Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (July 17, 1896)
Sonntags- Blatt Beilage des »Anzciger nnd Herold« zu No. 45, dzahrgang ls .J."«P.-Wiudocpy)HEXaüsgkm (siki"ifs·Jscauö, Nebraska, den 17. Juci189E ——.. —..-.... ..,. Feml let-m Iönningyausen Roman von Claire v. Glümet (Fortsetzung.) Er gehorchte, zog-das Tabouret dicht heran, legte beide Hände aus die Sei tenlehne des Schautelstwhls unsd sah 'Magelone in die spöttischemjlinrmerni . " den Augen« »Nun?« fragte sie nach kurzer Pause. »Nun--m wiederholte er. »Ich glaubte. daß du mir etwas su sagens hättest« »Ja, Allerlei,« anwortete sie und lehnte den Kopf zurück, ohne den Blick von ihm abzuwenden. »Vor- Allem möchte ich wissen, warum du zu deinem Gedurtitage so übellaunig bish« .Ueibellaunig!« wiederholte er bit ter· «hade ich etwa teine Ursache zu ernstem, schwerem Mißmuth? — Drei ßig Jahre alt —- und was bin ich, was half ich? Nicht einmal Aussichten! — Mer- sich in die Stimmung eines An Ideren versetzen, ist unbeauem — llitvellaunig nennt man den Traurigem damit ist er verurtheilt. Man zuckt die Achseln und läßt ihn stehen. —- Uedle Laune verdient weder Trost noch Mit "leid.« Maaelone lachte gezwungen: die ernste Wendung die das Gespräch ge nommen, tvar nicht nach ihrem Sinn. »Man ist ja ein wahres Ungeheuer,« saate sie neckisch. ,.Uebrigens läßt man sich kein X sür ein ll machen . . . Hand aufs Her-, mein Herr, Sie wurden erst verdrießlich, ais Johanna sich weigerte, den Waldspaziergang mitzurnachen.« Dabei sahen ihn die Niraugen so — seltsam an: Spott, Zorn, Eifersucht, leidenschaftliches Verlangen flatterten darin auf und verilackerten wieder — er tonnte den Zauber-. den sie auf ihn ikdte, auch heute nicht bannen und in Magelonens Ton e: agehend antwortete cr. k »He-nd aufs Herz, qnädiae Frau, ichs war tief verftimrnt. ais ich herkam und bin es schon lang-. Magelone zuckte die Achseln »Etfriede . ausenvurg behauptet das- Gegentlzeil,« sagte ste, »das gut-e Mädchen ist entzückt von deiner immer gleichen heiterteit; sie schwärmt für »den ewigen Sommer deiner Seele« — bester Otto, wenn dieser Grenadier in Weiderröcken sentimental wird....«s Sie lachte und ein Sptiihfeuer von Spott brach aus ihren Augen. »O, ist das der ewiae Son.nenschein?« fügte sie hinzu, als Otto die Brauen zufammen zog. »Was würde Elfriede sagen . . .«; »Bitte, ver-schone mich!« rief Otto in gereiztem Tone. »Was weiß Com tesfe Klausendura von mir? —- was titmmert sie aus«-« Wieder sahen ihn die Rixenaugen fo« seltsam an, aber ehe Magetane antwor-; Den konnte, wurde die Thüre geöffnet.; »Die Comtesfen Klausenbnrg nnd Herr von Rothtirch!« meldete der Die- ; » net. Tante Thetla fuhr erschreckt aus " dem Schlaf empor und schon drangen die Gäste ein. Eifriede voran im tur weißen Kleide mit ponceaurothm Schleifen, slatternden haarem erbittern Gesicht und glühenden Augen. Wäh rend Amelie und Herr von Notblirch die Damen des Hauses begrüßten. eilte sie auf Otto zu. «heil sei dem Tag-, an dem du bete uns erschie—ie———nen!'« sang sie und» versuchte, ihm einen Vlumentranz aus den Kopf zu schleudern, was er durch rasches Zufass en verhinderte. »Sie sind ein schlechter Mensch—sind vor uwseren Gtüetnviinschen ausgeris fen!« rief sie in seine verlegene Dant sagungen hinein. »Sie wollten incog nito Geburtstag feiern —- atber wir las sen unt um das Fest nicht betrügen. — Gnädigei Fräulein — liebste Mage tone, wir sind hier im Auftrage der El tern, Euch Alle, wenn es sein muß, mit Gewalt zu entführen. »Und kommst hu nicht willig . . ." »Elsriede!« siel Amelie mißbil ligend ein, und zu Thetla gewendet, fuhr ssie fort: »Papa und Mama haben zur Feier des Tages ein kleines Picknicl veranstaltet und lassen herzlich dazu einladen. Remmin s tomen und Forsii meisterl, und nat rlich das Kleinwerl von Pasiors und Doktors und Amt manns. Papa und Mama sind mit he lene vorangesahren,·und wir sind mit dem Charabarrl hier, um unsere lieben Gäste mitzunehmen." »Rendezvous bei den drei Eichen,« schaltete Herr von Rothlirch ein, indem er die Fersen zusammenschlug und eine schiefe BeMugung machte. »Bei den drei Eichen, — ah, ich ver stehe! Adgelarteteö Spiell« sagte Magelone leise zu Otto. »Du irrsi,« sliisterte er; »mir kommt dies Alles ganz überaschend . . .« El-» seied ließ ihn nichts weiter sagen. »Nicht gesliisteri, nicht eomplotirt,« rief sie eifrig. »hut und Handschuhe holen lassen und ohne Umstände mitge fahren.« »Aber meine Toilette . . sagte Magelone und ließ einen prüfenden Blick an ihrem blauen Mousselinlleide niedergleiten. »O, meine gnädige Frau, Sie sehen bezaubernd aus, wie immer!« Versi cherte here von Rothlirch; »diese blauen Wollen sind wie aus Feenhänden her vorgegangen, um die Feenlönigin zu schmücken.« Magelone lächelte gnädig; so plump ein Compliment auch war, es war doch immer besser als gar keins! »Tante Theiln, was meinst du, fah ren wir mit?« fragte sie und ihr Ton dereieth, daß sie ein Ja zu hören wünschte. «Kind, ich weiß nicht« antwortete die alte Dame. »Einen Geburtstag außer halb des Familienlreises feiern —- ich weiß nicht, wie mein Bruder darüber denkt . . . .«« »Der Freiherr muß mittommen,« siel Elfriede ein. »Schnell, Magelone, wir holen ihn; ich werde ihm sagen, daß wir Klausenburgs so gut wie zur Familie gehören . . . .« »Elsriede!« flüsterte Tlmelie der Schwester warnend zu und versuchte sie am Kleide festzuhalten; aber mit« einer entschlossenen Wendung machte sie? sich los —-— lieber eine Fabel opfern als eine Absicht —- zog Magelmce mit sich sort und sang, dem Zimmer des Frei: herrn zueilend, mit ihrem scharfen, dünnen Sopran: »Neich’ mir die Hand, mein Leben.« —s-— Herr von Roihlirch sprach die lieberzeugung aus, daß der Freiherr diesem Doppelgestirn von Schönheit und Geist unmöglich wider stehen könne. Ader er that es. Vag die seinigen an dem Waldseste theilnahrnen, gab er, wie es Elsried nannte, »bärbeißig« zu und bestand sogar daraus, daß sich Jo hanna der Gesellschaft anschloß. Er selbst, sagte er, wäre ein alter Mann, der siir solche Lustbarteiten nicht tange. Daß Klausenburgs das Fest seinem Enkel zu Ehren veranstaltet hatten, ließ I er unberücksichtigt und schüchterte die die junge Dame, die so siegesgetvisz zu ihm gekommen war, dermaßen ein « wodurch, wußte sie selbst nicht, —- daß re Magelone die Versicherung gab, keine acht der Erde brächte sie wieder über die Schwelle ihres Großvaters. »Wie merktviirdi ," siigte sie hinzu, »daß der liebenswür igste aller Männer her En tel dieses Menschenfressers sein mußt« «Dem liebenswürdigsten aller Män ner« elang es denn auch bald, Elim dens ersiimmung zu beseitigen. Schon während der Fahrt lehrte ihr gewöhn licher Ueberrnnth wieder-, und als der Schatten erreicht war. und die lieinei Gesellschaft den letzten Theil des Wegess i zurücklegte, klang ihr Lachen laut und arell durch das harmonische Getön dezi Waldes. ! . Noch lauter itvar es unter den drei Eichen: Tassen- und Tellergellapper, Plaudern und Lachen in den verschie ;denen, im Schatten gelagerten Grup Iperr hier die dröhnende Stimme des sForstmeisters, dort ides Obersten von Remminaen lriihendes Gelächter, das wie eine Rakete über dem monotonen Geplavver der Gräsin Klausensbura empor-stieg; oder die Commandoruse der dicken Frau Amtrniinnin, die mit der Bewirthung betraut toar und ssrch dabei von Sohn und Neffen tin-d der »Remminger Kinderstube«, wie «Elsrte de die drei blonden, rosigen, sechszehn-, siebzehm und achtzehnj" rigen Töchter des Obersten nannte, shel en ließ; oder die Beisallssakven, die um den Amt-do ten erziishlenden Doktor los-brachen. Und dann die Begrüßunsg der An kommenden, Ertundigungen und Be richte. Plötzlich, auf ein Zeichen des Grafen Klausenburg ein Hornsignal aus dem nahen Gebüsch, ein schnelles sich Ordnen des jüngeren Theile-Z der Gesellschaft und das tAbtsingen eines Geburtstagsfestliedes auf die Melodie: »Die Jhr dort oben zieht,« mit obliga ter Hornbegleitung Mit großem Geschick sagte das Fest lied, unter der Maske beabsichtigter Ue xhertreibung dem Gefeierten allerlei Schönes, daß er als Ernst nehmen tonnte und in geschmeichelter Eitelkeit auch so zu nehmen schien, ldenn mit strahlenden Augen und selbstgefiilligem Lächeln hörte Otto zu, und als die leh ten Töne verklungen waren und Sän ger und Zuhörer sherandrängtem ihm glücktvtinsschend die Hand zu drucken, sprach er »sich hoch erfreut iiber die rei zendeUeberraschung aus und nannte siek die schönste-, utwergeßliichste Geburts tagsfeier. »Ist das Wahrheit oder spielt er Komödie?« fragte sich Johanna. Sie hatte in peinlicher Berlegenheit zu Bo den gesehen, während ssie Ottto dafür preisen hörte, daß er schon in jungen Jahren zu dem Ruhm des Krieg-ers den Ernst stiller Arbeit fügen lwolle, wofür ihm nun Feld und Wald ihre besten Gaben versprochen, und die dankbare Heimathfiur verhieß, ihn mit unver welklichen Blumentetten auf immer zu fesseln. »Na-Manns Gedicht, nicht wahr2« — Dichten ist wirklich ein reizendesz Tatent!« sagte Herr on Rothhirch einmal über das andere, indem er vont Gruppe zu Gruppe ging. l »Ueber die Maßen tattloz, .ge schmacklos —- geradezu empörend!«s flüsterte Magelone Tante Thetla zuj Die alte Dame zog sie erschreckt sbeiseite.s ,,Kin»d, nimm dich in Acht, ich bitte; dichl« mahnte sie. ,,Gräfin Klausend burg hat mir eben anvertraut, daß Eil-: sriede das Gedicht gemacht hatt« z »Natürlich-—- wer denn sonst!« fielt Magelone grollend ein, »Die dankbare Heimathflur ist sie ja selbst, die holdeli Elsriede . . . ungenirt wirst sie sichs Otto an den Hals . . . sieh’ nur! sieh’i n:1r!« E Eben ver-beugte er sich vor ihr: sie-F reichte ihm beide Hände und sah tri:1m-z phirend umher, während er sie, eine nach I der andern, küßte sie. k »Er muß sich doch vbedan«ten,« fings Tante Thetla an. Magelone ballte die beiden kleinen Hände vor Zorn; das kamen auch noch Herr von Rothtirchi mit seiner unaliicklichen Frage: ,,Charmantes Gedicht, nicht wahr?« Aengstlich sah Tante Thetla Mage lonen an; sie hatte sich wieder gefun: den, im Auflachen —- Herr von Roth lirch überhörte die Bitterteit, die darin lag ——— nahm sie seinen Arm und folgte ihm zu dem jüngeren Theile der Gesell-! schast, der eifrig Gerathend zusammen-! stand; von der andern Seite kamen Elftiede und Otto herbei. »Endlich!« fliisterte er Magelonen zu. Sie guckte irr-um sichtbar die Achseln. »Nimm’ dich in Acht, daß dich El friede nicht hört!« antwortete sie eben fo leise; dann wendete sste sich mit son stiger Miene zu Herrn von Rothtirch. »Ja, fehr gern, Kämmserchen vermie then ist reizen-d,« erwiderte sie auf seine Frage, und gleich darauf flog die El fengeftalt dem nächsten Baum zu und umschlang den Stamm mit hellem Kin «derlachen. Elfriede faßte Otto s Hand »Hierher, hierher! — Da sind noch zwei Baum-M rief sie und zog ihn mit sich fort. Er war theute ihr Eigenthum, fie hatte ihn sich errungen. Etwas abfeits, in tiefem Schatten, nicht bemerkt und nicht vermißt, saß IJohannm blickte mit sumflorten Auan tumher und fühlte Isich wie durch umsicht ibare Schranken »von alle dem fröhlichen Treiben getrennt. »Ein ich denn fo viel älter als meine i i i V «Jashre?« fragte sie sich; »oder ift’s wirklich schon lang-e her, daß ich in Lin denbad in Jugendfreude uno Sommer lust aufjauchzen konnte? Oder liegt noch immer meines Vaters Grab zwi schen mir und dem Leben?« Jeht fiel ihr Blick auf die Spielen den. Otto, sder seinen Baum verloren hatte, ging suchend umher; mit ne ckischen Zurufen eilten von verschiedenen Seide-n vie Plätzetauschensdeu an ihm vorüber. Jetzt kam Eltried daher, in großen Sprüngen, walkürenhafter als je. Er wollte sie haschen, sie wisch zur Seite, asber nun strauchelte sie, fiel und lag im nächsten Moment in Otto’s Ar men. Nur einen Augenblick-, dann rmachte sie sich los und lachte, in ihrer ’iibermiiithsigen Weise, während er sie mit siegesfrohem Lächeln ansah. »Ist es möglich, daß ihn auch diese Plumpen Huldigungen gefangen neh men?« dachte Johanna; »aber hat er vielleicht die erlösen-de Liebe gefunden, die er noch vor Kurzem bei mir gesucht?» —- Sah es nicht aus, wie vollberechtigtes Vertraulichkeit, als sihn Elfriede, ehe sie ’ ihn verließ, leicht auf die Hand schlug?« Un-willkürlich stand Johanna auf, sich vor Odem quälenden Anblick in den Wald zu flüchten. Otto, der dem von sElfriede verlassenen Baume zueilte, sah ssie und war mit einem Sprunge an ihrer Seite. »Wohin, Jsohanna2« fragte er. »Komm’, schließe ldich unseren Spielen an . . .« »Ich kann nicht!« flüsterte sie, entzog ihm die Hand, die er fassen wollte, und eilte fort, denn eben kam Elfriede her beigeftiirzt, Otto’s Baum in Beschlag zu nehmen; lange noch klang ihre kreischende Stimme Johanna aqu dem Waldpfade nach, den sie mit geflügel ten Schritte verfolgte. Einen Augewblick sah ihr Otto mit unbehaglicher Empfindung nach; er hätte sich früher um sie kümmern sol len; wie sie zu ihm stand, konnte sie das erwarten. —- Aber mußte ssie nicht, ge-«: rade weil sie ihm Verpflichtungen aus-; erlegt nachsichtig sein unsd Alles ver-; meiden, was ihn in diese Verpflichtun gen erinnerte? Mußt-e ihr nicht, wenn sie es gut mit ihm meinte, seine Heim-Z heit willkommen sein? Aber sie gefisels sich in tragischen Mienen und sentimen-; talen Stimmungen. — seine Neigung; war das nun gerade nicht. s Ein Achselzucken machte der Betrach tung ein Ende, und bald war er schritt-I bar wieder ganz durch Elfriede in Ansj sipruch genommen, in Wahrheit aber entging ihm teine Bewegung, keins Blick. kein Lachen Maaelonens. deren. anmuthzoolle Kotetterie heute mehr als je über Alt und Jung, iiber Männer« und Frauen leuchtete und nur Otto von ; ihrem Zauberkreifse ausfchlofz. Eint immer heftigeres Verlangen, sie zu sich zu zwingen, kam über ihn, und als er sich einen Augenblick allein fah, riß er ein Blatt aus feinem Notizbuche, schrieb haftig ein paar eZilen, faltete das Pa Pier eng zusammen und wartete auf die Gelegenheit, es Magelone in die Hart-d zu drücken; die kindlichen Spiele, die heute an der Tagesordnung waren, mußten ihm das möglich machen. Er wartete jedoch vergebens, immer, so oft fie sich «begegneten, entschlüpfte ihm Magelone wie Wind und Welle Und schon ging die Lust zu Ende; die Stimmen klangen nicht mehr so hell« die Bewegungen waren nicht mehr so lastrsch; gern unsd ohne Säumen wur- « de dem Hornfignal das von den drei Eichen her zum Abendessen rief Folge geleistet. Magelone, die am meisten ermüdet fchien, hatte Herrn von Rotlhtirch s; Arm genommen und kam langsam hin ter den Anderen her Nach wenigens Schritten fiel ihr ein, daß sie den Son-! nenfchirm auf dem Spielplatze gelassen hatte. Rothkirch kehrte um, ihn zu ho len; sie blieb wartensd stehen. Jm nächsten Augenblick war Otto an ihrer Seite. »Bitte, liest« bat er, indem er ihr fein Billet indie Hand schob. Erschreckt fah sie sich um, zog, als sie ihn erkannte, die Brauen zufammen, ließ mit den Worten: .Sei nicht lächer licht« fein Billet zu Boden fallen und Teilte schnelliüßig sden Anderen nach, während Otto zornig und gekränkt das lFperschmiihte Blättchen aufraffte und ihr olgte. Unter den Eichen fanden sie eine ge wisse Aufregung; Allen unerwartet war eben der Freiherr von Döinnisng hausen erschienen und ging, von allen Seiten begrüßt, msit Goldhund, seinem? unzetrennlichen Begleiter, dem Mittel-i puntt des Platzes zu. Im Augenblick, i als Otto herantrat, fragte »der alte Herr, im Kreise umhersehend, nach Jo hanna. l Niemand konnte ihm Auskunft ge-I ben; seit mehreren Stunden hatte man sie nicht gesehen. Tante Thetla sagte,s sie hätte geglaubt, daß Johanna beisl Idem jüngeren Theile der Gesellschaft wäre; Magelone hatte vermuthet daßj sie bei den Alten geblieben; die Uebri gen schienen sich jetzt erst aus sie zu be sinnen Der Freiherr runzelte die Stirn; das. war nicht die Stellung, die er fiir seinek Enkelin beanspruchte. »Schade, daß sie nicht hier ist,« sagte er, indem er den Kovf erhob und einen beinahe drohenden Blick iisber die Ge sellschaft gleiten ließ. »Ich bringe ihr einen Brief . . .« ,,Wohl von Doktor Werner?,, fiel Tante Thekla ein. »Hat auch Johann Leopold geschrieben?« »Ja, er läßt dich grüßen,« antwor tete der Freiherr; ,,spiit«er mehr davon! jetzt muß ich vor Allem Johanna her hakben.« »Ich werde sie rufen,« erklärte El friede, rund schrie zum Entsetzen von Mama ernd Schwestern ein gellendes ,.Johanna!« in den Wald hinein, das sie mehrmals wiederholte. Gleich beim ersten Ruf hatte Gold hund die Ohren gespitzt, und noch war der zweite nicht verklungen, als er an schlng und sich mitten in’s Gebüsch stürzte, das rauschend hinter ihm zu sammenfchlug. »Aha, da steckt »sie!« sagte der Frei herr; ,,dante, Comtesse, ibemiihsen Sie sich nicht weiter.« Und wirklich rauschten sdie Zweige bald darauf wieder und Goidhuwd er-s schien, mit stolz getragenern Kopfe kunds wedelndem Schweife von Johanna be gleitet. Als sie aus dem Gebüsch ’hervorkam, den Großvater erblickte und die Augen der ganzen Gesellschaft neugierig, miß billige.nd, forschend auf sich gerichtet fühlte, blieb sie einen Augenblick stehen, und wurde roth; aber sie faßte sich schnell, trat in »den Kreis und bat um Entschuldigung, daß sie, von alter, lie-; ber Gewohnheit verlockt, sich im Waldes verloren habe, — so tief, sdaß sie lange den Rückweg nicht gefundenC Wahreno Ile «spracy, soelraeyrele sie oer Freiherr smit unwilligem Erstaunen« Obwohl ihre Stirne wieder klar, ihre Augen hell waren, glaubte er zu sehen, daß sie geweint hatte, sie, ldie er immer so tapfer gefunsden. Wie mußtesman sie versäumt und Verletzt haben? —- Aber was ihr geschah, war ihm selbst ge-« schehen, 1das wollte er zeigen, wollte nicht eine Minute länger hier bleiben. »Da, Johanna, nimm den Brief,« sagte er freundlich, indem er ihr ein großes Couvert überreichte »Er-freue dich vorläufig nach Kinsdevweife am Ausblick des Bonibons unsd ldann rufe Ma-gelone; wir gehen. —- Du bist doch einverstanden, liebe Thella?« Sie war immer bereit, ihm zu will fahren und begann sogleich, sich zu ver abschieden, tdenn ihres Bruders steife Haltung und ingrimmiges Lächeln der riethen nur zu deutlich, sdaß die Bitten und Vorstellungen, die »von allen Seiten auf ihn einftürmten, nutzlos sein wür den. Mit einem kühlen »Bedaure, gnä dige«Grä-fin! —- Danke, lieber Oberst!« wies er die Einladungen zum Abend essen zurück und trat, um den lästigen Zureden ein Ende zu machen, langsam lden Heimweg an. Graf Klausenburg »und der Forst meister gaben ihm das Geleit, Tante Thekla wartete, von höflichen Klagen umschwirrt, auf ihre Richten; Alles war so einfach-täg"lich——Niemand ahnte, wie folgenschwer die snächsten Minuten werden sollten. j Maaelone stand, vom goldenen LÆensdlicht umflossen, 4mit einigen ihrer ,Getreuen plaudernd in der Mitte der IWaldeviese, als Otto, Eder sie mit glühen-: den Blicken betrachtete, den Befehl des IGroßivatsers hörte. Der gansze Trotz l der Dönnignhawsen bäumte sich in ihm lauf; sie sollte und durfte ihm nicht ent lsschlii«pfen, ohne seine Bitte gehört oder Fgelesen zu haben, und iin »der Hoffnung, sie auf irgend eine Weise dazu zwingen zu können, schloß er sich Johanna ans Magelone sah die Beiden auf ssich zu kommen; sie errieth was Otto beab sichtigte, wnd ein übermüthiges Lächeln umspielte den feinen Mund. In diesem Augenblick drängte sich Golsdhund zwi schen Johanna und Otto, und ein thö richter Einfall schoß idem jung-en Manne durch den Sinn. ,,Lache nur, ich zswingse dich doch!« rief er ihr in Gedanken zu, hielt den Hund mit »der Linken fest, nahm sein Billet in die Rechte, hob es schnell in die Höhe —- ein Auf-blitzen in Magelonens Augen berrieth, daß sie es gesehen — unld idann sah sie, wie er das Blättchen unter Goldhunsds ledergefiittertes Ket tenhalsband schob. Nun mußte sie es nehmen —- und hatte sie es erst, so las sie es auch, davon war Otto überzeugt Seines Siege-s gewiß, blieb er bei Ame lie Kbawfenburg stehen, die ihm eben entgegen-kam Aber auch Magelone war eine Dön-« ninghausen — zwingen ließ sie sich . nicht. Ohne Goldhund zu beachten, hörte sie IIohanncks Bestellung an. »Ich wäre gerne geblieben,« antwor tete isie auf die Bitten der Umsteheriden, »aber Großpapa darf rwan nicht warten lassen!« und nach flsiichtigem Hände fchittteln eilte sie, Johanna mit sich ziehend, davon, an Otto vorüber, dem sie spöttisch zunickte. Gleich darauf kam Tante Thekla zu den Beiden und san einem Seitentwege ging-ein tsie ldem Frei herrn nach. Gsolsdhund lief in einiger Entfernung vor ihnen her. ,,·Später, swenn ich nicht dabei bin, wird sie dasBillet wohl nebmen,« dachte Otto, indem er ihnen nachsah. Aber jetzt hälelte ein Zweig Gold hunds Hals-band an. Er riß sich los, etwas Weißes fiel zu Boden, der Hund nahm es auf utnd jagte schweifwedelnd mit erhobener Schwanze ivorwärts sicht lich froh, die langoersäumten Apportir fünfte zu üben. Magelone blieb stehen, von Schrecken gefesselt — auch Otto schlug das Herz. Gold-bund hatte den Freiherrn er reicht, der, mit seinen Begleiter-n spre chend, das Thier nicht beachtete. Aber mit spielenden Bewegungen schob es ihm den Kopf in die Hand — wie deut lich das Alles im klaren leendlicht zu sehen wart —— jetzt nahm lder Freiherr das Blatt — er glaubte vielleicht, daß Golthund beauftragt sei, es ihm zu bringen --— schlug es auseinander und steckte es ein; dann ging er weiter, Graf Kl.ause«nbu-rsg und der Forstmeister ne ben ihm. — Was hätte Masgelone da rum gegeben, sein Gesicht zu sehen. Aber ihm folgen in dieser Ungewiß heit konnte sie nicht —- ein Wink xies Otto an ihre Seite und ins Dickicht zu rücktretend, um nicht gesehen zu wer-den, wenn sich der Freiherr umwan«dte, fragte sie: - »Was hast du mir geschrieben?« »Sei ruhig,« antwortete er, aber sein Ton verrieth, daß auch er das nicht war. »Das Blatt ist nicht a"dresssirt« dein Name nicht genannt . . . . wollte dich sprechen, sverlansgte ein Rendezvous . . . .« v »Von mir!« fiel isce ein; »von mir, Johann Leopold’s Bra«ui!« Sie preßt-e die Hände zusammen. »Besi!nne dich-« fuhr sie nach einer Pause fort —- »hast du mich wirklich nicht genannt? — Du « mußt sdoch irgensd eine Anrede gebraucht haben —- sag’ smir sdie Wahrheit . . . .« »Ein-: Anrede, ja, ganz zu Ende,« sagte er zögernd. »Wie? «wie?« rief sie in zitternder Ungeduld. ,,Einzi»a Geliebte!« sliisterte er und versucht-e ihre Hand zu fassen; isie schleu dertesie fort. ,.Mich nennst du «so!« rief sie aber mals, ,,msich, Johann Leopold’s Braut .. . . wie soll ich’s wagen, Groß«papa«« vor Augen zu«treten!« — Plötzlich flog es wie ein Blitz sdurch ihr Gesicht. Sie trat dicht asn Otto heran, legte beide Hände aus seinem Arm und sagte bei nahe tonlos: Es giebt nur einen Aus weg — an Johanna hast du geschrie ben . . . wenn Großvapa fragt, an Jo hanna . . . was sagst du, ich «toill’s . . .«