
um dir Aufmerksamkeit auf sich zu len
ken, doch kamen ihm auch äußere Um
stände zu Hilfe. Obgleich im Koran
eines Mahdi nirgend Erwähnung ge
than wird, scheint es doch, daß Maha
rned von einem solchen gesprochen habe.
Die Lehre der Juden von einem Kom
men des'Messias hat ihn wohl darauf
ebracht, denn auch durch den Mahdi
sollen alle Lebenden zu dem einen
Glauben, in diesem Falle natürlich
dem Mohamedanismus, bekehrt wer
den-. Christus, den die Mohamedaner
als einen der größten Propheten aner
kennen, aber dessen Gottheit sie leugnen,
wittde dann auch wiedererscheinem und
er würde es sein, der alle Juden ver
nichten und Christen und Heiden in
Muselmänner verwandeln werde, um
dann als demüthiger Anhänger des
Mahdi diesem beim letzten großen Got
tesdienste die Gebete nachzusprechen.
Die Auserstehungsposaune werde ertö
nen unsd Gott das letzte Gericht abhal
ten. Der Mahdi aber müsse aus der
Familie Moharned’s selber stammen,
ein Nachkomme der Tochter des Pro
pheten und deren Gatten Ali sein; er
werde den Namen Mohamed tragen!
und sein Vater gleich dem Vater dess
Propheten heißen. z
Der Umstand, daß nicht nur «Ill’.
diese Borbedingungen bei ihm zusam
mentrafen, sondern auch seine Mutter
den Namen der Mohameds, Amina,
führte, mag den ersten Mahdi wohl
daraus gebracht haben, sich als solchen
auszugeben, ja, hat seine Eltern wahr
scheinlich schon dazu veranlaßt, ihn dar
auf hinzuweisen, daß er der Auserw
rene sei. Von Kindheit an gab er sich
dem Studium des Korans hin, und
während seine älteren Brüder ein
Handwerk erlernten, widmete man ihn
der Gelehrsamkeit Mit 25 Jahren zog
er sich fiir 15 Fahre gleich dem Prophe
ten in die Ein amkeit zurück, betete und
sastete, so daß er in den Geruch eines
Heiligen kam, um mit 40 Jahren, dem
Alter, in dem Mohamed sich enthüllte,
als Mahdi hervorzutreten Sofort
schaarten sich Anhänger um ihn, meh
rere Siege, die er davontrag, besonders
den iiber stets Pascha, vor Allem aber
der Fall von Khartum, und noch mehr
als dieser der Tod General Gordon’s,
der als die Vertärperung aller Gegner
des Glaubenssiirsten, als der Antichrist
selber, galt, wob eine Aureole um sein
Haupt.
Als einer der Ersten hatte Osman
Digna sich dem Mahdi angeschlossen.
Ehemaliger Sklavenhändler, ruinirte
ihn die egyptische Konvention, die die
Sklaverei verbot,undseitde-m lennt sein
Haß gegen die Egypter, »diese falschen
Muselmänner, die sich mit den Christen
vereinen,« keine Grenzen· Vom Mahdi
zum »Ernst der Derwische Gottes« ge
macht, hat er sich durch seine Kühnheit
und Klugheit zu leicheine außerordent
liche Autoritäiüäet dieselben verschafft.
Abwechselnd Sieger nnd Besiegter, ist
es ihm doch gelungen, seit fünfzehn
Jahren die ngptet und Engländer in
Athem zu erhalten, und et ist es, und
nicht der Mahdi, in dem diese ihren ge
sittchteten Gegner erblicken. Der erste
Mal-di hat ja auch längst dieses Erden
ihal verlassen, er akd im ahre 1885
an den Poeten, ein N olkzer aber
tiitnmerie sich we nig unt mi itärische
Angelegenheiten, von denen er nichts
I- l
verstand, aber Osman Digna gelang
es, tüchtige Führer heranzuziehen, und
welcher Art auch der neue Mahdi sein
mag, auf den Verlauf des Feldzuges
dürfte dies nur wenig Einflug håken
- »»..—. -..-.--..
Des Smithsonian’s goldenes
Jubilaum.
Jn der Vundeshauptstandt liegt we
nige Gebierte von dem Kapitol der
,,Smithsonian Parl«, als dessen Mit
telpunkt das ,,Smithsonians-Jnstitut«
gilt. Diese eigenartige Anstalt feierte
am 8. September ihr goldenes Judi
liium. Sie wurde im Jahre 1846 von
dem reichen englischen Naturforscher
James Smithson gegründet. Derselbe
überwies sein für damalige Verhält
nisse bedeutendes Vermögen den Ver.
Staaten ,,zur Vermehrung und Aus
breitun des menschlichen Wissens«.
Die Anstalt welche Unter Leitung eines
Sekretärs der zur Zeit der angesehene
Physiker Langleh ist, einen Stab tüch
tiger und strebsamer Gelehrten unter
hält, hat sich währen-d des lehtens halben
Jahrhunderts besondere Verdienste um
Ethnologie Astronomie, Meteorologie,
Geologie, Botanit und Archöolgie die
ses Crntinents erworben. Seit 1847
wurde ein Jahresbericht veröffentlicht,
welcher schon längst den Rang eines
sehr gesuchten wissenschaftlichen Buches
erhalten hat und über alle Entdeckun
gen im Laufe des Jahres Auskunft
giebt. Die »Beiträge zum menschlichen
Wissen«, eine Publilation von gediege
nen Quartbänden, sind außerordentlich
gesucht und werden antiquarisch mit
hohen Preisen bezahlt. Prof. Rau’s
gediegene Monographie über den Pa
lenque-Strin gehört zu diesen Schrif
ten; ebenso die Arbeit von Squier und
Davis iiber die Hügelbauer am Missis
sippi·
Amerjranische Altertyumsrunde
scheint von jeher das Steckenpserd die
ser Anstalt gewesen zu sein, und die
Säle des Museums bergen seltene
Schäde. Da finden wir den uralten
und prachtvoll gearbeiteten Hierdeg
phenstein vom Tempel des Kreuzes in
Palenque, die grotesken Götzenbilder
aus Tenochtitlan, welche den Eindruck
machen, als seien sie wie Meteore vom
Himmel gefallen. Die Steisärge von
Tennessee und die Hünen räber in
Ohio und Illinois haben m gleicher
Weise dazu beigetragsen, diese großar
tige und eigenartige Sammlung zu be
reichem
Während sich die Washingtoner
Saminlun en nicht mit denen des bri
tischen Massen-us des Louvoe in Paris
und denen von Berlin messen können,
sind sie,was ameriianischeAlterthums
kunsde betrifft, heute schon besser ver
sehen, als die europäischen, und täglich
erhalten sie Zuwachs.
Die naturwissenschaftlichen Samm
lungen, Minerale, Fische, Vögel,
Schlangen, besonders aber die Collet
tion von Thier-Stauden aus der PHO
ciin-Periode, sind außerordentlich
reichhaltig. Wir glauben, es giebt we
nig besseve Megatherien-Stelette, als
das in Washington. Für einen For
scher und Kenner bieten diese Säle mit
ihrem seltenen und reichen Jnhali
wochen- und monatelang Sehenswiir
digteiten. ’
Dieses Alles verdanken wir der Frei
gebigteit des Engländers James
Smithson, und jeder Ameritaner, der
an der wissenschaftlichen Bildung und
ihrer Ausbreitung in diesem Lande
iJnteresse nimmt, hat alle Ursache, das
LAndenlen dieses Mannes zu segnen.
sow
Cttate
Im Munde von Göttern nnd Menschen«
«Q«uo(1 Iicet Juvi et licet bewi«
sagte Jupiter, als er, in ein-en Stie1
verwandelt, Europen entführte.
»Das Hemd ist mir näher als de1
Rock«, meinte die schaumgeborene Ve
mis.
»Noch Golde drängt, am Gold·
hängt doch alles«, entschuldigte sitt
Danac.
»Jetzt gieb mir einen Menschen, gut(
Vorsicht!« brüllte der hungernde Ries·
Pvlvphem
Alles ist eitell" ries, sich im Wasser
spiegel betrachtend, Narcisz.
»Nun sei bedankt, mein liebe1
Schwan«, sang die Leda.
»Von des Lebens Gütern allen
Jst der Ruhm das höchste doch«,
dellamirte stolz Herostratus.
,,Raum ist in der kleinsten Hütte«
sprach Diogenes und kroch in sein»
Tonne.
«Und sie bewegt sich doch!« dacht
im Schweiße seines Angesichts des
Lieutenant beim Tanze nut der dickei
Eommandeuse
»Ein jederWechsel schreckt den Glück
lichen,« stotterte verwirrt der Siudto,
da ihm ein Accept präsentitt wurde.
»Arbeit macht das Leben s tiß«« trö
stete sich der arme Stsyphus.
»Denn an der Braut, sdie der Mann sich
erwählt. läßt gleich sich erkennen,
Welches Geistes er ist, und ob er sich ei
genen Werth sühlt«,
docirte der weise Sockates, Gatte der
Xanthippe.
»Gehorfam ist des Weibes Pflicht auf
E d «
r en.
Das harte Dulden isi ihr schwerstes
Loos«,
sagte Xanthippe, des obigen Frau .
»Behiit’ Dich Gott, es wär’ zu schön ge
wesen,
Behüt’ Dich Gott, es hat nicht sollen
sein!«
tröstete der keusche Joseph die Madame
Potiphar.
»Ich werde Euch schon zu Paaren
treiben«, sagte der Heirathsvermittler
zu seinen Clienten.
»Der Tod macht Alles gleich«, trö
stete sich der Gast, als er statt eines Ha
sen- einen Katzenbrsaten asz.
»Alles In der Welt läßt sich ertragen,
Nur nicht eine Reihe von «schi5nen Ta
meinte der Regenschirng Fabrikant.
,,Endlich allein!« frohlockte der Ehe
mann, als seine Frau in’s Bad abge
reist war.
»Geben ist seliger als nehmen«,
dachte Jörg und gab dem Hans eine
Ohrfeige.
,,DemMann kann geholfen werden!«
rief der Geizhals und schenkte dem
Bettler einen Pfennig.
,,Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis«,
schmunzselte, Coupons abschneidend,
der Rentier.
—.»--,...... —..
Die deutschen Pioniere.
Von Kara Georg lVr. Brühl.)
Wie sinnig »Mein, Lein, Webeschrein«!
Ja Frohsinn, Ackerbau, Gewebe,
Das soll der Deutschen Banner sein«
Das ihr Symbol, ihr stolzes Erbe!
Sie sollen ihre heit’re Lust
Jn'3 starre Yanteeleben tragen,
Froh soll ihr Herz in freier Brust
Nach ächter deutscher Weise s chlagen.
Mit Reben soll der Hände Fleiß
Die waldumtränzten Hügel krönen,
Und kosten sie der Traube Preis,
Jhr Lied das stille Thal durchtönen.
Die Axt, der Spaten und der Pflug,
Sie seien ihre Lieblingswafsen,
Den Urwald, drin der Wilde schlug
Sein Zelt, in Gärten umzuschafsen
Auch in der Werkstatt soll die Hand,
Die ems’ge sich geschästig rühren,
Und an die Arbeit sest gebannt
Den Hammer und die Spule führen;
Soll leiten der Paläste Bau,
Der Brücken, die das Dampsroß tra
gen,
Der Dome, die ins Aether-blau
Mit ihren stolzen Thürmen ragen!
--—..
Bemmchens yihfche, gemiedyliche
Hund«
Was glänzt dort bei Bärne am Son
nenstein?
Heer’sch näher und näher knallen.
» Es ziehen de Dreiber in dichten Reih’n
llUnd kleene Hunde bellen darein;
De Hasen und Fichse fallen.
z Und wenn Jhr die beesen Gesellen
- fragt:
Das is Bemmchens hibsche, gemiedh
liche Jagd!
Was ziehd dort rasch durch den Däm
schen Wald
Und schießt Sie ’nauf na,ch den Ber
' gen e
- Se legen sich alle in’n hinderhalt,
Herr Jeses, nee, wie de Flinde lnalll,
Es fallen de Bärn’schen Lerchen !
Und wenn Ihr die beesen Jäger fragt:
Das is Bemmchens hibfche, gemiedhs
7 liche Jagd.
De BemmchensJagd und de Bärn’sche
d
US
Auf hasenblud und auf Lerchen!
Und wenn mer ooch schwitzen, ’s wird
nich geklagt,
Met schießen eben, so lan—g’ es dagt
" Und dhun Sie alles erwärgen.
Und von Enkeln zu Enkelns sei’s nach
- gefagit «
.- Das war Bemmchens hibsche gemiedhs
liche Jagd.
Mikado.
Scheintodt
Unter dem Nachlasse des Freiherrn
von Reichenbach befanden sich auch
Aktenstücke, welche auf das Schicksal
jener Karoline von Linsingens Bezug
haben, die mit dem Herzog von Cla
rence, dem nochmaligen Könige Wil
helm dem Vierten von England, eine
geheime Ehe eingegangen war. Sie
lernte den Prinzsen in Hannovet als die
Tochter eines Generals kennen-; ihre
Ehe dauerte nur dreizehn Monate,
denn nachdem der Prinz nach England
gegangen war, verzichtet-e sie aus die
Hoffnung, als seine legitime Gattin zu
erscheinen. Die heftige Aufregungl
brachte sie in ein Fieber. das sie dem
Tode nahe führte. Der Hergang wird
wie folgt geschildert: Karolinse lag!
bleich, regungslos, ftarr da; mani
mußte glauben, sie sei verschieden;
Sie wurde aufgebahrt, mit Blumen
und Kränzen bedeckt und ein feierliches
Leichenbegängnifz vorbereitet. Als die
Stunde der Beerdigung herantam,
fing einer Von den Aerzten — ein noch
junger Man-n —- an, unsicher und un
schliissig zu werden. Er behauptete, es
seien an der Verstorbenen keine völlig
zureichenden Anzeichen entschiedenen
Todes wahrzunehmen; bei dem wenig
ausgetliirten Charakter der Krankheit,
der sie erlegen, sei aber doppelte Vor
sicht nöthig.
Obwohl die anderen Aerzte wider
sprachen, ja den jungen ,,Befserwisser«
sogar verhöhnten, setzte dieser es noch
durch, daß die Beerdigung auf seine
dringende Bitte vorerst aus einen Tag
noch aufgeschoben wurde. Aber am fol
genden Tage befand sich die Leiche noch
in demselben Zustande wie zuvor. Der
jung-e Arzt bat also wieder um einen
Tag Aufschub, aber wieder brachte auch
dieser keine neuen Todeszeichen. So
ging es einige Tage fort. Die Sache
begann Aufsehen zu erregen. Man sah
ietzt ein, daß Karoline lebendig begra
ben worden wäre, wenn man dem Ur
theile der älteren Doktoren sich gefügt
hätte. Karoline war freilich todt, aber
——-— scheintodt. Man brachte sie in ihr
Krankenbett zurück, entfernte alle die»
düsteren Vorbereitungen eines Leichen
begängnisses und verdoppelte dieSorg
falt für die Unglückliche.
Endlich — in der dritten Woche -—
schlug sie die Augen auf, der Athem
kehrte zurück und das Herz begann zu
schlagen. Entsetzlich grauenvoll war der
Zustand gewesen, in dem sich Karolinc
befunden. Während ihrer Todtensiarre
hatte sie das vollkommenste Bewußt
sein nnd hörte jedes Wort, das in ih
rer Nähe gesprochen wurde. Jst es da
ein Wunder, daß sie den Arzt, mit Ra
men Dr. Mein:eke, mit Begeisterung als
den Retter ihres Lebens pries, der sie
——— wie sie in einem Briefe an den Prin
zen sagt —-— »dem Tode abgekämpst
hatte!« Karoline wurde auch die Ge
mahlin Dr. Meineie’s.
»O --
tssine Hundstagsgeschikhtr.
Jn einem Eisenbahnwagen der Li
nie Sevilla—Cordoba befand sich eine
lustige Gesellschaft, welche einem Tod
tenschädel, den ein junger HospitalsAF
sistent seinem Koffer entnommen hatte,
unter allerhand Scherzen ihreAufmerk
samkeit widmeten· Plötzlich bekam ein
Student den unglücklichen Einfall, mit
idiesem Todtenschädel die Jnsassen des
Nachbarcoupee’s zu erschrecken. Ge
sagt, gethan. Der Schädel wurde an
einem weißen Stock befestigt, mit einem
weißen Tuche drapirt, zumFenster hin
aus und vor das Fenster des nächsten
Coupee’s gehalten. Die Jnsasfen des
Nachbarcoupee’s mußten wohl geschla
fen haben, da es Nacht war, denn erst,
nachdem man mit dem Schädel gegen
das Fenster geklopft hatte, ertönte ein
markerschiitternder Schrei, dem —
tiefste Ruhe folgte. Die Urheber des
»Scherzes« ahnten zunächst nicht, wel
che Wirkung der in dunkler Nacht Plötz
lich am Fenster erschienene Schädel ge
habt hatte. Bei der Ankunft in Cor
doba bot sich ein erschütterndes Bild.
Von den drei Jnsassen des nächsten
Coupee’s wurde eine junge Dame leb
los vorgefunden, eine ältere Fvau lag
im Starrkrampf auf der Erde, wäh
rend ein bejahrter Herr in Jrrsinn ver
fallen war. Die Urheber dieses
»Scherzes« haben sich selbst gestellt und
sehen jetzt ihrer Bestrafung entgegen-—
Brrrl
MWW
Nochefort nnd Nobeling.
Jn dem soeben veröffentlichten vier
ten Bande seine ,,Lebensasbenteuer«
(Paris, Paul Dupont) erzählt Roche
fort mit der Miene eines harmlgen
Biedermanns, wie er in höchster e
fahr schwebte, wegen des Nobiling’schen
Mordanschlages als völlig Uwschuldi
ger den Kon zu verlieren. im wirklichen
Sinne des Wortes natürlich. Der La
ternenmann hielt sich zu jener Zeit in
Genf auf, sah sich aber infolge eines ge
fährlichen Liebesabenteuers gezwun
n, für einige Zeit heimlich aus der
Beten Schweiz zu verschwinden Etwa
vier Wochen vorher hatte er in Veveh
Freunde besucht und dabei auch die Be
kanntschaft eines in der Hütte am See
lebenden russischen Berbannten ge-’
macht. Jn dessen Garten sah er einen
Mann sich im Schießen üben, es war
Niemand anders, als No-biling, wie er
jedoch nach seiner Behauptung erst spä
ter erfuhr. —- Um unliebsamen Folgen
seines Abenteuers aus dem Wege zu
gehen, begab Rache-on sich mit einem
Freunde über Straßburg nach Luxem
burg, wo er unter falschem Namen in
einem untergeordneten Gasthause ab
stieg. Bald kam ihm jedoch die unmit
telbare Nähe Frankreichs, wo er wegen
seiner Theilnahme am Kommune
Ausstand noch gesichtet war, nicht ganz
geheuer Vor, daß er den Entschluß faß
te, wieder nach der Schweiz zurückzu
kehren. Kaum aber hatten er und sein
Begleiter den Zug bestiegen, als ein
Herr mit schrseckensbleicher Miene in
den Wagen stürzt-e und ausrief: »Wis
sen Sie schon, was sich ereignset hat,
mseine Herren? Kaiser Wilhelm ist er
mordet!« Zugleich breitet-e er vor sei
nen Mitreis enden mehrere deutsche Zei
tungen aus und übersetzte daraus
—- er war Elsässer — die auf den An
schlag Nobilings sich beziehenden Nach
richten.
Rochefort läßt uns im Unklaren dar
über, welche Stimmung die Kunde von
der ruchlosen That in ihm hervorrief,
« dagegen gesteht er, daß ser aus dem Be
! wußtsein seiner Unschuld laut auf
lachte, als der Elsässer ihm vorlas, der
Mörder, ein gewisser Nobiling, sei
kürzlich in der Schweiz gewesen, habe
sich dort mit den hauptsächlichsten rus
sischen Flüchtlingen in«’s Einvernehmen
;gesetzt, und auch mit ihm, Rochefort
nämlich. Das Lachen sverginsg ihm je
doch gänzlich, als er in der Schweiz er
fuhr, daß der Mann, den er im Garten
des Russen mit Schiseßübungen beschäf
tigt gesehen hatte, kein Anderer als der
,,Königsmörder« gewesen sei. Die
blasse Todesfurcht scheint dem Feder
helden damals manche angstvolle
Stunde bereitet zu haben. Würde die
Schweiz ihn nicht ausliefern, wenn der
Verdacht, daß er mittelbar an dem An
schlag betheiligt gewesen sei, berechtigt
erschienen wäre? Alle Anzeichen spra
chen ja gegen ihn. Dazu kam noch, daß
; er kurz vorher Depeschcn mit der Vera
sSassulitsch die durch ihre beiden Re
volverschiisse auf den Petersburger Po
lizeichei Trepow und ihre Freisprech
ung zu einer zweifelhaften europäischen
Berühmtheit gelangt war, gewechselt
und ihr auf die von Berlin aus an ihn
gerichtete Bitte einen Zufluchtsort in
Gen-f ausfindig gemacht hatte. Kurz,
er war sich bewußt, daß der schlimmste
Verdacht leicht gegen ihn hätte erhoben
werden können, und schon sah er im
Geiste das Richtbeil eines preußischen
Henkers vor sich blinken, aber die Gie
sahr, auf diese unriihmliche Weise sei
nen interessanten Kopf zu verlieren,
ging an ihm vorüber, denn in die Oef
fentlichteit dran-g nichts von seiner Ve
gegnung mit Nobiling in Beben
- -- -«
Narrenwcishcit.
Als der Kurfiirst Johann Georg der
Erste von Sachsen damit umging, seine
Länder unter seine vier Söhne zu thei
len, kam eines Tages sein Hofnarr zu
ihm in’s Zimmer und sagte, er wolle
ihm wegen der Theilung einen guten
Rath geben, doch müsse er zuvor die
Unisorm eines kurfiirstlichen Rathe-s
dazu haben. Der Kurfiirst befahl la
chend, dem Hofnarr ein Hoskleid zu
geben. Nachdem dieser es angelegt
hatte, beurlaubte er sich, um, wie er
sagte, im Nebenzimmer sein-e Weisheit
zu sammeln.
Hier zerschnitt er jedoch das statt
liche Hoftleid in vier Theile, behing sich
mit diesen Theil-en und kehrte so ange
than zum Kurfiirsten zurück. Dieser
war aber über den Streich sehr unwil
lig und fragte denNarren im aufbrau
senden Zorn, weshalb er ein so schönes
Kleid in seiner Tollheit zerschnitten
habe.
Da zuckte der Narr ganz gemüthlich
die Achseln und antwortete mit lä
cheln-der Miene: »Ihr sei-d ja noch när
rischer als ich; i habe durch’s Zer
schneiden nur ein schönes Kleid verdor
ben. Jhr aber wollt ganz Sachsen
durch die Theilung verderben; denn
wenn es erst in 4 Theile vertheilt sein
wird, so wird niemand mehr den alten
Glanz darin eriennen-.«
Wie recht der Narr gehabt hat, da
von giebt die kurze Geschichte der klei
nen Herzogthiimer Weißenfels, Merse
burg und Zeig, die durch dieseTheilung
entstanden, den besten Beweis-. Dis
Schulden, welche diese kleine Herzog(
gemacht, konnten erst nach länger denr
hundert Jahren nach dem Aussterber
dieser Linien getilgt werden.
————-..—— —---—«
Ein virtuoser Sperling.
- Ein ganz merkwürdiges Thier ha(
ein Mitglied der Naturwissenschaftlii
chen Gesellschaft in Nimes, Galier
s
Mingaud, ausgeleiem über welches er
an di e »Revue Se ientifique« in- Paris
einige briefliche Mittheilungen sendet.
Es handelt sich um einen Span, den
der Besagte im April 1893 in« den« al
lerersten Wochen seines Daseins aus
dem elterlichen Neste nahm und seitdem
verpflegte. Aks der Vogel für sich selbst
zu sorgen gelernt hatte. wurde er mit
einem Finken, einem Stieglitz und zwei
Zeisigen In einen Käfig gesperrt Nach
einiger Zeit hatte sich der Sperling
ganz in den Jargon seiner Kumpanei
hineingefunden. Er zwitscherte wieder
Fins, er sang mit dem Stie litz um die
Wette und that es den eisigens im
Trillern zuvor, so daß sein Eigenthü
mer iiber die Maßen erstaunt war.
Aber, wie es bei allen solchen Ge
schicht-en heißt, das war noch gar nichts.
Herr Mingaud hatte neben sein-er Vo
gelliebhaberei die Gewohnheit, jedes
Frühjahr ein paar Grillen von der
Wiese aufzulesen, die er in kleine Käfi
ge setzte und dort beobachtete Schon
mehrere Jahre lang hatten die kleinen
Bewohner des Feldes neben dem Vogel
käfig ihr Leben geführt unid beschlossen,
ohne daß sich etwas Besonderes ereig
n-ete. In diesem Frühjahr aber find der -
musikalische Sperling an, sogar das
zirpende Heimchen unverkennbar nach
zuahmen, nachdem er es zwei Tage ne
ben sich gehört hatt-e, unld noch am Ende
des Monats Juli, nachdem die Lehr
meister des Spatzen längst das Zeitliche
gesegnet hatten, hatte dieser das Zirpen
noch immer nicht verlernt und vergnüg
te sich abwechselnd mit diesen Tönen
und mit den andern, die er den gefan
genen Vögeln abgelauscht hatte. Es
wird noch hinzugefügt, daß dieser
Spatz überhaupt gar nicht so singen
oder so schreien kann wie andere
Spatzen was er ja allerdings auch nie
mals gehört hatte, da er seinen Eltern
so früh entzogen wurde. Alles in allein
ist dieses Geschichtlein wieder einmal
ein Beweis, daß bei allen naturwissen
schaftlichen Beobachtungen der Einfluß
der Umgebung sehr sorgfältig berück
sichtigt werden muß.
Ravennas-, Jmel verschwunden.
Nach einer Meldung aus Valparaiso
ist angeblich die an der chilenischen Kü
ste belegen-e kleine Jnsel Juan Jeman
dez infolge eines heftigen Erdbebens
vom Meer verschlungen worden« Juaw
Fernandez ist eine kleine Jnselgruppe
im Stillen Ocean zwischen 33 und 34
Grad südl. Br» die aus drei Jnselcherr
besteht: »der 670 Kilometer von der
chilenischen Küste entfernten und 90
Quadratmeter großen Insel Mag a
Tierra, der s üdwestlich davon belsegenen
Jnsel Santa Clara mit nur 5 Qua
dratkilometer Flächenraum, der 85
Quadratkilometer großen Insel Mas a
Fu-era. Die Jnselgruppe ist vulkani
schen Ursprungs und voll niedriger
Berge und Waldungen. Auf den ur
sprünglich unbewohnten Jnseln suchten
! zuweilen schisfbrüchige Seeleute Zu
Hfluchh darunter 1704 der Schotte
"Alexander Selkirk, dessen Schicksale
Daniel Defoe zu seinem ,,Robinsons
II Crusoe« die Anregung gaben. Jm 18.
; Jahrhundert legten dieSpanier auf der
l größeren Jnsel ein Fort an. Die chile
inische Regierung benutzte sie zeitweise
als Deportationsort und verpachtete
die anselgruppe an verschiedene Unter
nehmer, so 1868 an den Sachsen Wehr
han, 1877 an einen Schweizer. Zuletzt
zählte die Jnselgruppe 60 Einwohner,
an 100 Rinden 60 Pferde und etwa
7,000 Ziegen, die zum Theil verwildert
waren.
sZu bemerken ist, daß diese Nachricht
zuerst von deutschen Zeitungen gebracht
wurde. Es ist zum Mintdesten be
fremdlich, daß ein, wenn nicht wichti
ges-, doch höchst interessantes Ereigniß
nicht von Chile aus direkt hierher be
richtet sein sollte. Es mag deßhalb ein
Jrrthum vorliegen.
—- Der königliche Schauspieler Ode
mar, Mitglied des Hoftheaters in- Han
nover, sprengt-e neulich in Ostende zwei
mal die Spielbant. Er gewann das
erste Mal 96,000 Mart, das zweite
Mal 100,000 Mark.
-—— Die jüdischen Ansiedler in Ar
gentinien haben, um das Andenken des
Barons Hirsch zu ehren, beschlossen,
dasz bis zur Wiederkehr des Todestages
des Barons jeder neugeborene Knabe
»Moses Hirsch genannt werden soll.
Die Großgeschworsenen von Ma
rion County. Jud» welche jetzt in Jn
dianapolis tagen, beschäftigen sich mit
den Bestechungsversuchen, welche man
mit Mitgliedern des populistischere
Såaats-Wahltomites versucht haben
so .
Redakteur Dr. Hartmeyr von den
»Hamburger Nachrichten« ist wegen
Beleidigung des deutschen Genossen
Dr. Jameson’s, des früheren Direk
s tors der britisch -südafritanischen Ge
- sellschaft, Alfred Beit, zu 20 Mark
: Geldstrafe verurtheilt worden.