Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, July 10, 1896, Sonntags-Blatt., Image 14

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    Reihe Haare.
Plauderei von Hans Ferdinand Geryon-.
Wir saßen noch spät in seinem Sa
lon. Lässtg hatte ich eine Nocturne
Chopin’ö aus den Tasten des Beet-stein
, Flügels hervorgetockt. Aber widerwil
lig nur waren die Töne unter meinen
miiden Fingern aus dem Ebenholz
schreine herausgeschlichen und hatten
äceilh sich in den schweren Vorhängen,
eppichens und den« gelblich weißen
Zotten des Eisbärselles zu verstecken.
Hohe Zeit, daß das Stück zu Ende! —
Jch zündete mir eine frische Cigarette
am Klavier-Leuchter an und wandte
mich wieder meinem Freunde Hans zu.
Der Snbariti Auf der Chaiselongue
lag er ausgestreckt Die feinen per-l
grauen Pantalons —— es war just die
Farbe, die Raphael einige Male als
Hintergrund für seine Portraits ge
wählt: jenes zarte, dustige, leichte, ari
strslratische Grau — welcher Gegensatz
zu dem goldgestickten dunkeln ShawL
« der über die Oiromane herasbslvßt —————»
Aber nein, der Kopf! Der Kopf! Die
ser vierschrötige, traftvolle Gewinnen
kopf mit den rothblonden Haaren; —
persrmsken in den anschmiegenden Mel-i
len eines lichtdlauen Plumeaus2 Und;
alles übergossen von dem matten rosi-?
gen Scheine der Lampe, die über dem
Kapital der einen schlanken Marmor
fäule sich scheu und lüstern verbarg hin
ter den dustigen Falten des großen
viergehörnten Schleiers . . . .
Wrachivollk stieß ich hervor.
Brachwom Wollt’, Du könntest Dich
selbst so sehen, Hans!« Wollt’, ich
könnk Dich malen so! — —- — diese
Vernsteingelben Haare in der lichtblauen
Seide!«
»So —- o?"
»Ja, Du schläfriger Thebaner! Jch
bin begeistert! Aus mein Wort, wenn
ich Farben hätte und Leinwand —- —
ich würde Dich malen so —- in dieser
Beleuchtung . . . .«
»Na-len? — Mich malen 's —— Meine
rothen Haare malen?«
»Ja! Und dreimal ja! Denn sie
find superb.«
»Schwärmer!«
Hans richtete sich mit eine-n Rucke
awf und stieß —- gesentten Hauptes —
die Spitzen Ifeiner Lackschuhe zwischen
die geblich weißen Zotten des Eisbeiren
B
solle .
«Mensch, siehst Du denn nichi,« fuhr
er plötzlich fast hastig los, »siehst Du
denn nicht, daß sie furchtbar häßlich
find, — furcht —- bar — häß —- lich
diese —- rothen — Haares«
»O, hätt’ ich sie doch, diese »rothen
Oaare!« —- Mit Uebekzeuigung stieß ich
es heraus und fuhr unwillkürlich mit
der Linken über die kurzgehaltenen
Fragmente meines smiiusegrauen Schei
tels, an dem die paar Jährchen tollen
Künstleriebens vliingsfi die Prälimina
rien der Priester-weihe vollzogen
Danö mußte lächeln. Noch immer
blickte er zu Boden und stieß mit dem
Fuß zwischen die gelb-weißen Zotten. j
»Mon vieux, Du weißt nicht, wasi
Du sprichst! Hatk ich Dir einmal et- :
zählt, wie mich die rothen Haare Zeit;
meines Lebens gequält und geärgert
haben? —- Nichts —- Run, dann höre
mir mal zu! ?
. - ·-. , ---»
»Wir sm-d, wie Du weißt, drei Bru
der nnd haben alle drei —- ja! —- alle
sdrei — rothe Haare. Wolfgang, der
mittlere, trägt das rothe Gold des
Morgenlandes auf dem Haupte. Fritz,
der jüngste, der Saufewind: er möchte
nnd konnte deutsche Kronen aus- sei
nen Haaren prägen —- ja, wenns nur
angingeZ —- Und die meinigen? Well,
ein mattgelber australischer Sovereign
wäre wohl fschwer darin wiederzufin
den. —- Ja, ja, see find gelb, »like a
cornfield in Augsust«, pflegte die süße-sie
kleine Miß zu sagen, wenn sie mein
Haupt streichelte, das in ihrem Schocße
lag. »Das reine Stroh drinnen und
drauß-m« wiyelten meine Lehrer-, wenn
ich über dem Zeichnen ihrer Karrikatur
die Fragen nach der »Consecutio tempo
rum« oder der Tangente X über-hört
hatte. »Rotl;kopf!« aber schrieen mir
die Bube-n zu auf der Gasse. »Daß
kosppl Voßkopp!« johlten die Klipp
fchsiiler und zielten smit den Schneebällen
besonders auf mich. ,,Boßkop-p! Boß
topps Schmeißt doch den Boßkopp!«
Und wenn sie ganz besonders aufgelegi
waren, so san-gen sie hinter mir her:
»Ssonne, Mond und Sterne,
Abgedrannte Fuchsslaterne!«
Und die ileineniDirnlein mit den fei
nen Stimmchen fielen ein:
« ach-, du hast die Gans gesi-ohlen,
ieb sie wieder her!
Sieb sie wieder Iliess-! . . . .«
M ich unter sie fuhr, wie Simfon nn
— die Philister, die Buben peiisgelte und
MZW schalt. Geisen aber konn
mir weder Prügel noch Drohung.
W nur Fig Schritte weit ent
, fes die Buben nur lauter
je zwei-: .
Lege
IF
«Sonne, Mond nnd Sterne
Abgedrannte Fuchslaterne!«
Weinend kam ich dann wohl als
Dreikäsehoch zum Großmtitterlein ge
laufen und klagte ihm meine Noth.
»Aber laß sie doch, die Gassenjnngen!«
beruhigte ssie mich und steckte mir einen
großen grasgriinen Fruchtbonbon in
den Mund. »Du mußt wieder rufen:
Schwarztopft Weißtoptss —- Siehst
Du. die sind nur neidisch aus Deine
schönen goldenen Haare, mein Junge!'«
— So tröstete sie mich oftmals. gab mir
aber selbst wieder einen Stich in’s Herz,
wenn sie mir zurieft »Nun, mein klei
ner Goldkäfer, ruf’ mir den Wolfgang!
Jch will mit meinen Fuchzponies zum
Garten fahren!« — Warum sagt nur(
Großmütterlein das immer? dacht’ ich
Ibei mir selbst. Sie ist doch sonst so
lietb und gut und giebt mir so viele
—- schiine —- große —- griine ——- Frucht
bonbons.
Und eines schönen Tages — ich war
gerade aus das Gyrnnasinm gekommen
—- da stand ich vor der Lehrer-Consi
renz. Der Direktor schalt mich einen
ganz unbändigen Schlingel, daß ich den
Martin so unerhört geprügelt und sei
nen Vater, den Consistorialrath einen
Lügner gescholten hätte.
»Warum haft Du das gethan?«
herrschte mich der Gefürchtete an.
Ich schwieg. « »
»Willst Du es sent sagen oder nicht?
Bist Du noch«stiirrisch obendrein ?«
Jch schwieg. Jch hätt’ es um keinen
Preis der Welt hier, vor der ganzen
Lehrervetsammlung, sagen mögen. —
So bekam ich denn drei Stunden Kar
zer zudiktirt und wurde meinem Klas
senlehret zur besonders strengen Ueber
wachung anenipsohlen. Der junge Or
dinarius, der mich Obisher ganz gern
gehabt, konnte mein Verhalten gar nicht
begreifen. Er nahm lmich nach Schluß
der Conserenz mit nach Hause und re
dete mir dort gütlich zu. »Nun, Jun-«
ge,'« sagte er, «ma«l ’raus mit der
Sprache! Du hast doch natürlich einen
Grund dafür gehabt. daß Du den Mar
tin-so geschlagen hast ?«
Ich nurre numau
»Nun, hatte er Dich vorher geprügelt
oder gestoßen?«
Jch schüttelte den Kopf.
»Dann hat er Dich wohl gescholten ?«
Jch nickte wieder.
»Nun, stehst Du, jetzt kommen wir
schon näher. Was hat er zu Dir ge
sagt?«
Jch schwieg und rang mit mir selbst·
»Nun, sag es mir mal ganz leise in’s
Ohr, wenn Du Dich schämst!«
Jch zitterte vor innerer Erregung.
Als aber der freundliche Doctor meine
hand faßte und den Kopf gesenkt hielt,
als erwarte er meine Antwort: da stieß
ich es endlich schluchzend heraus: »Der
Martin hat gesagt, wer rothe Haare
hätte, der wäre vom lieben Gott gezeich
net, damit Isich die anderen Menschen
vor ihm in Acht nehmen könnten. Ju
das hätte auch rot-he haare gehabt. ———
Und da hab’ ich gesagt: »Das ist nicht
wahr! Du lügstl —- Und da hat der
Martin gesagt. sein Vater hätte es ihm
erzählt. —- Und da hab’ ich gesagt, daß
sein Bater auch lügt. —- Und als der
Martin dann gerufen hat: »Ach, ach,
Judas! Judas! Judas mit den ro
then Haarens!« da bin ich wüthend ge
worden. daß ich ihn gehauen habe, bis
seine Lippe geblutet hat.«
heulend warf ich mich damals nach
diesem Betenntnisse über den Tisch,
während Dr. Möhrlein mir den Kopf
streichelte. — « » «
Jn den Karzer bin ich dann aver ooch
nicht gesteckt worden. -
So erging’s mir als Knaben· Ich
wuchs heran. Doch das Witzeln und
Spottet-c über meine rothen Haare
wurde nicht geringer. Stand ich mit
den Schultameraden am Walde-Brand
fund schaute ergriffen in die Abendröthe
ihinein und irgend ein seniimentaler
IJiinsgling verglich sie mit einem Feuer
meer: dann ton-nt’ ich daraus wetten,
daß einer der Secundaner oder Tertia
ner damit heraus-platzte: »Ach, Un
sinn! Der hans und seine Brüder
werden wohl auf dem Windmühlen
! berge dort droben fein!« — Man lachte.
Wollt ich nicht Alles verschiitten, so
mußte ich mitlachen.
Und als ich Student wurde, da er
lging’s mir nicht besser. Eines Tages
Ilieg ich behaglich auf meinem Kanapm
da läßt sich ein Herr melden. — »Ju
lins Meyer!?!« Ein feines kleines flin
les Kerlchen tritt in's Zimmer, ist sehr
freundlich beginnt vom Wetter zsu
sprechen und von der neuesten Posse dez
Stadttheath. —- ,,Wa5 will der Kerl
nati« — Er erzählt mir, das müßt ich
eben. Das wäre zum Tot-Nachen Da
käme ein Schreiber drin vor, der habe
eine wihe Perriickr. Er habe sich todt
gelachi. Eine rothe Perriicket Rathe
haarewirtten ja immer sso komisch . . .«
t« Jst-K Meinen Sie? —- Sehr zü
r .«
.AchGott-anch Sie . . . »t« Er wird
roth. er häkelt er stammelt Entschuldi
L J
gungen. »Mein Gott« ja, stattlichen
Leuten steht natiirlich Alles! — Abet
jiåntircnn »sdoch nicht gegen meine An
.Mein Herr, diese Auseinander
setzungen . . . .«
»Aber ich bitt’ Sie, ich bitt’ Sie, ich
möchte Sie um keinen Preis beleidigen
Wenn ich mir aber denke; Sie
mit dunkelbraunen Locken anstatt der
rothen —«
»Jetzt wird mir’s zu bunt. Ich
springe aus. »Was wollen Sie denn
eigentlich von mir? — Sprechen Sie
sich endlich aus! Wollen Sie mich an
pumpent Oder sind Sie Weinreisen
der? Oder . . · .«
»Ach Gott, ach Gott! Jch bitt' schön,
ich chitt’ schön! Lassen Sie mich doch
aussprechen!« — Er windet sich wie ein
Ohrwurm.-»Jch . . . ich . . . ich wollte
mir erlauben . . . .«
»Nun, was wollten Sie sich denn er
lauben?«
»Mein —- neues —- Haarsärbemittel
«wollt’ ich. . ..« Er konnte den Satz
erst aus der untersten Treppenslur voi
lenden.
»So ist mir’s immer seither ergan
gen. Wohin ich nur den Fuß gesetzt aus
der Mutter Erde, immer half ich’5 er
fahren, daß man der rothen Haare
spottete. Ein einz’ges Mal schöpst’ ich
hoffnung. Die Straßentinder bat
ten’s mir sranziisisch und italieniich
nachgeschrieen. Da dacht ich: Wohlein,
unter den schwarzhaarigen Romanen
mußt Du natürlich aussallen, noch
mehr als daheim. Vielleicht sind’st Du
unter der blonden Rasse, im heiligen
Albion Ruhes« — Froben herzeng tret«
ich in Dover an’s Land. Buben drän
gen sich um mich. Sie wollen mir das
Kösserchen tragen. Jch brauche sie
nicht. Der Koffer ist leicht. So weistq
ich sie ab. Was aber schreien sie mir da
zu? Jch"oerfteh’ zuerst nicht . . .. Ah,
da soll doch .. .. »Carroty hair!«
«Carroty hair!" tönt es um die Wette
mit »Gerinan Sausages!«
Allsmiihlich half ich mich nun aoer
darin gesunden, daß meine Dante-wie
mir Liebig beweist —- allzu reich mit
Sauerstoss und Schwesel gesegnet find
und dafiir der Kohle entbehren. Längst
hin ich resegnirt und stelle heute nur noch
philosophische Betrachtungen darüber
an. Wie kommt es nur, —- srag’ ich
mich oftmals, —- dasz man über die
rothen Haare an allen Ecken und Enden
der Welt spöttelt? Sind sie denn
wirklich so namenlos häßlich? Es muß
doch wohl sein! Wie sollte sonst das
Voll mich überall damit höhnen? Die
Kinder thun es ossen auf der Straße
und die Erwachsenen thun es mit ihren
alten Sprüchen und Versleim »Rood
haar, teen good Haar!« näselt der
Mecklendurger Joche-L Und der Laz
zarone til-ersetzt es ihm: «Rosco mal
pelo«. Kommst Du aber zum Bruder
Hollander, so laß Dir sein Sprüchlein
NUM
Eeenen Man met rood haar,
Eene Vrouw mit eenen Baard
Groet ze ooer vier Mijlen oer os lang
Met drie Steenen in de hand. »
Und doch, allen diesen Zeugen, allen
diesen Verslein zum Trotz: Es ist, seh’
ich, nicht immer so gewesen. Einst
stand auch gekdes und toches haar im
Preise. Kauste nicht die vornehme Rö
merin das getbe Haar der Germanen
trauen. um es über dem eigenen in
hohen Coisfiiren aufzuthiirmen ? hatte
Tiziams Geliebte nicht golddlonde —
vulgo .rothe« her-are und galt doch als
der Schönsten eine? Ja, schtvärmte nicht
das ganze Cinauecento dasiirt Finden
wir auf den Gemälden jener Zeit nicht
den Heiland, die Jünger, die Jung
frau« alle alle, häufig genug im
Schmuck geil-er und roth-brauner
Locken? — Und im Mittelaltert
Wolfrain von Efchenbach erzähtt von
theri dem rothen Ritter: »Warte was
in vel, rot was sin har«. Und doch
berichtet er, daß alle Frauen und Jung
frauen an Artus’ Hofe um den tut-mec
lichen ttanerten, als ihn der tumbe
Parzidal erschlug. — Ja, selbst die
Götter schämten sich des rothen haares
nicht. hortes, der Gott der Aegypter,
riihmte sich dessen und verlangte nur
,rothhaarige Menschen als Opfer. Wal
» ten-des rothes Vaar gierte auch Lott, den
Feuergott der Germanem und Thor,
der die Blihe schleuderte und das Erd
reich befruchtete . .».·
«
» Du lächelst . . LAhch ich werde pathe
iiich . . . Was Götter? Was Vorfah
»ren? A-uch·heuie. heute noch gilt es bei
manchen ais schön, —- dieies Noth -—-——
.Gewiß! Gewiß! Da ist der Tütte:
,C·t schätzt koihgelockie Frauen als be
vfanden Zierde feines Setails. Da ifi
»der Spanien Er getäth außer sich vor
iils-niziickceii, wenn ihm ein totlplondes
jDirnlein begegnet Und ist es nicht die
zneuefie Mode in Paris, London, Ber
glith daß sich die elegauim Damen der
IWelt und halb-coeli die schönsten
Hscksvatzeu hause färben, —- fäkben mit
«fi donc«! —- mii Noih . . . .?
Doch wozu»quäi’ ich mich unkd Dich
F 1
sinit all' den Philosophenrem alV dem
ersthetisiren nnd Beweise-is Der Ge
sschrnack der kleinen Mägdlein aus der
IGasse, er gilt siir mich allein. Unsd sie
swerden wohl nie das alten Liedes ver
jgessenx
1»Fuchs. Du hast die Gans gestohlen,
sGieb sie wieder her!
LSonst wird Dich der Jäger holen
;Mit dem Schießgewehr!« —- —— —
s Weist Du aber, wann mich das Worts
Ivon den rothen Haaren am tiefsten ge
;trossen? Das war, als ich hoffnungs
jsreudiger Studiosns geworden und dies
jliehegliihendsten Verse dichtete für»
»meine Elsa, den sonnigsten kleinenBackJ
Isisch von der Welt. Welch herrliche’
Zeit! Ihrer Zuneigung war ich gewiß.?
iDen ganzen Sommer hindurch hatt’ ·ch!
; ihr Fenster-promenade gemacht, und im
jmer hatte sie hinter den Gardinen her
vor imir freundlich zugenickt, wenn ich
erröthend das blaue München zog. —
IJeht war es Winter. Fast täglich tras
iich sie aus der Eisbahn Jch glühte mehr
Ials je. Der Entschluß stand bei mir
Efest: ich mußt’ ihr meine Liebe gestehe-til
Nur ein einziges Mal allein, ganz allein
mit ihr! Doch wie ich es auch anstellen
mochte, nie wollt’ es mir ganz gelingen,
sie zu isoliren —- bis denn endlich, entk
Elich der Augenblick lam, wo ich es wa
lgen konnte, wagen wollte nnd mußte.
sEö war an einem Sonntagmorgen in
Jaller Frilhr. Die Sonne spiegelte sich
in den tausend Krysiallen des Rauh
reiseö. Schnellen Schrittes eilte ich?
durch die Wallanlagen dem tleinenJ
Teiche Fu. Und welche Freude! Nurj
ein pa r Klippschiiler waren zu sehen
und der lange hager-e Steuerasstslent
und —- sie. Schon von weitem erkannte
ich sie an der langen schneeweißen Boal
und dem Pelzbesatz des kleinen Baretts·1
Sie steuerte dem Holzhiittchen zu, ans
denen Seite gewöhnlich einige Schattens
und Bänie standen zum Ausruhen. Die
Feger waren noch mit dem Reinigen der
Eislbahn beschäftigt. So mußte sie jetzt
allein dort sein. »O, wenn ich sie doch
träfe! -—— Vielleicht —- vielleicht könnt(
ich sie gar küssen dort . . . . ! Ich zir
terte vor Erregung Schnell schritt ichi
der shokzhiitte zu. hinter der sie ver-s
schwanden war. Schon war ich gani!
nahe. Leise schlich ich heran. Jchs
jmuszte sie überraichen. Da —- da san-.
Idert mein Fuß. Stimmen tressenr
Ernein Ohr. »Du« der Hans kommt eben T
durch die Anlagen!« tichert es. Die
Liese Krüger ist’s. Jch ertenne sofort
die hohe Fistelstimme wieder.
»So-ot« antrvortet Elsa und müht
Isich augenscheinlich, möglichst arti-besan
gen zu erscheinen.
I »Ou, der ist so must-l in Dich, daß.
er Dir gewiß bald einen Antrag macht.
f— Ach. wenn Du Dich doch mit ihm;
;verlobtest! Es ist ein so reizender"
sMenschP -
l »Der? —— Nie! —- Meinst Du denn,
Yich Mir-V einen heirathen mit rothen
iHaaren?« —————— ?
l Leise —- leise bin ich damals, dies
Schlittschuhe über dem Arm, davonge-!
schtichm.« (
Hans hatte geendigt. Triide tin-di
nachdenklich schaute er vor sich niederj
und schnippte ein Körnchen Asche dons
den perlgrauen Pantalon5.
Jch war ein wenig betreten. SolltU
ich ihn trösten? Es war doch ein Un-?
sinn, über ein so dummes Mädel noch?
zu grübeln. l
»hör’ mal Hans«, brummte ich end
lich, »die Elsa ist wohl nicht gerade dies
geistig volltomtnenste gewesen — na,
l
nimms nicht übel —- ich meine
nur — —- —! Nachher haft Du doch
— dent’ ich —- Gliick genug gehabt bei
den Fraum?«
Langsam hob der hans den Kopf
»und schaute mich träumerischund ver
;loren an. Da zuckte es plisnlich wie ein
LLichtstrahl in den blinenden grauen
Augen. Langsani langte er mit der
Rechten zum Fischlein hinüber, ans dein
ein zierliches Gestellchen stand mit ei
nein Dusend reisender Mädchenphoto
grapdiern Er nahm sie eine nach der
anderen herab und schaute sie lange,
lange an. Und ein leises, feines, feines
Lächeln spielte urn seine übermüthigen
Lippen.
sp» .....,.-.-. M- . ... ..«...—..
Ekmarafs Ehrenrettung.
Auf dem 25· Conigsreß deutscher
Chirukgen hat auch der berühmte
Chiturge von Esmarch in Mel einen
Vortrag gehalten, und zwar über seine
Entdeckung der künstlichen Blutleerr.
Seine Mittheilungen ver-dienen beson
ders deshalb weiter verbreitet zu wet
den, weil ssie ein glänzen-des Zeugnis
absetzen für deutsche Geündlichteih
Schossenjlust und Mächte-sieh wie für
eine wahrhaft ideale Auffassung des
ärztlichen Berufs wie sie heute leidet
nm zu oft neun-ißt wirb.
Ueber »den »Armes zur Chitin-gie«
plaudette v. Eimatch in der Eintettun
feines Vorm-geh wie folgt: »Als i
vor sammeln 23 Jahren hier die erste
»
I
Miuyeuuug um meine g kaum-Cl
Macht-. habt sch nicht gesagt, me ich zu
derselben gekommen bin, und da ich
Mqu es tönntedoch von einigem -;
Ists-ti- tmt»vies zu erfahren so ta m;
Sie nnch ernmal ein-en Blick in meines
Vergangenheit werfen und zunächst eini
paar Worte über iden Beruf zurs
Cshirurgie sagen. Wir Chiruvgen get-;
ten betanntlich bei vielen Menschen für I
grausam, fchneidelustig und blutdiir-i
stig. Grade das Gegentheil ist der!
Fall· Jch bot-in bei Ihnen nicht auf
Widerspruch zu stoßen, wenn ich be-»
haupte, daß, wer ein guter Chirurg
sein will, ein mitleidiges herz haben
muß, und daß es gerade der Drang ist,
unsern Nebenmenschen zu helfen, wenn
sie in Noth sind, toas uns zur Wahl
unsers Berufes treibt. Was befähigt
uns denn, die oft maßlofen Anstreng
-ungen, die unser Beruf mit sich bringt,
oft bis ins spätefte Alter hinein mit
Freuden zu ertragen, wen-n es nicht das
Mitleid für unsere leidenden Mitmen
schen und der Wunsch, ihnen zu helfen,
ist? Und wen-n die Liebe zum Nächsten
das erste und hauptsächlichfte Gebot der
christlichen Lehre ist, darm sind wahr-lich
die Chirurgen ebenso gute, wenn nicht
bessere Christen als manche, die das
Glaubensbekenntniß stets im Munde
führen Auch ich bin durch Isolchse Be
weggründe oerasnilsaßt worden, Chirurg
zu werden, und habe meist volle Befrie
digung in meinem Berufe gefunden.
Aber drei Uebelstiinde waren es, welche
mir, wie wohl jedem Editor-arm die
Ausübung unserer Kunst von je her
verfeinerten Das waren erstens die
Schmerzen, welche man sdurch die Ope
ration den Kranken verursacht, zwei
tens die Lebensgefahr, der man sie
durch die Operation aussetzt (Jnfec
tion), drittens-die Menge Blut, die man
ihnen, meist ohne Noth, entzieht. Ich
freue mich, es mit erlebt zu haben, daß
Mittel gesunden sind, diese drei Uebel
stände, wenn auch nicht ganz, doch zum
großen Theile zu beseitigen, und daß
ich selbst hier und da smit ziur Bekäm
pfung derselben beitragen tonnte.«
Der Redner erorterce spann komm
wie Der erste dieser drei Uebelstärnde
durch die Einfiihrung ver Nartose,
Entdeckung des Chioroforms durch den
englischen Arzt Sinivson 1847, der
zweite durch die Erfindung der Anti
septiL die sich an den unfterblichen Na
men Listers Miva beseitigt wundern
Der dritte Uebel-stand war auch ein be
sont-ers schwerer und wurde von Es
inarch, wie er sagt, seit Beginn seiner
chirnrgischien Thiitigteit so lebhaft em
pfunden, baß er oft über seine Besei
tigung nacht-achte. Jn Oder ersten Zeit
gebrauchte er eine große Menge von
»Schieberpinretten«, mit denen vie
durch den Operationsschnitt geöffneten
Blutgefäsze geschlossen wurden. Da
machte er itn Jahre 1854 bei der Amon
tation eines Unterschentels, vie infolge
vortrefflicher Compression der Panora
lis-Arterie seitens des Assistenien faft
blutlos verlaufen war, wie Beobach
tung, daß das ckbgenommene Bein start
blutete. Von setzt an entfchloß sich Es
march, vor jeder Amputation das abso
schneidende Glied von unten fest mit
leinenen Binden einz«uwickein, um das
Blut aus dein Gkiede hinwegzudräm
gen, ein gewaltiger Schritt vorwärts
zu der ssegenseeichen Entwertung
Bei einer späteren Operation am
Oberschentel einer Dorne im Jahre
1868 war Esmarch gleichfalls durch die
vorliegenden Verhältnisse gezwungen,
darüber nachzufinnem auf welche Weise
am besten der zu erwartende Bluwerlust
vermieden werden tönnte.· Es gelang
ihm sdas auch vortrefflich, aber doch
auf so eomplicirte Weise, daß die in
diesem Falle sur Amomung kommen
»den Maßnahmen nicht verallgenneinert
indes-den konnten.
Zur wirklichen Reife kam oer we
danle der künstlichen Bluileere ini
Jahre 1873. v. Esmarch erzählt darü
ber: »Ich wurde eines Abends von einer
Dame gebeten, ihr ihren Trauring von
dem Finger zu entfernen. der infolge
einer Verletzung angeschwollen war.
Ohne Zweifel isi Jhnen allen das Ver
fahren bekaan das in solchen Fällen
meist rasch zum Ziele führt. Man um
wickeit mit einem starken Zwirnssaden
in dichten Gängen den Finger von der
Spitze bis an den Ring, schiebt das
Ende des Fadens unter dem Ring durch
undivickelt nun den Faden rasch wieder
ab, wobei der Ring leicht über den zu
sarnnie adriickten Finger bis zur
Spitze nabgleitet· Die Dame, welche
sehr erfreut über den Erfolg war, hat
mich, ihr den Vorgang zu erklären.
Mit Hinweis auf die durch das Ein
swickeln enifiandene erst blasse unsd dann
wieder wide III-sung lonnte ich ihr
leicht verständlich machen, daß durch
den W das Blni aus dem Finger
getrieben und dieser dadurch dünner
gen-W sei. M sie imsth
war, blieben meine Gedanken noch lange
her cdiesern Vorgange haften, während
ich spielend nicht nur den ssivirnsfadem
sondern auch einen Kautschulsaden in
verfchiedenen Richtungen wnt meine
Finger wickelte, auch die Beobachtung
machte, daß bei wiederholter Ums-viel
lung des letztern an derselben Stelle die
einischniirmde Wirkung sich sehr unan
gukehm steigerte. Nachts triiurnte ich
werter davon. Als ich aber am (an
der-n) Morgen erwachte, stand plöylich
vor meinem inneren Auge der fertige
Gedanke: Du mußt fortan vor jeder
Operation das Blut aus dem Gliede
herausdrängen und es nicht wieder ein
treten lassen- bis die Operation been
det ist« Dann schweifien meine Gedan
ten in die Zubunft, und ich malte mir
die vielen und schwierigen Fälle aus,
in denen sdas Verfahren zur Anwen
dusng kommen und seine segensreiche
Wirbung entfalten könnte. Jch war
darüber fehr glücklich, machte gleich an
demselben Tage eine Nelrotomie, dann
in den nächsten Tagen eine Exartieula
tion der Hand und mehrere Ausschn
bungen cariiiser Knochen, alles ohne
Bluwevlnst, ten-d war jedes-mal er
staunt, wie sehr Viel leichter sich diese
Operationen unter Anwendung des
neuen Verfahrens ausführen ließen, als
sonst.«
Dann plauderie Dr. Esmarch in
launiger Weise darüber, wie seine Er
findung auch die drei Stadien. welche
jede Erfindung durchmachen müsse,
durchgemacht habe, 1. ldas Stwdiurn
der Gleichgiltigieit, 2. das :der Nega
tion, Z. das der Vrirorsitätsstreitigs
leiten und wie, nach Uebertwindung al
ler Schwierigkeiten seine Methode Ge
meingut der Aerztewelt geworden sei.
Das Verfahren bezwecke zweierlei: 1.
das Blut aus den Gefäß-en sdes zu ove
rirenden Körpertheils herausmdriim
nen, 2.«die Rückkehr des Blutes bis zur
Beendigung der Operation zu verhin
dern. Fiir den erlten Zweck wird die
Unwicklung der Glieder rnit einem
Kautschulschlauch vorgenommen oder,
wo das nicht angängig ili, das zu ove
rirende Glied so lange senkrecht in idie
Höhe gehn-den« bis es deutlich klar ge
worden ili. Fiir sden zweiten Zweck
wird ein Schnürgurt angelegt.
OOO «
LisHtingitsliang bei Bismant.
Ueber den Besuch, welchen China’s
bedeutendster Staatsmansn am 25.
Juni von Berlin aus Deutschlands
größtem Staatsmann in Friedrichs
ruh abstattete, werden noch folgende
Einzelheiten gemeldet:
Es war vorauszusehen, daß Li
hung-C-hang von dem Alt-Reichstanz
ler mit dessen fast sprichwörtlich ge
wordener Liebenswiirdigteit nnd Gast
freundschaft empfangen werden würde,
und in ver That kann sftch der Abge
sandte des Reiches der Mitte über die
Aufnahme, die ihm von dem Gründer
des neuen deutschen Reiches zu Theil
wurde, nicht beklagen.
Bismsarch der seinem Gaste zu Ehren
die Kürassirunifokm angelegt hatte,
empfing ihn mit den Worten: er fühle
»sich hochgeehrt, C-hina·s berühmtesten
Staatsamnn begrüßen zu können
,,Wir hat-ein« sagte Bismatck während
der Unterhaltung »Beide unseren her
ren geholfen, ein großes Land zu re
gieren." Worauf Li-Hung-Chang in
wehmäthigem Tone erwiderte: »Es-der
ich mit weniger Erfolg als Ew. Durch
laucht; ich habe nur China, Ew. Durch-«
laucht dagegen haben ider ganzen Welt
»Gutes gethan.«
i Jm Laufe des Gen-rachs- wandte
»sich Bismarck on den gleichfalls anwe
isenden Oberst Hanneien, der als ehe
Emaliger Organisator chinesischer Land
iund Schissötruppen so schwere Erfah
jrungen im chinesisch-japanischen Krie
kge gemacht hat. Indem Bismarct aus
Idie Erlebnisse Hannelen’s während der
kitatastrophe des chinesischen Kriegs
schisses »Kow-Sing'«, welches Ende
»Juli1894 von den Japanern in den
Grund gebohrt wurde,-anspielte, sagte
er in seiner jovialen Weise: »Der Herr
iOberst haben in China eine böse Was
Esersahrt gehabt!« Ha-nneten, der sich
zoon dem untergehenden Schiff durch
iSchwimmen rettete, nahm den Scherz
Zvergniigter anf, wie er gemeint war.
j Unter den zu der Empfangsseiek Ge- »
ladenen besansd sich auch der Maler
Cranach, ein Nachtomme von Lukas
Cranach, dem Maler des deutschen
Nesormationszeitalterö· Ihm sagte
Bismant: er möge in seinem künstleri
schen Streben riistig fortfahren, da die
Führung eines großen Namens die
Verpflichtung auferlege, Großes her
vorzubringen
Zum Schluß begleitete der greise
Altlonzler seinen chinesischen Besucher,
dem man- bekanntlich, um ihn beson
ders zu ehren, den Beinnmen des »chi
nesischen Bismant« ge ben hat, bis
an den Wagen. wosel sich die schei
dean Staatsmiinner herzlich vie
hände schüttelten.