Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, July 17, 1896, Sonntags-Blatt., Image 14

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Das lenkbnte Luftschisi.
einer Dämmerung unter Bäumen
saß eine gute Gesellschaft von Frauen
end Männern. Die Frauen waren von
der edlen Art, was man am ganze-n Zug
des Gespräches erkannte, das doch nur
die Männer fiithrtem Es wurden teine
niederen Späße gemacht, wie frei man
auch Eil-et Manches redete, und Keiner
dachte an Klatsch oder geringe Tages
rreutgfeitetn Für den Ton in einer Ge
sellschaft sind immer die Frauen ver
antwortlich, weil die Männer ihnen Al
les an den Augen absehen, das Hohe wie
tdas Gemeine. Jn dieser Gesellschaft
mm wagte man es zuweilen, laut zu
Phantasieen und modetne Märchen zu
erzählen, die in einer andern Umgebung
lächerlich getiungen hätten.
. Einer, der eben von Paris zurückge
kehrt war, berichtete über gesehene
Dinge. Er sprach don den neuen Ma
cden, aber nicht wie ein Schneider, son
dern bemühtesich die Hertunft und den
Sinn der Erscheinungen aufzutilärem
Born Fahrrad ging er aus, und wie es
Edas Gnadenbild-verändern Wer hätte
nor wenigen Jahren gedacht, welche
Umwälzungen diese Spielerei hervor
srufen würde. Nun tauchen die Wagen
ohne Pferde auf. Was werden diese
Ringen? Jede Vertehrserneuerung
sann gewaltige und unerwartete Fol
habe-n. Sowderbar äußert sich das
eben der Massen, in ihrer Wohlfahrt
und Sittiichteit. Es entstehen neue
Krankheiten oder der Menschen-schlag
wird gesunden Die Bedingungen des
Daseian ändern sich gegenwärtig ra
sger als in irgend einer Zeit der Ge
echte.
Hierüber sprachen «sie eine Weile. Da
sagte sder Doktor ironisch: »Es wun
kdert mich, daß noch Niemand das lenk
bar-e Lastschiff erwähnt hat.«
«Wir ·haben Alle daran gedacht,« er
widerte der Mal-er Robert ruhig.
»Ja 'wohl,« meinte der Pariser,
»denn idie Erfindung wde doch früher
oder sspäter gemacht werden. Vielleicht
bitt der Mann schon, der dem mensch
lichen- Geschlechte diese größte aller
Ueberraschung-en dereiten soll. Wie
dann die Welt aussehen wird, Möchte
ich errathen.
»Und ich,« sagte leise eine der
Frauen, »Wie mir den Mann vor
stellen, der das findet: ein Held, ein
HalbgotM -"
»Ich glaube eher,« lachte der Doktor,
. »daß er eine närrische Figur sein wird,
ein schrullenhafter, ungeschickter armer
set-set Das Geheimniß dürfte er sich
Kehlen lassen, Andere werden sich da
Tan bereichern, sund er bekommt nichts,
als ein Densle —- nach dem Tode.
Sein Laden aber wird man ihm ver
muthlich gehörig verbittern. Und rnit
Recht! Es wird eine ganz ein
fach-e, naheliegende Entdeckung sein.
Warum sind wir Alle daran vorbeige
gangen? Welche Beleidigung für uns.
Ich glaube, wenn ich vernähme, daß
einer meiner Bekannten das lentidare
Luftschiff erfunden hat, ich würde ihn
ohrfeigern Warum er, warum nicht
ich Z«
Da hörte man die tiefe Stimme des
Malers Robert: »Das lenkbare Luft
-fchiff ist schon erfunden worden, und ich
kennte den Mann.«
Es war schon fo dunkel, daß man die
Züge des Sprechers nicht deutlich fah.
Er liebte die Dämmerung von Geschich
, ten- zwifchen Scherz und »Ernst, das
wußten die Frauen. und sie baten: »Er
sählen Sie es unst«
Und der Malen Robert erzählte:
»Er hieß Joseph Müller. Das ift
kein großartiger Name, aber erilyatte ilm
work feinem Vater. Aseltere Bewohner
lder Londongaffe im achten Bezirke wer
denfich noch des Vaters erinnern, der in
einem kleinen Gewölbe nahe der Koch
iqaffe alte Schuhe flickte und dabei hei
ter drein-fah, wie irgend ein griechischer
Philosoph Jch gebe absichtlich Na
men und Wohnort fo genau an, damit
»Sie diese Geschichte nicht fiir eine gänz
lich aus der Luft aegriffense halten.
· Doktor, erlundigsen Sie Isich in der Lau
» . Wsse ob dort nicht ein Schuh-machet
Müller gelebt hat
f « Jostph Müller kam zu einem Mecha
IMer in die Lehre, tout-de mit der Zeit
Gehilfe, umd eines Tages erfand er das
lenkt-are «Lu-ftfchiff. Es scheint, daß er
bat Printzip durch beharrliches Nach
denken entdeckte. Ich iverftebe nicht viel
von der Miit mein-e Erklärqu wird
daher Einiges zu wünschen übrig las
s. v w
" Ich weiß nur so spiel, daß Joseph
« ,.Miset von einem Apfel ausging. Er
Ue bemerkst daß ein Apfel sich in der
« wesentlich anders Gen-ebene- als
W Beispiel sder Erdball. Ein Apfel
M sur-f den Tisch gelegt werden. wenn
streicht zu Boden fallen foll. Die Erde
Lippen schwebt ganz frei im Welt
Mstsp Die Manna ersieht also die
Mien, und ein Körper sann sich be
M W in der Luft halten, wenn
,s«.- -- .«— .
l j
seine Bewegng und Drehunig in einem
gewissen Verhältnisse zu seinem Ge
wichte ist. Joseph Müller rechnete die
ses Berhöltniße aus, und er fand auch
die zur fortwähde Erzeugung der
Bewegung iniithige Kraft in Spring
stoffen, deren Namen mir in diesem Au
genblicke nicht einfalleru Er hatte näm
lich in sein-en freien Stunden Chemie
ftudirt, weil er schan lange vermuthete,
daß die Bewegung in der Luft nur
durch eine ununterbrochene Reihe klei
ner, sozusagen gebändigter Explosionen
bewirkt werden könne. Wie er die
Kraft der Explosionen iisbertrug wie er
die Swmaaass bevor sie entweichen
ließ, zur Drehung und Lentung des
ganzen Fahrzeuges soerwensdetr. das
will ich Ihnen nicht auseinandersetzen
Es wurde die Damen ermüden. Jch
will ja auch gar nicht das Lastschiff
schildern, sondern das eigenthiiniliche
Schicksal seines Erfinders.
Vierzebn Jahre hatte Joseph Müller
nachgedacht, stu-dirt, gerechnet und ver
sucht. Dabei versäumte er das Hand
wert nicht und war seinem Meister ein
fleißiger Arbeiter-. Nur zu Unterhal
tungen und Liedschaften nahm er sich
nicht Zeit. Erst in seinem fünfund
dreißigften Jahre, in dern er auch die
Entdeckung machte. lernte er in der
Nachbarschaft eine schnippische Jungfer;
kennen, die es ihm anthat. Jrn Uebri- «
gen war er ein vernünftiger Mensch.
Das zeigte sich am besten an der Art.
wie er selbst später von seiner Erfin
dung sprach. Er wollte sie rein zufällig
gemacht haben, es wäre eigentlich gar
nicht sein Verdienst, er sei nur im
Herumtawen daran gestoßen. Frei-«
lich. der Augenblick, in dem er erkannte,
daß er das Flugproblern gelöst habe,
bedeutete sfiir ihn eine große Erschiitie-»
rang. ZEr sbrach in Thriinen aus und;
schluchzte lange in der Einsamkeit sei-s
ner armen Stube. Es war vorläufig
nur das einfache Prinrip, das er hatte,«»
gleichsam die Melodie; aber er wußte;
auch sofort die ganze JnftrumentirungJ
er ahnte die herrliche Auffiihwng und
den Rausch, den Judel der Menge vor
aus.
Dann sammelte er ssich und arbeitete
seine Entwurfe im Einzelnen aus. Es
war wieder eine lange Mühe. Als er
die ZeichnungemBerechnungen nur-Ko
fteniiderschläge fertig hatte, trat er da
mit vor seinen Meister hin. Er wollte,
daß der Meister isich mit anderen Mei
ster-n zusamsment"hue, und dafz die Ver
einigung, verstärkt tdurch eine Anzahl
gelehrt-er Techniter, einen öffentlichen
Aufruf zur Beschaffung der Kostne er
lasse. Denn es war ein großer Betrag
erforderlich ungefähr zwei Millionen
Gulden. »Es mußte nämlich eine ei
gene Fabrik zsur Verstellung der einzel
nen Bestandtheile gebaut werde-n. Fer
ner waren besondere Laboratorien für
die Erzeugung der Sprengftoffe nö
· Kurz und gut, zwei Millionen,
a ders ging es nicht.
Der Meister lachte ihm in’s Gesicht:
er möge sich diese Narrheit aus been
Kopfe schlagen das sei eine vollkom
men verrückte Geschichte, auf die tein
denkender Menxfch jemals eingehen
werde. Joseph Müller schlich beschämt
von dannen, war aber von seiner Er
findung durch-aus nicht abgeht-acht Er
sagte sich nur. daß er auf das Wohl
wollen und die Hilfe Anderer nicht
rechnen dürfe. Und mit seiner eiser
nen Beharrlichteit begann er nun nach
praltischenAustrinftsmitteln zasuchem
Indessen war es in der Werkstatt
ruchbar geworden, daß Joseph Müller
ziibergefchnappt sei. Die anderen Ar
beiter fingen an, ihn mit dein lenkbaren
Luftschiff zu hänseln, und er lachte
autmiithia mit iiber die derben Dumm
heiten. Es gab unter den Gesellen ei
nen Spaßrnacher, den HanswursL der
Esich überall findet. wo ein paar Men
schen beisammen sind. Dieser trieb es
besonders ara. Joseph Müller ließ
das eine Zeitlang ruhig über sich er
aehen. Einmal verhöhnte ihn aber der
Hanswurit auch vor der fckynsivpischen
Jungfer, und He lachte dazu sehr laut,
so daß ez dem armen »Er-findet ordent
lich in’s Herz schnitt, Sie fügte sogar
einige Bosheiten aus Eigenem hinzu;
doch machte Joseph Miiller in feinem
Jnnsern auch dafür den Hauswurit
»verantwortlich, weil er die strohgelbe
Jungfer noch liebte und ssich ihre Herz
lotsigkeit nicht eingestehen wollte. Als
nun der Spaßmacher am andern Mor
gen wieder mit seinen Atbernheiten
Lam, verabreichte Müller ihm eine
solche Tracht Prügel, daß ihm die
Seh-warten inackten Man trug den
winidigen Kerl fiir lebioö hinsanöaufden
Hot. wo er sich irr-eigene soc-w wes-ne
Joseph Miiller M hierauf beruhigt
an feine Arbeit, umgeben von einer ge
wissen Achtung der Genossen. Ein
paar Stunden später rief ihn der Mei
ster ab; ei waren zwei fremde Herren
da. die vom Wen Luftichiff gehört
hatten und mit ihm reden wollten Be
, reitwillig und ßnria seste Fersen-Mül
ler ihnen Alles auseinander. Die Sache
gefiel ihm sichtlich. used sie wen wies
sie zu begleiten. Er stieg in ihnen Wa
gen, und sie fuhren mit ihm nach dem
Jrrenhattse. s
»E- gqh dort noch qui-m Ein-weis
von lenkbaren Luftschifsen, und Joseph
Müwer befreundete sich mit ihnen herz-;
lich und überlegen. Er hörte ihre
trausen gehan geduldig ansch Seinen
e« nen er hatt-e er ra ein --"
sxgm ein Erfinder, wie er, dusiei
keine heftigen Aufwallungen haben;
denn wer etwas«Groszes plant, dem;
nehmen die Menschen Alles übel· We-:
gen einer derartigen Prügelei wäre ein
anderer Geselle sicher nicht in den Nar- 7
renthurm gekommen. Zum Glück hatte
Joseph Müller eine bedeutende Heiter- ,
teit in seinem Gemüthr. »Er trug dass
Schicksal gelassen. Gern sütterte er im:
schönen Irrengarten die Vögel, lauschtei
ihrem Gesang der frühen Sænmers
zeit und beobachtete ihre Art. zu flie
gen, wobei er aus einige Verhesserungenz
seiner Maschine gerieth. Den Aerst
ten wußte er freilich allmälig die Mei- -
nung beizubringen, daß er genesen sei. Z
Und so entliseß man ihn denn nach»
mehreren Monaten als geheilt. i
Joseph Müller war nicht dumm, ob-E
wohl er ein Genie war. Er hatte den;
iSinn für das Wirkliche und sah mit
lichten Augen in die Bedürfnisse degj
gewöhnlichen Lebens shinein. Er sagte.
sech, daß er seine Einbildungzlrast nur»
herunterzuschrauben brauche, um ein;
sogenanntes nüsliches Mitglied der;
menschlichen Gesellschaft zu werden. Erz
ging zu einem Elektriter und derbes-E
serte diesem binnen kurzer Zeit mehrere;
Aipparate, so daß ihn der eiligst zum!
Geschäftstheilhnber machte. um sich ihn .
zu erhalten. Vom lenkbaren Lust-f
schisse war nicht mehr die Rede. Wohl
asher s us er einen neuen Karl-ziehen
einen osenstrecker, eine Wöscherolle,l
kurz, Erfindungen, durch die man sich
die bürgerliche Achtung erwirbt. Sie
trugen ihm sonst nicht viel ein, weil er»
sie nicht in allen Ländern patentiren
ließ. Auch diesen letzten Rest von
Jdealismuö streifte er ah, als er die
selbstthätige Bremse fiir Eisen-bahnen
tonstruirt hatte· Er verkaufte dies
Brausen-Idee siir fünfzigtausendGul- ’
den an einen Unternehmer, der daran«
reich wurde. Als jene schnippische
Jungfrau davon hörte, bettelte sich lsich
mit ihrer Liebe und Bewunderung an
ihn heran. Er gab ihr einiges Geld
und bat ste, ihn nicht weiter zu its-hellt
gen. Er wurde immer prasltischer und
geehrter. Jetzt erfand er einen unzer
reißharen Gummischlauch fiir Fahr
riider und sverdiente damit seine erste
Million. Eine neue Gaäsgliihlarnpe
bracht-e ihm zwei Millionen und den
Weltruhm. Endlich errichtete er eine
große Maschinmfwbrih aus der die ge
waltigsten Lotomotden heworgingen·
Als Joseph Müller so weit war«
übergab er alle seine Unternehmungen
den Geschäftsfüheern und reiste ab. Er
hatte sich eine stolz-e Yacht bauen lassen,
welche er «,Aegaeon« nannte. Bei mir
bestellte er die Wanosüllnngen für
Speisezimsrner und Salon. Damals
lernte ich ishn kennen IErweir ein hei
terer Mann, der vie Menschen verach
tete und sich sein Glück eigenmächtig
herstellte Aus dem Ischiinen »Aegaeon'«
fuhr er häufig von Triest nach einer
der südlichen Cytl-aven. Was er dort
zu thun hatte, wußte Niemand. Auch
seinen Vertrauten sagte er nur« daß er
aus jener Jnsel eine Fabrit einrichte.
Wären mir seine früher-en Schicksale
schon bekannt gewesen« so hätte ich viel
leicht vermuthet« was er insgeheim
schassr. Jch erfuhr es erst, als er mich
Mit noch zwei anderen herren zu einer
Frühlings-fahrt aus dein »Aegaeon«
einlud. Unterwegs erzählte er uns
seine Geschichte »Er habe ein glück
licher Erfinder sein wollen« nicht einer
der Märtyrer des Fortschrittes« die
man ilsr Ledenlang quält, und darum
sei er den praktischenschen Weg gegan
gen« vom Korkzieher bis sur Lokomo
tive
Nachts langten wir vor der Insel
an. Aus der späht des Felsens bewert
ten wir die Umrisse von Gebäuden, und
aus mehreren glänzte elektrischeö Licht.
Joseph Müller bat uns« zur Ruhe Zu
gehen; er selbst stehe im Boot a 's
Lan-d. Wir Drei wanderten aber noch
ein Stündchen aus dem Verdeck. Blök
1ich, gleichzeitig« stießen wir alle Drei
einen Schrei aus. Die dunkle Vorder
mauer des einen Gebäudes dort oben
war gesunken, eine Licht-fliehn sprang
aus das Meer hin-aus« und durch die
weite Oeffnung stob, rauscht-e, sauste
etwas Graßeö mit glühenden AW
ini Freie. Es war schon in der Nacht
verschwunden elee wir zur Besinnung
kamen und erschüttert ausriesem
»Das Lustschiss!«
Nach aufgeregten Sinn-den« in denen
wir vergeblich ans die Rückkehr des Vo
aols warteten. überwältigte uns die
Müdigkeit Wir schliefen ein« wo wir
saßen. Im ersten Sonnenschein weilte
uns Joseph Müller lächelnd aus
l J
.Sie haben meine ,Dalthone« schon
Felsens Jchedar mitihrheute Nachts
der Konstantinopel und Enpem Jch
will ssie hnen jeht bei Tage zeigen.«
· Er fii te uns denBerg hinauf. Jn
dein Gebäude. das dicht am steilen Ab
hange des Felsens Ilag und eine-n
Bootihaufe ähnelte, ruhte die »Hal-.
thon-e" auf eisernen Schienen. Ohres
Form war etwa die einer Libelle, ihre«
harten Bestandtheile waren aus Mu
minium, die weichen aus hundertbliit-I
triger weißer Seide. Joseph Müller-i
sbsestiag das wundersame Fahrzeug und’
wendete »sich mit einer fragenden Ge
berde an unz. Wir jalgten ihm. Mir(
schlug M Tot-z Mitg« Zwei griechischel
Jünglinge, denen diese Lieftreife schonl
vertraut war, fckniallten uns an den»
Sisen fest und schwangen sich dann’
behend hinten aus. Der Herr gab ein
Zeichen, und avir glitten hing-nd hin
auf. Jch hatte zuerst eine rechte Angst,
aber dann wurde mir boch und frei zu.
Muthe. sWir saßen hinter deni teil
förmigen Windschirm aus Bergstrystall
und empfunden tein Unbohagem wie
jäh wir auch dahinrastsen Aber zu
weilen schwtbten wir regungslos oder
kreisten in einer weiten Spirale ab
wärts, wobei die «schirn«nrrrn«den Flügel
der »Haltyone« denen des Adlers
glichen. Waren wir dann schon dein
Meeresfpiegel nahe, so genügte der
Druck aus einen Taster, um uns wieder
fchräsg in die Höhe zu treiben. Einer
der Griechen besaß ein goldenes Sai
tenspiel und jauchzie dazu alte Stro
phen Jch nahm ihm die Harfe aus der
Hand, um das Frühlingslied aus der
»Weil-täte« zu fingen. Wir Alle san
gen, wir konnten nicht sprechen. Nur
der herr der «Haltyone« blieb schweig
sani und ernst, indeß er uns durch die
Lüfte steuerte.
Zwei Tage ver-brachten wir fo über
allen Küsten des mittelländischen Mee
res. Joseph Müller hatt auf mehre
ren Berggiofeln Haltet-Hitze eingerich
tet, wo unser Fahrzeug mit Ehe-tribu
lisen gespeist wurde. Wir lernten in
dieser haltyonischen Zeit eine Welt von
oben kennen.
Arn dritten Tage mußten wir uns
wieder auf dem »Aegaeon« einfchiffen.
Erstaunt bemerkten wir, daß die Hal
tyone« mit einer Kette an unsere Yachi
nghiingt wurde, und wir schleppten sie
Ttoie eine Leiche hinter uns her. Keiner
von uns wagte, den Schiffsherrn zu
fragen, was das bedeuten follr. Er fah
eigenthiimlich unnahbar aus. Auf
hoher See befahl er die Kette zu lösen.
zDaö schwimmende Luftschiff war mit
dem »Aegaeon« nur mit einer dünnen
elektrischen Schnur verbunden, die sich
von der Spule endlos abwansd Schon
waren wir fern von der zierlichen Luft
,fe-glerin. Was dort auf den Wellen
tanzte, war anzusehen wie eine todte
:Möde. Jetzt kam Joseph Müller zu
uns und sprach:
»Hier verlane ich die »Hal-ryone«.
Jch habe mir Wort gehalten, das war
die Hautfache, und einig-e Freunde, die
ich schöne, wissen es. Für die Men
schen ins Allgemeinen will ich nichts
tslxrnz denn sie haben mich gequält, als
ich arm und schwach war, und sfie derben
mir durch ihre Erbärmlichteit Ekel ein
«gesliißt, als ich erstartte. Für die ssind
Korkizrehey Sparbiigeleisen und Gas
- glühlnrnpen genug. Die Menschen
ssind nicht werth, zu flieget-. Für das,
Irr-as sie sfmd, ist Kriechen noch lange
gut·«
Z Er drückte lächelnd-ans einen Knopf.
Ein Knall erdröhntex rvo die »Has
tyonse« gelegen,-·schäumte das Wasser
hoch aus, unsd bis zu uns flog-en tleine
Fetzen von der diiithenweißen Seide
ihrer Flügel. Und unsere Herzen wa
jren bekümmert, als wir weiterzogen,
dahin über das weinfarbene Meer . . .«
s Der Maler Robert sschwieg Sie
ließen seine Erzählung lange ausw
tem.
; «Jhr Joseph Müller war wirklich
»nur nicht sdunm Man hätte ihm
seine «-Mone« sicherlich verdorben.
Zunächst wäre sie für Kriegszwecke
mißbraucht worden, dann hätte sie »das
Wohlbefinden einiger Machthaber sund
Gelt-drohen weiter erhikhen müssen, un
ter gleichzeitiger Verbreitung von
ineuen Formen sdes Elend«
l »Sie sind mir Au socialistisch lieber
Freund-' entgegnet-e der Pariser; »Jo
sevh Müller swar irn Unrecht und vor
ZAllern hat er die Tragweite seiner Er
Zfindung nicht verstcznden Er durfte
Inicht an die Menschen seiner Zeit den
iten und am wenigsten an die Armsekp
sen seiner nächsten Umgebung. Wer
dy: Zukunft vorbereitet, muß über die
sGeaenwart shirrwegdlirten können. Die
besseren Menschen werden kornmenk
k Eine der Wen aber wendete »sich
zum Erzählen nnd idre Stimme klang
Hieb-lich in den Abend hinein: Zur
IGröhe fehlt dem Oelden Seines Miit
åchens nur Einst das Verzeian
The-oder Ort-L
Wieder nichts.
wiener Skizze an- deres Beamte-tiefen von
« B. Chiusi-nd
Frau Eber-l saß wieder einmal in ih- i
rein Sor stahl und rechnete. Jhne
Stirn leg e sich dabei in loause Falten
und ihre Lippen bewegten sich wie tm
Gebet-e. sit-weilen schüttelt-e setz-miß
muthig dass Haupt, hefeuchtete die
ZSpitze des Preneste-e und fing var-n
Zihre Berechnungen wieder von vorne
san. Jeht legte sie aber den Bleistift
sentnruthigt bei Seite, seufzte tief auf
»und sagte: »Ich kann machen, was ich.
:will; es geht rn'r halt net z’samm’.«
! Die Großmutter, welche die Vor-n
jhrille auf der Nase, gerade beschäftigt
swar. die höschen ihres jüngsten Enkel,
sdes vierjährigen Gastl, zu flicken, drehte
das abgeniihte Kleidungöstiick gegen
das Licht. Die Sonnenstrahlen dran
gen durch die zahlreichen Löcher ider
Hofe bis zum Antlih der Großmutter
und tihelten diese in ider Nase, bis sie
sich mit einem lau-ten »Azih!« dagegen
wehrte.
»Helf Gott, daß’ wahr is,« sagte
Frau Ederl, »-man weiß schon nimmer,
was man mit die paar Netscherln an
fangen soll. J möcht’ mir, daß sich der
Finanzminister ein einzigesmal am
Letzte-n von ein’ Monat da auf smein’
Platz hersetzen müßt’, damit er wenig
stens einmal wiifth wie eigentlich a Fi
nanziunst ausschauL Jetzt handeln s’
wieder die längste Zeit herum mit der
Gehalts-erhöhung Und wir spitzen schon
drauf, wie der Teufel auf a Seel’. Es
heißt, er muß erst siir die erhöhten
Ausgaben eine »Der-errang« haben, ja,
das ist nachdem kein-e Kunst —- da bin,
ich auch Finanzminister, wann ich für!
jede Ausgah’ mir wieder eine Ein
nahm’ zu verschaffen weiß. Aber daßi
wir armen Familien seit Jahren immer s
erhöhte Ausgaben machen müssen, ohne;
ein-: Bedeckung zu haben, sda fragt keinl
Mensch darnach. Jch hin nur eine
schlichte Frau, die keinen Einblick in
diese Verhältnisse hat; aber eigentlichj
ist uns seit Jahren der Gehalt von denj
verschiede Finanzministern reduzirt·
word’n.« i
Die älteste Tochter Her-ums welches
als Vollsschul-Lebrerin angestellt ists
und die gerade mit dem Aus-bessern von
Dittandohestrn beschäftigt war, blicktes
von ihrer Arbeit auf und fragte neu-!
gierig: »Wie meinen Sie das Muttert«
»Ich weiß nicht viel von Politika
antwortete die Mutter. «aber so oft ich
von einem neuen Finanzminister gbört
bab’, is auch immer wieder von den
neuen »Bedeckungen« die Ned’ gewesen.
So ist das Petroieuan »dedeckt« worden,
so is der Spirits-us «-bedeckt« word’n
und so sind die wichtigsten Lebensmittel
mit Steuern »bedeett« worden, bis wir
armen Leute aus der Mittelllasse selber
»zu-d«eckt« waren. Wir haben freilich
immer denselben Gehalt g’lz-abt, aber
die verschiedenen »Bedeckungen« haben
wir davon zath müssen. Ich bin tein
Finanzgsmie, aber ich trau’ mir mit
dem Finankzminister gleich ein Geschäft
»in machen. Wir verzichten ans jede Ge
haltserbölxung und er soll dafür ans die
verschiedenen »Bedeckungen" verzichten,
die in den letzten dreißig Jahren ge
macht worden sind. Jch that mir
dann viel leichter, als mit einer Ge
haltserbiiliung. Ja, wenn ich die »Be
dechun-g« nur eins-mal zahlen -miißt’,
aber ich musz sie zwanzigmal zahln
Zuerst zab’ ich das Petroleum tbeureu
weil aber Ider Schuster auch Petroleum
braucht, so rechnet er mir die Sei-ais
theoret, weil der Schuster aber auch
dem Ileischbauer die Stiefeln tbeurer
rechnet, so rechnet mir sder Fleischbæuer
auch das Fleisch the-irren und so geht
das Riirigelspiei von einem Geschäfts
mann zum anderen, von einem Hand
werker zum anderen-. Einem Jeden
muß sich das Petroleirsm extra zahlen.
Ein Jeder giebt den Priigel weiter, nun
wir, die Beamten mit dem aepriessenen
sicheren Einkommen wir können mit
keinem Preisausschlag kommen Wir
müssen warten bis sich die Volksk
aliicker daran erinnern, daß wir mich
Wäbler sind. "
Jn diesem Augenblicke kam der vier
zchnsjäbrige Toni aus dem Gift-ma
srum beim. Er grüßte mürrisch, feste
sich zu einer großen Schale Kasfer. gdie
ihm dieMutter aus der Küche gebracht
hatte, nnd löffelte sie hastig aus.
Die Großmutter-, welche die Art ih
res Entle kannte und sich sein un
sreundliches Gehoben nicht erklären
tonnte, fragte besorgt: »Was is ’s
denn? Js D'r net anat? Oder Inst
vielleicht a schlechte Roten kriegt-P
XStatt einer Antwort ging Ton-i zu
feiner Mutter bin, hob den rechten-» usz
in die höhe. so daß man die zerri ene
Sohle des Stieer soben konnte sund
sagte: »Da schau’n S’ bett«
»Na ja, was seb’ i denn da? Js halt
ein ersissener Stiefel. Was san-n i
denn da thun? Jch hab’ "bn ohnehin
gkslsickh so aut et Tod«-i wills Wart«
balt, bit der Innrnzminister die Ve
tdechrng Wunden-hat« «
Dem mi traten die Tbränen in »die
Augen. »F scham’ mich. indie Schick
Inlafbsn F bin der ite in der
F Andwfviäißsdere en W; bn
»in-innrer ’e "netversttcken.
geb« so immer den linken Fuß iiber »von
IMM- Uh der Professor net siebt,
Wß Mit Ue schen- beransftebt. Aber
der Ton-net vom Fleischbacker in der
Banldergassen machttmsmet seine Witz
über meine Stiefeln — «
»Der hakt Rothwein-tax agte »die
Mutter, »der sitt schon zwei be- in
sderselben Klass. Der könnt Deine gu
ten Klassen besser brauchen, als Du
seine Stiefean
Tsoni weinte still vor sich bin. Seine
Schwester ging zu ihm bin, streichelte
ihm die tastanienbraunen Lock-en aus
dem hübschen Gesicht and sagte zur
Mutter: »Das ist wahr, so kann er
nicht in die Schule geb’n. Das ist eine
Schande siit ein Kind aus einer bes
seren Familie·«
»Bessere Familie!" antwortete die
Mutter mit einem bitt-ten Lächeln
»Bessere Familie! Weil wir besser htm
gern können und uns’re Noth besser ziu
verbergen wissen, darum beißen s’ uns
eine bessere Familie. - Wir müssen net
nur den Kampf «um’s Dasein, sondeon
auch-den Kampf trm den Schein führen
Und grad' das lost’ uns die meisten
Opfer, bringt uns die meisten De
müthisgungen Nicht baben und im
mer thun müssen. als ob man bätt’ —
das is schwer; Der Arbeiter in der
Maschinensabrit, its r sich monatlich
vierzig bis siinfzig nie-en verdienst,
geht in seinem blauen Kittel in die Ar
beit; seine-Kinder laufen auch barfuß
bekam; dafür sind sie am Sonntag
Kavaliere. Mein Mann bat eine gold
strotzende Uniform an, wenn wir zu
sammen a«usgeb’n; aber jedem Gast
haus weichen wir von weitern aus«
»Komm’ ber, Ton-i, ich geb’ Dir das
Geld für ein Paar Stiefeln,« sagte die
Schwester.
—
»Du thust aber groß, weit Du gar so
viel hast,« bemerkte die Mutter. »Gi-bst
Du net ohnehin den größten Theil don
Deinen paar Gulden für den haus
halt her? Wann wird sdenn nachdem
Deine Heirathsausstattung sertiglt
Wir können Dir nichts mitgeben, nicht
einen Kreuzer- Dasiir bist Du aus ei
Iner besseren Familie. Jin vorigen Mo
;nat warst Du neunundzwanzig Jahre
Hatt. Seit zehn Jahren bist Du mit
sLudwig verlobt -—— ein tteiwer Braun
iiekt Glaubst, mit idtum nicht M
iHerz, wenn Du immer wieder groß
miithig Dein mühsam Erspartses her
geben mußt, um uns aus der Schla
maftit zu zieh’n? Der Spargroschm
unseres Kindes ist unsere «Bedeckung'«.
»Was macht’s?« erwiderte Verm-irre
wohlgemut-h, um die Mutter zu trösten.
»Jetzt muß es ja doch bald anders »wer
den« Wenn die Gehaltsershöhung
kommt, dann bat Ludrdig Alles in At
lem 1400 Gulden —«
»Dann macht -Jhr’5, wie wir,« un
terbrach sie die Mutter. »Ich hab den
Muth g’shabt; aber ich zittert bei dem
AGedanke-n daß mein Kind denselben
IPassionsweg wandeln muß-«
Die Großmutter wackelte mit dem
Kopf und sagte: »Und da hatt-PS Ihn
ganz andere Zeiten g’habt. Wie Jhsr
ang’fangt habt’«s, hat ’s Pfund Rind
sleisch sechsundzwanzig Kreuzer tost’
sund die tiane G'ichradi um an’ Kreu
zer bat mehr aus’geb’n, als jetzt zwa
Kaisersemmeln.«
»Mein Gott, sie habfn sie hatt gem,"
sagte Frau Eber-L »lang g’nug hab’n s’
schon g’tvartet auf ihr Glück. Es wär’
amal Zeit, daß der Finanzwinsister
Mode machet.«
Es klopfte an der Thür und Ludwig,
der Bräutigam herminen’ö. trat Ther
ein, ein Zeitungcblatt sin den Händen
hatten-d. Nach einem flüchtigen Gruße
sagte er, aus das Blatt deutend: »Wie
der nichts. Die Vorlage ist bis zum
Herbst verschoben worden«
Frau Gberl ließ den Bteistift sinken.
«Da rech’n ich gar net weiter- Es must
ja so nicht«
.Lass' gut sein, Ton-i. »Du kriegst
Deine Stieset,« sagte Mine. W
tansn ich rnir ja ohnehin Zeit lassen mit
der Ausftattung. « - «
Die weitere Unterhaltung an diesem
Abend war nicht mehr sehr ansirnirt.
-—-»-—--»—
—- Liebenistpiirdige Bluthund-e bestit
ein Dr. Beil in otomo, ändianm
Dort gin tiirzlich ein sdr ähriger
Knabe der dran, und die Eltern waven
nz trostlos, da ein mehrstiindi ei
uchen erfolglos blieb. Nun bam r.
Bell aus den Bedienten-, seine Blut
hunde auf die Spur zu schicken, und
ehe da! schon nach 2 Minuten hatten
die Hunde den tleinen Lin-reißen der
etwa drei Meilen weit gewandert war«
aufgsunden und mit ihm Freundschaft
geschlossen Das Kind spielte der
gniigt mit sden hundert« alt die Eltern
und Dr. Bett sachte-nen.