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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Aug. 21, 1896)
Ihre Lüge. Lebensskizze von B. Verwi. Hanne Schimmel hieß sie, die alte alte Räherin, die schon seit Jahrzehn ten zu ihren bestimmten Kunden kam und überall wohl gelitten war. Ja, Alt und Jung hatte sie gern, selbst die Fa miliendäter neckten sich mit ihr und amüsirten sich über die oerschämte Art, mit der sie die Scherze entgegen nahm, — die Frauen lobten ihren Fleiß, ihre Sauberteit, die Kinder hörten gar zu gern zu, wenn sie erzählte; es waren nicht Märchen von Grimm, Andersen, auch keine von Bechstein, Musäus, nein, sie erdachte sich vieles, vermischte Phan tasie mit Wirklichkeit, wußte Räuber-ge schichten von «Doktors Pudel« und sei nen Kunststücken, — liebliche Sagen aus ihrer Heimath, dem alten Mahn den mit seinen dunklen Seen und grü nen Wäldern, und dichtete selbst ihren treuen Begleiterm der großen Scheere und dem gelben, oerbogenen Fingerhüt, einen poetischen Ursprung an. »Danne, daß Sie nicht müde werden, immer wieder von vorn anzufangen, na und ihr Kinder, —- es sind doch die alten Geschichtent « »Die alten Geschichten,«—«—das war’s ja eben, geheiligt durch die Erinnerung, einer Generation nach der anderen er zählt, ob auch Doktors Pudel schon lange todt, ob auch der Messingsinger hut längst durstochen war. »Sie denkt sich was aus,« sagten die artigen —- ,,sie lügt uns was oor,« die ungläubigen Kinder. .Lügen, um Gottes willen, über mei nen Mund ist noch nie eine Lüge ge kommen, soll auch nicht,« so wehrte sie ab, und beleidigt, redete sie an solchen Tagen kein Wort mehr, sondern schnitt mit doppeltem Eifer in die weißen Stoffe, aus denen sie die Hemdchen und Höschen machte. Das war ihre Specialität. Aus den lnöchernden Händen gingen die zierlichsten Wäschestückchen hervor, mit Spihen und Stickereien besetzt, mit rosa Schleifen garnirL «Gott, wie das Engelchen darin aus sehen wird« nein, Frau Stadtratb, ich kann den Augenblick kaum erwarten. giebt’s denn was Besseres als so ein Gnadengeschenk vom Himmel, das man lieben und pflegen kann . . . . Z« «hanne, sie hätten heirathen müs sen,« sagten die Frauen, »Sie mit Ih rem lievollen Gemüth und Jhrer Kin derzärtlichkeit.« Dann ierte sich die alte Jungfer und sagte verscham »Na, es hat sich doch nicht so gemacht, Madamchen (an die moderne »gniidige Frau« konnte sie sich nicht gewöhnen) . . ein ehrbares Mädchen wird auch so ge achtet.« »Dabei müssen Sie mal hübsch gewe sen sein, Hunne, das blonde Haar . . . . Sie tragen es nur so verdreht mit den dicken Wülsten und dem Puffscheitel ..... aber früher —« »Ja, früher,Madamchen, früher—!« Dann seufzte sie und tniff die was serblauen, kleinen Augen hinter der großen, runden Brille, die sie seit eini - gen Jahren trug, zusammen Sie ging immer in schwarzen Klei dern. Dabei war es s onderbar, daß sie sich zum Weihnachtsfest, zu dem sie den Wunschzettel machen mußte, häufig farbige Stoffe wünschte, rothe, blaue, karririe. »Aber. Sie tragen es doch nie! Hanne,« sagten die Damen. ,,Doch, doch,« versicherte sie ängstlich, »immer am Sonntag und am Feiertag, und wenn ich in die Kirch’ gehe. und ich brauch’ iel, ich trage leicht ab, nachher lass’ ich’s schwarz färben und heb’s mir auf, und die Wäsch’ dazu, das ist mal meine Freud’, und wenn ich mal nicht mehr in die-Häuser gehe, na, dann richt’ ich mir allein die Stub’ und die Wirth schaft ein ..... " »So allein, Hannchen?« fragte ein unschuldiges, warmherziges Mädel chen, »haben Sie denn kein Kind?« Da fuhr sie auf, wie von der Ta rantel gestochen, blaß, zitternd, wucher regt ..... - »Wie die angezogene Marjell nur daran komme, ob man denn nicht wüßte, wer sie wäre . . . .« i Pardauz, da lag die große Scheere am Boden, sie bückte sich, und als sie sich wieder aufrichtete, war sie dunkelroth im Gesicht · » , . « Die tindliche Fagerm lief weinend davon. Ach, sie ite nichts Böses da dei gedacht! — Ein lustiger Bad wollte . " m gute Laune versetzen. »Hanne immel«, neckte er sie, »sich mal, dru ben, da eht der Kutscher m der Stall Æun hielt immer het- des bst tm »Wer nichten grau geworden, Jun- . ler hast« Als junges Mädchen war sie einmal im gräflichen Hause gewesen, seidem nannte sie alle Knaben, die sie mochte, Junker. »Ich kann’s mir wohl denken«, fuhr sie fort, indem sie ein reparirtes Hosen beinchen gegen das Licht hielt. »daß er mich gern möchte. Jch könnt ihn gut bewaschen und benähen, aber, nein, meine Freiheit gebe ich nicht aus« »Je t guckt er mehr nach oben«, rief der wi de Junge, »ach, er meint doch ge wiß die alte Justine bei Professors!« Nun träuselten sich die Lippen der Näherin. » Wenn ihm die gut genug .ist!« Und leise, unhörbar, daß Keiner sie verstehen lonnte, außer der Haus frau, die gerade herangetreten war . . . . »die hat wirklich ein Kind. einen großen Jungen, der kommt schon zum Schlos ser in der Lehr’!« Und mit einem wahrhaft stolzen Ausdruck wars sie den Kopf zurück, den Kopf, der mittlerweile so grau gewor den war, so dünn das Haar, daß es nur mühsam den Puffscheitel abgab. ....So war’s Tag aus, Tag ein, Jahr aus, Jahr ein, von einem Haus in’s andere. hier bei’m Hochzeitslleid, dort bei der Kinderaussteuer helfend. in ewigem Haß gegen die Rähmaschinen,; kite sie als schrecklichste Feindin betrach-. e e. »Ich nähe ebenso schnell«, behauptete ;sie, mindestens, und bei mir reißt nie ; ein Faden, denn ich wachs ihn, na, und iseine Serviettchen und Taschentiicher mit der Maschine genähi —geradezu hiißlich, kommt auch wieder ab, daraus könnt’ ich schwören, das ist nichts für die Dauer . . . ." - Und wiithend packte sie die Schnitt-. muster in die große Tasche, auch die; Z Butterbrode, Aepfel, und was sie sonstt " noch bekam, dazu . . . . sie aß so wenigJ es wunderte sich Jeder darüber. » »Mein Appetit lomrnt erst so nach i Zehn«, erklärte sie, »dann siß’ ich zu Haus bei der Lamp’ und lese und ver zehr’ all die guten Dinge . . . . verlassen Sie sich daraus, ’s tornmt alles in mei I nen Mund.« Von einer großen Furcht war fiel I schon in all den Jahren beherrscht wor k den, von der Furcht, trank zu werden Hund in ein Hospital zu kommen. So zerbrechlich der Körper auch aussah, so - tapfer und widerstandsfähig hatte sie ; sich bis jetzt gehalten; nur war sie müdes kgewordem nach Tisch schlief sie häufigs i bei der Arbeit ein, auch konnte sie dies Nabel nicht mehr so schnell führen; sie T wollte es verbergen, strengte sich desto» Emehr an, aber die rothen abgezirietten s Flecke auf den magerer gelben faltigen IWan en, ein kurzer Hüften, ein seltsa-; ! mer lanz in den blaßblauen Augen—; ; das sprach immer deutlicher von ihrem i Leiden. » ; »Nu: nicht lrant werden« großer, all- « i gütiger Gott, nur nicht krank werden!«» Tso betete sie inbrünstig, wenn man sies stheilnehmend fragte; sie leugnete ihr: JUebelbefindem so lange es ging, unds ; als sie doch endlich nicht mehr ausgehens ’ konnte und zu Hause sich herum-s sschleppta da rief sie einmal über dass sandere: »Mir tein Fieber beotmmerns « alles andere, nur kein Fieber · . . . ! Das ist man seiner nicht mehr mächtig, das fchwayt man so viel Unsinn und so viels unwahres Zeug; dann denken die Lin-s deren. es sei wahr, und wundern sich" und denlen wohl gar schlecht von Ei-4 nem —- nur kein Fieber . . . . !« s Aber dann hatte es sie doch gepackt,s arg, furchtbar, fessellos. So langes hatte es inwendig gezehrt, mit unglaub- ; licher Kraft hatte sie es bezwungen, nun f ging es nicht länger, nun verlangte deri abgearbeitete müde Körper sein Recht.; Wilde Phantasien durchtobten das; Hirn, Bitten, Klagen, Verwünschun-; gen entströmten dem zuckenden Mundes ....Ein schwerer Fall,« so sagten siej im Krankenhause, »ein hoffnungslo-s ser«. Niemand dürfte zu ihr, sie dul- H dete kaum die Aerzte an ihrem Lager.« —- Der Kampf dauerte nicht mehr lan ge, bald war sie erlöst. Aufrichtige,war me Thriinen wurden ihr nachgeweint, Blumen und Kränze hüuften sich an ih-; rem Lager auf, . »Es wird ein feines Begräbnisz wer-s den,« so sagten die Bekannten, »dass arme Geschöpf hat ja sein Leben langs für die Stetbekasse Pespartf —- das hatte Hanne Schimme auch überall er zählt und fragend hinzugefügt, sur was sie denn wohl ihr eld aufheben sollte. —- Aber auch dies lam ganz an ders, es fanden sich weder Sterbeiassen buch, noch Geld, weder Stoffe waren in den alten Möbelm noch Wäscht, alles dürftig, ärmlich, verbraucht. Und ebenso ärmlich war das Be riibnißx aber geweint wurde viel, als r Prediget der Anstalt ihr warme, lobende Worte nachrief. Sie mußte doch eine ganze Anzahl guter Freunde ge bt haben. die sich zur lesten Ehre arnnrelt hatten, na mentlich war ein noch junges, in ig Trauer gekleidetes Mädchen gar n n tröste-h D St M eltsam an db W bene, hatte das elbe fahle Vlondhaan die gleichen bessert-lauen kleinen Au en, aus denen unaufhörlich heiße bränen strömten Jetzt wars es einen Korb voll bescheidener Frühlingsblm men in die tiefe Gruft und trat so nahe, daß ein Dineinstürzen zu befürchten war. »Johanne," tröstete eine milde Frauenstimme, »sassen Sie sich doch, ihr ist ja wohl!«« Aber die Trauende rang unter besti gem Schluchzen die Hände, dann wars sie sich, als der Etdbügel sich iiber die Dahingegangene, steudenarme Räde rin gewölbt hatte, in ungezähltem Jammer über das Grab, nicht achtend. daß die Todtengräber noch immer mit ihren Spaten die gelbe Erde schausel ten. »Mutter, Mutter!« schrie sie in wil dem Schmerz, »warum bist Du von mir gegangen, o Mutter, Mutter-! Du warst ja stets so nt zu mir, bast mir ja alles, alles gebt-Fett wo ich Dir ver gelten tann, da gehst Du von mir . . . Mutter, Mutter, meine arme. . .. un vergeßliche Mutter!«' Das war Deine beste Grabrede, ar me banne, Du hörtest aber nicht mebr die Klagen, sahst nicht mehr den Jam mer, Du warst jenseits allen Erden leids.... standest vor dem gerechten Nichter. Ob er Dir Deine große Lüge nicht verzeihen with —— —s—---—-O-O.—— —-—-—-— Papkks Eierspeifr. Eier peise mit viel Speck und noch mehr «chnittlauch ist die Lieblings speise meines Papas; zu Tag- und Nachtstunde ist er bereit sie zu vertilgen, und das Leben im Paradiese ist ihm ohne Eierspeise mit Schnittlauch schier undentbarl Jch glaube, er hat meine Mama nur deshalb geheirathet, weil sie es verstanden, dieses Leibgericht so recht zu seinem Gusto herzustellen, er wurde Landwirthlagxg recht viel Hüh ner und Schnittlauch ziichten zu tön nen, sowie er seinen Verwaltersposten aufgab und Pächter wurde. als man ihm die Haltung von vielen Hiihnern verbot. Die Hälfte unseres Gartens ist mit Schnittlauch bepflanzt, im Winter stehen die Kisten mit Schnittlauchstöcken an allen Fenstern der Wohnung und wenn dann das letzte Hälmchen abge schnitten ist, dann kommen böse Tage! Papa wünscht sich dann in ein Land, wo ewig Schnittlauch grünt, und hun dertmal im Tage seufzt er: »Ohne Eier speise lein Leben!« Alphons ist unser Volontiir. Er ist der Sohn eines Oberförsters, hat seine Studien bereits vor zwei Jahren been det und soll von Papa in den prakti schen Betrieb eingeführt werden« Papa hat Alphons nie so recht aus vollem Herzen leiden mögen, und wenn Al phons’ Vater nicht ein intimer Freund Papas wäre, so hätte der liebe Mensch wenig Stiefel bei uns zerrissen, denn bald nach seiner Ankunft äußerte er sich einmal etwas geringschätzig über die Eierspeise. Aber mit der Zeit erkennt man den wahren Werth des Menschen. Alphons hat das beste Herz, er ist fleißig und treu, ein schöner Mensch und. was die Hauptsache ist« er hat mich furchtbar lieb. Jm vorigen Winter waren wir, bald nach Neujahr, auf Besuch in der Ober sörsterei bei Alphons’ Vater· Nina, meine zukünftige Schwägerin (Gott, wie freue ich mich, bis ich nicht werde »zutiinftige« sagen müssen) führte mich auf ihr Zimmerchen und da sah ich aus dem Fensterbrett einen Korb voll der schönsten, blühenden Hyacinthen. Jch war entzückt! Alle Hüte, Kleider, Bän der, selbst der neue Spitzenshawl Ni na’H hatten lein Interesse mehr für mich, meine ganze Seele war in dem Hhacinthenkotb. Nan erzählte mir, sie hätte die Blumen von ihrem Vereh rer, dem Hofbereiter Krachenstein, be kommen und damals waren dieselben kaum etwas angetrieben, zu der Blüthe hat Nina selbst sie erzo en. Glückliche, beseidenswerthe Rina. Von ihrem Herzallerliebsten die prachtvollen Blu men, die sie selbst pflegen konnte, unt an den Gebet stündlich zu denken! Kein Zwist zwischen der Wahl des Herzens und einem tviannischen Papa wegen einer Eierspeisel Bei mir stand am Fenster eine unsörmige Kiste mit kahl geschvrenem Schnittlauch, welchen Do ris, unsere dicke Köchin, täglich mit lauern Wasser sprengte, um noch einige schwache Triebe künstlich hervorzuzau beru. Glückliche Ninalt Wir wurden zum Speisen gerufen und ganz unmuthig, des blassen Neides übervoll, seßte ich mich an den Tisch. Die Speisen wurden ausgetragen, für Papa eine Extraschiifsel ,Eierspeise mit getöstetenv Speck und viel, sehr viel Schnittlauch«. Unwtllliirlich traten mir Thriinen in die Augen, ich dachte an die schönen Hygcintbenl Alt-han« mein Nachbar an der linken Seite, fragte nach dem Grunde des Letdes»und Rina, die mir gegenüber sah. erzahlte mit Schadenfteude und Spott, was sie wußte. Mein Gott! wiedteMiidchen, L l besonders Freundinnen, ar so bozhaft sein können, in dieser eziehung sind sie alle gleich, mich natiirlich ausgenom men. Alphons lachte aber nicht! Er seufzte und in die em Augenblicke flo ihm mein ganzes rz zu. Er begrifk er verstand mich und meine Seelenpeint · Gott wie verwildert, ja wie roh tam mir mein eigener Vater dagegen vor, welcher gerade in demselben Augen-i blicke sagte: »Jn einem geordnetenf Haushalte darf der frische Schnittlauch das ganze Jahr nicht ausgehen!« Alphons wollte widersprechen, der» Papa warf aber einen solch verächt-J lichen, wüthenden Blick herüber, daß ichi ihn anstieß, doch zu schweigen. um nicht die Feindschaft bis aufls Messer zu treiben. Jetzt, im letzten Herbst. wa ren Oberförsters wieder einmal bei uns auf Besuch. Nina war mit ihrem Ver ehrer schon verlobt und derselbe tam mit, auch ein netter Kerl, aber mit-Al phons nicht zu vergleichen! Wie wir im Garten promenirten, zeigte ich ihnen ein Rosenbeet, welches Alphons fiir mich angelegt hatte. Bolle zweihundert Rosen hatte der liebe Mensch mit eige ner Hand im Walde ausgerissen, auf das Beet gepflanzt und selbst veredelt, freilich sind manche Störche nicht ange wachsen und leine Veredelung gelun gen, doch er sagte, daß er im nächsten Frühling alles richten werde, und sicher wiirde er es durchführen, wenn er auch zwanzig Jahre daran arbeiten müßte! »Herr je! Dann bist Du ja aber schon eine alter Jun fert« sagte Rina. (Nun, habe ich nicht echt, wenn ich die Mäd chen boshaft nenne.) Jch sah den Bos niclel so von der Seite an, wie es der Papa thut, wenn ihm der Schäfer mel det: dasz ein Hammel ctepirt ist, und Nina’s Bräutigam verstand sofort, er begriff die Taltlosi leit seiner Braut. »Nun,2llphons hat Zhnen ja heuer auch einen Hhacinthenlorb zusammenge stellt; bevor noch die Rosen kommen, werden Sie die Hhacinthen haben.« Jch fühlte es ordentlich, daß ich roth wurde bis über die Ohren, denn ich wußte von nichts und die Beiden glaubten, daß ich leugnen wolle. Oder hat Alphons fiir eine Andere die Blumen gerichtet? fiel mir ein. Aber fiir wen? Die roth haarige, s ommers pros sige Lehrer-Alma ist zu alt und die dumme Henszlora wird er doch nicht heirathen wollen. Aber da kam Alphonz selbst und sofort wurde er von Nina zur Rede gestellt, und verlegen gestand er, daß die Pha cinthentnollen erst angetrieben werden müssen, zu welchem Zwecke er den Korb unter sein Bett gestellt hätte. Mein einziges Trachten war nun, die Schnittlauchtiste von meinem Zim mer wegzubetommen. Dieses konnte nur in der Weise geschehen, daß ich den verhaßten Schnittlauch vernichtete. Zu dem Zwecke sammelte ich alle Cigarren asche und bestreute täglich mit diesem scharfen Zeug die verhaßte Plantage. Das nichtswürdige Zeug gedieh, mir zum Trotz, desto besser und unsere Do ris war infam genug, meinem Papa zu erzählen, daß mein Zimmerfenster fiir . sic- CÄIIZOOIssnÅanOIIII sm Ihn-n not-« F --- »Hu you-sys- - -·- vo- H net fei. Der Papa lam, um sich zu überzeugen,«natiirlich bemerlte er sofort die Asche und dankte mir für meine Sorgfalt. Das war zu viel! Leid und Zorn und ein furchtbares Weh bemächtigten sich meiner, so daß ich dem Papa den wirklichen Sachverhalt sagte und ihm schließlich noch vorhielt, wie er mit sei ner Schnittlauchcultur meine Jugend vergifte! Papa sah mich betroffen an und ging, ohne ein Wort zu sprechen, sori. Am anderen Tage kam Dorig und nahm die abscheuliche Kiste weg. Dann kam Alphons und brachte mir den schönen, mit Moos gefüllten Korb, aus welchem die Hyacinthen eben die grünen Köpfchen herausstecktem Von unendlichen Glückgesiihls begoß ich die zarten Knospen mit meinen Freuden- und Liebesthriinen oder auch lauem Wasser (nach Doris’ Schnitt lauchmuster) und meine Hhacinthen wuchsen immer mehr in die Höhe; von Knospen und Blüthen war aber keine Spur, was mir natürlich einen unge heuren Kummer machte· Da bekamen wir Besuch, ein Freund Papa’s, der alte Obergärtner von As fenthal. Zu diesem alten Herrn, der, nebenbei gesagt, mein Taufpathe war und den ich Onkel nannte, hatte ich schon seit meiner Kindheit ein ganz be sonderes Vertrauen und deshalb zö gerte ich nicht, ihn um Rath zu bitten, was ich mit den eigensinnigen Zwiebeln anstellen solle, damit sie blühen. : Sosort ging der alte Onkel mit mir in mein Zimmer und besichtigte die störrifchen Blumenzwiebeln. Er guckte» bald auf den Korb, bald auf die Blät- ? ter, bald auf mich, sagte nichts und! lächelte dabei ausfallend. Dann fragte! er Vers edenes und Vieles, und fos kam ei, aß ich ihm die Geschichte desz etnthenlorbes und meiner Liebe ge-! and. Der Onkel sagte nichts, als wir aber i hinunter lamen, sra te er ironisch den guten Alt-hont, wo er die seltenen («raren« sagte er) Vlumenzwiebeln be l "l urchtbare Verle enheit, schlie li e and er, daß ni t er, sondernßseicg Fu tiinftiger Schswager das anze Arran ernent getro en hätte. lephons ver tehe von Gartenlitnsten u wenig, um Derarti es selbst u schaffen. Nun elle man sich aber vor, was der Verlobte Nina’s gethan hatte! Hier bewährt sich der Spruch: »Gleich und Gleich gesellt sich gern!" Statt Ohn rinthenzwiebeln, die er sich von Al- « phonö doch bezahlen ließ, hatte er ganz ordinäre KüchenzwiebeL ich glaube Zit tauer, eingesetzt! Und ich pflegte diese Zwiebeln mit der gan en Sorgfalt meiner ersten Lie be, tausendmal küßte ich die grünen Triebe, deren jeder einzelne einen Na men hatte. Einen solchen Trieb, der vorzeitig abweltte, trug ich in einem Talismansäckchen an meinem Herzen, knapp unter dem Schnürleibchent Ein unnennbares Weh bemächtigte sich meiner, lein Trost vermochte mei nen Schmer zu mildern und auch Al phons war furchtbar niedergeschlagen, er schloß sich in sein Zimmer ein und dachte sicher an Selbstmord oder Duell. Natürlich erfuhr Papa sofort dieE Nichtswürdigteit, aber er lachte dazul »Die Väter sind doch manchmal ganzk und gar gefühllos. «Na Mitzerl«, sagte i er: »also der Schnittlauch für den Va- E ter war Dir zu schlecht, hasi lieber Zit- l tauer Ananas cultivirt! Macht nichts, H sage der Dori5, fie soll die ZwiebeH schläuche abschneiden und mir damit eine Eierspeise machen!« Und so geschah es auch. Der Liebes lorb wurde geplündert und der Papal hatte Ersatz für den ihm seit einigem Tagen mangelnden Schnittlauch! Mit besonderer Andacht machte er sich an die mächtige Schüssel voll Eierspeise und lud auchAlphons ein, mitzuhalterh mass der Wehmuthsvolle in seinem Schmerze auch annahm. ( Und nun lam das Glück aus fo viels Leid! Die Eierspeife war gleichsam die Friedenspfeife bei den zwei Män-, nern. Auf dieser denlwürdigen Eier-l speise beruht mein Glücks Mein Papai wurde weich gestimmt wie die Eier-; speise; die Mitiheilung Alphons’, daßs er von einer Tante eine große Erb-; fchaft gemacht, war der fettige Speck« der uns eine Hoffnung · leich den Zwie- j belschläuchen und dem chnittlauch et- I grünen ließ! Papa —- o guter, her-z I zenslieber, einziger Papa! — Papaj Jsagte Ja und Amen! Nächsten Sonn-s » tag feiern wir unsere Verlobung; dies xganze Menschheit — natürlich nur diej i bekannte und angefreundete — ist gela- j den« und bei der Gelegenheit werde ich Jsogar Nina’s verlotterten Hofbereiter ; umarmen! herrgott, wird sich die Nan ; ärgern, aber Recht geschieht ihr, warum s ; ist sie so boshaft j —-...-..» . - . .. ...- ; zogen hätte. Alphons tanr in eine Vom Sultansreich und Stil-; tanstioi. ! l Konstantinopeh im Juli. f Die Unruhen in Argneniem Mazedo- ; nien, Syrien und Kreta behindern na-; turgemäß die Ausführung der von der« Pforte im vorigen Jahre angeiiindig-» ten Reformen. Jndeffen giebt sie sich scheinbar alle Mühe, wenigstens durch Einfetzung von Kommissionen überall einen Anfang zu machen. Tagtäglich keine neue Kommission, um juriftifche soder administrative Untersuchungen ; und Verordnungen zu veranlassen. Die i nach Rumelien gefandte Kommission f hat am kräftigsten gearbeitet und lange ; Berichte eingefchiclt, welche zur Absetz jung manches hohen Beamten gefiihrt , haben, wenn es auch zu bezweifeln ift, l ob damit gleichzeitig die Abf ellung der von diesen hohen Beamten geübten Mißbrauche erreicht worden. Dieser Tage sind abermals drei neue Civilinfpeltoren für Rumelien ernannt worden. Sie erhielten die Ordre, fo lfort abzureifen, sind aber doch nicht I fort, da sie tein Reifegeld haben. End ; lich meldet heute eine offizielle Miithei lung, »daß sie spätestens übermorgen die Neisefpefen erhalten werden«. Wie ! rofz muß die finanzielle Kalamität: i ein, wenn öffentlich eingestanden wird, f . daß die Regierung die paar Pfundel Reifefpefen erft abwarten muß, ehe siez ihre neuen Kommissäre abfendeni tann . . . . l Die finanzielle Kalamitiit ist aber; un laublich angewachsen. Seit einemf ha ben Jahre und mehr stehen Gehälter ! aus. Die Gouverneure schicken die Ab- Z gaben nicht ein, und die Regierung hat nirgends mehr Kredit. Was man zu fammenraffen kann, geht auf für die Kämpfe zur Niederwerfung der Auf ftiinde . . . . Seit einem Monat wird jeden zweiten Tag in den Zeitungen angelündigt: «Jn der nächsten Woche wird das Finanzminifterium mit der Aus ahlii eines Monatsgehalts an die taats inten der hauptftadt be ginnen« ..... Bis heute ift das noch nicht geschehen. Und da die «Sarraf3 felbft gegen fünfzig Prozent die Bonds der Beamten nicht mehr einliifen, ist die Mier über alle Maßen. Die in türki fchen Diensten stehenden Auslander [ tragen sich bereits alle mit der Absicht, » ihre Demission zu eben. Und dabei wach en auch die politi-· schen Sorgen immer mehr· Jn Salo nili hat man jüngst einige Leute a e- s fangen, welche Revolver, Kartiits en . und eine Menge Salpeter eingeschmugs F ? T gelt hatten. Es ist natur emiisz, daß die politische und finan ie e Schwäche der Regierung überall eliifte erweckt. sif Auszubeutem Namentlich der blu tige Ausstand in Kreta wäre geeignet, auch in Armenien und Macedonien eine neue Revolution zu entfachen, wenn die Mächte durch ihre entschiedene « Stellungnahme gegen Kreta nicht den Willen bekundet hätten, zu weitgrei fende Ambitionen niederzuhalten. So denken die Armenier aber noch zu sehr an ihre von den Mächten im vorigen Fahr perhorrescirte Situation, an die rfolglosigleit ihrer Kämpfe in Erze rum, Wan, Bitlis und Zeitun und wa gen nicht ein neueö Beginnen, ehe nicht Andere siegreich vonangegangen sind. Der Entschiedenheit der Mächte ist's demnach zu danlen, daß der Brand lotalisirt ist. Richtiger noch: dem Willen Rußlands, das ier heute die erste Geige spielt, und de en Weg fiir die türlische Regierung der Weg des Heils scheint. Die Unterstützung Nuß lands ist es, welche noch des Sultans Muth belebt, der sonst wohl Grund - hätte, verzagt zu sein. Manche haben daher leicht lombinirt, daß die trifte .. Situation ihren Schatten bis zum Sultan geworfen,. seinen Blick getrübt "« und sein Herz verdunkelt hätte. Jn dessen ist dies unrichtig. Personen, die . den Sultan in den legten Tagen gesehen und gesprochen, finden seinen Zustand unverändert. Er ist voller Hoffnung .. und Sicherheit, daß die Bewältigung aller Schwierigkeiten gelingen würde. Die geheimnisvoll im Flüstertone her umgesprochenenMittheilungen, daß der Sultan melancholisch nach Einigen sogar rückenmarllcidend sei, können auf’s Entschiedenste in Abrede gestellt werden. Eine Person, die den Sultan seit vier Jahren häufig zu sehen Gele genheit hatte, erklärte mir die Konstitu tion des Sultans als äußerst kräftig. Es sei wohl möglich, fügte diese Person hinzu, daß die Ereignisse der letzten Zeit eine gewisse Verstimmung erzeug ten, aber diese war dann stets vorüber gehend und übte keinen dauernden Ein fluß. Das Gerücht vom Rückenmari leiden erllärte mein Gewährsrnann als ein thörichtes Geschwätz. Die Zeichen eines solchen Leidens fehlen vollständig. Beim Selamil hat man Gelegenheit,«zu sehen, wie leicht, schnell und aufrecht der Sultan die Treppe zur Moschee auf und ab steigt. Was endlich die angeb liche Melanchoiie beträfe, die sich in strengster Abgeschlossenheit äußern soll, so ist dieses Gerücht am besten ent- N lräftigt durch die Thatsache, das; der Sultan gerade in jüngster Zeit häufi- ( ger fremde Gäste um sich gesehen hat ) als je zuvor. Der Sultan ist nach wie vor unermüdlich arbeitsam, er braucht blos wenige Stunden fiir Ruhe, Schlaf und Speise. Die Erholung nach des Negierens Mühen bietet ihm neben seinen Beschäf tigungen mit Handwerks-arbeiten die Musik. Der Sultan ist selbst ein vor züglicher Komponist uird hat eine eigene Kapelle im Hause. Außerdem läßt er von Zeit zu Zeit auswärtige Künstler zu sich kommen. So waren jüngst ei nige spaniolische Musiker eingeladen, ein Conzert vor dem Sultan zu geben. Der Herrscher war während desselben äußerst ausgekiiumt und heiter. Die einzige Stütze, welche der Sul tan bei seinen Arbeiten, die er selbst zu erledigen pflegt, gebraucht, ist immer noch der GünstlinngzetBey. Jeder Be amte, der sonst dem Sultan in die Nähe tommen muß, hat tii lich diesen Vor wurf zu hören: »Ein Folcher Mann wie Jzzet Bey hat jahrelang unbeachtet in meinem Reiche gelebt. Einen solchen Mann habe ich immer gebraucht, und Niemand von Euch hat mir gesagt, daß er so nahe ist . . . .«« Vor Kurzem hat der Sultan seinem Günstling ein Ge schent von 9000 Pfund gemacht, damit er sich in Nischantosch, in nächster Nähe von Yildiz Most, ein haus tause. Nach einiger Zeit fragte der Sultan, ob er sich das Haus bereits getaust hätte. »Nein«, sagte Jzzet Ben. »Aber was hast Du mit dem Geld gethan?« fragte der Sultan. »Ich habe Schulden be zahlt,« entgegnete Jzzet Ben, »die Gläubiger haben mich bitterlich be drängt, und ich bin glücklich, daß ich sie abschtitteln getonnt . . . .« Der Sultan schwieg eine Weile und sagte dann mit einem leisen Seufzer: »Du hast recht gethan, Schulden sind das größte Uebel m der Welt . . . .« Und der Sultan läßt dem Jzzet Bey jetzt aus Kosten der Civilliste das aus bauen. Jzzet Beh, er Günstling, der sich nun bald einJahr in seiner unerhörtes waltigen Stellung behauptet —- - hauptet, trotzdem er im ganzen weiten Reiche leinen Freund zahlt — stet Beh ist unstreittg etne der nteressan - sten Figuren der Gegenwart. Nitgends in der Welt mag es einen Mann geben, ,