Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 14, 1896, Sonntags-Blatt., Image 13

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    l
,-’"und stürmisch, im scharfen Rhythmus
Der Stern von Wortes-an
—
Instkaitscheo Märchen von Ilire Liebling
Ein glänzended Publikum stillt alle
löse et Großen Oper in Paris.
- an erwartet in roher Spannung
den Beginn der Vorstellung denn zum
ersten Mal soll die schöne Apollina aus
treten, »der Stern von Warschau«. Jhr
geht ein großer Rus voraus; alle Zei
tungen sind des enthusiastischen Lobes
voll; ihre Kunst, ihr Tanz soll alles je
Dagewesene überstrahlen, man nennt
sie die menschgewordene Terpsichorek i
Und wirklich, ihr Tanz hat Gött
liches, Herz und Sinn Berauschendesl
Jhre Bewegungen sind von unnach-.
ahmlicher Grazie und Anmuth, und
aus ihren Augen strahlt ein blendender
Glanz, ein verzehrendes Feuer; ihre
Gestalt ist schlank und biegsam, ihr
Antlih edel, ihrAustreten vornehm und
doch gepaart mit einer Alles bezaubern
den, angeborenen Koketterir.
Das Ballet ist zu Ende. Die tau
sendköpsige Menge klatscht, rast, jubelt;
man verlangt eine Zugabe, und »bis«
und »biö" ertönt es von allen Seiten.
Da schreitet Apollina, die nie Ermit
dende, vor und iebt ein Zeichen, daß sie
tanzen wird. eise summt sie eine Me
lodie, wie um sich in den Takt zu wie
gen, und dann beginnt sie. Eigenthüm
lich ist ihr Tanz, leidenschaftlich. wild
des Dreiviertel - Takte8, dazwischen
sanst und zart, doch bald wieder lustig
und feurig, in rasendem Tempo,-——und
immer singt sie halblaut die eine Melo
die. Horcht Jst das nicht ein Mazur
ta, eine polnische Mazurka?
Apollina sieht nicht die begeisterte
Menge, hört nicht den tosenden Beifall,
sie tanzt und tanzt und vergißt sich
selbst und alles darüber, bis sie plötzlich
briisk aufhört. —- «
Unzählige, wunderbare Bkumen
wandern, mit Schleifen und Karten ge
schmückt, in eine elegante kleine Woh
nung in der »Rue de l’opera« und ver
wandeln diese in einen dustenden Mör
chengarten. Jn einem weißen Gewan
de, aus niedrigem Sessel ruht Apollina,
die lieblichste Blume dieses Gartens; zu
ihren Füßen kniet ein schöner jun er
Mann. Es ist ein unermeßlich reiåer
ausländischer Prinz; er bietet ihr sein
Herz und seine hand. Doch Apollina
schüttelt traurig dasKöpschem sie dankt
sür die große Ehre. und mit einem
wunderbar sehnsüchtigen Blick in den
Augen spricht sie zu ihm: »Ich hakt
einsi ein heiliges Gelübde gethan, mir
nur einen Gatten zu wählen, der dreier
lei in sich vereinigt: Ein Edelmann soll
er sein, aber arm! ein stolzer Pole! ein
Meister der Tonkunst! Der soll mir
dann die Musik zu- einer Mazurta
schreiben, zu einer echten, schönen polni
schen Mazurka!« —- —
k« -.« ·-.-,.
Wocycll Icchyclh Upoulllll III lcsl Ill
Mailand und feiert im Skala-Theater
mit ihrer Kunst Triumphe über
Triumphe. Die Begeisterung fiik sie
kennt keine Grenzen und steigert sich zu
frenetischem Jubel, wenn sie nach dem
Ende des Ballets als Beigabe ihren
fremdländischen Tanz vollführt. Und
selbst der größte Componist Italiens,
den sein früher Ruhm stolz und hoch
rniithig gemacht hat, fühlt sein Herz
unwiderstehlich von ihr gefangen, und
in seiner melodischen Sprache erklärt er
ihr seine Liebe und beschwört sie heiß
und leidenschaftlich, seine Gattin zu
werden· Doch Appollina schüttelt wie
der ihr Köpfchen und spricht: »Herr,
kennst Du meine drei Bedingungen
nicht? Wohl bist Du noch ein grosser
Künstler, ein Genie! Aber gelingt
Dir auch eine einfache, zu Herzen ge
hende Mazurta? Denn ich bin eine Po
lin, und nur ein Pole soll mich freien.«
Warschau, Heimath süßtlingendes
Wort! Weißt Du noch Apollina, hier
stand Deine Wiege aber damals um
gab Dich Glanz und Reichthum noch
nicht; Hunger, Noth und Sorge wa
ren die Begleiterinnen Deinersiindheit
Deine Eltern sind schon lange todt,
lange ehe sie sich an Deinem Ruhme
sonnen konnten, die armen Treuen, die
armen llebelohnten! —— Löngst Ver
gangenes steigt vor ihren Augen auf.
Kindertriiume, JugendgedantenS Ei
nes Tages hatte eine wüthende Seuche
ihre Eltern und viele, viele andere
Menschen schnell dahingerafft. Nie
mand titmmerte sich in der schrecklichen
Zeit um die arme neunjährige Waise
Herumziehende Z euner nahmen sie
mit, und sie ließ fsch chwillig fortfuhren.
Dort ging es ihr nicht schlecht; mit
schlauem Blick berechneten sich die Leu
te die zukünftige Einnahme, welche die
tleine schöne Polin ihnen dermalen ver-—
schaffen sollte. Sie lernte regelrecht
alle Künste der Zigeuner, Seiltanzem
Wahrsagen und dergleichen mehr. Aber
eines Abends-s beim flackernden Herd
seuer iiel ihr »Stasch« ein, den sie seit
dem Ausbruch der Cholera nicht mehr
gesehen hatte, und sie brach in heftiges
Weinen aus. Sie hatte ihn so lieb ge
habt, den seinen, blaisen Nachbarstnai
ben draußen in der Vorstadt in War
I J
schau. Er war der Sohn eines gänz
lich verarmten, erbkindeten Grafen,
und wenn auch dessen Wohnung fast so
CkMikllg wur, wie die ihrer Eltern,
Apollina fuhlte dort instinktiv einen
Rest VVU Uksptiinglicher Vornehmhett,
und es waren die schönsten Stunden
tlJrer Kindheit, welche sie mit Jenem
verlebeii durfte. Der alte Gras war ein
vorzuglicher Musiker, und wenn er gut
gelaunt w«ar, so spielte er den Kindern
UYf fklxm Geige aus seinem reichen Ge
dachtnißschatze etwas vor. Er wußte
immer wieder neue Melodien. Am mei
sten gefiel ihnen einen Mazurla, da
chlangen Stasch und Apollan die
Arme um einander und tanzten da
; nach. — So in Gedanken versunken,
tfummte die Kleine ihre Lieblingsme
lodie und begann wie unbewußt dazu
zu tanzen. Die aber läubifchen Zi-;
geuner saßen und lauschten aufmerk-l
ain. Ueber Apollinas zierliche Gestalti
glitt der röthliche Schein der Ihm-i
men und erleuchtete sie; ihr süßes Ant-i
litz hob sich weiß und klar von deml
schwarzen Hintergrund des Waldes ab
wie ein glänzender Stern am nächt
lichen Firmament, und die Zigeuner
nannten von da ab ihren Liebling »den
Stern von Warschau«.
Zehn Jahre waren seitdem verflossen.
Zum herrlichen Weibe erblüht, als
ruhmreiche Tänzerin, eine von der Ge
sellschaft Vergötterte, Angebetete, tritt
Apollina zum ersten Male im Großen
Theater in Warschau auf. Es wird eine
Oper, die Musik vom Grasen Stanis
laus P» gegegeben, mit wunderbaren
Balleteinlagen, von denen der Natio
naltanz der Polen, »die Mazurka«, den
effektvollften Glanzpunkt bildet. Und
wie berauscht, vor ihren Landsleuten
zu stehen, sich endlich, unter den Jhren
u iihlen, tanzt sie und scheint ihr Be
ites zu geben. Jhr ist’S, als ob bestän
dig aus einer Loge zwei feurige Augen
zu ihr herniedeifielen, zwei fremde und
doch bekannte Augen, und wie verzau
bert sieht sie nur dahin. Jst jener vor
nehme Cavalier nicht »Stasch«, der
arme Stasch, der stolze Graf Stanis
laus PF
Und nachher stand er vor ihr; sie,
starrten sich an, selig im Wiedersehems
Kein Wort wurde ges prochen, ihre Her
zen verstanden sich. Apollan wußte,i
daß er Musiker geworden war, denn sie
hatte hier und da über ihn gelesen: aber ·
er konnte nicht ahnen, daß aus seiner
kleinen Jugendgespielin, der Tochter
des Aermsten unter den Armen, dieses
an Huldigungen gewöhnte, glänzende
Weib geworden war, und seine Ju-!
gendliebe zu ihr, welche ihm stets eine
zarte, süße Erineriing geblieben war,
schlug in hell lodernden Flammen wie
der empoy Und ausiauchzend hörte er
von ihren Lippen den innersten Schrei»
ihrer Seele: »Auf Dich habe ich gehofft
und gebarrt all die Jahre lang, Du
mein Einzigerl Viele habe ich ver-l
schmäht um Deinetwillen. Die Treue
habe ich Dir gehalten, ohne daß ich wis
sen konnte, ob Du mich se lieben wür
dest. Und nun bist Du mein, und ich
Dein, Du mein geliebter, stolzer
Staich» Du inein angedeteter großer
Künstler!« ;
Zwei starke Arme umschlangen fie,!
und auf ihren Lippen brannte feurig
der erste Kuß. j
vvv
Schein.
Von F. von KapssiEsscnther.
»Wir müssen noch in diesem Monat
eine Abendgesellschast geben, eine grö
ßere Gesellschaft, die ein wenig von sich
reden macht,« sagte Hermann zu sei
ner jungen, schönen Frau.
Sie antwortete nicht, sondern sah
ihn stumm und finster an. Der strenge,
etwas talte Zug in ihrem blüthensri
schen Gesichte trat auffällig hervor. I
»Ich habe Dir schon gesagt, Her
mann, dasz ich die Rechnungen vom
vorigen Monat noch nicht bezahlen
konnte. Was Du mir gabst, wurde zur
Tilgung älterer, noch älterer Rückstan
de verwendet, und . . .
Er klopfte in leichter Ungeduld den
Boden mit der Spitze seines eleganten
Lackstiefelg.
»Das hat ja gar nichts zu sagen,
mein Kind! Du wirst alle diese Rech
nungen bezahlen, oder zweifelst Du
daran? Wo immer Du taufen willst,
hast Du Credit auf meinen Namen
hin, die Bezahlung ist meine Sache;
Du weißt, mein verantwortungsool
les Geschäft macht mir genug davon.«
Er erhob sich und griff nach dem
Hutr. Für ihn war die Sache abge
than. Nicht siir sie. Sie folgte ihm,
ihre schonen weifzen Hiffide bittend ers-«
hoben.
»Hermann, ich beschöre Dich, sprich
sDich einmal aug! Was sollt all’ dieser
tAufwand2 Warum nun wieder eine
I Gesellschaft, da wir die Rechnungen fiir
die letzte noch nicht bezahlt haben? Wa
rum dies Alles? Es quält mich mehr,
als Du ahnst.«
Angerltch warf er den Dut, den er
schon in der Hand hatte, von sich.
I —
,,Weil dies Alles mein Credit erhöht!
Weil ich ein Haus machen muß, um
Bauausträge zu erhalten« Ohne gesell
schaftliche Beziehungen werden mir
keine Bauten übertragen. Wer, meinst
Du, kommt so von der Straße herein,
um mir einen Austrag zu geben?! Du
bist aus einer Philistersamilie, wo man
das feste Gehalt bis aus den Groschen
vertheilte, täglich ausrechnete. So
aber kann ich nicht leben, das wäre das
Ende. Thue, was ich Dir gebiete, ge
horche, wenn Du nicht verstehen
kannst!«
, Sie richtete sich stolz und hoch auf.
. »Nein, so werde ich niemals gehor
Tchen, so nicht! Ich bin iein Dienstbote
—- will mit Dir empfinden, mit Dir
handeln, mit Dir denken. Wir haben
schon vor drei Wochen eine solche Soire
gegeben, die unsere Mittel überstieg.
Es ist noch nichts bezahlt — nicht der
Koch, nicht der Condiior, nicht der
Weinhändler, auch nicht meine Toilet
te, obgleich sie nur modernisirt war.
Nun sage, warum dies Alles wieder?
Wir sind so gut wie Niemand Revanche
schuldig. Wozu dieser thörichte Auf
wand?«
Er war in einen Stuhl gesunken.
»Wenn es sein mußt« sagte er.
»Aber es ist wirklich thöricht von Dir
— jedoch, Du willst durchaus! Jch
möchte den Banidireitor der X-Bank
laden, Walburg, Du tennst ihn.«
»Warum?«, rief sie auf’s Aeußerste
gespannt.
Sie kannte ihn ganz oberflächlich
und der Zusammenhang war ihr nicht
klar. Und in leidenschaftlichem Tone
rief sie nochmals:
»Warum? Warum? Warum diese
Gesellschafts Warum dieser Wal
burg?«
Nun ließ er sich herbei, zu erklären:
»Mein liebes Kind, ich möchte doch
gerne den Bau einer Häusergruppe er
lten, wozu die Bank das Geld herge
en muß, die unerläßliche Hypothek
Es ist eine Existenzfrage für mich, und
ich hoffte . . . Du kannst Dir das gar
nicht so vorstellen . . . wenn man den
Banidireitor einladet —- es macht sich
manchmal von selbst. Ach, wenn Du
das Alles begreifen wolltesi, wie viel
leichter wäre es mir um’s Herz!«
Bei dieser Erklärung war ihm der
Schweiß asgebrochen, den er sich von
der Stirne wischte. Sie übersah zum
ersten Male ganz deutlich, welchen
schweren Existenzkamps er kämpfte.
Jedoch auch sie faßte sich schnell. Sie
ergriff seine beiden Hände und ries:
»Das kann nicht das Rechte sein,
Hermannl Wenn Du etwas leistest,
Hermann, etwas gilst, so muß es wer
den, auch ohne diesen —- verzeih’! —
ohne diesen Schwindel.«
Energisch unterbrach er sie: »Schein,
nicht Schwindel.«
Ollllslcc sllyl Ilc IUIIJ
»Als-) ohne diesen Schein! Du hast
schon Ansehnliches geleistet! man wird
Dir den Bau übertragen auch ohne die
se scheinbare Creditfähigteit, welche ei
ne Geselligteit, eine Soire auf Credit
Dir verleiht. EfnTalscher Glanz, ein
Nichts.«
»Du bist ein Kindl« seufzte er.
»Du kennst die Welt nicht.«
Sie aber redete sich immer mehr in
eine gewisse Etstase:
»Du hast Talent und Du kannst et
was. Du wirst. Du mußt zur Gel
tung kommen, auch ohne diesen erborg
ten Schein. Dente doch, Hermanm
daß ich nicht einmal meine Schneider-in
bezahlen konnte. Nein, das kann das
Rechte nicht sein! So begründet man
keine Existenz. » Du hast Talent, Du
wirst Dir Deine Bahn brechen, wie ge
sagt, auch ohne diesen mir so schreckli
chen Schein.«
Er nahm mit energischer Bewegung
seinen Hut . . . .
»Unnütze Redensarten, Rosa, thue,
gias ich Dir geheißen!« Er wollte ge
en.
Einen Augenblick stand sie ganz
starr. So schroff und hart war er nie
gewesen. Sie entstammte einer Beam
tenfamilie, wo man sich einfchräntte,
aber pünktlich auf den Heller zahlte.
Seine Art zu wirthschaften schien ihr
unbe reiflich, verderb!ich, ja verbre
cheri ch. Mit einer stiirmischen Beweg
ung riß sie ihn an sich Und von der
Thüre weg.
»O bitte, bitte,« rief sie leiden »
schaftiich, »erspare mir diese Gesell
schaft. Das kann nicht dar- Rechte
sein, Suche Deinen Bantdirettor auf,
gehe in sein Bureau.«
l »Das ist eben nicht dassele « warf
er lächelnd ein, denn ihre Crultation
erschien ihm ein wenig totsiisch
»O versuche es nur, Du wirst Alles
erreichen, was Du ioill5t, weil Du ein
« begabter Mensch, weil Du ein Charak
ter bist. Laß diesen heuchlerischgläns
zenden Schein.«
»Nun denn, mein Kind, io will ich
auf diese Abendgesellschaft verzichten,
obgleich sie mir wichtig schien. Denn
siehst Du, bevor man einen Bauanftrag
erhält, muß auch das Baugeld da sein«
und dies liegt nicht immer so bereit.
und ich hoffte gerade in diesem Abend
H
die Fäden in meineHand zu bekommen;
aber ich will Dich nicht zwingen, die
Sache ist erledigt.«
Und er ging-nach erneuertem zärt
lichen Abschied.
Etwas beunruhigt blieb sie zurück.
Es war ihr bange vorihrem Siege! Und
doch vermeinte sie ihre Pflicht gethan zu
haben. Auch hatte sie, bescheiden, erzo
gen wie sie war, ihrem Mann eigent
lich noch nie um etwas gebeten. So
konnte er ihr diese Bitte nicht abschla
gen. Wenn er nun den Bauaustrag
doch erhielt, dann erst durfte sie trium
phiren. Und sie zweifelte nicht daran,
daß es geschehen würde. Hermann war
so energisch, so begabt, er wußte zu er
reichen, was er wollte. Diesmal aber
tam es anders. Das Creditgeschäft
gilißigliickte und der Bauauftrag unter
1e .
»Die einzige Abendgesellschaft hätte
daran auch nichts ändern tönnen,«
sagte sich die junge Frau und sie wie
derholte dies auch ihrem Manne. E
»Ich kann das heute nicht mit Be-:
stimmtheit behaupten,« sagte er, »je-»
doch ich glaube nun einmal, an jenem;
von mir geplanten Abend wäre die;
Sache zu Stande getommen.« f
Sie schwieg bestürzt. Schlimm ge
nug, daß er es glaubte. Wie sollte sie
ihm das Gegentheil beweisen? lnd
die bösen Folgen mehrten sich. Her
man hatte sein Haus aus den neuen
großen Auftrag gestellt. Nun fehlte es
an Geld, an Mitteln, die älteren klei
nen Schulden zu bezahlen. Und Rosa
hatte den ihr so schmerzlichen. fast un
erträglichen Kampf mit unbefriedigten
Gläubigern durchzutämpfen. Und noch
viel Peinlicheres trat ein. Hermann
mußte zahlreiche Arbeiter entlassen.
Da kamen die weinenden Frauen und
baten mit erhabenen Händen, man mö
ge doch nur ihren, diesen einzigenJ
Mann behalten. Ja, ein Polier mit?
vielen Kindern, der ebenfalls feineEnt
lass ung erhalten hatte, tödtete sich durch
den Strick. Ohne Ende schienen die
Consequenzen der unterbliebenen
Abendgesellschaft. Rosa war trostlos.
Vielleicht hätte jener Abend nichts am
Verlauf der Sache geändert, aber sie
hätte sich doch teine Vorwürfe zu ma
chen brauchen. Ihr Gatte machte ihr
keine, wie hätte er auch sollen. Es hätte
kindisch, tleinlich geklungen. Aber es
wollte sich kein neuer Bauaustrag sin
den, als ob die unterlassene Gesellschaft
dem jungen Architetten wirklich den
Credit und die nothwendigen gesell
schaftlichen Beziehungen geraubt hätte·
Das konnte ja nicht fein, aber schlimm
genug, dasz man sich diesen Satz stets
wiederholen mußte.
und Mosa sann uno dachte, wie ne
das fürchterliche Gespenst dieser nicht
gegebenen Gesellschaft los werden. aus
ihrem vom Unglück heimgesuchten Hau
se verbannen könnte. Jedes Opfer
·wollte sie dafür bringen. Endlich kam
eine Gelegenheit Jsm Architettenhause
fand ein Festbantett von Berufsgenos
sen statt und Hermann warf hin, es
wiir wohl schön, wenn man dabei sein
könnte. Dann sehen die Leute doch,
daß man noch mit-zählt Gleich da
raus jedoch wieder rief er:
»Aber mein schwarzer Anzug ist
nicht mehr gut genug; auch Deine
Toieletten werden ja der Auffrischung
bedürfen und ——«
Er seus te und schwieg.
Sie wu te, was er dachte: Die Neu
anschassungen sind nur auf Credit
möglich. Und dieser Credit isr heute
schon bedeutend erschwert und welche
Vorwürfe würde mir meine Frau ma
chen, wenn ich aus der Sache bestände.
Darum schwieg er seufzend.
Drei Tage vor dem Festbankett war
es, als Hertnann, aus seinem Bureau
heimkehrend, vor seinem Bette einen
neuen »Smoting« mit Zubehör sand.
Aus dem anderen Bette lag Rosa’s
hellblaueToilette mit neuen Spitzen
aufgefrischt.
; »Ja, sage mir, Kind, was hast Du
! gemacht? Du hast mir zwar einen ge
1 heimen Wunsch erfüllt, aber ani Ende
J hast Du da irgend eine Thorheit began
I aen.«
»Nein,« sagte sie stolz. »Sei ganz
» ruhig, ich habe nur das alte Goldtreuz
Ivon meiner Großmutter versetzt. Es
« war schwerste-, Gold und mit lauter
Rechten Steinen besetzt; davon konnte
liich meine Toilette bestreiten und auf
·Deinen Anzug die Hälfte auszahlen.
Und sowie Dir etwas glückt, wirst Du
; den Schneider vollende befriedigen und
i das Kleinod der Großmutter aus-lö
1 sen.«
j »O, Du gute tluge Frau, welch’ ein
! Opfer hast Du gebracht!« Denn er
i wuszte zwar, daß sie das alte Goldtreuz
s nicht entbehrte, aber auch, daß sie das
j Leihhaus nur aus Romanen kannte.
I Und freiwillig, zu dem gedachten Zwe
. cte jenes Institut aufzusuchen, das war
: ein Opfer. welches nur er zu schätzen
I wußte. Sie und das Versatzamtl Und
mit feuchten Augen schloß er sie in die
Arme, mit einer Inbrunst, als wäre sie
eben erst sein Weib geworden.
»Und glaubst Du denn wirklich, das
in unseren Tagen der »Schein« sein(
I J
Berechtigung hat?« flüsterte er ihr zu.’
»Daruber habe ich kein Urtheil, Her
mann,« versetzte sie ernst, »aber weil
ich Dich liebe, will ich von nun ab gern
und willig Alles thun, was Du in die
sem Sinne fiir gut und angezeigt
hälst.«
»Und weil ich solch’ eineWib habe,
so werde ich mich aufraffen, werde et
was erreichen, schon Dir zuliebe. Jch
war nur zu zaghaft geworden Deinet
wegen, Rosa.« »
»Sei das nicht mehr, Gesichter; ich
fchwöre Dir, nie werde ich Dir einenå
Vorwurf machen, auch wenn der!
.,,Schein« Dich einmal betrügen s ollte.« "
»Er wird es nicht, darf es nicht ne
ben Dir.«
» Nochmals sank sie in feliger Zuver
j ficht an seine Brust.
- - —----O-.——
Suakim am Rothen Meere.
Die neue Sudsanexpedition der Eng
länder shat die allgemeine Aufmerksam
keit Iwiedser dem Stützpunskt derselben,
der Hafenstadt ISuakim, zusgelenskL
Schon durch Ossman «Digm-a, den be
kasnsnten ehemaligen Statthalter des
jüngsten M-a«-hdi, durch dessen wieder
holte »Kä"mpfe mit den sEngliiwdern,
welche die Besetzusnig Suakims durch
britische Trupp-en herbeiführten, ist
diese nubische Hafenstadt dem entw
Päischen Zeitunigsleser zur Genüge be
kannt geworden-. Suaiism oder Saa
tin ist einer der Häer an der a«frilsan-i
schen Küste des Rothen Meeres, von
welch-en freilich bis jetzt keiner zu irgend
einer internationalen Bedeutung sich
emporzuschwingen mer-mochte auch kein
einziger von den das Rotihe Meer be
fahrenden Dampfern des Auf-enthal
tses für wert-h erachtet wird. Und doch
ist Ssuakim der Haupthan des ägyp
tiichen Sudan umxd besitzt als solcher
immer-hin eine gewisse Wichtigkeit
stser Schweizer Werner Munzinger
stellte —- allerdiwgs vor zwei Jahr
zehnten — seine lHandels-bedeutung fo
gar shöher als die svon Msassa-usa"h, mit
dem es die Auslfujhren des oberen, am
«h-arischen Abyssinsiens tlhieilt
sSuakim liegt auf einer kleinen Jn
sesl inmitten ein-er eiförmigen Bai, die
in einen Meeres-arm aiusläusft Eine
andere, etwas kleinere Insel, die Qua
ranitänse-Jnsel, liegt Idiessem ftratogisch
sehr iwichtigesn Punkte gegenüber Saa
kim selbst besteht aus zwei s rten, dem
--k«k-.-:1«sx-- ...-.’«I- L-— L-kt.k·’z—.LL-k-c .- .
OIOsUCUCIlsWLII UIUU Uclls IFIDIUUIUIIUJDIH
welche durch einen höchstens 300 bis
400 Meter langen iDæmrn smit einander
verbunden sind. Es ist also blos ein
breiter Kanah swelcher dass Fest-band
von sder Jnsel trennt. Die-· eigent
liche Stadt auf der Jnsel hat das Aus
sehen eines Kegels und itst jetzt vmsit star
ken Viertheidigunsgsrverken umgeben.
Die meistens Wohnungen sind nur Hüt
ten von Rohr und Zwei-gen der Dum
palimr. Dicht am Hafen, Oder ziemlich
sicher ist, jedoch gefährliche Untieer be
sitzt, erhebt Isich der Palast des früheren
Go«uverneurs, ein großes, tarawanse
raiähnliches Gebäu de, swelches im erst-en
Stocke ein-e schöne, große, nach dem
Meere offene Veranda hat. tSosnst gibt
es noch sechs bis sieben ziemlich shiibsche
arahischse Häuser, und asuch auf dem
Festlande sind ziemlich soiele Steinshäu
ser vorhanden-, doch mehr «Waaren:mia
gazine als Wohnungen. Außerhalb
der sestländischen Vorstadt befinden sich
Parte, von drei Bollwerten sbeherrschte
Verschanszungem und vor diesen liegen
»die Brunnen, welch-e das einzige trink
bsare Wasser enthalten, das meilenweig
her von den hohen, die IOtadt umgehen
den Bergen herabrieselt, an Stellen,
welche während ider jüngsten Kämpfe
leicht ivon dem Feuer der hinter dichtem
Gesträuch geschützt liegenden Feinde
hestrichen wer-den können; denn der
Raum zwischen den Verschanziungen
und den Bergen ist mit lachenden, saf
tiggriinen Wiesen, mit Gärten, Hecken,
Sträuchern blühenden Mimosen und
Atazien bedeckt. lDiese Brunnen- sind
asher die einzige Quelle für die dürstende
Bevölkerung der Stadt, in der die Hitze
unigemein drückend wird. IJn der Breite
von Suastim stellen sich nämlich Wind
stillen oder deränderliche Winde ein,
»die, von dem glühend-on Boden der »ge
geniiber liegenden arabsischen Wüste er
wärmt, aus einem Backoisen zu komm-en
scheinen. Der Zustand der Luft gleichst
dem eines Dsampsdades, ssie ist mit
Feuchtigieit gesättigt und die Schwiile
drückend. Eine Folge des Klinms ist
ein eigenthiimliches HautiibeL welches
die Engländer »prict-lh :heat«, die Deut
schen den ,,rot««hen Hund« nennen. Es
ist ein röthlicher, inaserartiger Aus
schlag, der den ganzen Körper berectt
und unaufhörlich juckt.
Suiaikim ist eine echte Stadt des Su
dan, das heißt des Landes lvder Schwar
zen. Obwohl sie »vor mehreren Jahren
nicht unbedeutend zugenommen hatte,
zäjhlt sie heute doch nicht mehr als 8000
Einwohner und isstin entfchiedenem
Verfall begriffen, dem auch die Eng
länder nicht steuern zu wollen scheinen.
Sie macht seinen erbärmlichen Eindruck·
F
lder für den Esuropäer sich nsur in dem
Worte »Mein-« zwsammenfassan läßt
Für die einfachen Kinde-r des Susdans
mit ihren geringen Bedürfnissen isst da
gegen Suakism sei-n Gldorado, lwo sie
alles finden, was ihr Herz begehrt;
volle Fleisch-busden, ihre sbeslsiebtem dem
Eiuropäer freilich ungenießbar-en Dur
va«brote, saure Milch, recht viel dort für
ausgezeichnet geltende, nach unseren
Begriffen aber rianziige Butter, und vor
allem ganze Buden imsit dem- beliebten
Hamsmielsfett, sdas sie Isrch in die Haare
schmieren; daneben Lustbarkeiten aller
Art, dralle schwarze Mädchen, Nega
niusik, Tambouringetvommel und Flö
tsengezwitscher, wozu sie selbst »den Ge
sa ng besorgen.
Die Schwarz-en iSuiakiims sind übri
gens kein-e Neger, sondern Siddäthisw
pier von den angenehmsten Formen
und mitunter sehr schönen Physiogno
nrien. Der deutsche Forschunigsrseisende
Heinrich Freiherr Von Maltzen bezeich
nete die sSchönlheit des dortigen Men
schenschlages als unsleugban Die jun
gen Männer zeichnen »sich durch ldie
Schlantksheit ihres Wuchs-es, durchs die
edle, sauft-echte Haltung »und elastische
Schnellskraft ihres Körpers aus. Die
Frau-en kennzeichnet »die Rundusng ish
rer Formen; ihre Ph.ysi-dgusomiseen sinsd
runider als die der Männer, sie sehen
strasmm, frisch unsd gesund aus, ilhr
ganzes Wesens bekundet blühende, na
türliche, ja sheraussforsdernde Sinn-lich
keit. Nur swas »das Haar betrifft, so
Ibegehen sie idsie Geschmackssverirrunsg, es
in dünner, fadenartiger Pfropfzieher
sorm, über-mäßig mit lFett getränkt, zu
tragen-, wächrensd sein4 wilder Unwald
das IHaupt der Männer bedeckt. Alle
haben darin ein«-en kleinen Kam-m oder
ein langes Holz stecken-, msit dem sie das
Haar von Zeit zu Zeit aufpuffens, sum
ja nicht allzu geglättet zu erscheinen.
Auch führt ein jeder das bekannt-e ara
bische Zahnholz (,,Mesua-k«) bei sich,
das sie fast beständig sim Munde haben,
insdem sie aus dem IZthwputzen seine Un
terhaltung machen. IDie blenden-de
Weiße ihrer Zähne ist also rnsit auch
ein Folge der großen Rein«lichkeit, lwel
che «srch jedoch nicht sgleich allgemein auf
die Gewandung erstreckt.
Yumoriltischeg. -
Zuiingstlich ,
Abvwokat ,,lJ(1, mein Lieber, ich muß
Euch leider sagen: »Den Prozeß haben
wir mit iPauken und Trompeten Verlo
-ren-!«
Bauer: »Ju, was S’ net sag’n, —
da darf i’ am szd’ d’ Musikanten auch
noch zashl’n!«
-—-s—————-- -—O-O.--————————
Vorschlag zri r ·G-iite.
·Miether: »Hören· Sie ’rnal, Frau
W"irchin, das ist aber nicht auszsuhasltem
sbei der Kälte aus loer Matratze pzu lie
gen und nur ein Kopsskiiss en dazu zsu ha
ben. Können Sieldas nicht anders ein
richten. ?«
Wirthim »Gewiß! sLegen Sie sich
doch aus das Kissen usnid decken Sie sich
mit der Matratze zu.«
—«0-—
Esntrsiistuna
»Du, Papa, wenn bekom-m’ ich den
Säbel, lden Du mir versprochen hast?«
»Du bist ja noch immer nicht brav,
tin-d hast msir doch auch versprochen, es
zu sein!«
JWann soll iich Dir das versprochen
shaben ?«
—----.— - Cof -— —
Neuer Beruf.
Gast lzum Bett-ler): »Sie sollten,
dächte ich, doch its-was arbeiten, statt bet
teln! So ein kräftige-r Mensch — schä
men Sie sich!«
Bettler: »Ich arbeiite schon, meine
Herren, nur ist mein Jeschäft zur Zeit
noch etwa-·- problematisch; --— Zuckunft
hats wohl —— aber et jesht noch nich
rechtl«
Gast: »Nun, was sinlb Sie sdsenn ei
gentlich, wenn man fragen idarf?«
Bettler: »Ja bin Bremser bei einer
LufiballowJeiellschaft!«
—-- As OOO
sAus dein-Einmen.
Professor der TUiatOlsematish »Wie ist
die Berechnung des Kegels?«
-Kar.(didat: »Alle Neune machen 36.««
-« OOO
lbfterteiintnifi.
»Herr-gott! Bin ich Doch ein small
protz nnd l7ab’ erst zcoeimalqkinberitnw
senso Mart; -- ich möcht mich erst
sel)’n, ircnn ich cinetJJiillion ..iiiit’!«
—- s-· — JO
Eiiphemiismiis
Its ,iJa, mein lieber Freund, wie Du
aussiehsti Dein ganzes Gesicht ist ja
voll von blauen Flecken !« »
,iAch, ich halbe mich ein nur ein
weniig an mein-er Frau gesioßen!«
«