Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 21, 1896, Sonntags-Blatt., Image 7

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Sonntags - Blatt
Ema-» M ,",A..z-"ig« iiiiv Hemis- z.. N».sd,skyrg««g-ss
J P. Windmle Herausgeber
Grund Island-, NeIasküF Adevnmä21. Aug-list 918965
ZEKUMW
Dönningljaufrn
Roman von Claire v. Glümer
GorisetzungJ
»Ich lasse dich nichi!« ries er leise in
leidenschaftlich zitterndem Tone. »Ich
will d e Thränen sehen, die mich glück
, lich wachem-wir werden uns entschä
, digen siir das leyte bischen Glück, das
uns der Zufall zu rauben s ucht. Du
wirst ni t immer sticken, nicht immer
mit Elsr ede spazieren gehen. Da ich
alle Tage in Danninghausen Dienst
D können wir uns täglich im Walde
eg...n . . und anders verkehren als
hier unter all den Augenl«
Er stand vor ihr in einer Fenster
nische des Wahn immer-s und hatte ihre
beiden hände gefaßt. Sie suchte sich
los zu machen.
»Laß mich, laß mich! Was du da
sagst, ist abscheulich,« sliisterte sie.
Jn diesem Augenblick trat Johanna
zu ihnen.
»Streitei ihr schon wieder?« fragte
sie; »was habt ihr denn immer?«
»Otio’s Schuld — er isi ungezogen.
— Arme Johanna, du wirst schwere
Arbeit mit ihm haben!« rief Mage
lone, und indem sie sich an Otto vorbei
driingte, wars sie ihm einen Blick zu,
der ihm zugleich Vergebung und Ver
heißung zuzuwinken schien.
CHchatte geregner.. Der Freiherr,
den die Frühlingslusi an riss- wollte
nach dem zweiten Frühstii zu schlafen
versuchen, und Jo anna ließ. die freie
Stunde benii end, Ellinor satteln und
ritt der Wald lause zu, um einmal wie
der selbst nach Christine zu fragen.
Der einsame Waldritt that igr wohl;
die Last, die ihr seit einiger eit das
Her-z bedrückte, das unbestimmte Ge
iih einer Entsrerndung zwischen ihr
und Otto, versank in der heiteren Le
benssiille, die sie umgab. Jn durstigen
gii en athmete sie den bitterlichen
u t, den stischgeträntt Bäume und
Kräuter und die Erde selbst im Son
nenschein aushauchtem sie lauschte voll
Freude, wenn aus dem Summen,
Schwirren, Zirpen und Zwitschern um
sie her hier ern sröhlicher Fintenschlag,
dort der Lockruf der wilden Schwarz
drossel den ganzen Wald durchhallte.
Tausend liebe, fröhliche, wehmüthige
Erinnerung riefen diese Vogelstim
men in ihr wach. « »Otto!« sliisterte
sie und einWonneschauer ging ihr durch
Leib und Seele. Ja, Verzagtheit und
Zweifel waren ein Unrecht — ein Un
dani gegen den Gebet so viel »guter
und volliommener Gabe.«
Wie im Traume ritt sie weiter, und
doch waren Sinne und Seele dem Le
ben um sie her erschlossen wie nur je·
Kein Ton der süßen Frühlingssymphw
nie entging ihrem Ohre, ihrem Auge
kein Farbenblisz der Millionen Tropfen
die beim leisesten Windhauch von den
Zweigen niederieselten.
Ellinor spitzte die Ohren. Gleich dar
aus rauschten die Busche zur Seite des
Weges, ein Mann iam daraus hervor
und nahm grüßend die Mütze ab. Es
war der rothe Jakob.
Johanna zog den Zügel an.
,,Guten Morgenl« rief sie ihm
freundlich u. »Was macht Christine?
Jch bin aus dem Wege zu ihr.«
»Danie, gnädige Frölem es geht bes
ser,« antwortete er mit gedämpster
Stimme, indem er näher trat. »Nur
der Nachtschlas will noch nicht wieder
kommen, dasiir schläft die Kleine viel
am Tage. Das thut sie auch jetzt.«
Und mit lauerndem Blick fügte er hin
zu: »Sol! ich Sie werten, oder wollen
niidicge Tritten ein bischen warten? —
gech k« nn e Ihnen unterdessen was zei
en. das man nicht alle Tage zu sehen
riegt.« ·
Zu anderm Zeiten hätte sich Johan
na, durch sein schadenstobeö Grinsen
ewarnt, nicht daraus eingelassen;
te beachtete sie das n cht und fragt(
unbefangen: wo sich seine Raritcit be
siindelt
»Gut nicht weit von hier,« antwor
tete er; »aber absteigen müssen gnädig·
Frölen. Das Pferd binde ich an, Und
dann geht"s da hinauf um die kleine
Klippe herum. Gesprochen werden darf
freilich nicht und ganz vorsichtig müssen
wir austreten, sonst ist’s Nichts mit der
Ueberraschung.
»Ein Vogelnest also!« sagte Johan
na heiter lächelnd, sprang vom Pferde,
bedeutete Goldhund, bei Ellinor zu
bleiben, und folgte dem voranschreiten
den Jakob auf einem Wege, der nur sel
ten benützt zu werden schien, denn er
war von Unkraut überwuchert und von
beiden Seiten durch überhängendesGe
sträuch versperrt. Borsichtig bog ihr
Führer Zweige und Dornenranlen u
rück, ihr das Gehen zu erleichtern. « u
toeilen sah er sich, den Finger aus den
Mund legend, nach ihr um, dann
lauschte er wieder nach vorwärts, und
dabei sunlelten seine Au en und die
spitzigen Zähne gruben Lsich tief in die
eingezogene Unterlippe.
Jetzt hatte er die Felsenecke erreicht,
lauschte abermals und winkte Johan
na, heran zu kommen. Nun war sie an
seiner Seite, mit hastigem Griff riß
feine gesunde Hand das Strauchwerk
auseinander-, dann trat er zurück und
Johanna stand in sprachlosem, re
gungslosem Entsetzen Otto und Mage
lonen gegenüber. Auf einer niederen
Felsenstufe sitzend. von dichtem, über
bängendem Gebüsch beschattet, hielten
sie sich umschlungen, und lächelnd mit
.· halbgeschlossenen Augen duldete sie
seine Küsse.
Das heisere Auslachen des rothen
H Jakob schreckte sie aus ihrer Versunten
i heit.
I ,,Johanna!" rief Otto, indem er auf
sprang.
Seine Stimme löste den Bann, der
, sie gefesselt hielt. Zusammenschaudernd
drückte sie beide Hände an die Schläer,
und als Otto ihren Arm fassen wollte,
wendete sie ihm hastig den Rücken und
suchte stch durch das Dickicht Bahn zu
brechen.
Magelone, die wie ehrochen dageses
sen hatte, fuhr aus un eilte ihr nach.
»Bitte mich, höre mich!« rief sie, in
dem sie sich an Johanna’s Neitkleid
klammerte. »Ich lasse dich nicht gehen,
sohochmiithig... so... so ...«
»Magelone, sei ruhig, ich beschwöre
dicht« hat Otto.
Sie schüttelte wild den Kopf·
, »Nein, nein, ich will endlich sprechen
, und Johanna soll mich hören! Lange
genug hbe ich ihre Falschheit ertragen
l— ihren Hochmuth, ihre verächtlichen
.Mienen ertrage ich nicht. Vor mir soll
- sie fchamroth werden, vor mitt«
Nach diesen Worten, die sie in na
menloser Hast hervorstieß, ließ sie Jo
hanna’s Kleid wieder los, trat schnell
vor sie hin und flüsterte, indem sie ihr
mit suntelnden Augen in’s Gesicht sah:
»Weißt du, warum er sich mit dir
verlobt hat? —- Um mich vor Großva
pas Zorn zu schützen. Für mich war
das Billet geschrieben, das Großpapa
in die Hände fiel ——— fiir mich —-—— frage
ihn nur selbst!«
Unwilltiirlich folgte Johanna’s Blick
Magelonens deutender Hand. Otto,
der blaß geworden war, sah, die Lippen
zusammenpressend, vor sich nieder.
Magelone, außer sich vor Zorn und Be
schämung, packte seinen Arm und schüt
telte ihn.
»Sprich!« rief sie. »Bei deiner Ehre
verlange ich,dasz du die Wahrheit sagst:
für wen war das Billet? —— für wen?«
wiederholte sie, als er ihre beiden Hände
faßte. »Du bist feig und verächtlich,
wenn du jeßt nicht s prichst! Für wen
war das Billet?«
»Für dicht« sagte er hart, und indem
er ihre Hände beinahe fortstiesz, trat er
auf « ohanna zu.
» erdamme mich nicht!« hat er; ,,lasz
dir ertlären.«
Aber sie hörte ihn ni t, oder wollte
ihn nicht hören. hastig riingte sie sich
durch die Büsche. die h nter ihr zusam
menschlugen, und als ihr Otto folgen
. wollte, rief ihn ein Aufschrei Magelo
nens zu dieser zurück. Krampshaft
schluchzend lag sie auf den Knieen und
, sah mit irren Augen umher. Er lonnte
sie so nicht allein lassen.
»Bitte, steh’ auf und laß das Wei
. nen,« sagte er ungeduldig, indem er ihre
J. hände faßte. Sie gehorchte wie ein er
schrecktes Kind, liesz sich aufrichten und
trocknete die Augen.
»Was soll nun geschehen?« fragte er,
t. und als sie. statt zu antworten. nur mit
dem Ausdruck der Rathlosigleit zu ihm
aufsah, fügte er bitter hinzu: »du wirst
doch bei der Scene, die du eben aufge
führt hast, irgend eine Absicht gehabt
haben.«
»Ich eine Absichtl« wiederholte sie.
»Kann ich dafür, daß Uns . . . daß Jo
hanna hierher kam?'«
»Laß die Wintelziige!« fiel er heftig
ein. »Du weißt sehr gut, daß ich nicht
von dem Zusammentreffen spreche, son
dern von der Erklärung, die du mir in
deiner Raserei abge wungen hast. Erst
durch sie ist jede Verzsöhnung unmöglich
eworden . . . . Einen Augenblick der
erirrung hiitte Johanna verzeihen
s tönnen . . . ."
fvh Magelone erglühte. Das sagte er
r r.
»Ich wußte nicht, daß du darnach
verlangteft!« rief sie mit bebender
Stimme.
Ohne die Unterbrechung zu beachten,
fuhr Otto fort:
»Und ich glaube, daß ich sie dazu ver
mocht hätte. Sie ist großherzig und
selbstlos . . . .«
»Aber warum bist du denn noch
hier?« fiel Magelone ein und ihre Au
gen spriihten. »Eile doch, eile und
wirf dich deinem großhetzigen, selbstlo
sen Wesen in die Arme —- zu Füßen«
wenn es sein muß!« Auflachend wen
dete sie ihm den Rücken und wollte
gehen.
Er vertrat ihr den Weg.
,,Bleib’!« sagte er mit einer Be
stimmtheit, der sie unwillkürlich ge
horchte, und während sie mit niederge
schlagenen Augen und herabhängenden,
leichtverschlungenen Handen vor ihm
stehen blieb fuhr er in hartem Tone
ort:
l
,,Du weißt recht gut, dasz deine Aus
schlüsse über den Anlaß zu meiner Ver
lobung unsere Heirath unmöglich ge
macht haben. Aber hast du auch be
dacht, daß ich damit meine Existenz
mittel verliere, und daß auch du nach
diesem Eclat nicht wie bisher in Dön
ninghausen sortleben kannst? Darum
sragte ich, was nun geschehen s oll.«
Magelone zuckte stumm die Achseln;
nach einer Pause fuhr Otto in bitterem
Tone fort:
,,Uns Beiden, darüber täusche dich
nicht, bleibt nur Zweierlei übrig: ent
weder dirert mit einander in die weite
Welt zu gehen, oder — da uns hierzu
leider die Mittel fehlen — als reuiae
Sünder vor Großpapa zu treten und
seine Verzeihung nebst seinem Beistand
zu etbitten. Je schneller wir das thun,
um so besser, am besten in dieser Stun
de noch. Komm’, wir gehen gleich!«
Mit diesen Worten trat er auf
Maaelone zu, aber sie wich zurück und
streckte ihm wie zur Abwehr die Hände
entgegen.
»Ich danke dir!« ries sie in ihrem
alten spöttischen Tone. »So weit, daß
ich dies Opfer von dir annehmen müß
te, fühle ich mich noch nicht reducirt . . .
Du lieber Himmel, was habe ich ge
than? —«-— einen Vetter in seiner Cour
macherei etwas zu weit gehen lassen!
Diese »Verirrung eines Augenblicks«
werden mir sowohl Großpapa wie Jo
hannLeopold verzeihen können .....
Meinst du nicht auch?«
Otto wechselte die Farbe.
i »Miiglich!« antwortete er mit er
zwungener Ruhe. »Versuche dein Heil.
Deine geschickten Hände werden doppelt
geschickt sein, wenn es sich um Wiederer
angung eines Majorats handelt . · .
»Und deiner Johanna großes Herz
doppelt selbstlos, wenn für sie der Na
me Dönninghausen aus dem Spiele
steht,« fiel Magelone ein, und sich leicht
verneigend, rasste sie ihr Kleid zusam
men und ging an Otto vorüber der Fel
sentreppe zu, die von hier aus nach der
Klausenburg hinunter führt. Jetzt
stand die schöne Gestalt am Rande der
Klippe, nun tauchte sie zwischen dem
Strauchwerk nieder; noch einmal flat
terte der blaue Schleier aus, dann ver
schwand auch er in der Tiefe, und Otto
war allein mit seiner Beschämung, sei
ner Unentschlossenheit, seinem ohn
mächtigen Grimm, seiner unllaren
, Empfindung
Jm ersten Augenblick erschien es ihm
unerträglich, sie ohne Weiteres gehen zu
lassen; er wollte ihr nacheilen, sie sollte
wenigstens wissen, wie er sie haßte und
. verbrachte. —- Dann aber sagte er sich
selbst, daß sie in ihrer Eitelleit seinen
Zorn nur siir den Ausdruck der Ver
l J
l
« zweislung über ihren Verlust ansehen
» würde, während er es im Gegentheil
· als Erlösung empfand, daß sie ihn und
den Beistand, zu dem er sich verpflichtet
gefühlt, zurückgewies en hatte. —
Statt ihr zu folgen, schlug er die ent
gegengesetzte Richtung ein, und wäh
I rend er auf dem Wege sorteilte, der ihn
s in der lehten Zeit so oft zu ihr geführt,
F zeigte ihm die Erinnerung das totette
I Spiel,das sie mit ihm getrieben, in vol
I ler, quälender Deutlichkeit Und um
fdieses eitlen, herzlosen, berechnenden
.Weibes willen, hatte er sein und Jo
hanna’s Glück verscherth — Vergessen
war Alles, was ihm noch vor Kurzem
s im Wesen seiner Braut mißfallen hatte,
und —- nun -sie für ihn verloren war,
erblickte er in ihr die Vertörperung al
les Wünschenswerthem
Aber war sie ihm denn verloren? —
Wenn er mit dem offenen Bekenntniß
seiner Schuld und der Bitte um Ver
zeihung kam, mußte sie nicht vergeben
und vergessen? Mußte sie es nicht um
so mehr, da auch äußerlich seine Exi
stenz davon abhing ?-—daß er, wie Ma
gelone höhnisch hervorgehoben, seinen
Namen dagegen einzusetzen hatte, war
um so besser, der Gebende zu sein ihm
überhaupt viel lieber, als sich beschenten
zu lassen. — Je länger er die Lage der
Dinge überdachte, um so mehr tam ers
zu der Ueberzeugung, daß « ohannas
durch Auslösung des Berlöbni es nochi
mehr verlieren würde als er selbst, nndi
in dieser Ueberzeugung fühlte er sichs
nicht nur berechtigt, sondern geradezu!
ver slichtet, jeden Trennungsvorschlags
entfchieden zurückzuweisen. Als er ani
der Kreuzung derWege von Tannhagen ;
und Dönninghausen s chnell ent- »
schlossen den letzteren einschlag, ums
die ,,fatale Geschichte« so schnell
als «möglich zu Ende zu bringen,
war er bereits so weit gekommen, sich
selbst die größte Geduld und Müßi
gujig zu geloben, wenn Johanna nach
Frauenart seiner »etwas zu weit gehen
den Eourmacherei« übertriebene Wich
tigkeit beilegen s ollte.
n-- s-- k
Uocr cis-D cr, soll Ucl UUccöcUgcllUcll
Kraft seiner Bitten und Vorstellungen
durchdrungen, Dönninghaus en erreichte
und Johanna zu sprechen verlangte,
hörte er, daß sie von ihrem Morgenritt
noch nicht zurückgekommen sei. Was
nun? Jhr entgegen gehen? — Nein!
der Fuß änger war der Reiterin gegen
über zu isehr im Nachtheil; er beschloß,
sie zu erwarten. Nachdem er Befehl ge
geben, ihm Johanna’s Heimkehr sofort
zu melden, begab er sich in den Part,
um der Unterhaltung mit Tante Theklai
aus uweichen. Nie war ihm das War-!
ten zfo schwer geworden! Er versuchte
zu rauchen, aber nach wenigen Zügen
warf er die Cigarre weg; immer ringe
duldiger ging er in der Mittelallee auf
und nieder, und —— was das Schlimm
ste war —- mit jeder Minute, die ver
strich, wurde seine Zuversicht geringer.
Johanna war, als sie Magelone und
Otto verließ, ohne Weg und Richtung
zu beachten, geradeaus in den Wald ge
gangen. Die Vögel sangen noch immer
wie zuvor; zitterndes Sonnengesunkel
spielte durch die bewegten Baumkro
nen; blitzende Tropfen fielen von Zweig
zu Zweig oder schimmerten in den wei
ssen Aneinonen, die überall aus der
Ibraunen Laubschicht des vergangenen
Jahres hervorsahen, Alles drängte sich
sJohanncks Sinnen seltsam deutlich
? auf, und doch fühlte sie sich wie da
I von abgetrennt, nur dem Einen,
jSchrecllichen gegenüber, daß sie weder
Zzu fassen, noch zu nennen wußte.
k Endlich kmichte sie den Waldes
»saum; mit trübem, stumpsem Blick sah
s sie umher. Vor ihr lag ein steil abfallen
« der Haidestrichz unten im Thale schim
! inerten die frischgriinen Saaten der
· Dönninghäuser Feldmart, zwischen ih
nen zog sich die Fahrstraße nach Klau
senburg hin. Sie kannte das Alles —
aber es war nicht mehr wie sons -—und
sie selbst war nicht mehr wie sonst und
das ganze Leben nicht! Das Herz war
ihr so schwer, so wüst, und die müden
Füße trugen sie nicht weiter; aufseus
zend wars sie sich in’s Haidetraut
Plötzlich rauschten und knackten die Bü
sche hinter ihr; sie sah sich um —- Gold
hund war’s, der daraus hervorstiirzte
und im nächsten Augenblick vor Freude
winselnd zu ihren Füßen lag; dann
sprang er an ihr aus« die treuen Augen
sahen sie so beweglich an — die treuen
Augen! —- Und nun war der Bann ge
; brochen, der ihre Seele gefangen hielt
. ihr ganzes Elend la tlar vor ihren
i Blicken, das ganze efiihl desselben
Inbekftuthete ihr Herz, und den Hund
s umklammernd, der die Noth der Herrin
zu verstehen schien, legte sie bitterlich
weinend die Stirn auf seinen Hals.
So saß sie noch und weinte, als der
rothe Jakob und Christine, die Gold
hund gefolgt waren, aus dem Dickicht
hervortraten. Jakob blieb stehen, Chri
stine eilte aus Johanna zu und warf
. sich neben ihr auf die Knie. Johanna
; erhob den Kopf. Bei dem Anblick ihres
; blassen Gesichts, ihrer starren, ver
’ weinten Augen brach auch Christine in
I Thränen aus.
I »O gnädiges Fräulein!« rief sie;
« ,,bitte, seien Sie-nicht böse . . . Der Ja
kob hat mir Alles gesagt . . . Es war
; unrecht, aber gewiß und wahrhaftig, er
? hat es nicht schlecht gemeint . . . .«
,,Laß es gut sein, Christine!« fiel ihr
Johanna in’s Wort, indem sie auf
stehend die Augen trocknete; aber die
junge Frau hielt sie am Kleide fest und
bat nur noch inständiger:
»Bitte, seien Sie dem Jakob nicht
böse . . . bitte, nicht!«
Jetzt trat auch er heran.
,,Christine, thu1 doch nicht, als hätt’
ich Gott weiß was verübt!« rief er mit
steigendem Grimm in Ton und Miene.
»Ich tonnt’s nun einmal nicht ansehen,
wie die Beiden unsere gnädige Frölen
betrogen . . . Du weißt’s ja, es ist heute
nicht das erste Mal gewesen, daß sie sich
hier oben getroffen haben . . . Und hab’
ich’s etwa nicht gesehen, wie der saubere
Herr auch mit dir anzubandeln versucht
hat? . . . Hab’ ich’s nicht gesehen? . . .
Mit diesen Worten hob er die geballte
Linie und schütelte sie. ;
»O Jaroo, Davon hast ou ja nicht
sprechen wollen,« sagte Christine in ih
rer sanften, beschwichtigenden Weise.
,,Solch’ ein Herr denkt sich nichts dabei,
wenn er sich mitunsereins seinen Scherz
macht . . . .«
»Aber ich, zum Teufel, denk’ mir
was!« schrie Jakob, und die wild fun
kelnden Augen gaben ihm mehr als je
das Aussehen eines Raubthiers. »Wie
einen Hund schlag’ ich ihn todt. . . .«
Plijtzlich verstummte er vor dem trau
rig vorwurssvollen Blick, den Johanna
auf ihn richtete. »Wie die Augen vom
Edelwild, wenn’s unterm Schuß zu
sammenbricht und verendet,« sagte er
zu sich selbst, und laut fügte er hinzu:
»Ich hab’s wirklich und wahrhaftig
gut gemeint . . . . Wenn mir gnädige
Frölen nur glauben könnten!«
Johanna nahm sich gewaltsam zu
sammen.
»Ich glaube Jhnen,« antwortete sie
nach kurzer Pause: »und weil ich das
thue, bin ich auch überzeugt, daß Sie
Beide von dem, was hier eben vorge
gangen ist —- mir zuliebe — mit Nie
mand sprechen werden.«
,,Darauf können sich gnädige Frölen
verlassen!« rief Jakob, indem er sich
stramm aufrichtete, und Christine
drückte weinend Johann’s Hand an die
Lippen· Johanna machte sich sanft von
ihr los.«
»Ich muß nun fort,« sagte sie; ,,wie
gehe ich am besten, um schnell zu mei
nem Pferde zu kommen?«
Der rothe Jakob erbot sich, das Thier
zu holen; Christine sollte das gnädige
Fräulein inzwischen zu der großen
Buche am Dönninghauser Wege süh
ren; dorthin wollte er Ellinor bringen.
Johanna war einverstanden, und der
’rothe Jakob stürzte fort, während Jo
s hanna mit ihrer Führerin dem bezeich
i neten Baume zuging.
s Und dann kam Jakob mit dem Pfer
;de, Johanna schwang sich in den Sat
ikeh sagte hastig Lebewohl und jagte
. ort.
i »Als oh drr Tod hinter ihr wir-reg
E meinte Christine, die ihr angstvoll nach
;sah, bis sie zwischen den Büschen ver
! schwunden war.
Isweiundzwizigstes Cupi
Y te l.
l Als Johanna in Dönninghausen
! ankam, wurde ihr vom alten Martin
. gemeldet, daß unter Otto schon lange
j auf sie warte. inen Augenblick starrte
zsie den Alten an, als ob sie ihn nicht
! verstanden hätte, dann antwortete sie:
I »Ich kann jetzt Niemand sprechen,« und
! ging mit müden Schritten die Treppe
ihinausi
l Martin sah ihr kopfschüttelnd nach
und begab sich, sobald er Ellinor ver
sorgt hatte, in den Part, um Otto
Nachricht zu bringen.
»Die Gnädige waren so weiß wie der
Kalk an der Wand,« fügte er mit der
Vertraulichkeit eines seit mehr als vier
zig Jahre zum Hause gehörenden Die
ners hinzu, »und hatten ein paar Au
gen im Kopfe, noch ’mal so groß wie
Lonst . . . wenn sie nur nicht krank wer
en.«
Otto murmelte eine Verwünschung;
jetzt ohne Weiteres fortzugehen war
nicht möglich, wenn er nicht der Diener
schaft zu allerlei Kommentaren Anlaß
geben wollte. Dazu ertönte in diesem
Augenblicke die Frühstücksglocke; ihrer
Einladung nicht zu folgen, hätte der
Großvater als Verletzung der Haus
ordnung angesehen, und es lag Otto
mehr als je daran, den alten Herrn in
z guter Stimmung zu erhalten.
T »Es ist wieder einmal einer meiner
: Unglückstage —- ich möchte nur wissen,
ob andere auch so damit behaftet sind
wie ich!« sagte er zu sich selbst, wäh
rend er dem Schlosse zuging. ,,Soll
mich wundern, wie mich Johanna em
pfängt. Jn dieser Eile kann sie Groß
papa noch nichts gesagt haben, muß sich
also zusammennehmen . . . Vielleicht
ist’s so am besten . . . . vielleicht bringt
sie der Zwang zur Besinnung.«
Auch diese Hoffnung erwies sich als
trügerisch: Johanna war nicht da. Mit
besorgter Miene erzählte Tante Thekla,
sie wäre auf die Meldung hin, daß Jo
hanna wegen heftiger Kopfschmerzen
nicht zum Frühstück kommen könne, ei
nen Augenblick bei ihr gewesen und
hätte sie zum Erschrecken blaß gefun
den.
»Sie lag auf dem Sopha,« fügte die
alte Dame hinzu, »hatte die Augen ge
schlossen und sagte mit matter Stim
me: »Ich brauche nur. Ruhe, liebe
Tante!« Jch meinte, auch frische Luft
würde ihr gut thun, aber als ich die zu
gezogenen Vorhänge zurückschlagen
wollte, fuhr sie auf und rief: sie wollte
nichts sehen und nichts hören, ich möch
te sie in ihrer Dunkelheit lassen; und
dann sank sie wieder zurück und lag
ganz still.«
»Hast du zum Doktor geschickt?« fiel
der Freiherr ein.
»Den hat sie sich verbeten,« klagte
die Tante; »ich weiß auch warum —
sie ist selber schuld an ihrem Unwohl
sein, hat wieder einmal einen verrück
ten, wilden Ritt gemacht und will das
nicht beichten, lieber Johann.«
»Unsinn!« rief der Freiherr; »was
hat das Reiten damit zu thun? . . . Ihr
Frauenzimmer könnt einmal ohne Eure
Migräne nicht leben . . . . Die Mode
macht Johanna mit . . .. Aber was
zum Kuckuck ist’s denn mit dir, Jun
ge?« fuhr er, zu Otto gewendet, halb
lachend, halb unwillig fort: .,T·’(ede
Schüssel läßt er vorübergehen und sieht
aus . . . Hast du etwa aus vurer Sym
Pathie auch die Migräne? . .. Mach’
mich nicht wild!«
(Fortsetzund solgt.)
Offene Critik.
; Junger Mann (nachdem er als Pro
jbe feines Talentes eben einige Lieder
gesungen): »Wie finden Sie meinen
I Gesang
Musiker: »Wenn Sie vor zwei guten
Freunden singen, rufen dieselben »Bro
vo!«; wenn Sie aber für Geld singen,
und es kostet nur zehn Pfennig’, ruft
Alles :,,Pfui Teufek ·«
»O —
Das richtige Holz.
Festkommissär: » . . . Aus was für
Holz machen wir denn die Rednertri
büne?«
Zimmermann: ,,Ei dazu nehmen
wir am besten P a p p e l holz.«
——————- 0-0 -—-- -- -—
Zuängstli·ch.
Atdvokah »Ja, mein Lieber, ich smuß
Euch leider sagen: »Den Prozeß haben
wir.mit Pausen und Trompeten verlo
ren.'«
Bauer-: »Ja, »was S’ net fag’n, —
da derf i« aim End-' d’ Minuten auch
noch zahl’n!«