Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 14, 1896, Sonntags-Blatt., Image 9

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    « saht-volle Reisen »in ferne Welten unter
nommen? daß er unerforfchte Länder
» WITH-, wo ihm wich vek Tod
von Speerwa eines Eingeborenen
erst dro ti daß er asuf halt-wil
dem osdie - pas von Siedameriksa
durchfl s-—er getrnute sich nicht,
Hefe Er ’ ezu erzählen, sie sfah ihn
F nur Horch spanische-n Löcher-n an-, iwemk
set-einmal davon zu erzählen be .
- , Sie glaubte ihm nicht, der kecke M
— « muth des Mannes war ihm ja versagt;
: es hatte sich bei feinen Reifen nicht um
romantifche Abenueuer gehandelt, fon
dern um wohl vorbereitete, wissen
Lchaftliche Expeditsionen Es lag nicht
"»»J;- n sksntm Wesen, W Gefahren dieser
sp -« Expeditionen hervorzuheben; erzählte
— » er von ihnen, dann noaren nicht die Ge
«. fcrhren ihm die «hauptfache, deren er
. , lau-m erwähnte sondern die wissen
» fchaftlichm Ergebnisse — und für diefe
fchien sich die schöne jun e Frau nur
fehr oberfliichlich zu interessiren
Jhr Jdeal war der Mitmeifter von
Heckendorfh der fchon einmal sie-besucht
hatte und den lsie heute wieder erwar
tete! Der fchiine kräftige Reiteroffizier
- it den blitzend-en Augen, den keck
" · chenden Lippen und dem kühnen Hel
Wantliz das einem Maler zum Mo
.. ll fiir einen trojamsifchen Getos hätte
dienen können! der unersmiidliche flotte
Tänzer, der elegante TennisJSpielen
der therfchrockene SteeplechasfeMsiter.
dessen Name auf allen Rennplätzen
« Deutschlands bekannt und berühmt
r.
selch eine Thorheit von ihm, dem
stillen Gelehrten ssich mit dieser Helden
natur messen zu wollen!
»Noch diese eine Fahrt durch das
fchäumensde Meer on ihrer Seite,« flü
, fterte er vor sich hin, »und dann ivill ich
Abschied nahmen — von ihr und von
der schön-en Hoffnung meines Le
ben-s . .«
Il- Ut II
Jn weiten Bogen fuhr der Dampfer
«Rrigen« tin den Hafen von Saßnitz
ein. Die Musik spielte eine lustige
'Weise, die Fahnen und Wimpel flatter
ten in dem Winde, und dicht gedrängt
standen die Passagiere auf dein Deck,
rnit den Hüten und Tüchern der Menge
-cuf dein sbveiten hafenqsuai zuwinkend
-Das Commando sdes Capitäns ertönte
s— ein schriller Pfiff —- ein starkes
f « Rauichen und Brausen der Schraube
dann drehte der Dampfer an der Quot
nrauer bei und lag Ieise schwankend auf
Form ruht en- Wasser des hasens. Die
Laufbrii en fielen-, und die Reisen-den
ji " strömten heraus.
« »Gnädige Coufrne —- da bin ich!'«
; . Mit lachend-m Auge streckte der
. Xichsne kräftige Hkkkrm engem-n Reise
—: anzug der jungen Frau die hand ent
egen. und erröthend und doch mit
Freudig aufdlitzendensAugen legte sie die
Rechte in seine Hand.
».Also doch Wort gehalten, sErich?«
»Zweifelten Sie, Wanioa7 Wo es
-galt, Sie zu sehen —'« :
»Schmeich er. s-— Wolken Ste nicht
unseren Doktor begrsüszen?" ’
. »Ah, Doktor Wendtland, Sie auch
noch hier? —- Glaubte Sie schon längst
wieder bei ihren Kräutern und ausge
stopften Vogelviilgen . . . J
»so denen ich allerdings auch mor
ekt zurückkehren werde, »Herr Rittinei
CL« :
»Viel Veraniigen«« lachte dieser. «
Doktor Wendtlansdi idanote sich ad.
«Er bemerkte nicht das leichte Etsch-retten
Wand-is «
. »Was beginnen wir i;ekite?« fuhr der
, "R«:tt:neifter fort.
« »DottorWendtlan-d meinte, einAn-3
flug nach Ankona sei sehr lohnen-d, der
» Rügen« fährt in einer halben Stunde
weiter. Ader ich seide, das Meer ist sehr
Hbcve t geworden . . . I
»Ah wer-den uns doch vor dem bis-—
chen Wellenschlag nicht fürchten?« »
schte der Nittmeister. »Habe auf der
sbrt von Stettin nicht den eringsteni
— -’« flug von dieser scheußli n· See
soankheit gespürt· Mir thut das Meer
nichts . . . ." I
»So fahren wir denn-« (
Man begab sich auf das Deck des
»,Dampfers, der leicht unter dem Arbei-;
«« ken der Maschine erzitterte. Nittmei
ster von lheckensdorff stellte feine Cou-»
seite, Frau Wanda von Spörker, und;
Gen Dr. Wen-Mund ,,beriihmten Ge
lehrten in trockenen Kräutern und aus-«
-- stopften Vogeldiilgen«, der Gesell
ft vor, sdie mit ihm von Stettin ge
kommen war, und bald saß man im
lebhaften munteren Gewanden unter
dem schützen-den sein-ach des-Decke «
Die Musik spielte, ein hurrah vorn
i » Lande ertönte, die Schrank-e griff rau
schend und brausend in die Wellen, und
hinaus dampfte der »Rügen« aus dem
hafen in die hohe See
Die Sonne glänzte strahlen-d am
wolkeniosen Himmel, weithin erglänzte
« im lichten Blauariin die wogende See,
Wie in langen lchaumgekrönten Wellen
Wabe-r rollte, iiber die der Dantpfer,
. gleich einem edlen Rost iider eine wellen
« sörmige Ebene, in stolzein Titus und Ab
·’dakiineil«te. .
" DieMörden unislatterten das Zchiff
—l
und wiegten Isich auf den stärker an
schwellentden Wogen. Ein steifer Ost
wmd tshurmte die Wellen zu höheren
Mgssen aus, und schon spritzten einige
fchaumende Wellen iiber das Reeling
sdes Beut-Ihn
» « rliche Fashrt!« flüstert-e
Wanda ihrem Vetter zu, der merkwür
dig still geworden war.
»Ja, allerdings —« entgegnete er
zterLtftrtintlyties A bl
· « em ugen ick legte sich das
Schiff fdart auf die Seite. Tische und
Stuhle wurden fort-geschleudert, die
Damen in Ider Gesellschaft schrieen er
schreckt auf, die her-ten suchten sich den
Anschein völliger Gleichgültigleit zu
geben« Aber einer nach dem anderen
aus der Gesellschaft verschwand - die
versteckteften Winkel des Schiffes wur
den ausgesucht —- die Matrofen und
Stewards gingen sniit leichtspöttischem
Lächeln einher und griffen hülfrseich
den blossem schwanken Gestalten unter
sdte Anme, um sie in die Cajiite zu ge
leiten.
,,Verteuselte Geschichte —- solch’ eine
Meerezfahrt,«br-ummte der schönseRitt
meister und ein eigenthümlicher Zug
zuckte um seinen mattlächselnsden Mund
»Na, Vetter, Sie swerden doch nicht
seetranl werden ?«
»Ich —- seettranlt —- Netn, soweit
sind wir noch nicht! —- Will sdoch ein
mal sehen, ob das Meer stärker ist als
ich! — Kellner — einen Cognac . . . .«
Es war gewiß fchon der fünfte Erdg
; nac, den der schöne Rittmeifter alsMit
Jtel gegen die häßliche Seetranlsheit zu
;stch nachm. Doktor Wenidtlawd lächelte
I ein wenig schadenfroh ihm that die See
nichts. —
, Der Rsittmeister stürzte den Cognac
hinunter —- da neigte sich das Schiff
J wieder start zur Seite —- Entschuldi
E gen Sie mich, Coufme —- einen Augen
blick« —- —— und der Rittmeister stürzte
; davon.
. »Wir hätten heute nicht fahren sol
t len, gnädige Frasu,« sprach Doktor
Wendtland leife zu Wandu, »der Wind
hat sich verstärkt, und aus der-Höhe von
Artan herrscht ein sehr starker See
Mgik -
si isch Iurcyie mich nicht,v entgegne sfte
o z.
»Das fetzs sich auch nicht voraus —
obeäe blicken ge wm sich!ch—f Wfie sieht es
rn rvors rzemno o röii en
Gefellfcheftaus.« h ch
bräan der That kein anmuthiger An
t .«
»Sind Sie feefeft, gnäd- 7 rau?«
»Ich glaube es zu fein.« M F
»So möchte ich Jhnen einen Vor
schlag machen. Kommen Sie lmit mir
auf die Commandobrücke — ich tenne
den Kapitiin er wird uns gestatten, daß
wir dort verweilen, —— »Sie wenden von
der Brücke aus einen impofanten An
blick genießen.'·
Er bot ihr den Arm und führte sie
sicher über das schwanken-de Schiff, die
Treppe hinauf zur Comman-dobriicke.
»Halten Sie sich an der Barriere fest,
gnädige Frau . . . ·«
Jhre Hände legten sich fest um die
Meffrngftange des Geländerz, das die
Brücke einfriedigte, und ihr Blick
fchwejfte mit Entzücken iiber das jetzt in
mächtigen Wogen daherrollende Meer
bis hinüber zu den waldgekrönten Fel- .
fen von Labme und Stubbeniammee
mit dem mächtigen Fezsenvoriprnng
von Arke-na, dessen Leuchtthurm gleichj
einer fchlanien Säule gen Himmel rag-.
te. Der Dampfer hob und senkte sich
im harten Kampf gegen die anftürmen-;
»den Wogen. Hoch auf fpritzte der?
Schaum am Bug und idberfchüttete dass
Deck mit fkleinen Spritzwellen Es war;
ein «herrliches, stolzes, freies Gefül11,i
wenns »sich der Dampfer emporbäumte
unkd eine Weile auf der mächtigen Woge
schwebte, unt dann wieder hinabzuglei-"
ten in den blaugrünen Abgrund des
Meeres.
Wansdcks Augen blitzten in stolzer
Freude, ihre Wagen rötheten sich und
in tiefen Athemziigen hob fich ihre
Brust.
«Welch’ herrliches Schauspiel!« flü
sterte sie.
Er fiand schweigend neben ihr; fein
Auge ruhte mit innigem Ausdruck auf
ihrem erre ten Antlitz; schmerzhaft
uckte fein rz bei dem Gedanken. das
i öne stolze hochherzige Weib an den
R ttmeifter, den glänzenden- Lebem«ann,
verlieren zu sollen.
»Weshalb sprechen Sie nicht, lieber
Doktor?«
»Die Größe der Natur macht uns
fchweigfam,« entge eteer leise. »Bes
halb bin ich au wohl eins stiller,
schneeig-unten wenig interessanter Ge
fellfcha ter geworden —- ich lebte zu viel
in der großen Natur —- ihr gegenüber
dünkte mich das Menschenleben so klein,
fo unendlich klein . . . .«
« Wanda senkte-das haupt.
»Was ift Wfchenstraft, Menschen
wih, Mensfchensheldenstthum siegen die ge
waltige Natur«, fuhr er lebhafter fort.
’..Der Geist der Natur soisntt —- und
.Stiidte ftürzen zusammen —— die feste
sten Mauern wanslen —- und bebend
und ratshloe fteht der Mensfchi —- Ein
f ———I
Windhauch sweht siiber sdas Meer und
gleich einem getnsickten Grashalm liegt
der stolzeste non uns danieder — ern
elen·der, fchtvacher Mensch! — Ruhm
und Größe —- Kraft und Stolz —— sie
sinken alle tdathin soor der gewaltigem
erhabenen Entfachkheit der Nawr!"
»Sie haben recht«, erwiderte «te flü
fternd, »all unsere Kraft, unser
Stolz ist eitel unld n«ichti—g. — Wie thö
richt sen-d wir, auf unsere Kraft zu
pochen . . ·. .«
Seh-miger standen «sie nebeneinan
der. Unter ihnen erzitterte der Dam
pfer im schweren Kampf smit den rau
schend-en Wogen, sdie Maschine ächzte
und stöhnte, wie ein in übermäßiger
Arbeit ringender Mensch — »und - ·e
Wogen raufchten vorüber in ewigem
Einerlei, in einfacher Größe, susnsd sder
Wind saufte »durch das Takelrverl der
Masten und die Sonne strahlte in ewi
gem Glan von dem iinmel nieder auf
das tämp ende Schtf ——«a-1rfsdie«fchwa
chen Menschleisn —- -— —
»Sie wollen Saßtvitz morgen schon
verlassen, Herr«Do-itor?« fragte sie zö
geontd nach einer Weile.
»Ich-bin es mir und iJhnen schuldig,
gnäsdi e Frau.« —
»Z? verstehe Sie n-icht!«
, ,, , Sie verstehen smich sehr wohl,
» gnädige Frau. — Lassen Sie mich hier
Eansgsesichts der großen Natur lebe-wohl
E sagen —in jener Gesellschaft da unten
’ ers-wartet Sie ein anderer — ein glück
; licherer Mann, sin sein-er Gegenwart
I fände ich nicht das richtige Wort, um
Ihnen siir Jhre Güte, Ihre Freund
Elichteit zu danken . . . .«
Sie streckte ihm die Hand entgegen.
»Sie idiirsen mich nicht verkassen —«
,,Wanda?!«
»Nein, nein, Sie dürfen nicht von
mir gehen —- nicht jetzt —- nicht, wo je
ner —- Mann mir nahe ist —- ich —- ich
fürchte mich —- vor ihm —- ich will mich
schützen vor neir selbst . . . .«
»Wanda —- und diefen Schutz soll ich
Ihnen bieten — ?«
,,Jhre einfache Größe —- Jhre erha
bene Gedanken-welt. . . .«
»Man-da, Sie wissen nicht wie glück
lich Sie mich machen?«
« Ihre Hände ruhten warm und innig
ineinander. Sanft schmiegte sie sich an
seine Seite und blickt-e lächelnd zu ihm
auf, während eine tiefe Gluth ihr Ant
litz überslamsmte
l Jene ern have ach Sie oeqranoem
Bernhaer sliisterte «sie. »Jetzt erst
weiß ich, daß ich Sie — nur Sie
: liebe . . . .«
F Er wollte sie aufjauchzend im Herzen
san sich ziehen. Sanft entwand sie sich
i seinen Armen. Nicht hier, Geliebter«,
lüstert-e sie .....
,,Hallo, »Herr Doktor!« ertönte da die
Stimme des Kapitäns der eben vom
Deck herauf lam. Noch immer hier
oben? Fürchten Sie sich nicht, gnädige
Frau?« s
»Ich fürchte nichts mehr in derJ
Welt«, sagte sie mit stol-zem, strahlen-s
dem Lächeln zu dem Geliebten aus-»
blickend.
»Da unter sieht's allerdings fürchter- »
lsich aus«, lachte der Kapitän »Wir!
müssen umwenden sBei sdiesem See-J
gang erreichen wir Artona kdoch nicht,3
und die Menschen sterben mir du unten »
vor Angst und Schrecken. Bleihen Sie
nur ruhig hier oben, gnädige Frau . . .««
Er trat an das Sprachrohr und riefl
einen Befehl hinab. Die Ajtaschisnei
stockte einen Augen-blick, dann arbeitete
sie mit doppelter Kraft. Das Schiff.
ächzte und stöhnte und inarrte in allen»
Fugen. —Die Schraube schlug wie ra-«
send die schäumenden Wellen —- oer"
Dom-pfer legte sich seitwärts fast ganz·
awf idie See, die Wo en« spritzten über;
das Deck —— einige s reckensrwfe er-;
tönt-en — oann richtete ssich der Dom-I
pfer wieder empor, er hatte den neuen
Kurs genommen lund flog in rascherer
Fahrt dem Hafen von Saßnsitz zu.
Hand in Hand saßen sie da, die sich
awf wogender, schäumender See im An
blick der gewaltigen Natur gefunden,
und blickten hinaus auf das Meer und
hinauf zur strahlende-I Sonne und
sahen sich lächelnd in die Augen und
ver-standen sich ohne Worte. —- «
Der schithende Oasen von Saßnitz
war erreicht.
. ,,Wollen wir jetzt hinuntergohen,
Wanda?«
; Sie nickte ihm zu und legte ihrehand
iin seinen Arm. Auf Deck trat ihnen
der Rittmeister ent egen. Ach, wohin
war sein Stolz, eine Schönheit ge
schwunden? Gelblichgriin erschien sein
verzerrtes Gesicht, die Augen blickten
starr, um die Lippen zuckte es schmerz
lich und wehmiithig hing der lange,
sonst so teck empor gewirbelte Schmer
bart nieder.
,,Armer«Vetter«, lachteWanda. »Das
Meer ist doch stärker als Stet«
»Das der Henker das Meer. — Jch
fahre mit der Eisenbahn zurück . . ·
»Dars ich Ihnen vorher meinen
Bräutigam vorstellen . . . .«
»Wie — was —- ah, Herr Doktor . ..
Wanda . . . .« «
Der gute Rittmeister war sprachlos.
Der sDoktor streckte ihm« gutmükhig
Eicheln-d die Hand entgegen
»Gegen sdie Allgemlt der Natur ist
nichts zu machen, Herr -Ri-ttnwister.«
,,.ßo!’s ider -, . . . na, ich wünsche svon
Herzen Glück! —- An diese Seefahrt
wer-d ich snrein leben-lang denken! —-—«
-
Vom Strom getrennt.
Novellette von Paul Blisz (Berlin)
Im Frühjahr war es, als sie sich
kennen und lieben lernten. Die Bis-u
me grün-ten und blühten, die erst-en
ItBlurnen sprangen aus den- Knospen
s Und msit jedem Tage schien die Sonne
jin-armer, und Edie Vögel sangen Von al
! len Zweigen
Bei-de waren rdie Schüler eines Kon
versatoriwms. Sie swollte Sängerin
werden« Er nahm Geigenuntervichi.
Sie war vsiebzeshm er zwanzig Jahre.
l» kklfnlv sie hatten sich lieb," unsäglich
iie
An einem mondhellen Wprilashend,
als er sie von der Hochschule nach Hause
i begleitete, hatte er’s ihr gesagt, mit lei
sen bang zitternden Warten-. illwd sie
shatie erröthenid zugehöri, längst wußte:
; sie es ja, denn- seine Blicke hatten ihn
Troer-rathen so daß sie jeden Tag sein
Geständniß erwarten konnte. Nun;
sahen als er’s ishr sagte, nun erbebte sie»
doch; es war ja das erste Mal, daß eins
Mann ihr svon Liebe sprach. Er hatt-e
seinen Arm um sie gelegt, idaß sie an
seiner Brust ruhte, unsd unter seinen
heißen Küssen erschauerte »sie, —- s o san
den sich ihre Herzen
iTage Iher Freude, sTage des sheiligsten
Glückes kamen.
Niemand wußte um ihre junge Liebe.
Tief verborgen vor jedem Dritten
wahrten ssie ihr süßes Geheimniß, und
nur wenn sie smutterseelensallein waren
im stillen Pari, dann nur triiwmiten sie
ihren glückseligen Liebestraum. —- —
So vergingen Frühling und Som
mer, und als der Herbst da war, uniußte
sie das Konservatoriium verlassen-, denn
ihren Angehörigen- sfehlten die Mittel,
um ihr ein längeres Studium zu er
möglichen Sie mußte ins Engel-ge
ment gehen-, vorläufig als Chorisstin an
die Oper eines Stadttheaters
Ber Tag vee suvschtedneymens eram
heran-. '
Und sie lag in seinen Armen- und
schwur ihm unter Thränen innid Küss en
es. · e Liebe und ewige Treue, uns-d wie
sund immer wieder dasselbe ———
änen und Küsse und Schwüre, bis
ewdlich sie fort mußte und man den letz
ten Nuß -austauschte.
Als sie gegangen war, stand er unid
sah ihr nach, so lange er sie sehen konn
te. Und es swar ihm, als sei smit ihr
das Glück sein-es Lebens gegangen, »der
Stern seines Glückes erloschen, und als
er sie dann nicht mehr sehen konsnte, da
sank er hin aus die Bank unsd weinte,
wie ein Knabe weint, der sein Liebstes
verloren that.
Ein ganzes Jahr verging, ohne daß
er sie wieder-gesehen hätte.
Anfangs unter-hielten sie einen regen
BrieswechsseL nach und nach alber schlief
er ein, denn die ewigen Liebes-versiche
rungen und die ernseuten Tresuschzoüre
ermüdeten sie auf diesDauer- unsd sonst
hatten sie sich nichts Wichtiges mitzu
theilen. Schließlich bat sie um Ent
schu-Iigung, wenn sie nicht mehr so ost
schreiben könne, da sie ab und zu schon
kleine Solopartien singen müsse.
Betrübt sügte er sich darein. Er war
ja schon zufrieden, »wenn ser sie nur
glücklich wußte, unsd seinen Trost suchte
unsd fand er siin der Arbeit. Mit uner
müsblichem Eifer studirte er, ohne je
mals zu ermatten· Fertig sein wollte
er erst, ldasnisit er eine Stelle im Orche
ster oder als Kapellmeister annehmen
konnte. Gelsd verdienen wollte er erst,
damit er sein Lieb dann heimführen
durfte! Denn das stand fest bei ihm,
sowie er genug verdiente, um einen
Haus-stand begründen zu können-, dasnn
sollte sie sort von derBüsbne, dann soll-te
sie nur noch in seinem Hause schalten
und walten, als sein guter Geist.
Da kam eines Tages eine Nachricht
von ihr, sdie ihn aus allen seinen Träu
men rüttelte.
Sie war sür eine erkrankte Kolleginl
ein-gesprungen, hatte deren Partie, das
Aennchen sim ,,Freischütz« gesungen,
» und hatte großartig gefallen. Sie war
s ,,entsdeckt«.
i DasPiubliksum jubelte vor Entzücken.
s Die Tageszeitungen brachten ausführ
liche Berichte. Direktor, Jntmdasnt
I und vie Kollegen, Alle kamen sie nun,
den neu ausgehenden Stern zu be
l schauen, —- gestern noch unbekannt unid
I ung-enann-t, und heute die gefeierte
s Größe, densn snsun bekam sie auch andere
sRollen. urvd sofort Iwurde sie imit zehn
fach erhöhter Gage für die nächsten drei
Jahre engagirt.
Alles das schrieb sie ihm mit jubeln
den Worten. Und er, —- er las es, wie
der und wieder las er es, big die Buch
staben vor seinen Augen heruxntanztem
bis ihm die Thriinen in denAugen stun
s- I
den. Die Freude swar so riesengroß,
daß er noch nicht Alles zu fassen wußte.
Dies Glückl Er hätte asusjauchzen köm
nen vor heißer Glückseligkeit Und so,
im Vollgessüshi der reinen lauter-einsten
de, so schrieb er ihr ein-en langen, lan
gen Gratulationssbrief und schwur ihr
von Neuem ewige Liebe unid Treue.
Aber da mit einmal kam eins Neues
über ihm, ein ganz eigenartiges Gefuhh
das er snoch niemals gehabt hatte. Neid
war es nicht, gewiß nicht! Aber trotz
dem war es ein Unbehagen, Idas ihn er
zittern machte, — — isie war nun groß
und berühmt und er war noch immer
wich-is — —, das lwar es, was ihn so
peinlich berührte was ihm vor Angst
die Kehle zsuschniirte
Und von dem Tage an arbeitete er
mit verldoppeltesr Kraftanstrengung
Sein Ehrgeiz war geweckt. Auch er
wollte etwas werden. Ein Künstler,
wie sie einse Künstlerin Auch ihn sollte
smasn feiern, damit er nicht Ibeschämt zu
rückstehen brauchte, wenn man von ih
ren Triumphe-n sprach.
sSo arbeitete er. Tag und Nacht saß
er, stwdirie und studirste, spielte und
spielte. Kaum daß ser sich Zeit ließ sfür
die Mahlzeiten. Er kannte keine Erho
lung, er msied die Vergnügungenz ein-s
nur gab es fiir ihn, die Arbeit, — das
swasr sein Alles.
Aber wie er auch immer arbeiten
iinochte, er kam nicht in die Höhe Was
technisch zu erlernen war, das kann-te er
längst. sEr war ein tüchtisger »und zu
verlässiger Musiker, mehr aber swar er
nicht, denn es fehlte ihm der göttliche
Funlke, der den Künstler macht. Und
als er »diese Ohnmacht erkannte, da sank
er zusammen, den-n nun war ihm Alles
verloren
Sie aber stieg von Erfolg zu Erfolg
und wohin sie bei ihren Oel-streifen auch
kiam, immer erntete sie Ruhm unsd Lor
beeren, und wurde berühmter und ge
feierter von Jahr zu Jahr, — sie swsar
die geniale, die gottbegnadete Künstle
rin.
Und eines Tages wurde sie nach Ber
lin berufen, um an der Hofoper zu ga
stiren.
Da entfloh er.
Nein, nsur kein Wiederseheni »Be
schämt, klein in seinem Nichts, mußte er
vor ihr stehen, vor »der groß-en gefeierten
Künstlerism Er hatte ja nur zu deutlich
das Gefühl, daß er ein armseliger
Stümper swar. Und da sollte er ihr
»von Liebe sprechen? Nie, niemals! das
swar vorbei. Zwischen ihn-en gähnt-e eine
Kkuft —- abgrundiief. Der Manns muß
stärker fein als das Weib, Tsie muß zsu
ihm aussehen, er muß Evas Haupt sein,
er muß das Bewußtsein seiner Kraft,
fein-es Könnens hoben, ——-n1ur dann
kann »das Weib den Mann lieben; an
ders aber, »und wie es hier war, swar es
keine-Liebe war es nur Mitleid, war es
nur ein Almosen,»— und das nicht, bei
Gott, das nicht! Dagegen empörte sich
sei-n Stolz, und darum entfloh er.
So fand sie ihn also nicht. Verge
bens suchte und suchte sie, ohne eine
Spur von ihm zu finiden
Auch in Berlin blieb Tver Erfolg ihr
treu, auch hier wurde sie als die ge
niialse Küftlerin gefeiert. Jhr Gastspiel
lockte Tausende an, so daß sie länger
blieb, als es zuerst geplant ivar,- ——- aus
vierzehn Tagen wurde ein Monat.
Noch immer suchte sie ihn« als aber
der Monat auch zu Ende ging, und sie
noch immer seinen Aufenthalt nicht ent
deckt hatte, reiste sie ab in ver Hoffnung,
daß er ihr schreiben würde, swas ihn zu
diesem sonderbaren Verhalten trieb.
Doch auch diese Hoffnung erfüllte
sich nicht. Nie hat sie wieder etwas von
ihn gehört.
Viele, viele Jahre später kam sie ein
mal in eine kleine mecklenburgische Re
sidenzstadt.
Es gab ein Wohlthätigkeitstonzert,
zu dem der Großherzog ihre Mitwir
kung erbeten hatte.
Strahle-nd '·i«n all ihrer immer noch
üppigen Schönheit stand sie auf dem
Podium, im blendenden Glanz der kost
banen Robe, geschmückt mit funkelnden
Brillanten, und all die Hunderte bezau
bern-d durch idie wunderbare Reinheit
unid den Schmselz ihres herrlichen Ge
san-ges.
- in Beifallssturm ohne Ende brach
los, und man brachte ihr Huldigungen
dar, wie sie im Stäbchen noch Niemand
miterlebt Ihatte.
Ganz am Ende des Saales stand ein
;Man«n, wie im iTvaum versunken, an
I eineSiiule gelehnt. Unausgesetzt skrsh er
sdie schöne Künstlerin an. Sein Haar
swar grau, fast 1weiß zahllose Falten
uns-d Rsunzelin bedeckten sein Gesicht,
seine Hände zitterten merklich, als sie
das« Programm hoben, und in seinen
blauen Augen schimmerten die Thra
nen.
»Pyramival, Herr Kapellmeister«
nicht wahr-'s« fragte ver alte Steuer
rath, als die Sängerin geendet hatte.
Der Angeredete niickte nur, dann
drehte er sich uni, die tief-e Erregung zu
verbergen, und ging hinaus.
Als die Sängerin draußen in ihren
Wagsen stieg, swarf ider alte Herr inc
rauen Haar einen tStrauß frischer Ro
en ishr nach isn das .sortrollen«deGefäbrt.
Sie dankte lächelnd, — — aber den«
Spensder erkannte sie nicht wieder.
Der Aerztestand in Rußland.
Die erste Stelle unter den Selbst
möroern nehmem wie Professor Si
torski isn einem l-esensswerthen Aufsatz
sin den ,,F’vagen vdesr newo-psychischens
Medicin« nachweist, soie russischen
Aerzte ein. Unter »den Vertretern des
ärztlichens Standes kommen Selbst
morde zwei Mal Ihäufisger vor als bei
der gesammtesn übrigen Bevölkerung
Das Gros Ider ärztslichen Selibftmüvder
steht tm Alter bon« 25 bis 35 Jahren-,
also ins eine-m- Alter, »das die volle Ent
wickelung der Kräfte sum-d Energie geben
sollte. Der Haupt-gnuin für »diese
anormalse Erscheinung list nach Profes
s or Sikorsti die schlechte Lage, sum nicht
zu sagen, bitteske Noth- »der vusssrschen
«Aserzte. sDafz eins frei spruktizisrensder
Arzt eiinse Jaslyreseisnmsahme von 2000
Rübe-l z:u verzeichnen shsat, tist eine »Sel
«ten«l)ieit; gewöhnlich schwankt diese Ein
nicrhtme von 600 bis 1200 Rusbel, wobei
diejenigen Aerzte, welche nsicht das
Glück haben-, Patienten aus den- besser
sitsuirtens Kreisen zsu ibesitzem sontdem
lau-f die untern Klassen angewiesen sind,
von Morgens 8-—9 Uhr bis Abend 10
— 11 Uhr thätßg sein uswd auch noch
Nachtbefuche machen müsse-n, um diese
kärgliche Einnahme zu erzielen. Zu
»der äußern Noth komimt ialso auch noch
die geistige Uebersbüvousnig Jn Nuß
liawd werdens tusgsessamsmt igegenswärticg
15,740"Aerzste gezahlt, sum-o über sdiie »Er
werbsvierhältnifse von 6106 von ihn-en
haben »wir zuverlässige Erhebung-ein-;
dieselben erarbeitens jährlich insge
sammt — 6,075,000 Rahel, d. "h«. tm
Durchschnitt noch nicht ein-mal 1000
Rübe-l pro Arzt. Neben Idiesem sgrsoßen
iärztslichen Proletariat giebt es natür
!-lich Aerzte, Idiewie kleine Fürsten oder
mindestens doch wieMitnsister lebe-n kün
nen. Ganz avgseseyew PLM semem PM
sesssor Sachsaoin Ider swiedesrtholt im
Jahre für Kuren san hochstehensden oder
Ireichen Personen ganze Vermögen er
hält, dem der reiche Moskauer Kaus
msantn siir ein-en kurzen Besuch don 10
Minuten 50——100 Rusbel sasnrstsaznldslos
auf den Tisch legt, wnsd sder deshalb auch
so im- »der ,,Wo»lle« sitzt, daß er erst kürz
lich eine halbe Million Rsubel für
Kirchen- uan Schul-stecke spenden
konnte, giebt es doch kin »den beiden Re
sidenz-en- ninid in den- sgsroßen Städten
wie Warschau, Kiem, Odessa so mun
chen noch nicht ein Mal gar so beson
ders berühmten Arzt, sder jährlich seine
15,000—20,000 Rsubel vereinWth
Aber dass sinsd füir cgasnz Rußslanld Viel
leicht nsur eisnsige hundert Aerzte, denen
es so glückt. Da sin Rußlandd der ei
gentliche Mittelstand fast noch sgasnsz
fehlt, so gelangt auch der freiprasktizsi
rende Arzt weit schwerer lasls selbst in
dem überfüllten West-Europa zsu einer
seinem Berufe zulosmimenden gut-en
Mittel-Einnahme Die krsassesten Ge
gensätze stoßen auch in den Erwerbs
Verhältnissen der Aesrzte underlniittelt
ans einander. Der Umstand, daß die
rutssischen Llerzte höchst sung-ern auf das
Land selbst in kleinere Städte gehe-n
und sich in den großen Städt-en zusam
mendrängen, trägt natürlich auch viel
dazu bei, die ökonomische Krisis in der
Aerztewelt zu verschäirfen Etwas
merkwürdig »ich sasuch die Stellung, wel
che selbst eins großer Theil der Intelli
genz den Aerzten sgegenliilber einsnlinrmi.
Daß jeder-Arbeiter seines Lohnes werth
ist, »der Arzt, um slseben zu können auch
Geld verdienen muß, will Vielen nicht
einleuchtem Man imacht nur schöne
Phrasen von dem edlen Beruf des Arz
tes, dessen Pflicht es sei, ohne auf Be
zwhlunsg ziu sehen, über-all da einzugrei
fen-, wo nvwn sein-es Beistanldes bedürfe
und swäslzst dabei Eins aller Gemütthisrsuhe
die Pflichten, welche dem Geineiniwesens
obliegen-, ausschließlich auf die Schul
ter-n der Aerzte. Einige Städte thue-n
flir die ärztliche Behandlung so gut wie
nichts, aber dafür swird in der
Presse und der Gesellschaft so lange
über die anteressenlosigteit der Aerzte
an dem Allgemeinwolhsl sgeschrieen, bis
srch die Aerzte, um Ruthe zu bekommen,
zusammen-thun unld Ambnlatsorien er
öffnen, in denen sie Jeden, vder es
wünscht, unentgeltlich behandeln. So
läßt sich selbst die reiche Stadt Kiew
von den- Aerztsen jährlich ein Geschenk
von mindestens 27,000 Rubel machen.
In den von den Kieswer Aerzten unent
gselsdlich sein-gerichteten Ambulatorien
sisnsd nämlich im Jahre 1895 all-ein
138,f)00 ärztliche Ratthschläge ertheilt
worden. Selbst wenn der Arzt Pro
Person nur 20 Kopekesn ershailten würde
lin Petersburg und Moskau werden
30—-—5() Kopeteni bezcehslt), so ergäbe
dies schon oben genannte Summe