Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 07, 1896, Sonntags-Blatt., Image 8

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    1
He dem Großvater den Tag nicht Ver
derben wollte. mußte sie halb Neun am
IIWstückMche feins. Das war auf
diesem Wege, wer tsich bald auf bald ab
wärts, hier um eine Mippe, dort im
weiten Bogen am Æawge hiwzog,
nicht möglich. Aber da tam ein Sei
Wd, der steil abfahrensm geraden
Weg’s-iin’s Thal zu Uhren Echten
»Ellinor, wagen wir’s?« fragte Jo
hanna, den fchAansten Hals des Pfades
Kopfend; mit fröihkichem Kopfnicken
fchien das Thier zu antworten, and Die
Reiter-in schliug kven schlüpft-Mem bei
nahe senkrecht-en Wall-weg ein.
Borsichtiz mit Mvuwgswüv
dig sicher-m Tritt We Ewinor die Auf
swee nach kaum zchn Minuten war
der Waldestfwm nnd spamit sdie Thai
sphle erreicht.
»Er-am Ellinsor! Nun zwm Lohn
einen frililichen Galopp-P rief Jo
hanna wieder, und dahin lfile-gen »sie,
den schinden visifach von Gräben
Urchschmättmen Anger entlang, sder
peitschen Wald untd Aeckern bis zur
Dönningshånser Fell-matt hinsicht.
Die Grenze dieser Fest-mark ist ein
Bach, ider in: tiefem, steinigem Bette
vom Walde niederstürszt M tfich weiter
unten mit der Dönninxihäwser Emme
vereinigt. Der »kleine Fluß macht hier
plötzlich eine Biegung nachSiiden, wäh
rend cdie Muße vie isich bis dahin
an sein-in Ufer hingezogen Um mittelst
einer Brücke überschreitet und, ihre
frwhere Richtung gen- Osten beibchckl
tend, nachiKlaMg führt.
Amf diese Brücke zn ftchr von Klau
iMbUsg her ein Manchem-gen dessen
Jnfassen Edie Reiterin aus Idem Walde
hervorbrechen mit-, M«Gotdhund be,
Werbach-n zerd, Von Gokdhund be
gleitet, überden Art-get bit-jagen sahen.
»«Wllllcll1ckllcc, Ulc IMTTHL Ilq
der schwatzhaarisge Mann, wer tm Fand
des Wugens saß. »Die hat ihr Pferd
unsidgel — auch das Thier ist nicht
Mel. drei Thai! Da mmmt sie den
SW —- thmenwette:. noch einen.
Bravo, bravo!«
»Das imsuß Jschonna sein!« sagte
die Im an Oseinet Seide, und das klei
ne Mädchen- auf dont Rücksitze beugte
. sich svot und rief:
Johanna —- o, ich will zu -iht!« '
Der Mann hörte-sie nicht; immer
lchhaftet glänzten die schwatzen Au
331 in dem braunen, energischen Ge
t.«
»Dann wer Macht« fuhr er in seinen
Wusvlkfuwgen fort. »Ma, hab? er
wartet . . . .ldie Bestie will nicht iiber’å
Wasser-. . .tost san-d lssprudeltgar zu
arg . . . . Aber die Reiterin will, hussaL
— vovwärtsl Brav, «bravissnno!«
schrie er mit einer wahrenLöwenftimme,
viß lden hut vorn Kopfe uwd schwenkte
ihn unter wiederholten Brasoorufen.
Auch die Kleine hatte ihr Taschentuch
here-angezogen ließ es im Winde flat
tern und stimmte sin lden Beifall des
Mannes ein. Hören konnte tsie Johan
wa nicht; Wind und Wasser überwu
ten ihre Stimmen, aber ssie sah das
hutschwenlm das flatternde Tuch,
sschömte lsich des Schalefpieles, das lsie
unbewußt gegeben hatte, und ritt auser
feldein in gerader Richtung dem
Schlosse zu.
Sie liarn noch eben recht zum Früh
stück und war ldoppelt froh, es durchge
setzt zu ·heebsn, ida tsie Iden Großvater ’so
schon mißgestintmt lfanid Magelone
Hatte den schon mehrmals eigenmäch
tig Iveeschøbenen Termin ihrer Rückkehr
aufs Neue binauägeschobem
»Das Esoll ein Ende haben!« sagte
der alte Herr, nachdem er seiner Schwe
ster und Inhanna Magdonens Brief
mit-getheilt what-te »Heute noch schreibe
ich ihr, snwrgen Mittag, spätestens mor
gen Mchatsie den Pries, used über
morgen Med ssie cgesiillizft nach Hmts
kommen. Jch kann dies moderne
« Hemnwagceboiidiren nicht leiden!
Schlimm genug, ldaß ich’s lden Jungen
nicht Wren Dann — aber Ihr
Franenqimmer wendet bübisch bleiben,
stw Euch Gott der Herr Hut und Weide
bestelltlhat.«
Mit tdiesen Worts-n sstantd er vom
Tische auf-used ging der Thüre zu. Jn
Weiden Moment wurde Johanna
ein Zwei Mk
»Der Bote wartet auf Antwort, «
Weis-r Dienen
Der Freiherr kam zurück
Eises Kind " sagte er; »wenn
Ost-We Mcamehogen reiten soll
te. [- tinnten wir dort mit Inn zusam
minirisienk
Johanns-, vie austden echten Blick mit
einein Gemisch von Schrecken und
JM erlag-It hatte, baß »das Billet
M Ihrer Stiefmutter war geborchte
« M, mitfoitete das Blatt und
fes
wÆiOe Wust De ich nicht weiß,
Witwen dürfen,
- Bd DM Menge Wiegen und
" aus seyen Fntassem wann
Dsmmschen san-oft Las nn- nichts-e
j
lange warten. Lisbeth weint vor Un
geduld.
»Mit herzliche-m Gruße
Deine —
Helene«
. Johanna nahm ihren Muth zusam
men.
»Liebe: Großvater, das Billet ist
nicht von Otto,« sagte sie mit unsicherer
Stimme »Meine Stiefmutter und
mein Schwesterchen ssinb thier . . . im
Dorsisruge,« fügte sie schnell hinzu,
als sie den aslten Herrn awssckyren sach.
Er faßte sich gewaltsam ,
»Im Dorfkruge!« wieder-holte et
nach einer Pause, »du magst du sie ans
fuchen, wenn du sie durchaus· sehen;
willst.'« M diesen Worten wandte er
sich zum Gehen. Tun-te AMICI folg-te
ihm nach. -
»Bei-er J-chann,'« sagte sie in bit
tenfvem Ton-e: «es sieht so«—unssreund
slsich aus . . . könnte Johann-a die Zur-u
und das Kind nicht »in ihrem im
«
mer .....
Die Augen des Bruders blitzten sie
an, daß sie erschreckend verstummt
»An-stat« rief er, Destmn dich . . .
Seiltänzer und ihn-streitet hier im
Don-se . . . . niM!« Mit diesen Wor
ten ging er hin-aus und schlug die Thüre
zu.
Gortsehund folgt.)
Der Herr Secretär reift in’s
Bad.
Eine Sommekikizze von Paul A. Kirsteim
»Frau Buche-by wissen Sie schon
ich reife in’s MI«
Die Angsetufene neiigte sich aus dem
Partetrefensstet ihres niederm Häus
chens: »Jn’3 Bew, Gen SeidetätA —
Machen Sie doch Feine Sachen!«
»Ja —- endlich einmwiL" Es klang
so sehst-suchton wie et ihr das jetzt
W ftstkvigs Mvsthedem Gesicht We;
man sichm, daran hin-g sein Sehnen
und Trachten. Und die Frwu mit Ideen
gutmükhigen Gssicht Ischelte sdasu und
rief ihn zu ssich Eifer-ein« daß er ihr
drinne nochmals fein volles shesz aus
schiittetr. Sie wußte, Evas erhöhte 4die
Freude.
Er swar der Gemeindeseiretiir einer
ganz »kleinen Provinziatlstadt und nur
eingenttyiiniiichen Umständen ver-dankte
er seine Anstellung Sein Vater war
auch Beamter gewesen in einer anderen
Stadt, und hatte es mit Mit-he und
Noth durchgesetzh soaß sein einziger
Sohn. sein Willy, studiren konnte.
Alber dann stand er, »die Mutter auch—
unsd eine entfernte Verwandte til-er
nahm es, für den EStsriIiofus zu sorgen.
Anfangs ging auch Alles. Mit ihrer
Unterstützung und mit Hiiife »von Pri
vatstunden ibrachte er lfich eben, so gut
als es ging, durchs Leben. sStokz trug
er dabei «an bunte Varro uns aus dem
Haupte die umränoerte Miitze iund
diiwtte sich dain so groß. so wichtig« als
gäbe es Nichts aus oer Welt, was für
ihn nicht u erreichen war.
Nur im Innern seines Herzens schl
te Etwas. Es war für ihn so Nie
manso da, mit dem er oon seinem Glück
»und all feinen Hoffnungen sprechen
konnte, er siishllte ssich so liedeleer und
einsam. Da lernte er eines Tages Je
mand stennen — —- ein junges Ding,
braun rnit dunklen Angen, still nnd
gkiicb veranlagt, fast so xwie er. sDie
war's! Der konnte er Alles einem-au
en. Aber die Anderen wollten es nicht,
nnd als er nicht nachgew, da entzog
man ihm die Unterstützung nnd aus
gsoar es sbnlo mit fder schönen, goldenen
St«udienzeit.
Die sLisbe war auch worüber; isie
durften sich ja nicht mehr sehen.
Dann kam er atls vSetretiir in die
kleine Stadt. Als Sohn eines Beam
ten hatten sie ihn schnell genommen.
Unxbetanni war er eingezogen, und
oergriimt lebte er für sich hin. Das
war hier Alles tso wz anders, ais an
der großen Universität Nichts Ihier von
dem Brausen und Stürmen, Alles
ruhig unt- still, so geordnet und gere
gelt. Aber dann gewöhnte er sich lang
sam doch. IJen täglichen Dienst vergaß
er »so Oiel won soiiher, tdaß auch das
Neue Sbalkd für ihn Reiz bekam. Er
wurde heimisch in Der Meinen Stadt,
nnd tda er den Bewohnern offen nnd
freundlich entge entom, sawd er aus
allen Seiten wisscheilnathrne unio Jn
terste für sich
irr in seinem Innern glühte noch
Eber Wunsch nach dem großstädtischen
Leben nnd Trewen starb oft, wenn er
im Kreise sguter Mannter saß, quoll
ihm noch »das Herz iisber von all »dem;
Schönen und Großen toarin dass ne-.
M ihn spie Man ksinnt Schweigen
bringen mußten. . j
Nenn Iebt- lang hatte er so Ydies
ist-ersucht mit sich herumgetragenj da;
sstaø ihm tdie eins Verwandte nnd.
ein-e seine Eer tsiel ihm Ins ’
Sie wußten es gieich in der Stadt
M vibtntirten fchon eifrig, was er:
nun weiht anfangen Würde. Heirathö
sdig war er ja auch schon tange. Oc
er«itvchl .....
Jrn Still-en machten sich alle Mütter
schon Hoffnungen
Da erzähslte er Frau Barcherdt aben,
daß er in’s Bad ginge. »Sie war die
Erste, die es erswhr Stillschweigend
hatte er Urlaub erbeten und ihn gerade
war einer Stunde erhalten. Und wie
er jetzt bei ihr in toter Stube stand-, ging
es ihm noch einma! wie im Fluge iider
die Lippen, all’ die Freude, all« die
Sehnsucht, die er empfand, wieder un
ter vie Großstädter zu stornmeni Und
gerade jetzt im Sommer — in einem
Bad! Wo fre sich aus aller Herren
Länder trafen! Was da für eine Lust
wehen mußte!
Und lder stille, ruhige Beamte straiylte
aus einmal ordentlich aus, daß seine
Augen suntelten «
Anna, 1nie Tochter der Frau Bor
cher«dt, sechzehn Jahre vorüber, schmieg
te sich errötdend an die Mutter unw
staunte ihn förmlich an.
Endlich fragte Este, mit etwas zittern
der Stimme: »Und wir Ihier, rvir Alle
in der Stadt . . . . haben wir Ihnen da
von gar nichts . . . . geben können ?«
Er wurde etwas verlegen, dann
streckte er ihr die Hand thin: »Dort
Fräulein Atma, doch-Sitz gerade Sie
unsr- Jhrse Mutte —- Sie haben mir über
vie schwerste Zeit in meinem Lchen hin
iweggeholsen, aber —- sehen Sie — ein
einziger Mühen-der Wunsch ist nach alle
dem in mir geblieben, rund seht gerade
jetzt —- — da diinfen »Sie schon nicht
böse sein, wenn ich vielleicht etwas zu
viel sagte!«
Sie schüttelt-e den Kopf und lächelte!
dann freute stetsich mit ihm.
Am nächsten Tage reiste er ab. Sie
ben Stunden mit Eder Bahn! Die ganze
Stadt war seist zum Abschied versam
melt. SiebenISturrdeni Donner-wet
ter!
s Sie schüttelt-w khm spie Hm um«-d
swihelten und spotteten um- ermahnten
ihn, und chesorgte Mütter nahmen ihn
bei Seite und riekhen ihm ab von Die
sem und von Jenem; auch vom heira
then! Er könnte ja nie wissen, Iwen er
in der kurzen Zeit von »du draußen«
bekäme, uni- asls sder Zug sich in Be
wegung Isetzte, sminktenssie mit den Tü
chern unt-warfen mit Blumen, als göl
te es nicht drei Wochen, Tonsderneinem
Abschiede füks ganze Leben.
Der Seitetär aber lehnte sich auf fei
nen Sih zurück und lachte Oor ssich hin.
Heim-them jawohll Geld genug hatte
er nun dazu, und sein Verdienst reichte
auch für zwei. Warum oiio nicht! Unsd
warum nicht eine von- »da drauß-W
Die würde vielleicht esroaö mehr Leben
und etwas größere Anschauungen in
die Kleine Stadt bringen. Ver-tragen
konnten sie es lAllei
Ukillc Müllllckl
Unio er kam an in seinem Paradies
in dem Badeort unter die großstädti
schen Menschen
Mit Mühe und Noth fand er ein Un
terkommen. Es war Alles, was er
sah, so blein un-) Anschein-day und gar
nicht so sauft-er »wir zu Hause. Und
dann kostete es eine Menge Gelo! Er
berechnet-, daß es sechsmal so viel war,
wie in der Stadt, und dass-ei lange nicht
so gut und schön. . Wider schließlich
miethete er Idoch. Er khatte ja geerbt
und wollte cscch nach all’ den schweren
Jahren einmal anråiisirem Worum
sollte es nicht ’oa einen-el» dreist etwas
mhr.lostm!
Ueberhaupt wollte er isich, wie er sich
im Stillen sagte, »in tven Strudel stür
zen, sda too er oIm größten war.« Das
war noch so ein Ausdruck aus seiner
Studentenzeit, und mit diesem Aus
druck siel ihm noch so manches Andere
ein, was er Alles auch in Scrne se en
wollte. Es schwebte-n ihm so Bist er
vor, als könnte er plötzlich die erste Per
sönlichteit sein, die das ganze Bad aus
den Kopf stellte, nach der sich Alle rich
teten. Er wollte sich zeigen in erhöhtem
Maße, wie er einst als junger Student«
gewesen, so voll Lebensluisi und hu
mor, daß ihn Alle igern hassen mußten.
Giänsen wollte er toor ihnen Allen und
sich so entschötdisgen für das reizlose Le
ben in der kleinen Stadt
Aber schon »die ersten Tage brachten
ihm eine große Enttiinschung Sein
Alles, was er so mitgebracht holte,
Gott-erobe, Benehmen und Leben. pas-;
te nicht mehr unter die Anderen! Siei
lächelten iiber sdas Unmoderne und noch ’
zihren Begrissen Geschmmäose seiner
Zweit-nun isber seine «s « en« Gan-v
-schuhe, iiber 1tote großen quets in
seinen Knopstöcherm und beochteien ihn
dann nicht tipeiten Er glaubte, ttat-s
rithre nur tecon her, daß sie ihn nicht
konnten, unlo erbeschlosz, nicht »in-brennt
bisher im Restourant, sondern drretts
an der Tat-le soll-vie szu essen. Seine
band vor ist-var ettoos schwer gewor
densiir qrössereAmsaabenz doch hoffte
er sa dabei Bekanntschaft zu machen.
Er com im tadellosen, dannen,
schwarzen Rock; toie Leute lächelten
darüer sie waren das ja nicht Ie
kvohnt. Er stellte tsich feinen Nachbarn
vor, mvii großer Wichtigkeit: ,,"Gemein
deselreiiirBergerI sie lächetten wie
der und nannten san-m höwar auch ih
ren Namen.
Merkwürdig überhaupt! Jn seiner
Stadt war er doch immerhin eine
Standespersonhhier achteie man kaum
aus ihn
Leider konnte ertsichvfast nie an ihren
Gesprächen bei-heiligen; Isie besprachen
so ioiel aus Eder großen Stadt, Tan e:
sgar nicht tat-mie. IEr nrußte immer
ganz verlegen stillschweigen .un-d so
vergaßen sie ostsnta-ls, ihn zu beachten,
ihm »gesegnete Mahlzeit« zu wünschen,
oder Aehniichez.
Er fühlte-schon zu sehr, wie groß eder
Abstand zwischen ihnen war, sein
Glänsen wollte er ischon einstellen, aber
Eines wollte er noch versuchen, »sich we
nigsiens die »Frau, wie sLebendgsfäIhrtin
aus diesem Kreise szu holen, damit er
mit ihr wenigstens etwas näher dem
heißerftrebten Ziele stiismr.
Er war iran genug, es offen zu
sagen
Die jungen Mädchen ticherten schon,
wenn -sie isn sahen, umsomehr als er
Jedem ganz ungefragt Aufschluß über
seine näheren Verhältnisse gab. Sie
verabredetensssich schon-wie sie ibn zum
Sprechen Ver-leiten wollten, und war er
ihnen dann wirklich in die Falle gegan
gen, lachten ;sie. daß sie sich taum haiten
konnten
Er schüttelte trauan den Kopf und
ging davon. sEr wußte nicht, was sie
hatten.
Und eines Tages, als er mit einer
von ihnen, »die ihm besonders gefiel,
allein auf einer Bank an der Prome
nade saß, sweckte ihm die Schönheit der
Umgebng das innenfte Gåühl und riß
ihn thin, daß er sie fragte, offen und
ehrlich, ob Isie sein Weib imerdenwolle
lSie lachte ausf, daß es ihm in die
Seele »ich-tritt, und sihken kommen-den
Freundinnen entgegenlaufenid, rief tsie
ihnen, noch immer lachend, ·zu: »Ein
der, denkt Euch doch v— der Baumwol
lene bat mir tsoeben einen Antraa ge
macht!« Sie slachten alle aus vollstem
herzen mit. Den Wauwollenem nann
te ssie ihn seiner hanitfchushe wegen.
Und ssie lachten weiter, daß die Men
schen Rehen blisben und Alle es er
fuhren.
Er aber Glickte trübe vor sich hin und
schlich nach Hause.
Nachmittaas tbeim Kurionzert mußte
es das ganze Badeortc Alle-Zeigten mit
Fingern ausf ihn nnd lachten immer
wieder, unsd deutlich thörte er aus Allem
heraus:
»Na ja —«der richtige Kleinftädter!«
»Da war es ihm, als würfe man ihn
wieder aus dem Paradies, als müßte er
nun wieder zurück, wo traurig ihm das
Leben winkte.
bEr packte feine Sachen sunld fuhr
a .
Jn seinem Wohnorte smunderten sich
die Leute und hiinselten ihn. Sie merk
ten batd, daß er enttäirscht worden war,
unld lachten sich in’s Fäustchen, so daß
er sich wergriimt und verbittert wieder
von Allem zurücke-H Nur eine war
anders, Frau Borcherdi. Sie holte ihn,
wie früher, wieder zu sich. Und als
er ihr und ihrer Anna eines Abends in
der Dämmerstunsde wehmüthia von dem
Allem erzählte, da ging sie piiitzlich ein
mal hinaus, als hätte isie etwas zu thun.
Ais sie wieder hereiniatn küßte der
Setretiir ihre Tochter. Das entsehte
sie nicht weiter, denn sie hatte mit dieser
diesekhe Ansecht,«daß man bei alten Er
innerungen immer besser Zu Zweientist
—- Iwegen der Enttäuschunsg nämlich,
die dann nicht so schmerzt! ·
Sie dachten ja alle an das Glück . . .
Die Esset-tüchtigen
Aus meinem Vetanntenkreiie von F. Grcß
F Man findet selten gjücktiche Men
Jfchen, wahrhaft giiicklichr. daß es sich
ver"lohnt, das Vorhandensein fa!ch' ra
rer Vögel zu verzeichnen Scheinbar-es
Glück tritt Einem oft genug entgegen;
tsieht man aber näsher hin, guckt man
Hinter Maske und Larve, so entdeckt
man den schwarzen Punkt, das Defizit
in sder Rechnung, das Steleti im Das-Ja «
Oft sind die Leute, Die die Glücklichen;
spidem innerlich in der trübseligsten
Verfassung, asbet ihre Eitetieit veran
laßt fie, isich a die verhätfchelten
Schopf-findet des Hals hinauszu
spielen . . . . Max und Kantine, meine
Freunde, sind in aller Thatsiichlichteit
das, iwaj III-bete zu sein nur heuchean
ein fleckewlos glücklichei Paar das mit;
keinem Kaiser und steiner Kaiserin tau
schen möchte. - ch ten-ne tsie stänaer als
ihn. Ofer ge agt: fsie war nie fchiint
oder anmuthig. Mein, ausfallend ma
ger, eine Stumpsnase, große Hände —
szmn Modell fiir eine Venuö Ohatte Osie
nicht die Eignung mit aus den Lebens
wea bekommen. Im Gespräche war iie
weder aussallend klug noch ringen-Ihn
slich dumm. Alles an iiyr trug den«
I— l
Stein-del sdes Alltiiglichen. Es wäre
Einem schwer gefallen, sich tiher sie zu
ärgern —- noch schwerer allerdings. Este
zu bewundern So sah ich sie aus dem
Backfsischthum heraus sich entwickeln,
ohne daß sie sich wesentlich veränderte;
ihre beste Eigenschaft hatte schon sehr
frühzeitig sich geltend gemacht und blieb
ihr auch erhalten: eine gewisse Gut
müthigteit Nie habe ich fre etwas Alb
siilliges über Jemand sagen hören, nicht
einmal iiber ihre schöneren Attergenos
sinnen. Neid evar ihr fremd, osdztvar
sie so viel Anlaß dazu hattet Sie ver
zieh ihren Freundinnen nicht nur deren
gesellschaftliche Erfolge, sondern sogar
ihre Verehrer, ihre Eheiniinner. Was
in ihr vorging, während die anderen
Mädchen sich verliebten und verheira
theten, das hat Niemand erfahren. Er
hieit nur idie besagte Gutmüthigkeit ih
ren Gleich-much oder trug sie in sich die
Gewißheit daß auch ihre Stunde schla
gen werde, schlagen müsset Jhre El
tern shatten lsich mit deni trüben Gedan
ten tvertraut gemacht, daß Itiarotine als
alte Jungfer durch sdas sLeben gehen
iwerde« I ie destrehten zfich, ishr eine, wenn
auch he cheildene materielle Zukunft zsu
sicherm aber tsie sprachen mit ihr nie
davon, denn sie fürchteten, sie szu trän
vten. Wie innig sie sie lichtem fee waren
sdoch nicht Mind fiir ihre Neizlotsigteit
und so nväre ihnen nicht iim Traume
eingefallen, auf einen Freier zu rechnen.
Jn der Absicht, ihr eine Zerstreuung zu
verschaffen, die ihr später itsber manche
einsame Stunde hinwegtheslsen sollte, er
füllten ssie ihr den Wunsch, sie in der
Malerei unter-weisen zu lassen. Karo
lline warf sich auf die Landschaft; was
ich von ihren Arbeiten zu sehen bekam,
lwar nicht iviel schöner als die Urheber-in
Eines Sommers bezogen ihre Eltern
eine Lan-dioohnung in der Nähe von
Wien. Die Jnsassen des lieblichen
Waldtvintels ver-kehrten viel miteinan
der, das Duhend Familien gerieth auf
sreundschaftlichen Fuß und an Sonn
und Feiertagen erschienen Besuche aus
der Stadt, die sich ein Bischen Land
lusft in die Lunge pusmpen wollten; zu
dieser Gattung gehörte Max, wohl-si
tuirter Inhaber einer Maschinensabrit,
ein tediger Mann von etwa AS Jahren.
Seldiger Max war damals kein Ado
nis, und auch heute ist er es noch nicht.
Baum-lang, hager, Tder Kon etwas vor
gebeugt, das Haupthaar und ser Voll
bart Ieicht ergraut Fund nur wenig ge
-pf«legt, die Kleidung salopp, im Ver
tehre morttarg nur iroenn Jemand in
der Gesellschaft einen Wiss machte, in
ein lärniendes undiindiges Gelächter
ausbrechend Entschlofz er sich- Liber
haupt etwas zu reden, so betraf es sein
Geschäft Im Uebrigen schien er teine
Interessen zu haben, »die das Blut in
seinen Adern schneller rollen machten.
Karolinewar, als sie ihn rennen lernte.
nahe an die Dreißig, also sum ein Ve
deuterides fünger als er, atber weder er«
noch sie trugen in ihrem Wesen etwas
von ihrer Ledigteit zur Schau. So
war es um Beide bestellt, ais sie einan
der nahetraten, uns-d Niemand konnte
ahnen, daß etwas an ihnen lsich ändern
L werde.
i
Aver es gievr noch Wunden Max
und Karoline schlossen sich- einander an;
sie wechselten immer eisriger Rede uns
Gegenrede, uan nach vier Wochen trat
das bei-deutliche Symptom bei ihnen ein«
daß sie möglichst zu Wien sein woll
ten, undelästigt von neugierigen Zu
hörern. Und konnten sie sich der Zeu
gen nicht erwehren, so pilogen sie doch
Gespräche unt-er vier Augen, ais oh
sonsst Niemand siir tsie aus der Welt ge
wesen wäre. sSie hörte ihm leuchtenden
Auges zu, wenn er ihr vdas neue Ver
fahren szur Beseitigung des Kesselstei
nes erklärte; er ließ sich von ihr Sty
zen ·und ausgesiihrte Gemälde zeigen.
ließ regelmäßig Rufe heller Bewunde
rung hören und fing an,t.sich zur bit-den
Ien Kunst, sdie er bisher ignorirt hatte,
in ein persönliches Verhältnißzu setzen.
Sie richteten sich aus einansder ein, als
ob sie verheirathet wären, und wer isie
auf den ständlichen Spazier-wegen sah,
hätte sie sitr ein seit Jahren und Jahren
vollkommen legitim vereinigstes Paar
halten mögen — so wenig Brautschast
und so visl Ehe sprach aus dem Wesen
der Beiden.
Als der Her-bit lam, geschah das,
was die Eingeweihten erwartet hatten;
er hielt um ihrebansd an. Daß sie ihm
zu Theil wunde, ver-steht sich von selbst.
Drei Monate waren sie verlobt. Wäh
rensd sdisser Zeit verbrachte Max jede
freie Minute bei Oseiner Braut. Sie
saßen beisammen in einer Fmsternische
oder in einer lauschigen Ecke und hatten
ewig zu Wsterm unsd verbargen ihren
Acrger gar nicht«-wenn Jemand von der
Familie sich in ihre Nähe drängte. Die
guten Freundinnen der Braut zer
Zkachen sich ihre Köpfchen Mühen was
Max an ishr gefalle; Max aalt ais
Ewohshasbend sat als reich, unsd deshaib
einigte der wei- iche Areopaa tsich dahin,
sdaß er eine gmy andere Partie hätte
finden «lönnen.Daß man ihn aus Liebe
zum Manne nahme. das leuchtete stei
lich lau-m irgend Jemand ein« denn
Max wies wahrlich teine jener Eigen
schasten aus, an denen ein Mädchen-has
»sich zu entflammen pslegt . . . . Als
Freund des Hauses Geohachtete ich das
Brautpaar unsd ich gamansii den Ein
druck, »als wäre Jedes vrm ihnen über
« sein Liebesheil in erster Linie erstaunt;
ser und sie schienen es tsich nicht glauben
izu können, daß es auch ihnen gelungen
sei, nicht nur zu lieben; sondern —- was
immer das Sch.Vierigere ist —auch Ge
Ygenliehe zu erwecken. Täglich, stündlich -
schienen sie vor einem neuen Wunder zu
stehen. Jn ihrem Glücke war etwas
Verhlüssendes, Fassungslotses Zu
gleich konnte man in ihren Zügen ge
genseitige Dankbarkeit entdecken. Und
offenbar aus Dankbarkeit til-ten sie sich
schon damals in einer Kunst ein. die ich
später bei ihnen zur höchsten Voll-korn
nienheit ausgebildet sand: in OderKunsh
eisersitchtig zu sein. Das war in die
sem Falle snicht leicht, denn weder sie
noch er hatte einen Anlaß szsur Eifer
sucht; so blind «loiinte Keines von ih- s
nen durch die Lisbe gewode sein, daß -
es ernstsiich fürchtete, sdas Andere titbg
Ynicht dievollisteTreur. Offenbarivolls
lten sie einander die Freude machen,
durch die Vlumensprache der Eifer cht
zärtliche Neigung auszudrücken en- -
bar wollten ssie einander sagen: »Nicht ,
nur, daß ich Dich liebe, ich hasse auch
jeden Schimmer einer Nsbeiilhu«ö·ier- c
-schatft·« Und sie hätten «so ruhig da- »
hinleben tliiniieni Niemand sda te da
s ran, ihn ihr odersie ihm zu entreißen . .
lAber isie wurden nicht müde, einander
sttleine Scenen zu machen, die in zwölf
iter Stunde smit ebenso lfeierlicher wie
riihreiider Versöhnung schlossen. mit
der Versicherung beiderseitigen Blinden
Vertrauens, welch letzteres aber nur
vierundzwanzig Stunden anhidlt, denn
am nächsten Tag wiederholte ssich das
sgkwohnte Eneriuchisichquipiei mit dem
-ohligaten Versöhnungssinalr. Aber
nicht nur, dasz die Beiden dieser Kämpfe
knicht müde wurden —- isie fanden tsie
entzückend, sie sahen in ihnen eine köst
liche Wiirze des irdischen Daseins, und
Ials Max und Karoline schen längst tier
- - .-.s.«--.- HI
III
—s UIL J -—
— »I- UT
i
i
sycillllscl öllllcclh IUYIIZU III Alls LZNITZ !
isuchtsgeplänteil noch mit ungeschwäch- «
sten Kräften fort. Mit dem Ausdrucke
ihöchsier Selig-ten oertrauten sie mir
Tmanchmal ihren süßen Jammer an:
hinein Mann ist so scheu-nich eifersiiap
Jiig.« —- .,Meine Frau ist so schrecklich
ieisersjichtigF Sie sagten Edas in dein
kTonr. wie man von einer tiisilichen Er
srungenschaft spricht, und — daraus
« hätte ich schwören mögen — isie glaub
Zten einander, sie bezweiselten gegensei- -
stig ihre Eifersucht nicht einen Augen-. i »i;
zdlicb Waren sie besonders gespröchig,» zif
Fso erzählten isie den ihnen Nah-stehend H
;den,tvas der andere triegführenldeTheil - ·
lwieder an unerhörten Eifersucht-stund
ggahungen geleistet, wie er oder dsce wie
! der einmal ohne jeden Anlaß einen him- «
·-me!l«schreienden Treulbruch gewittert
z hätte —- »gruirdlos natürlich «—- sfiigte
stiesoder er, geschmeichelt und ver-schämt
.lächeln-d, hinau, abzivar ohnehin Nie
lmand das Gegentheil vermuthet hätte.
Max unld Karoiine suchten nicht viel
kGesellsschaisi. lsie lang-weilten sich nicht,
wenn sie allein iivaren, sie brauchten tei
ne Zeugen ihres Glückes. Wie ich die
« Beiden kannte, setzte ich woraus, ssie wür
iden die Freundlichkeit Eifersucht zu
; martiren, sbis an ihr iseligeö Ende be
ftreidem Aber nein, es tam anders, eine " s
ziiberraschende Wendung vollzog sich in
kMax und Karolinem sie sind nach und «
Znach iwivtlich eisersüchtig geworden. «
Ezzuerist suggerirten sie einander die Ei
; ersucht, ldann aber ch selbst. Das
eruen mit dem sie sr her spielten, hat
,si«ie seither wirllich erfaßt-. So lange .
zsbehaupteten sie, eisersiichtig zu sein, bit
saus dein Spiel Ernst wunde. Jth
kfiirchtet lsie thatsiichlich, daß die herr
; lichsten Weiber der bewohnten Erde m« s,
ssiebernder Ungeduld aus die Mög-lich- l «
steil lauern, ihr ihren theuren Max n
Ientreißen; er isst thaisächlich über-Zeugs H
Laie Blüthe des zeiigenössischen männ- «· «
ilichew Geschlechts sei nur von dem einen ;
sTraum besessen, von Karoline unrecht
imäszig Basis riu ergreisen. Wenn die ig
sBrisden ein Restaurant, ein Theater, ein -" —
Konzert besuchen, bietet glich ihnen un- «
shedingt ein Anlaß zur Eifersucht: er — ·.«
zbat mit einer Dame oder lske mit einem
Herrn golielhäugelt -- und isie find doch sf
Beide so unschuldig, sie lotettiren mit « "
Niemandem und Niemand stottettirt mit
ihnen, und das ganze Kartenhaus. ldat -
ihnen zu schassen giebt, Besteht llediglich H . I
in ihrer Eindilduna Niemand glaubt
Dami- als isie selbst. Dieses Karten
haus, das tsie im Ansang sum Zweite
geaenseiiiaer huldiguna errichteten —
eö ist sur Beide zuniMärchenlschlosse ge- -
worden, in dem sie ihr Glück gesunden
Haben und roo sie am liebsten im trau- i
lichen Teic-a-tete hausen. Karoline »i- !
hat die Malerei ausgehen miiisen, denn
eine Malerin gehört ldoch immer mehr,
oder minder der Oessenirlichteit an u -s frssifL
; muß hie unsd da soaar nrit männlichen Disk
Kaineratden tin persönliche Berührung L
kommen. Max-deer seine Karoltne» ;;-;
97 (
e« J