Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 04, 1896, Sonntags-Blatt., Image 13

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    «thut, was er rann· Viel Wahres liegt
in dem Wort,das der Ein ähri e Meyer
vseinem Vater schrieb: » ie uinmelei
hat ihren öhepunit erreicht ——- das
N iinentsi xerziren hat begonnen.«
m schönsten ist es bei dem Regi
rnenthxerzirem wenn das Gefecht be
innt, und glücklich, dreimal seli die
onipanie, die den ehrenvollen Au trag
erhielt, die Avanigarde zu übernehmen.
m Kriege ist dieser Befehl wohl nicht
o ganz willkommen, denn es steht sest,
daß die Ossiziere, welche die Spitze süh
ren, sast immer abgeschossen werden, im
Frieden aber, um mit Fritz Reuter zu
sprechen, »ännert sick die Sack«. Da geht
man mit seinen paar Leuten bis aus
achthundert Meter todesmuthig an den
Feind heran und schickt dann eine Mel
dung, daß man allein weiter vorzugehen
nicht im Stande sei, gleichzeiti meldet
man, wie viel Flaggen sich ,,au der an
deren »Cote« gezei thaben. Dann le t
man sich aus den auch und watet. bis
Unterstützung kommt; unter Umstän
den liegt man eine Stunde und noch
länger und strampelt vor Vergnügen
rnit den Beinen in der Lust.
Inzwischen hat der Herr Oberst die
Meldung erhalten und versammelt um
sich den Kriegsrath Er selbst hat vor
dein Ausrücken den markirten Feind
instruirt, wann. wie und wo er sich zei
en soll —- er hat sich anz genau über
egt, wie er sich dein egner gegenüber
verhalten will, und so spricht er denn
flar und bestimmt zu seinen Stabsossi
zieren: »Das Regiment wird den Feind
angreisen undihn zurückzudrängen ver
suchen« — daß er den Führer des mar-·
Iirten Feindes angewiesen hat, sich zu
rückzu ieben, sobald der Angreiser seine
letzte omvagnie einsetzt, sagt er nicht·
Um so größer steht er nachher da, wenn
der Gegner, dant seinem mustergiltigen
Angriff, ,,abbaut« —- dann ist er mit
sich selbst und dem »Regiment« sehr zu
frieden. Und das,ist doch schließlich die
Hauptsache ·
Selbstrerständlich gibt es auch unter(
den Regimentslonimandeuren Lichters
und ebenso Ge —- —— Leuchter wie ins
jedem anderen Stand und in jedem tin-s
deren Beruf. I
Unvergeszlich wird mir der Tag dess
ersten Regimentsexerzirens bleiben, das
» ich vor vielen, vielen Jahren mitmachte. ;
Der Herr Oberst bekleidete erst seit ;
Kurzem die sehr schwierige und vereint-s
wortliche Stellung des Regiinentsiow ’
mandeurs. So war es nur natürlich»
daß ihm sein Herz etwas unruhig schlugi
und daß er mit Besorgniß dem Kom
menden entgegensah. Um nur nicht zu
spiit zu kommen, war er schon in aller
Frühe mit seinem Adjutanten fortge
ritten, und an dem Eingang des Erkr
zierplahes ließ er sein Regiinent vorbei- l
marschiren. Aber als eine Kompagnie
nach der andern an ihm vorbeizog, als
der Heerbann gar iein Ende nahm,
schüttelte er sorgenvoll das haupt, und
zu seinem Adjutanten gewendet, sprach
er die inhaltsschweren Worte: »So viel
Menschen, so viel Menschen«
i
Und plötzlichwußte er gar nicht mehr.
was er mit io viel Menschen anfangen
sollte, und beim Exerziren bekam er die
Truppen absolut nicht dahin, wo er sie
dinhaben wollte. So nahm er bei dem
Gefecht an, dasz ein anderes Regiment,
dessen rechter Flügel da angenommen
wurde, wo sich tm Gelände eine Stroh
wiepe befand, links vor ihm im Kain
pse wäre — er wollte rechts der Stroh
wiepe zur Unterstützung des Nachbar
reaiments in das Gefecht eingreifem
Aber er mochte es anfangen, wie er
wollte —-— er tam nie rechts der Stroh
wiepe vorbei, sondern immer links.
Da zeigte sich wieder, was ein Regi
mentsadiutant werth ist: der gab sei
nem Gaul heimlich die Sporen, so daß
es aussah, als wenn der Schinder mit
ihm durchging, und ritt die Strohwiepe
einfach iiher den Haufen. Als tr sie
wieder in die Erde steckte, stand sie auf
einmal dreihundert Meter mehr links·
und nun endlich kam das Regiment da
hin, wohin es s ollte.
Wie jedes Kompagnie- und Batail
Ionsexerziren endet auch stets das Regi
rnentöexerziren mit einein Parade
marsch —- das ist immer so gewesen
und wird stets so bleiben, zu Beginn
des Exerzirens ist noch nie ein Vorabe
rnarsch gemacht worden.
Die Kompanien bauen sich, jede für
sich in Linie, hinter einander auf und
dann ersolat der mit Recht so beliebte(
«Paradema:s«h in der Reaimentstw
lonne«.
Der Herr Oberst hält mit den Siehs-«
ossizieren vor der Front des Regi- H
unents. Er selbst tommandirt das An- ;
treten, und ruft er »Regiment ——
marsch«, so Lan en die Spielleute an zu
schlagen un g tchzeitig tritt die Ko
Ionne an. So schön bummeln wie hier
bei kann man nie wieder. Eine dichte
Staubtvolte, von mehr denn zweitau
send Iiißen s— und was für welchen -——
aufgewirbeit, fliegt durch die Luft und
hüllt das Ganze in ein geheimnisvolles
Dunkel. Ob da Einer die Kniee durch
dritctt oder die Fußspihen zur Erde
nimmt -—— wer tann das sehen?«
»Mit-km ——- halt.« - «
»Gewehr —- ab.«
Der Parademarsch ist vorüber und
damit das Regimentsexerziren — nicht
sur immer, aber für heute; um das,
was morgen ist, kümmert sich lein
Mensch, es ist genug, daß ein jeder Tag
seine Plage hat.
»Das Regiment steht morgen früh
um 6 Uhr auf demselben Platz wie heute
zum Exerziren«, heißt es Mittags bei
Parole und am nächsten Morgen wie
derholt sich dasselbe Bild. —
»Regiment —«
,,Bataillon —«
ertönt es auch dann wieder und der
Ruf hört nicht aus, bis die Besichtigung
seitens Sr. Exzellenz des kommandi
renden Herrn Generals erfolgt ist.
Und glücklich der Kommandeur. der
dann nicht fiir immer Abschied nimmt
von seinem so geliebten ,,Negiment«!
—·——-—OO-————————
Der Erfinder.
Von Karl A. Tavaststnr.ra.
Er empfing uns ruhig und höflich,
nachdem der Doktor einige Male an
seine Thiir getlopft und unseren Be
such gemeldet hatte. Er bat uns, Platz
zu nehmen, aber seine Gedanken schie
nen noch an dem großen Zeichentische zu
hängen, den er verlassen, um uns die
Thür zu öffnen.
Er war ein Mann im mittleren Al
ter, mager und bleich, mit einem Paar
eigenthitmlicher grauer Augen, die uns
sehr deutlich sagten, daß seine Gedan
ken augenblicklich weit entfernt waren,
und er sich nicht bemühen wollte, sie
unsertwillen zu sammeln. Als aber
der Arzt, mit einer Handbewegung auf
uns hindeutend, erklärte, wir seien ge
kommen, um ihn seine Erfindungen be
schreiben zu hören, wurde er aufmerk
samer, musterte uns mit mißtrauischem
Blirt lächelte dann trauri« und sagte:
»Welche von meinen EreiindungenA
,,Jhre große Erfindung, natürlich,«
sagte der Arzt.
»Alle Erfindungen sind groß, auch
die scheinbar tieinen,«wendete er ein.
»Jhre große Erfindung, das lenk
bare Lastschiff und das Dampfschiff
auf Rädern meine ich,« setzte der Arzt
hinzu.
,,Sehr gern,« antwortete er—»aber
. . . . aber verstehen sich auch die Herren
auf derlei Dinge? Es ist Mechanik und
Aerostatit; im Allgemeinen interessirt
das Mechaniter und Sportsmen . .
»Wir sind Beide Sportsmm,« sagte
»Lustschiffsport?« fragte er.
»Nein, den Sport haben wir noch
nicht üben können, der ist bis auf Wei
tereå zu theuer. Aber Segel- und Rad
vort . . .«
ich
« »Ja, vorläufi ift der Luftsegelfport
ein Vergnügen fgtir Wenige, sehr We
nige,« fiel der Erfinder lebhaft ein
und wendete plötzlich dem Zeichen
ttsch, dem er sich unwilllürlich genähert,
wieder den Rücken. »Aber er ift auch
der Sport aller Sporte,« fuhr er im
selben Athemzuge fort. ,,Laufen und
Schwimmen lernen, das fällt dem
Menschen verhältnißrniifzig leicht. aber
zu fliegen hat er noch nicht gelernt, da
rum erscheint die Kunst des Fliegens
geradezu als Jdealsport.«
»Sie haben sich also mit dem Prob
lem der Luftschifffahrt beschäftigt?«
fragte ich, vielleicht ein wenig herab
lafsend und gezwungen intereffirt.
,,Nein,« sagte er lüh1, ,,nicht das hat
mir hier in der Jrenanstalt Logis ver
schafft. Wissen Sie, ich habe mehrere
fixe Jdeen,« setzte er hinzu und lächelte
ganz vernünftig.
Wir fühlten uns etwas genirt wie er
so freimüthig seine Verrücttheit zur
Sprache brachte, und wußten nicht,
was wir sagen sollten; aber der Arzt
klopfte seinem Patienten gutmüthig auf
die Schulter und erklärte, verschmitzt
lächelnd:
,,Jngenieur Ellmann ist nicht ber
riickter, als ich es bin, er lann es nur
nicht fein lassen, über seine Erfindun
gen zu grübeln.
»Ganz recht!« sagte er sicher und
selbstbewußt. »Ich tann es weder, noch
will ich es sein lassen, über die Geheim
nifse der Natur nachzusinnen, und da
ich das hier in Frieden thun kann. habe
ich mich hier als aeistestranl einschrei
ben lassen. Hier habe ich mein Arbeits
zimmer, wie die Herren sehen, hier ist
mein Zeichentisch, und hier habe ich
Lettüre die neueste Fachliteratur für
das Gebiet der Erfindungen!«
Ich betrachtete mir eini e hefte einer
technischen Zeitung und ah, daß sie
neueren Datums waren. Der s ander
bare Patient fing an, uns immer mehr
zu interessiren, besonders als er unge
beten fortfuhr, in äußerst vernünftiger
Weise fein Hiersein zu motisvirent
»Die Leute sagen, ich sei verrückt,
und der Doktor hier glaubt es auch,
wenn er auch anders redet, das können
Sie ihm ansehen. Na ja, ---— verrückt
und verrückt! Jch möchte wissen, wer
absolut klug genannt werden kann,
undwer die Skala bestimmt hat, nach
der Jhr die Vernunft meßt. Jch be
I
streite, daß es solche Skala giebt, die
auf Alle angewendet werden kann. Un
sere menschliche Vernunft ist ein allzu
verwickelter Mechanismus, als daß Je
mand mit einem Maßstock kommen und
sagen könnte, diese Vernunft ist besser
als jene. Wo haben Sie den vernünf
tigen Mustermenscheni Zeigen Sie
mir erst den Mustermenschen, den Alle
anerkennen, dem Alle zu gleichen stre
ben, den ich selbst anerkenne und dem
ich nacheifere, dann erst können wir an
einem Ausgangspunkt ur Schätzung
der menschlichen Vernunft denken. Nun
giebt es aber keinen für alle Menschen
gemeinsamen Ausgangspunkt, ergo»
kann mich Keiner überzeugen, daß nicht i
meine Vernunft ebenso ut ist wie diej
des Dotiers dort, obgleFch ich, beiläu
fiig gesagt, finde, daß sie etwas besser
it.'·
Der Jngenieur machte mit satiri
schem Lächeln eine bezeichnende Hand
bewegung, und der Doktor sah ein we
nig blöde aus. Um das Gespräch aus
weniger polemische Wege zu leiten, be
nutzte ich die Pause zu der Frage:
»Aber Jhre Erfindung?«
Er ging zu seinem Schreibkisch und
wir folgten ihm. Während er in sei
nen Papiern suchte, sprach er weiter, in
dem er eifrig demonstrirte.
»Ich habe, ebenso wie die meisten
anderen Erfinder, Unglück gehabt. Un
sere kleinen Staaten sind nicht siir Er
finder geschaffen, es ist weder Kapital
noch Unternehmungslust vorhanden.
Jn den großen Staaten giebt es doch
noch Möglichkeiten siir einen Erfinder«
aber in neun Fällen von zehn verhun
gert er auch dort; oder ein Glückliche-!
rer kommt mit derselben Erfindung
vorwärts, mit der ein weniger Glück-;
lieber sitzen geblieben. Genau so ist es
mir mit meinem Dampsboot aus Rä
dern gegangen, das heißt mit einem
Dampfboot, das auf Rädern im Was-»
ser läuft.«
Der Jngenieur zog eine Menge Va
piere hervor und fing an, sie vor uns
auszubreiten, während der Doktor. der
dieselbe Sache früher wohl schon zehn
mal erlebt hatte, gähnte und sich mit
der Versicherung zurückzog, der Jngr
nieur sei kein gefährlicher Kranier,
und daß sein Vortrag recht interessant
wäre, hörte man ihn zum ersten Mal.
Außerdem würden wir dem armen
Manne eine Stunde ungetrübter Freu
de verschaffen, wenn wir auf ihn hören
und so thun wollten, als fänden wir
seine Erfindungen sehr genial.
sit st- st
Als der Doktor uns verlassen, lä
chelte der Jngenieur etwas spöttisch
und sagte:
»Es ist eine alte Gewohnheit vom
Doktor, mich ein wenig zu ermuntern
und meine Zuhörer zu ermahnen, mir
ihren Beifall zu schenken. Daran thut
er übrigens recht. Wenn er nur nicht
die sire Jdee hätte, ich sei verrückt, so
würde er mir sehr gut gefallen. Jetzt
reizt er mich manchmal mit feiner Ver
nunftsrederei, wo er doch so dumm ist,
daß er vor nicht langer Zeit eingefehen,
ich sei hier gar kein Patient, sondern
wohnte hier nur wie in einem Pensio
nat. Uebrigens-, meine Herren, ein
ganz nettes Pensionat für unglückliche
Erfinder, das kann ich Ihnen ver
sichern!«
Wir zwei Gesunden sahen einander
an, in unseren Köpfen begann alles- sich
zu drehen, und wir fingen an, zu glau
ben, daß der Doktor sich mit uns einen
Scherz erlaubt, als er uns den Jngr
nieur als Geistes-kranken borgestellt·
Der Jngenieur bemerkte unsere Blicke,
lächelte vielsagend und nickte.
»Ja, ja,« sagte er, »Sie finden, mei
ne Herren, daß ich mich zu vernünftig
benehme, nicht wahr? Und daß ich zu
klar und logisch denke und eigentlich
allzu klug spreche, um in einer Jrrens
anstatt zu sein? Aber darüber brau
chen Sie sich nicht zu wundern, ich habe
wirklich keine Lust, mich verrückter zu
stellen, als ich bin. Also —- ineine Er
findung! Ja, wie Sie vielleicht in den
Zeitungen gelesen, hat man kürzlich
mitVe uchen angefangen,Danipfboote
Wahn truiren, die auf Rädern im
sfer rollen, anstatt sich durch das
selbe vorwärts zu schaufeln. Die Jdee
st sehr alt, ich hatte fie schon auf der
technischen Schule. Man braucht kein
großes Genie zu sein, um einzusehen,
daß die Reibung gegen das Wasser un
endlich viel geringer werden mufz als
in der früheren Art, und die Geschwin
digkeit dadurch viel größer. Aber mei
neJdee blieb nur Jdee, hier ift die Aus-«
führung auf dein Papier, in Wirklich
keit kam es nie dazu. Und in diesem
Jahre las ich von einem Engländer
oder Franzosen, der besseres Glück ge
habt als ich, und dem es gelungen ist,
Anerkennung zu gewinnen. Bald toll
sie ausgeführt werden. Jeh wünsche
dem Erfinder Glück.«
Er breitete die Zeichnung des aller:
sonderbarsten Fahrzeuges aus, das ich
nur denken konnte. Es war eigentlich
kein Fahrzeug im alten Sinne, sondern
ein Wagen auf kolossalen Rädern, die
u einem Drittel ihrer Höhe in’S Was
fer sanken. Der Jngenieur gab auf
A
uns Acht» um zu sehen, ob uns seine·
originelle Jdee impvnire, aber ich glau
be, wir sahen ziemlich ungläubig aus,
denn ohne die Zeichnung näher zu er-1
klären, suchte er eine Zeitung hervors
und zeigte uns in derselben ein unge-!
fähr gleiches Fahrzeugsprojekt, zu dem
eine Beschreibung gehörte, die er uns zu «
lesen bat. Als wir dies gethan, erschien
unzweifelhaft die Jdee um vieles aus
führbarer, ja ganz einleuchtend. Die
Zeitung war nicht sehr alt, und dort
stand, daß ein solches Fahrzeug schon
intBausri.
»Da sehen Sie, meine Herren,« sagte
er, »wie eine Jdee viel glaubwürdiger
wird, wenn eine große Zeitung sie aus
spricht, als wenn ein unglücklicher Er
finder in einer Jrrenanstalt sie zeigt!
Und um sie davon zu überzeugen, daß
ich die Jdee wirklich früher gehabt, bitte
ich Sie, das Datum auf meiner Zeich
nung zu beachten-sie ist vor acht Jah
ren angefertigt —- und das Datum der
Zeitung —- sie ist einige Monate alt!
Jst es nicht merkwürdig, was Glück
und Zufall hier in der Welt bewirken?
Ein und dieselbe Erfindung macht den
Einen zum weltberühmten Millionär,
undduiAndnuibringtsieüVernn
haus. Es lebe der Zufall, es lebe die
Göttin des Glücks!«
Er stellte seine Betrachtungen mit
der gleichgültigen Ruhe und Resigna
tion eines lebenslänglich Berurtheilten
an. Es lag keine Bitterkeit in seinem
Ausruf, es glich einem Referat, einer
Wiederholung von Gedanken, die er
tausendmal schon früher gedacht.
Es wurde uns etwas ungemüthlich
Sollten wir ihm glauben oder nicht?
Jch für meinen Theil zog es vor, daran
zu Nvrifdn,daßsenæ Ersindungfrü
her gemacht worden war, denn ich will
gern an eine allweife Vorsehung und
Zie Belohnung des Verdienstes glau
en.
Als wir nichts sagten, strich er sich
mit einer nachdenklichen Bewegung
über die Stirn und begann wieder leb
haft:
»Sie sagten, Sie seien Sportsmen,
meine Herren? Segel- und Rad
sportsmen? Jch habe auch eine gute
Erfindung auf dem Gebiete des Segel
sports, die kein Anderer bisher ge
macht, aber ich erwarte, bald etwas da
von zu lesen. Es ist das Ballonboot——
ein Mittelding zwischen Ballon und
Boot. Die Erfindung ist auf Profes
sor Andrews neueste Erfahrungen mit
der sogenannten Schleppleine begrün
det und auf die modernsten Methoden
des Yachtbaues. Mein Ballonboot ist
ganz einfach eine äußerst leichte Yacht
aus imprägnirter Seide, mit einem
Schwert in der Mitte oder einem tief
gehenden Kiel versehen. Das Jnnere
der Yacht wird mit Gas gefüllt und
nimmt gerade so viel auf, daß das Boot
nicht in die Luft steigt, sondern mit ei
nem minimalen Druck auf dem Wasser
ruht. Sind Sie Yachtsegler, meine
Herren, so begreifen Sie, von wie hoher
Bedeutung es für die Geschwindigkeit
ist, wenn die Reibung mit dem Wasser
so gut wie aufgehoben wird. Nun —
mit einem kleinen Segel von Seide will
ich mit diesem Boot eine Fahrgeschwin
digteit erreichen, die alle bisher gewon
nenen Dampfschiffsrecorde schlägt.
Vor dem Winde laufe ich mit ihm um
die Wette, nachdem der Kiel aufgezogen
worden« und ein Sturmwind kann eine
Geschwindigkeit von dreißig Metern in
der Setunde haben. - ch berühre kaum
die Wogen, der Kie hält mit einem
kleinen Bleigewicht das Boot aufrecht,
und die Elastizität der Seide und des
Gases verhindert alle Stöße. Wie eine
Schlange schmiegt sich dss Boot den
Wogen an, ,,zu schwer für die Luft, zu
leicht für die Wogen«, wie Jbsen vom
Dichtervogel sagt. 30 Meter pro Se
kunde, das macht 1800 Meter in der
Minute, 108 Kilometer in der Stunde,
d. h. eine Geschwindigkeit von 60 Kno
ten! Jch glaube kaum, daß mein
Dampfboot auf Rädern mehr schaffen
wird. Bei Seitenwind und beim Kreu
zen muß man vielleicht die Segel reffen
und sich mit 10 bis 20 Knoten begnü
gen, so viel wird das Boot schon aus
halten. Aber ich möchte unsere besten
Schnellsegler mit dem Ballonboot wett
segeln sehen!
Sie wenden ein, das Gas sei bald zu
Ende. Wochenlang tann es das Boot
gefüllt halten. Aber verschwindet es all
mählig, so wird es durch Luft ersetzt.
Natürlich ist die Luftpumpe im Boot.
Und wird das Boot auch etwas schwe
rer, so hält die Luft es dennoch über
Wasser, und es bleibt auf jeden Fall so
leicht, daß ich mit ihm doppelt so schnell
fahren werde, als je bisher ein Segler.
Hier ist die Zeichnung, wenn es Sie in
teressirt!«
Wir sahen eine Zeichnung, ungefähr
wie zu einem Segeltanot, es lag nichts
Sonderbares darin. und unsere
Sportsmaninstinkte fühlten sich nicht
durch das Projekt beleidigt. Wir woll
ten gerade unsere Meinung sagen, hätte
der Doktor nicht gerade im selben Au
genblick zur Thür bereingeschaut. Er
fand, daß wir uns lange genug bei dem
Erfinder aufgehalten, wir waren er
staunt, die Situation ganz vergessen zu
haben, und beeilten uns, vom Jngr
nieur Abschied zu nehmen, indem wir
ihm versicherten, daß seine Erfindun
gen uns aus das Höchste interessirten.
Er begleitete uns höflich bis zur Thür,
lächelte in seiner eigenthümlichen Weise
und sagte zum Abschiede
»Wenn Sie mir ein ganz besonderes
Vergnügen bereiten wollten, meine Her
ren, so senden Sie mir bitte, die erste
Sportzeitung, in der mein Ballonboot
beschrieben ist.«
»Aber weshalb senden Sie nicht
selbst Jhr Projekt an irgend eine Fach
zeitung?« fragte ich in der Thür.
»Meine Projekte kommen niemals
aus den Pension heraus,« antwortete
er trocken. »Ich habe schon mehr als
einmal versucht, aber — sie sind ja
wahnsinnig, natürlich!«
Bevor wir uns trennten, theilte uns
der Doktor noch das über den Erfinder
mit:
Er war ein wohlhabender Mann ge
wesen, hatte aber seine sämmtlichen
Einkünfte für Erfindungen und Ex
perimente vers chwendet. Niemand zwei
felte an seinem Wissen und seinem Ge
schick, aber er wendete es niemals
fruchtbringend an. Eine Stellung, die
er in einer mechanischen Werkstatt in
negehabt, mußte er verlassen, weil er sie
Jnicht ausfüllte, sondern nur seinen
’Theorien nachgrübelte. Als er kaum
Inoch die Kleider an seinem Köper be
. saß, nahmen sichsreundliche Verwandte »
" seiner an, und damit er es so gut wie’
l möglich haben sollte, wurde er mit sei
nem Willen in diese Pflegeanstalt für
IGeisteskranke geschickt. Er fühlte sich
Thier wohl und äußerte niemals den
«Wunsch, fortzukommen. Was er uns
soeben gesagt, klang bitter, aber Nie
»mand zwang ihn, zu bleiben. Er that
’es aus freien Stücken.
» st er denn verrückt?« fragte ich.
»in — ja!« antwortete der Doktor
ausdrucksvoll. ,,Verrückt und verrückt!
»Wo ist die Grenze zwischen Vernunft
und Verrücltheit?« .
--....« — - - - -—-———,-—« --
Sein Stellvertreter.
Humoreste von Max Hirschfeld
Es fand ein Liederabend des be
rühmten Tenoristen Hochzeh statt. Un
ter dem athemlos lauschenden Publi
kum befand sich auch Laura. Jhre
schwarzen Augen hingen wie gebannt
an der schlanten Gestalt des göttlichen
Sängers, ihre-Ohren gewissermaßen an
seinen Lippen. Auf ihrem Schooß hielt
sie einen Handschuhkasten, in welchemi
noch drei Paar neue Handschuhe lagen. i
Ursprünglich war es ein volles hal-’
bes Dahend gewesen, aber während
»der Vorträge hatte sie bereits zwei
Paare zertlatscht und als total un
brauchbar fortgewvrfen. Das dritte
Paar hatte sie auf den Händen, es soll
te bald den beiden ersten folgen. Neben
Laura saß Waldemar, ein schüchternen
junger Mann, der sie anbetete. Sie
hatte ihn niemals erhört, sie wollte
nichts von ihm wissen. Jn der Nähe
des Tenoristen erschien er ihr geradezu
als eine klägliche Figur. Er konnte
nicht singen, das war barbarisch, er
war unmusikalisch, das fand sie im
höchsten Grade verächtlich.
Und doch, gerade heute sollte Walde
mar einen Augenblick höchster Seligkeit
erleben. Der Tenorist hatte soeben eine
Glanznummer beendigt. Laura klatsch
te in überwallender Begeisterung das
dritte Handschuhpaar zu nichte, es fiel
in kleine Fetzen zerrissen zu ihren
Füßen. Ein neues Paar anzuziehen,
dazu fehlte die Zeit, aber wohin mit
dem Ueberschwang des Enthusiasmus
Sie wandte sich nach der linten Seite, »
an welcher eine ihr gänzlich unbekannte -
alte Dame saß. Laura umarmte sie und
vergofz an ihrem Busen Thränen tief
sten Empfindens. Aber die alte Dame
schüttelte sie ab, und doch war noch ein
» Rest von Begeisterung vorhanden. Lau
sra wandte sich nach rechts und um
Iarmte Waldemar, der sie entzückt an
Isein Herz drückte und »Mein, meint«
l stammelte. Da war aber gerade Lau
ras Begeisterung zu Ende, und sie stieß
den Anbeter mit dem Ausruf: »Ab
scheulicher!« zurück. Sie wurde ruhig
« und zog das vierte Handschuhpaar an.
Er sang die Schlußnummer. llnter
»Er« verstehen wir immer den Tenori
sten Hochzeh, nicht Waldemar. Er war
zu Ende. Man überschüttete ihn mit
lBlumen. Laura hatte keine Blumen
bei sich, eine Vergeßlichkeit, für welche
Waldemar ein böser Blick aus den dun
keln Augen traf. Sie warf ein Zehn
markstück auf das Podiuin So viel
hätte sie für ein Blumenbouauet ausge
l geben, wenn sie daran gedacht hätte.
. Und nun hinaus, hinaus an das
ZPförtchem aus welchem der begnadete
iKiinstler heraustreten mußte. Hun
fderte weiblicher Enthusiastinnen war
teten darauf, denn sie wollten ihm die
Pferde ausspannen. Sein Diener er
lschien. Man umringte ihn, man fragte
, ihn aus. Der Herr werde in einer
Droschte nach Hause fahren. Es stand
l—
eine ganze Reihe von Droschten auf der
Straße. Jm Nu hatte man sämmt
lichen Droschien die Pferde ausge
spannt. Laura hatte das Glück, die
Droschie ziehen zu bei-sen, welche der
Tenorist erwählt hatte. Es war der
Zug ihres Herzens.
Er bewohnte drei Zimmer im Hoteb
Das erste war das Schlafzimmer, das
zweite das Audienzzimmer, das dritte
das Wartezimmer. Jm letzteren stan
die Verehrerinnen Hochzehs und nah
men die Nummern in Empfang, welche
der Diener unter sie vertheilte. Jn der
Reihenfolge der Nummern sollten sie in
das Audienzzimmer treten, um dem
Künstler persönlich die Hand zu drücken
und ihm für den Genuß des Abends
danken zu können.
Laura hatte Nummer 107. Sie war
eine der Letzten Geduldig wartete sie,
bis ihr Nummer aufgerufen wurde,
dann stürmte sie hinein.
Da stand er. Beinahe hätte sie ihn
nicht wieder erkannt, so abgespannt sah
er aus. Auch schien er in der kurzen
Spanne Zeit wesentlich magerer ge
worden zu sein. Von seinen stolz her
abwallenden Haaren waren nur noch
einzelne Strähne zu erblicken, das Ueb
rige war den 106 Verehrinnen als
Locken-Andenken anheimgefallen Me
chanisch reichte er Laura eine Scheere
hin Sie schnitt noch zwei Strähne ab,
— es blieb gerade ein Rest für die paar
übrigen Damen im Wartezimmer üb
rig
Die Größe des Augenblicks machte
Laura stumm. Nur durch eine Art
s chnellerfundener Geberdensprache
konnte sie einigermaßen ihre Empfin
dungen ausdrücken Dann aber konnte
sie nicht anders, —- sie stürzte auf den
Künstler zu und umarmte ihn innig.
Er erwiderte ihre Küsse mit einem ge
wissen Eifer, das war sehr nett von
ihm, das muß man wirklich sagen. Nur
mit schwerem Herzen riß siquch los-.
ZWIfchM Alldienzsi und arti-zün
met be and sich nicht nur eine Thüre,
sondern auch eine Portiere Als Num
mer 108 eintrat, schlich Laura ihr nach
und versteckte sich hinter der Portierex
Wenigstens wollte sie den Anblick des
geliebten Künstlers noch eine Weile ge
nießen. L « is
Endlich war die Zahl der Besuche
rinnen erschöpft. Laura wollte sich ge
rade aus ihrem Versteck entfernen, als
die Schlafzimmerthüre geöffnet wurde
und —- der Doppelgänger des Tenori
sten eintrat. Nein, kein Doppelgänger,
jetzt erst bemerkte Laura, daß der Neu
eingetretene der wirkliche Tenorift war
und der Andere ihm nur entfernt ähn
lich sah.
»Kouschke«, sagte der Künstler mit
finsterer Miene, »Sie überschreiten
Jhre Befugnisse. Jch habe Sie enga
girt, weil Sie mir einigermaßen ähn
lich sehen, um mich von den Ovationen
meiner Verehrerinnen zu entlasten.
Aber wenn Sie jede dumme Gans ab
iüssen —— ——«
Ein Schrei aus einer weiblichen
Kehle und das donnernde Zuschlagen
einer Thüre unterbrach den Sprechen
den. Laura stürzte auf die Straße, wo
sie Waldemar, getreu ihrer harrend,
fand.
,,Waldemar«, rief sie aus, ,,können
Sie mir verzeihen?"
»Alles!« sagte er auf’s Geradewohl.
,,Morgen können Sie die Verlo
bungsiarten drucken!« hauchte sie.
Er war nämlich Buchdruckereibe
sitzen
—- ----- —. y-—»« —
Eine feine Familie
Man schreibt aus Madrid: Vor Kur
zem ist in Saragossa Jose Gonzalez,
der dortige Henker, im Alter von 84
Jahren gestorben. Derselbe ist 56 Jah
re ,,im Amte« gewesen und bat während
dieser langen Laufbahn 192 Verirr
theilte in die Ewigkeit befördert. Seine
beiden Brüder, Severo und Ramon,
sind ebenfalls Henker gewesen. Der
erste starb in Barcelona im Alter von
89 Jahren. Man sollte glauben, das
Handwerk, das darin besteht, seine
Mitmenschen aus diesem irdischen Da
sein zu fpediren, vertiirze keineswegs
das Leben Derjenigen, die es ausüben
Ramon, der jüngste der Gebrüder
Gonzalez, Henker in Burgos, starb je
doch am Fuße des Schafsots, auf wel
chem er drei Verurtheilte gleichzeitig
hingerichtet hatte. Ein Vetter der
Gonzalez war Henker in Valladolid.
Der Vater des Verstorbenen war
Ackersmann in Grisen, einem aragone-·
fischen Dorfe. In Folge einer Wette
trat er beim Hen er in Saragossa alk
Gehülfe ein, verblieb dort und ersetzte
den »Meister« nach dessen Ableben. Jo
se Gonzalez Hinterläßt eine Wittwe und
zwei erwachsene Söhne. Der älteste
von diesen wird die Stelle des Vaters
übernehmen
«-----s-.-- «-«
LeichteAbbilfe
Sie (nach vorausgegangenem Streit
schmollend): »Das ist nicht schön von
Dir, Max, daß Du so einsilbig bist!«
Er (ärgerlich): »So nenne mich halt
« Maximilian!«