Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, July 10, 1896, Sonntags-Blatt., Image 8

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    AJ
Irr Augen sah. Aber wenn fte ihn ver
itssen hatte, war es, als ob er aufath
Orte und Magelonens anmuthige
Arbeiten-erschienen ihm anmuthiger
Als fe.
So war die zweite Hälfte des August
M damit fein Geburtstag herange
bannen Den Morgen vorher hatte
Dante Thekla allen Muth zufam n
genommem um ihren Bruder dar zu
erinnern.
»Da morgen Sonntag ist, wird er,
wie gewöhnlich zu Tisch herübertom
stem« fügte ssie hinzu. »und ich wollte
sich fragen, lieber Johann, ob es dir
recht wäre, wenn wir ein paar Bekannte
dazu einluden —- keine große Gesell
schaft —- nur acht bis zehn Personen
vielleicht —- — —«
»Wozu?« fiel ihr der Freiherr in’s»
Wort, und von feinem aufflamrnenden;
Blick senkte sie erschreckt die Augen«
Doch n·icht, um den Geburtstag dieses(
Burschen zu feiern? Wird dreißig
Jahre alt und benimmt sich wie ein
Wzigjähriaer.« ·
Tante Thetla rafft sich wieder auf. (
»Lieb« »Bruder,« sagte sie, ,.es folll
l
use-he Freude sein über einen Sünder,
Der Buße thut . . .«
»Der Buße thut,« fiel der Freiherr
Mmals ein; « »daoon ift hier nicht
Die Rede. Monsieur accornmodirt sich
vorläufig, ist aber jeden Augenblick zu
neuen Eseapaden bereit. Nein, Thekla
zum Schlachten des fetten Kalsbes ha
ben toir keine Veranlassung« Willst du
Jdem Jungen einen Kuchen backen, fos
habe ich nichts dagegen; ich will ihml
glich Das herkömliche Geldgefchent da-,
rumter legen, und ihm anftandshallrer
qutulimy che: weitere Festivitäten
verbitte ich mir.«
Dieser Erklärung zuwider zu han«
deln. war unmöglich, und obwohl Tan
te Thetla fiir Kuchen und Kranz ge
sorgt und das Geldgefchenl des Groß
saters nach Kräften vermehrt hatte,
vöhrend Magelone und Johanna al-.
krlei Zierlichkeiten auf den Geburts-!
Wtisch legten, empfand Otto diei
Schwü«le, die auf dem Familien-kreise
iaftete, und es hätt-e der Mahnung des-s
Freiherrn feiner dreißig Jahre einge-T
dent zu fein und keine Jugendfireiche«
Mehr zu begehen, kaum Ibedurft, urn ihm ]
die Laune zu verderben. .
Aber je unbebaglicher ihm zu Muth
wor, um so weniger wollt-e er es zeigen.
Dem otten Manne zum Trotz, der jede
Telbstsiämdige Lebensäußerung nieder
zrrhalten strebte, suchte er, undetüm-i
mert um Tante Theklcks swarnendel
, Blicke, ein Tischgespräch zu erzwingen,j
»und da ihm dies mißglückte, machte er
Mich nach aufgehobener Tafel, aller
« nsordnung entgegen, den Vorschlag,l
»den ges-see im Waid- bei den drei Eid
chen zu trinken, einem Platze, der in der
ganzen Umgegend als Zielpunkt für
Luudpartieen beliebt war. i
Der Freiherr, der eben die Thür er- ’
reicht hatte, biieb stehen. i
«Nun, Kind, du wirst dich doch von
dem Pliisir nicht ausschließen?« sagte
et in scharfem Tone, indem er fich nach
Johanna umfah, die ihm folgte· »Ich
will schon ’rnal ohne dich fertig wer-.
M «
Sie warf einen raschen Blick, in deni
der Ausdruck des Verlangens aufleuch
tetc auf die Gruppe am Fenster, dann
ich ·sie in des Großvaters oerdiiftertes
-—-Sesicht
«Jch danie,« antwortete sie, indem sie
vollends an seine Seite trat, »ich bleibe
lieber zu Haus bei dir.«
Im nächsten Augenblick hatte ksich die
Tbür hinter den Beiden geschlossen.
Otto biß tsich unmuthig auf die Lippen,
Wogelon lachte spöttisch auf.
»O, diese Johanna!« rief sie, durch
Otto’s sichtlicher-i Verdruß gereizt; »wie
gsfchickt Este ist! —- Da hat sie nun ini
Dom-umdrehen ein Strählchen für ih
ren Oeiligenjchein fertig!'«
»Aber Ein-d,« fiel Tante Theila
dorwnrstoll ein. »Du meinst doch
sticht — —- — Johanna ist wirklich gut
—- — —- und so einfach, so beschei
den . . . .«
- » - «
«Qjebe Taute, das m ja gerade lyre
Kunst, daß die Wenigsten merken, wie
ji« anstellt, sich geltend zu machen,«
antwortete Magelone »Ein ein
faches Menschenkind wie ich hätte ge
sagt: »Danle, lieber Otto, mir MS file
dein Pläsie zu -heiß.« Aber sie opfert
H fiit Großpapa — bleibt seinetwegen
im kühlen Zimmer.«
»Du bist ungerecht!« sagte Otto mit
nugeloöhnljchem Nacht-euch
«Un"d du sbist parteiisch!« rief Mage
csne gereizt. »Aber nur Geduld —- Euch
seiden werden« schon die Augen auf
sehen . . . Jetzt möchte man sie freilich
zumachen,« fügte sie in leichteeem Tone
hinzu. »Diese unerträgliche discl«
und indem Isie sich mit großen Fläche-c
Mnigen Kühlung zufächelte, folgte sie
Ante Theils in’i Wohnzlmmee, ließ
G, während die alte Dame ihre ge
Mukiche Sopbaeele einnehm, in den
MM neben dein quiuofen
W M blickte mit-et den niederge
1
schlagenen Lidern zu Otto hinüber, der
sich mit mißlauniger Miene an das
Mittelfenster zurückgezogen shatte und
ein Journal durchblätterte.
Magelonens Fächer gerieth immer
heftiger in Bewegung Wie sonder
bar, daß Otto diese settene Gelegenheit
zum ungestörten Zufammensein nicht
benützte. Sollte ihn der Angrifs auf
Johanna ernstlich verdrossen haben?
War das der Fall, so mußte er dafür
gestraft werden. Ein paar Minuten
vergingen in ungeduldiger Erwartung,
dann, als Tante Thetla’s Athemziige
oerriethen, daß sie eingeschlafen war,
lnief Magelone mit gedämpfter Stim
,me: ,,·Otto.’s« und als er aufsah. winkte
sie mit dem Fächer und deutete aus ein
Tabouret in ihre Nähe. s
CFortsetzund folgt.)
Der Verräther.
Erzählung von A. Miklosi.
Gott gebe den Herren seinen reich
lichenvSegent Ach, wie schön haben Sie
meinen armen Sohn beerdigt!«
Also tsprach zu uns »Herr Darorzi
Juhasz La zlo, als schon die Schollen
haufenweise auf den in das Grab ge
senkten Sarg Kollet-ten. Usnd während
über sein brauneö Gesicht Thränen rie
felten, zerdrückte er szast mit seiner.
tnochigen Hand unsere Rechte und wie- i
derholte immer:
I »Gott fegne Sie! Wie schön, wies
-schiisn halben Sie ihn beerdigt! Ver-i
tgessens See nicht, zu mir herein-Jud
blichen, wenn Sie einmal nach SzolnotI
siemmenk l
Gewiß wir haben den armen;
thastz Mista schön beerdigt, welcher·
gerade Zwei Monate vor der Matt-ri
tätsprtisung alle Grammatik und Lo
garithmen verlassen mußte. H
Vierundzwanzig junge Männer im!
vollkommenen ungarischen Paradean-i
zuge mit über die Schulter geworfen-ern ?
Mantel und gezücktem Säbel begleiteten i
jden mit Blumen überhäusten Sarg,«
jwelchenr die ganze Jugend des Gymnas
åsiums mit der umslorten Schulsahne
und die ehrwürdigen Patres folgten.
Gewiß, wir haben ihn schön beerdigt.
sEinem Fürsten hätten wir nicht mehr
;Ehre erzeigen tön-nen. sEs Inar kein
Wunder, daß Herr Daroczi Juhasz
.Laszlo vor lauter Dankbarkeit unsere
Finger ganz blau drückte.
i Seitdem versloß eine lange Zeit. ich
idachte immer lett-hast an jenen trauri
«gen Tag, als mich an einem trüben
sWinterasderrd mein Dienst nach Szol
snot führte.
s »Lebt noch »der astte Daroczi Judasz
"Laszlo?« redete ich meinen Kutscher an,
der mich von der Bahnstation zur Stadt
brachte.
i Der Bursche sah mich verwundert,
fast zornig an. Was ist das sitt eine
Art, nicht zu wissen. daß ein so hervor
,ragender, geehrter Bürger der Stadt,
lwie es Herr Daroczi war, noch am Le
ben sei?
»Nun, even-n Jemand vor einigen
Jahren in Berlin gefragt hätte, ob« der
berühmte Kanzler noch lebe? Er hat
doch erst heute Mittag zwei Stunden
lang im Stadthause gesprochen. Ge
wiß tomsmt lder Herr von weiter Ferne
-daher?«
»Nun, nun,«,begiitigte ich ihn, »ge
wiß komme ich weit genug her. Also
ist das haus des Herrn iDaroczi noch
weit von hier? Denn ich tvill zu Seiner
Wohlgeboren einkehren.«
»Es ist nicht weit, so wie wir aus
diesem Winkel herauskommen wenden
wir uns in die Csongrader Gasse, gleich
ist es das dritte Haus rechts-. Es giebt
sonst in der ganz-en Gasse kein solches
herrenhaus.«
»Du-so ist der alte Herr ein wohlha
bender Man-n ?«
Der Bursche fah ans ein«-e Weise zu
·riicc, als ob er unendlich bedauere einen
Menschen gefunden zu haben, der über
eine so allgemein betannte Sache nicht
aufgeklärt tei. —- »—Ob er sich gut steht?
Das glaub’ ich. Viele hochgeborene
Herren würden gern mit ihm tauschen.
Das sind alles feine Aecker, welche der
Herr vorn ifiisnsten Wächterhause bis
zum neunten gesehen hat«
Hiermit tlatfchte er auf seine Pferde,
der Wagen erhielt einen gewaltigen
Ruck, so daß der Koth zu beiden Seiten
aufspritztr. Jn diesem Augenblick
trat aus einer niederen Thür, über der
ein Schild mit der Abbildung einer
großen Weinflasche befestigt war, eine
derbe, taumelnde Gestalt heraus.
»DerKoftgänger deöherrnDaroczi,«
sagte lachend mein junger Kutscher, mit
deriSpike seiner Peitsche auf idie an der
Wand sich ftoßmde Gestatt zeigen-o
»Wie tagt-en Stet« fragte ich mit ei
niger Ueberraschung.
»Der Kostgiinger desHeeraroezj,«
wiederholte er.
»Mein berauschte Gewitterst«
,.Jrei1ich dieser. Seit ich dense, ist
er immer dort im hause. Der Wert-he
F
J
iiebt den Trunk sehr. Auch seit würde
er in seiner guten Laune die Sterne an
stoßenf
»Du-so wie steht er zum Herrn
Daroczi. daß er ihn im hause behält?
Vielleicht sein Diener oder ein entfern
ter Berwansdter?« fragte ich.
»Das nicht, man kann das auch nicht
wissen, man sagt, sdaß der gestrenge
»Herr ishn nur aus Barmherzigkeit be
hält Nur hätte er ssich auch. dente ich,
einen anderen Menschen aussuchen tön
nem als diesen Weinsact Den ganz-en
Tag steckt er im Wirthshause««
Jch hatte teine Zeit mehr, zu fragen,
denn wir gelangten schon vor das Haus
des Herrn Daroczi. Es war ein
großes, schönes Hurenhaus. mit langer
Fensterreihe, hohem rot-den Ziegeidache
und geschmackvoll geschnitztem Thore
aus Eiehenholz mit mächtigen Brause
beschliigen. Man sah aus den ersten
Blick, daß der Erbauer weder mit dem
Gelde, noch mit »dem Material karg
umgegangen war. Die glänzende
Reinlichteit der Wände und Fenster be
zeugte, daß sein Eigenthümer aus Net
tigteit und Soliditöt Gewicht legte.
Raum hatten die Diener des Hauses
wahrgenommen, daß ein Fremder an
gekommen sei, so verständisgten sie den
Hausherrn davon. .
Herr Dardczi wußte sich vor Ueber
raschung und Freude kaum zu fassen,
als ich meinen Namen nannte.
»Aber das ist wirklich schön, daß Sie
an mich dachten«h sagte er mehrere
Male, indem er trog meines Abtvehreris
eigenhändig mit den PAG Oberrock und;
Stock abnckhm —- ,,getviß hätte ich Sie;
"im erste-n Augenblick nicht ertannt,«denn1
-..seeh.. freilich, steilich.... Dieser
Bart! Diesen hatten Sie damals noch
nicht«
Und seufzend iiigte er hinz u: —
»Fiinftzehn Jahre sind es im Herbst ge
worden, seit die herren meinen Sohn so
schön beerdigten; nicht einen einzigen
dieser treuen Kameraden habe ich seit
damals gesehen.«
Urn so weniger hatte er sich verän-!
deri, nur sein Schnnrrbart war ganzi
grau geworden und sein haar dünner. (
Sonst war er noch der seit austreten-de
mit strammer, aus-rechter Körperhal-;
tung, inaftsvolle Mann, ais den ich ihnz
vor so Vielen Jahren kennen gelernt«
hatte. .
Ebenso ichianten Wuchs hatten seinej
beiden Töchter, wahrhaftige untergan- .
diiche, ungarische Schönheiten die seit:
dern Tode ihrer Mutter die e: nzigce
Frende ihres Vaters waren.
Geer Taroczi erlaubte es n: ·,cht daH
ich aus seinem Hause in’s Wirthshauot
kehre Er wäre im Stande geweiernj
das Haustbor zu ver-nageln, nur daßj
ich nicht weggehen könne Selbstver-j
ständlirh überhäufte er mich mit Auf- ;
mertiarnteit, bei der Erinnerung daH
ich es eben war, der di e rüstigen jungen
Leute zusammngetromsmelt hatte, die
den armen Mist-i einst rnit solchem
Vorn-de hinaus aus den Friedhof beglei
teten.
Estvar schon recht spät —- wir stopf
ten eben die Pfeifen nach dem Nacht
mahle, ais eine heiser-e Wei ncktirnnie ein
Lied vor dem Fenster zu singen begann
welches damals besonders bei der Land
bwötterung in der Mode war·
Herr Daroezi zog seine dichten
Brauen zusammen, stand von seinem
Plan auf und schritt zum Fenster hin.
Ich sah, daß er den Vorhang hob und
mkf die Gasse blickte. —- »Ek"hai ji«-b
wieder betrunken,« murmelte er. den
Kopf unwillig schätteind »
»Wie sagte-n Sie. Herr Damzi2« i
Der Alte zog zornig die Schulter-H
empor-»Ach es nicht der Rede werth;»
ich habe hier einen Menscher-, der gern
einen hinter die Binde girßt, jeth
kommt er eben nach Haufe, der Gottver-:
geilen-As ·
Z Jch lächelte. —- »Jch wersz schon, ich
«l)iirte von -i-hrn.« —
»Also wer hat Ihnen Das schon zugr
tragen ?'« —
,,Der Kutscher erzählte es, der mich
von der Eisenbahn hereinführtex Jhr
Mann taumelte eben aus einem Wein
hause·« Jch sah, daß die Sache oekn
Herrn Daroczi nicht gefiel.
«Hrn, hm,« sagte er geoehnt —- »als-I
was erzählte er von dem Mka
»Nichts, nur daß er hier in Jhrem
hause schon lange Zeit sei. Jst es viel
leicht nicht also?«
»So ist es, so —- gewiß habe ich in
solchem Zustande meine Noth mit ihm«
»Warum schicken Sie ihn nicht weg?«
fragte ich übereilt.
herr Daroczi wurde ernst und
stocherte mit seinem Finger die Asche in
seiner Pseisr. —- ,,Weil, — weil ich nicht
will, —- tpell ich nicht kann'«
Ich hatte wahts inlich einen pos
sierlichen Blick a ihn rosigen dieser
Endo-Ort geworfen, denn mit sauster
Stimme feste er hinzu: »Nun, ich
werde Ihnen die ganze Sache sagen,
da sie M ein so ter Freund mei
nes »Geh-lex er nex- in Frieden, wa
ren.
Er stopfte feine Pfeife wieder, stieß
mit mir an, trank feinen Wein aus,
dann begann er also: »Dies ist eine
atlte Geschichte. Warum sollte ich es
leugnen oder gar verheinrlichen. Jn
meiner Jusend war ich ein seht armer
Bursche. Von meinen Eltern erdte ich
nichts. Was ich sbeswy hasde ich selbst
mit meiner beiden Hände Arbeit erwor
ben, seitdem ich vom Militiirstande frei
wurde. Jm Jahre 1848 diente ich bei
den Nador-Hufaren, wir standen in
Böhmen.
Plötzlich siverbretete sich im Regi
mentr die Nachricht, daß es zu Hause in
Ungarn nicht mit rechten Dingen zu
gehe. Man sprach, daß die Serben
Wallachen iider di e Ungarn herfielen,
daß sie die Männer morden, die Weiber
schön-den und auch der unschuldigen
Säuglinge sich nicht erbarmtem Dann
lassen wir in den uns von Verwandten
oder Bekannten aus der Heimath ge-;
heim zugefchiclten Zeitungen, der unga- T
rische Reichstag has-be die im Auslandel
befindlichen ungarilchen Soldaten nacht
Hause zur Vertheidigung des Vater
landes berufen
Alles Blut brauste daraufhin in uns
Haus. Wir oerfammelten uns am
Abend wir beriethen machten Pläne,
endlich beschlossen wir, daß wir zurück
nach Ungarn marschirenswollten Wir
legten einen heiligen Schwur ab, loxroohl
Unteroffiziere als auch Gemeine, treu
einander beizu stehen. und wenn es an
ders nicht möglich sein sollte, würden
wir uns bei eintretender Verfolgung
mit dem Säbel durchhauen. So ge
schah es auch. Meine Estadron machte
sich unter Anfii rung unseres Nimmt
sters auf den eg.
Ich jedoch konnte mit meinem Juge
nicht mittommen· Drei Tage, bevor
die im Orte garnisonirten zwei Essa
drons abmarschiren sollten, wurde ich,
da ich damals Wachtmeister war, mit
32 Mann in ein Dorf totnmandirt, wo
»die böhmischen Bauern unruhig wur
den. Hier hörten wir zu unserer Be
trü-bniß. daß nnsere Kameraden glück
lich gegen die ungarische Grenze ent
tomrnen waren.
Jch iversamrnelte mein-e Leute und
fragte sie, rtb sie Muth hätten, der Es
tadron zu folgen. Da doch das Vater
land. unsere Blutsderrvandten und
Freunde in Gefahr seien. Ihre gezoge
nen Säbe! zusammenschlagewd ant
worteten Alle einstimmig: »Der Herr
Wachtmeifter führe uns wohin immer,
wir gehorchen nnd folgen Euch in den
Tod«
Nie hätte ich geglaubt. daß ein Ver
rather Isich unter uns befinde. Und
doch fand er fich· Jch hatte einen ver
soffenen, nichtsnuhigen Burschen, der
mich haßte, weil ich ihn einige Male
derart angefahren hatte. Der Elende
warf sich noch in derselben Nacht aufs
Pferd, jagte in die Stadt und machte
von unserem Vorhaben dem Oberst die
Anzeigr.
Nächsten Tag zeitlich früh besetzte
dentsches Militör das Dorf. mir-pass
nete uns und nahm uns gefangen. Jch
wurde als Aufwiegler vor ein Kriegs
gericht gestellt und auf das Wort des
Beitäthers hin zu zwei Jahren Schanz
arheit verurtheilt. .Die anderen Ka
meraden kamen mit leichteren Strafen
davon. .
Ach mein herr! Wenn ich bedeute,
daß ich das Brod der Gefangenschaft
essen mußte, während meine Kamera
den hier zu Hause für das Vaterland
tämpften, so zuckt mir noch jetzt das
Hexe-« ·
«.-.---«..
Herr Darmin erhob das Glas und
leerte es auf einen Zug, wahrsche nlich
wollte er diese trauri gen Gedanken hin
unterschrvemmen Jedoch beruhigt,
seßte er dann satt: »Nun, die Gefan
genschaft ging zu Ende, auch der Miti
tärdienst währte nicht ewig. Jch lam
nach Hause, ich nahm mich zufammen,
lehte fleißig und sparsam, und mit
Gottes Hitfe erlebte ich nach gute Tage.
Jch heirathete ein braibes, fleißiges
Mädchen, die mir in ihrem bescheidenen
Sinn treu bei der kleinen Wirthschast
zur Seite stand; unsere Ehe ward mit
einigen Kindern gesegnet, und als mein
selig entschlafener Mista ins Grimm
sium tam hatte ich schon was Hübsches
erworben Der Bursche wollte mit aller
Gewalt lernen; nun, ich that ihm den
LGesallen doch hätte ich ihn lieber zur.
Wirthschaft besti rnmt. «
Der Alte seufzte wehmüthig: »Es
ist jept gleich viel. also! daß ich zur
Sache komme. Es war eben Winter,i
es ichneite seit zwei Tagen stark, jeder
Verkehr auf den Landstraßen war fast
hemmt, der Schnee tnisterte unter den
iiszen der Dahineilendem Mitta, deri
aus der Gasse mit des Nachbars Kin-:
dern spielte, kam plölich akhernlos in
das Zimmer gerannt. »so-armen Siek
heranö, lieber Vater, draußen liegt ein
etsrorener Mensch!« rief et lebhaft. »
Ich und mein Kutscher ergriffen den.
halb erfrorenm Menschen und trugen;
ihn in mein Heu-, wo wir mit Oel-ch
angiversuchen W Nach und
H
s I
snach fing fein Vers an vftiirter zu schla
Jgenz als jedoch mein braves Weib ihm
einige Löffel warmer Weinsnppe in den
Mit-nd schüttete. zeigte tsich auf seinem
treideweißen Gesicht ein sblasses Roth.«
Herr Daroczi lschwieg, fchluckte start
und fuhr fort: »Wissen »Sie, mein Herr,
wem ich das Leben gevettet habe? . . . .
Dem sJofos Csota . . . , oder richtig,
Sie haihen noch nicht seinen Namen ge
hört! Es war der sTaugenichts, der
trns im Jahre 1848 verrathen hatte . . .
Ich erkannte ihn, obwohl das Etend
sein Gesicht verändert hatte. Jch muß
es gestehen, im ersten Augenblick wollte
ich den sVagabuind sofort aus meinem
Hamse schaffen. Für einen solchen Men
schen ist die städtische Wachtftude auch
noch gut genug, sprach sich zu meiner
Frau — wer weiß ob es nicht ein ge
fährlicher Landftreicher ist« den die
Gensdarme suchen? Nun, Sie hätten
sehen sollen, welche Bitten mein armer
Sohn anwendete, als er dies hörte.
Das Kind hatte ein gottgefegnetes, gu
tes Herz. Jch fah noch nie desgleichen.
Jedem Bettler, der in’s Haus kam,
stopfte er den Sack voll mit Brod und
Speck. «
Schicten Sie ihn nicht weg, liaber Va
tert« flehte er und streichelte 1meine
Hände; dies war seine Gewohnheit,
wenn er etwas von mit erhat. «Schi
chen Sie den Armen nicht fort! sSie
sehen doch, daß er hungerig ist und nicht
gehen tun-n. Wir werden ihm ein
Bett im Stalle bereiten, neben dem des
Gewor. Er swar doch auch Husar, wie
mein lieber Vater. Ich werde ihm schon
jeden Mittag das Essen Bring-en. Nun
bitte auch Du den lieben Vater, gal
denes Mütterchen!«
Herr Daroczi wurde ganz geruht r,t
er legte seine Pfeife weg nnd stsiitzte den
Kon ans seine lnochige Faust. »
Jch selbst unterbrach endlich dasJ
Schweigen. »Jetzt weiß ich schon al-?
les. Sie schicktrn den Bettler nicht ausH
dein Hause. Der Joses Csola ist wahr- E
scheinlich mit dein besoffenen Menschen
identisch, den ich von meinem Wagen
aus gesehen habe-«
»So ist es, mein Herr, den tonntef
ich nicht mehr wrgschicken, selbst wenn
ich es gewollt hätte . . .Misla erlaubte
es nicht. Dieses Kind wurde dein ans
der Gasse Axxifgelesenen zum wahren
SchutzengeL Jch dulde ihn im Hause,
ich gehe ihm Brod, denn ich konnte dem
Flehen meines Sohnes nicht wider
stehen.
Als er noch auf dem Todten-beste lag,
ließ er iich von-mir versprechen, daß ich
seinen Schützling nicht in die Welt hi-«
nauäjagen iwerde, der- wahrscheinlich
ohne ihn dort im Graden erfroren»
wäre. Wie sollte ich also mein Verspre- ’
chen nicht halten?« T
»Und macht sich Jhnen der Alte ir
gendwie nützlich?«
»Er macht sich bei den Pferden nütz-"
lich, hätte er nur nicht diese unglück
selige Gewohnheit, jeden Kreuzer in die
Schänle zu tragen. Selten giebt es
einen Tag, wo er ganz nüchtern ist. Er
hatte schon heim Militiir diese Leiden
schaft, dort jedoch hat man ost aus der
Bank versucht, ihn davon zu heilen . . .»
Uebrigens grübeln wir nicht mehr da-«
rüher, mein Herr! Wahrlich, sein herz
ift gewiß wie mit einem schweren Stein
belastet, wenn er bedenkt, wie er sich an
mir vergangen hat. Jch behalte ihn bis
an seinen Tod« daß mein armer Missla
dort in der Höhe seine Freude daran
W «
Schwer seufzend schwieg der noch i--m .
mer um seinen ISohn trauernde Vater. «
Eilend, als ob er sich auf einer gro
ßen Nachlässigkeit ertappt hätte. stand
er aus und ging in das Nebenzimrner,
two eben die Magd die Betten zum
Schleifen richtete.
Er sprach leise, doch hörte ich ganz
deutlich jedes Wort: »Terzez, sieh doch
einmal nach, oh der Alte sich schon nie
dergelegt hatt Gebet Acht aus ihn. Jch
möchte nicht« das-, er sich im Rausche be
schädige.«
Große Hände.
Novelle von F. H.
Das dritte Glockenzeichen ertönte.
,.Schnell! Schnell!« rief der Schafs
net recht überflüssigerweise einem ohne
hin athemlos hetbeieilenden Fahrgast
zu, der sich bei einer heißen Tasse Kassee
in dem Restaueationszimmee zu lange
aufgehalten haben mochte »und schob
ihn in das Coupe zweiter Klasse. in
welchem jenes seinen Play hatte. So
bald et die Thür mit besonderem Nach
dtuck zuqqchlagem ließ sich der bekannte
s chtille Psiss der Losomsotive hören, und
dee Eiseschalynzug seh-e sich nach einem
Aufenthalte von sechs Minuten am
Bahndosesdes kleinen We Städt
chens Zosingen Medet in Bewegung
Noch waren indes die Stawande
den Blicken der Reisenden nicht gänzlich
entschwunden da kam der Zug von
neue-n zum Stlllstmin ,
Allgemeine «Entriistsung. Man hatte
es schon unerhört gesunden, sdasz der
Schnemzug an einem Orte wie Zosingen
sechs Minuten verweilt hatte, und nun
noch eine solche Versäumniß. Was
hatte sie zu bedeuten?
JAus allen Fenstern reckten isich Hälse
mit mehr oder minder charakteristischen
Kopfen. Schon malte sich in den Mie
nen isner Ausdruck des Zagens vor dein
tin-bewußtem der sekbst dem intelligen
Itesten « Gesicht einen Anstrsich von
jDuminheit verleiht; schon ließen jene
kLeute welche von den Ereignisse-n, die
,noch gar nicht geschehen sind, unterrich
Ftet zu sein pflegen, sich in gewichtigen
sAuåspriichrn über die Ursache sdes Au
ssentlyaiies vernehmen; schon schalten
andere über die schxveren unersetzlichen
Verluste, die ihnen aus der Bei-zöger
ung ihrer Reise erwachsen könnten.
Jn wenigen Minuten erschöpste man
sich in allerlei grausigen Möglichkeiten.
Ein Zug Iwar entgleist, «lag unweit der
Station aus den Schienen, und die zer
triimmerten Wagen, die Verwundeten
und verstümmelten Leichen mußten erst
weggeschasft werden, um die Geleise
frei zu machen. Nach einer anderen
Variativn war man dem durch falsche
Weichenstellung verursachten Zusam
menstoß mit einein in der Einsalirst be
griffenen Güterzug im lehten Augen
tblick wie durch ein Wunder entgangen.
iEs war ein Wagen in Brand gerathen,
ider abgeknppelt werden mußte, beson
ders seine Nasen spürten den Brandge
such; eine sehr ängstliche Dame konnte
nur mit Mühe davon abgehalten wer
tden, aus dem Fenster zu springen —
lwenn es gegangen wäret
Doch da ram tschon die Untat-ung:
Zosingenå Poiizeimacht riickte an.
Keuchend und prustensd lies der wohlbe
leihte Polizriwachtmeister die Wagen
reihe entlang. sinpere Blicke um sich
sweefend folgt-en ihm seine beiden Un
tergebenen Wie vom Winde herge
tragen verbreitete sich nun das Gerücht,
man sahn-de aus einen Raubmörder und
habe in grausiger und glücklicherweise
in diesem Zuge entdeckt.
Die Jnsassen des Coupeö musterten
sich gegenseitig verstohlen und entdeck
ten einer in der Physiognomie des an
dern Linien, welche zu denken gaben.
Hätte die Situation länger gedauert,
wer weiß, ob nicht dieser oder sener in«
seiner Erregung zum Angel-er gewor
den wäre. Die Versuchung ging indisz
schnell vorüber. Heuretai konnte srie
Zosinger Hermandaso rufen; sie hatte
gesunden allerdings erst im letzten
Wagen der langen start besetzten Reihe
Die Weiserer-sen baten einander still
schweigen-d den gehegten Verdacht ab.
Jn dem Coupe, vor welchem der
Wachtnreister Halt machte, befanden
sich vier Personen; eine ältere und eine
jüngere Danke und ein zu beiden gehö
rensder alter Herr, außerdem ein junger
Mann, dersesbe, der rsich vorher bei sei
nem Kassee verspiiiet hatte. Er saß
jetzt in eine Ecke gedrückt, hatte, obwohl
es ein warmer Tag war, die Reis-deckt
bis zu den Schultern hinauf über sich
gezogen und ·dei dem plötzlichen Still-·
halten des Zuges einen Laut des Un
willens von sich gegeben, sich dann aber
weiter nicht gerührt. lsondern seinen
Reisegefährten artig das auf lden Per
ron gehende Fenster zum Ausblick über
lassen. Er schien an den sich draußen
abtspielenden Vorgånaen lein Interesse
zu nehmen; ein um sso größeres nahen
man an ihm.
Der die Polizisten begleitende
Schassner riß Idie Thür aus; beide Da
men stießen einen Schrei aus, aber der-«
Wachtnreister beruhigte sie:
»Wengstigen Sie sich nicht, meine Da
men,« sagte er mit start thüringischein
Dialekt, »aus Sie ist’ö nicht gemiinzt,
und gethan scheint er Ihn-en ja auch
noch nichts zu haben-"
»Wer? Was?« fragten die nun Dop
pelt erschrecktten Damen, aber der
Wachtmeister bedeutete see durch eine
Dante-bewegung, daß Zeit, Ort undAmt
ihm nicht gestatteten, ssich auf nähere Er
tlävungen einzulassen. Er hatte sich
dem jungen Reifean zugewendet, Ge- ,
trachteieahn eine Weile prüfend, fah
seine Gefährten an, die zustimsmend
nickten, und gebot »dann: »Steigen Sie
auss«
»Was wollen Sie von mir?« fragte
der Reifendr. O
Die Polizisten sahen ssich wieder an
iund nickten einander befriedigt za.
i«Foigen Sie uns,« sagte »der Macht-mei- ·
liter, ohne die Frage des Reisen-den zu
beantworten.
»An-hin? Weshale fragte dieser,
ohne feinen Plan zu verlassen.
Mach dem Palizeiarnt; das brauche
ich Ihnen svoch wohl nicht erst zu sagen,
und weshatlz »das wissen Sie auch am
besten, lherr Zwirner.« Er ·fchleuderte
ihm den Namen wie eine Brandraiete
in’s Gesicht, aber der Andere was-v da
von Oringt-ihesoegrichtet c
» i nicht Streit-sum ondem
Müller-« sagte er.