Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 19, 1896, Sonntags-Blatt., Image 13

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    Um Ziele.
Skizze von Karl Reuter Kerger.
«Slakk up Pensi« Mit diesen Wor
ien erschien der erste Maschinist in der
Thür zwischen der Maschinenkammer
und dem heiserraum Jn letzterem wa
ren drei Männer beschäftigt, große,
musloliise Gestalten. Jhre ganze Klei
dung bestand aus dannen Beinkleidern
unid einem runden Käppchen auf dem
kurzgefchorenen Kopfe. Die bäriigen
Gesichter, von der Gluth des Feuers ge
riithet, waren mit Schweiß dedecki. Auf
Rücken und Brust der nackten Oberkör
per zeichneten herabrollende Schweiß
tropfen graue Furchen in den dunkeln
Kohlenstauh
Sie machten bei den Worten des
Maschinisten, der gleich wieder der
schwann erstaunte Gesichter. Kurz zu
vor hatte es noch geheißen: »Dum) up
Bot-s, more Sieam!«
Jn diesem Augenblicke wurde in ei
ner dunklen viereckigen Oeffnung am
andern Ende des Kesselraumes ein jun
ger Mann sichtbar, welcher mühsam ei
nen Korb mit Steiniohlen herbei
schleppie. Er war gekleidet wie die
Heizer, und ungefähr zwanzig Jahre
ali. Die äußerst schwere Arbeit in dem
heißen. dumpfen Raum hatte sein Ge
sicht gebkeicht und geschmälert, und fei
nen Rücken gekrümmt
»Laß’ nur langsam gehen, Theodor,"
sprach einer der Heizer gutmüthigen
Tones zu ihm, »wir werden wohl bald
ans Land kommen; besser, Du steigst
mal hinauf und schnaufst etwas frische
Luft, für die nächste halbe Stunde sind
Kohlen genug vorrätihig!"
Der junge Man-n ließ sich das nicht
zweimal sagen. Mit einem dantbaren
Blick seiner großen, müden Augen nach
dem Heizer ergriff er Zwei Sacklappen,
damit er an den heißen Sprossen der
steil aufwärts steigenden eisernen Leiter
seine Hände nicht verbrenne, und stieg
empor. Der aufwärts schlagende heiße
Dunst benahm ihm fast den Athem.
Am Deck angelangt, lehnte er sich an die
Brüstung und schlürfte mit tiefen Zü
gen die kühle, reine Luft ein·
. Ein gelber Schimmer vom Osten
drängte die auf dem Meere ruhenden
grauen Schatten der Nacht immer wei
ter zurück. Das regelmäßige Arbeiten
der Maschine durchzuckte wie dumpfe
Pulsschlii e den Dampfer, vor dessen
eisernen ug die Wogen zisch-nd und
brausend zurüchvichein und eine weiße
Schaumstraße auf den grünen Fluthen
bildeten.
Theodor blickte mit großen, glänzen
den Augen nach Narr-weitem wo ein
schmaler blauschwarzer Streifen aus
der Dämmerung tauchte. Das mußte
es sein, das Ziel seiner Sehnsucht, das
Land seiner Hoffnung und Träume:
Amerika. Wie-hatte er verlangt nach
diesem Anblick, nach dieser Stunde.
Vor ihm lag die neue Welt, lag ein
neues Leben, und wie die alte Welt
ihm längst in Nebel unsd Ferne der
schwunden war, so dünlte ihm, lag auch
fiir immer seine freudenlose Kindheit
und Jugend hinter ihm, im Meere der
Vergangenheit begraben. War doch
sein Leben, so lange er denten tonnie,
ein ununterbrochener Kampf um's Da
sein, um’s tägliche Brod gewesen. Sei
ne Eltern hatte er nicht gebannt. Arme»
Tagelöhnersleute hatten sich seiner an-;
genommen, aus christlicher Nächsten-l
liebe und Barmherzigteit, wie ihm im
mer wieder versichert wurde mit dem»
Bedeuten, daß er gar nicht zu viel undJ
schwer arbeiten tönne, dies zu vergelten.
Als er neunzehn Jahre alt geworden,’
war ihm das Ertenntniß aufgedäm
mert, daß jener Alt christlicher Näch
stenliebe durch zwölf Jahre Frohndienst
genugsam vergolien sei. Er wollte nun
endlich fiir sich Geld verdienen, und
ging davon. Kaum hatte er wieder Ar
beit gefunden, als ihm eine Vorladung
zur Militär-te·lughebiing Jst-gestellt
wurde· Dies rüttelte ihn auf, und er
begann über seine Zutuan nachzuden
len. Soldat zu werden verspürte er
nicht die geringste Lust. Da tam ihm
der Gedanle, ausznwandem Rasch
entschlossen reiste er nach Hamburg,
rnit der Absicht, sich aus einem Post
dampfer hinüber zu arbeiten. Bald
aber sah et ein, daß dies nicht möglich
« war uwd er mußte froh sein, auf einem
handele-dumpfen welcher zwischen
Westindien, New Orleans und Ham
burg verkehrte, eine Stelle als Kohlen
schausler zu finden. Kaum aber war
dte helmisehe Küste seinen Augen ent
schwunden, hätte er Alles darum gege
ben, wieder zurücklehren zu dürfen.
Ein tiefes heimweh die ungewohnte
schwere Arbeit, von der Behandlung
gar nicht zu reden, hatten ihn bald fast
zur Ver slung gebracht. Er mochte
an jene a nicht zurückdenlem es war
ja fest g ckltch überstanden, er nahte
sich seinem Ziele.
Die ersten Strahlen der Morgensom
ne vergoldeten vie Kamme der sanften
Wellen, so daß das Meer wie mit sun
"ielnden, zitternden Wölkchen übersäet
erschien. Immer· deutlicher trat das
Land hervor. Die dunkelblaue Far
be verwandelte sich in grüne. Der
rothe Leuchtthurm an der Mündung
des Mississippi zeichnete sich ilar gegen
den Horizont ab.
Der junge Mann erinnerte sich plötz- .
lich seiner Arbeit. Noch einen langen;
Blick warf er über das schimnierndek
Meer nach dem fernen Lande dann be-;
gab er sich wieder hinunter. :
Die Sonne stand schon hoch am Him
mel, als Theodor wieder an Deck tam
Der Dampfer glitt langsam die gelben
Fluthen des Mississippi aufwärts.
Seine Collegen begaben sich bald zur
Ruhe, er aber nicht. Mit gespannten
Blicken betrachtete er die vorüberzie
hende Landschaft, welche hier dem Auge
nur swenig Abwechselung bot. Niedrige
Weidensträucher säumten die seichten
Ufer. So weit das Auge reichte, dehn
ten sich mit hohem Schilf bewachsene
Flächen, von braunen Wassersiiinpfen
wie mit biinienden Wolken durchstreut.
aus. Hier und da stand ein niedriges
Bretterhaus-, welches wohl einem Fi
scher oder Trapper zum Aufenthalte
dienen mochte. Je weiter der Dampser
aber kam, desto wechselvoller und rei
cher wurden die Bilder. Unter hohen
Bäumen «mit lang herabhängendem
grauen Moose, welches Theodor stir
nach einer Ueberschwemmung an den
Zweigen hängen gebliebenes Unkrauts
hielt, standen nahe am User oereinzeltei
Blockhiiuser Krausiopfige Negertimj
der spielten vor der Thür; bunte Rin
derbeerden grasten in der Nähe Die
Wasserslächen verschwanden, das
Schilf wich den Reisfeldern, und diesei
Hintergrunde erschienen dämmerige Ur-s
wiilder, gegen welche die weißen Häu-i
ser der Plantagenbesiger unid der Ka
mine der Zuckermiihlen sich scharf ab
hoben. Dunkele Orangenhaine grüß
ten mit ihren sgoldsarbigen Früchten
das Auge.
Erst als die Sonne den Zenith über
schritten hatte, begab sich Theodor zur
Ruhe, und spürte erst « ßt seine große
Müdigleit. Bald um ing ihn ein tie
fer Schlaf. Groß war seine Ueber
raschung beim Erwachen; er glaubte
erst einige Minuten geschlafen zu ha
ben, während ihm die Abendröthe zeig
te, daß es mehrere Stunden gewesen
seien.
Am rechten Ufer erhoben sich schöne
Landbau-sen von blühenden Gärten
umgeben. hohe Magnoliabäume mit»
großen, lilienweißen Blüthen bildeten
schattige duftende Allern. Jn der Fer
ne tauchte mit seinen grauen Thurm-en
und Häuserreihen New ereans em
por. Die Fenster blickten goldig im
Abendsonnenschein. Der Vater der
Ströme entfaltete sein immer regereä
Leben. Mächtige Flußdanispfer von
hohem, eleganten Bau, mit langen
schlanten Kaminen brausten vorüber;
Ferrn-Boote, Schleppdampfer, Warten
und Schooner durchtreuzten nach allen
Richtungen die fahlen Fluchen
»Dann up,« Theodor, wir müssen
noch einmal hinunterl« Mit dieer
Worten wurde der junge Mann plößlich
»aus seinen Träumen gerissen.
! Noch einmal hinunter in die hine,
Haber es war das letzte Mal. Dieser Ge
Tdante tröstete ihn. Anfangs war die
xArbeit nicht so schwer, bis der Dampser
Edie Anker geworfen hatte. Dann
Emußten die Feuer gelöfcht werden.
tMit großen, eisernen Halen wurden die
’gliilyenden Kohlen unter den iiesseln
hervorgeholt. Eine erstickende Hitze
füllte den engen Raum. Als nun auch
noch Wasser auf die Gluth geschüttet
wurde, und aus dem zifchenden und
jtnatternden Haufen weiße Dampfe
sbersengend um Gesicht unsd Hände
schlugen, tun-nie Theodor es doch nicht
Imehr aus«-halten« er sprang in die Ma
jschinenlammer Von oben fiel der
l matte Schein einer Laterne und erhellte
tdie blintenden Räder und Kalben. Nie
imand hatte ihn bemerkt, teiner folgte
sihm Mit raschem Entschluß stieg er
leise Die Treppe hinauf.
Auf dem Vetdect herrschte ein leb
haftes Durcheinander. Auch die Dun
kelheit begünstigte sein Vorhaben. Er
wollte defertiren. Jn feiner Kabine
orrvollfdändigte er seine Kleidung
Idurch Hemd, Bloufe und Dut; sie ganz
zu wechseln getraute er sich nicht. Sei
nen Koffer sammt Inhalt, er war nur
sehr gering, mußte er zurücklassen.
Am Bua führte eine Strick-fester hi
nab zum Pier. Klopfenden herzens
betrat er dieselbe. Jeden Augenblick
glaubte er das Wort: »halt!« über sich
zu vernehmen. Aber nein, seine Angst
war grundlos, unbemerkt erreichte et
den Boden. Mit hastigen Schritten
eilte er quer über die Levee und befand
sich bald unter der Menge in Sicher
heit
»Frei! freil« jubelte es in seinem
Innern. Alle Mattigkeit tvat von then
gewichen, und mit elastischen Schritten
I
eilte er weiter. Wohin, wußte er nich-t.
Er besaß nicht einen Cent, aber das
machte ihrn keine Sorge. Ein Plätz
chen. wo er sich zur Ruhe hinlegen
konnte, fand er schon. Bald erreichte er
eine breite, rnit hohen Bäumen einge
faßte Querstraße, welcher«er in nörd
licher Richtung folgte.
Die Nachtluft war geschwängert mit
dem lauen Hauche des Südens und mit
dem süßen Dufte der Rosen und Mag-«
n.olien. Fusnkelnde Leuchtkäfer umkrei
sten die dunkeln Baumwipfeln. Alles
dies, verbunden mit dem fremdartigen,
fast betäubenden Schwirren und Zirpen
der Lotust’s und Grillen, übte auf das
empfängliche Gemüth des jungen Man
nes eine tiefe Wirkung aus. Es war
ihm, als sei er in eines jener Märchen
länder versetzt worden, wie sie die Dich
iker mit glühenden Farben schildern.
!Daß er Ubeimatbsloö mitteilt-T ohne
sKenntniß der Sprache sich in einem
fremden Lande befand, batte er ganz
yvergessen Staunend und träumend
wandelte er dahin.
i Der Vollmond erschien über den dun
ieln Häufermassen, und enthüllte neue
Reize Die Straße wurde stiller, die
Häuser größer und vornehmer. Sie
!ftanden nicht mehr Wand an Wand,
sondern ein jedes war von einem
blühenden Garten umgeben. Jm
Mondlichte glitzerten murmelnde
Springbrunnem leise flüsterten die
hohen Palmen, die duftendcn Magno
lien und Olivenbäume. Auf den blü
thenumrantten Verandas ruhten auf
Hängeniatten und Schaufelstiiljlen
splaudernde Gestwalten
Endlich erreichte er das Ende der
Straße, und wie es schien auch das
der Stadt. Schmale Wege führten zwi
schen Gärten, sworin die mächtigen
Blättergruppen der Bananaö mit
Orangen und Pfivsichbäumen abwech
selten. Im Hintergrunde schimmerte
eine weiße «Villa· Durch das thau
feuchte Gras eines schmalen Rsaines an
einer Hecke entlang schreitend, erreichte
set eine hohe breitlronige Platane. Hier
beschloß er fein Nachtquartier aufzu
Ischlagen, und legte sich ohne weiteres
Znieden Als Kopflissen diente ihm eine
wie eine dicke Ader aus dem Boden ra
gende Wurzel.
Noch teine Minute hatte er geruht.
als er im Gesichte und an den Händen
ein schmerzhaftes Jucken verspürte. Als
er sich aufrichtete, schwirrte ein leises,
seines Sunismen um feine Ohren.
»Sind shier aber die Mücken frech,«
brummte er, zog sich den Hut übers
Gesicht, breitete sein Taschentuch dar
über, und verbarg seine-Hände unstet die
Blouse. Eben wollte er einschlafen,
als plötzlich ganz in seiner Nähe eine
Kuh brüllte. Verwundert richtete er
sich auf. Das helle Mondlicht zeigte
deutlich jeden Gegen-stand ringsum,
aber von einem Thiere. dessen Stimme
er vernommen hatte, war nichts zu
sehen. ,.Sonderbar«, msurmelte er,
»sollte ich so lebhaft geträumt haben?
Aber nein —«
»Muh! — Muh!« —- ertönte es,
kaum einige Schritte von ihm entfernt.
Nun fing die Sache aber an, ihm nn
heimlsich zu werden. Er war doch nicht
mit Blindheit geschlagen? Rasch sprang
er anf, die Umgegend zu durchsuchen.
Schon nach wenigen Schritten ertönte
zu feinen Füßen ein lautes Plumpfen,"
und vor ihm im hohen Grase schim-’
merte ein schmaler Wasserstreisen. Jetzt
war ihm das Näthsel gelöst, ein Frosch
war es gewesen, ein Bull Frag, wie er
hierzulande genannt wird. Ueber sich
selbst lächelnd streckte er »sich zum »zwei
temnale nieder. Von großer Müdig
keit überwältigt, fant er bald, trotz der
Mut-dürftigen Mosquitos und all der
fremdartigen Laute, in einen tiefen,
traumlosen Schlummer. ------
Um neun Uhr des folgenden Istior
aen wandelte Tsheodor am Uer resJ
Mississippi entlang. Zu feiner Rechten
zogen sich die von Gärten und Baum
gruppen umgebenen Häuser von Car
rolton, einer Vorstadt von Neio Or
ieans hin. Heute hatte er teine Augen
fiir die Schönheit der Pflanzen-dein
wie sie hier unter der warmen Sonne
des Süden-St so üppig gedeiht. Ihn
quälte der Hunger, und fein-e Gedanken
beschäftigten sich mit dem Proble::i, wie
er es anfangen follte, ihn zu stillen.
Schon dreimal hatte er ang«efragt, wo
er etwas zu essen haben könnte. Die
Betreffenden hatten ihn entweder ver
wundert angeschaut, oder ihm Worte
zugerufen die er nicht verstand.
Ein fchrilles Klirren drang an fein
Ohr. Er nahte sich einer Sägmüle
die unten ans den Fluß gebaut war.
Hohe Bretterhauer bedekten eine ganze
Strecke weit das Ufer. Ein rothbärti
get Mann war mit dem Aufschichten
der-Bretter beschäftigt Zu diesem trat
Theodor, und fragte schüchtern: »Spie
chen Sie Deutsch?«
Jener nicktr.
»Nimm Sie mir vielleicht sagen, wo
ich ein deutschei Dank finde, fd’rin ich
etwas zu essen kriegen könnte?«
« »Wel! —- toart’ mal —- ves. Gehft
noch fünf Block hinunter, zwei Block
nach rechts, und dort findest Du am:
nsorsdiistlichen Cornet ein deutfches Re
staurani.«
»Dante fchön,« erwiederte Theodor,
und ging weiter, innerlich feine falfche
Scham verwünschend, die ihn abgehal
ten hatte, sich zu erkundigens, was denn
eigentlich ein Block und ein Cornet sei;
er wußte es ja nicht, und war noch ge
rade so tlsug wie zuvor. Planlos irrte
er weiter, und erreichte endlich die letz
ten Häuser der Stadt. Da fiel fein
Blick auf ein Schild mit dem Bildniß
eines Pferdes und der Umschrift: »L, L.
Müller, Livery Stable.«
»Das ist gewiß ein Deutscher«, dachte
er, und fteuerte auf den Platz los. Durch
das offene Thor in eine-m hohen Brei
terzaun neben dem Hause gelangte er in
einen geräumigen Hof. Derselbe war
im Hintergrunde von Siallungen und
Renrisen abgeschlossen Ein Bursche,
ungefähr in feinem Alter, war mit
Schwamm und Leder beschäftigt, eine
Kutsche zu reinigen. An dieer wandte
er sich mit der Frage, ob er bei Herrn
Müller vielleicht Arbeit finden könne.
Der Bursche gab sich eine wichtige
Miene, und meinte: »Na, warum
nicht? Wenn er Jemand nöthig hat,
gewiß. Wo haft Du zuletzt geschta«fft?«
Theodor erzählt-e ihm, daß er grade
vom Schiffe käme. «
,,Also noch ein ganz frisches Grün-l
horn,« sprach jener mit überlegenem
Lächeln, »ich bin schon cdrei Jahre hier«
Eins will ich Dir sagen, »wenn Du beim
Alten um Arbeit anhälst, und er stellt)
Dir Fragen was Du leisten tannst,«
mußt Du zu Allem tJa sagen, auch
wenn Du keine blasse Ahnung von der
Sache hast; das ist hier Mode in Ame
riia, sonst kommt man nicht vorwärts.
Paß auf, da kömmt er!«
Die letzten Worte sprach er hastig,
und halblaut, und war im selben Mo
mente anscheinend so eifrig in seiner
Arbeit vertiest, daß er nichts von dem»
hörte und sah, was um iihn vorging.
Ein Mann mit grauem Bart, ohne
Rock, die Aermel ds- schneeweißen
Hemdes aufgekrempelt, ein-e Flasche
»Hu-se Liniment« in der Hand, kam
herangeschritten
Mit einer tiefen Verbeugung zog
Theodor seinen Hut, und brachte seine
Bitte vor
Der Mann blickte ihn scharf an, unsd
fragte: ,,Kannst Du zuHorses tenden?«
Eingederck des erhaltenen Rathes
antwortete Theodor: »Ja!« s
,,B·uggies waschen-s« .
»Jv!« j
l
i
»Den machen und ein Daniel-Team
treiben?« .
s«
»Verstehst Du Gartenarveit und
Bäume zu trimmen?« !
. s«
»Auch Hausarbeit und Carpets rei
nigen? !
»Jo!« ’
,,.5tannst Du des Nachts zwei bis
dreimal auf-stehen, um die von einer
späten Ride heimbehrenden Pferde
trocken zu rei"be-n?«
.«
,,Well, dann will ich’s mal mit Dir
;-oersucksen; bin ich mit Dir zufrieden,
erhälst Du zehn Dollars monatlich und
TBoard ——— Hier Frev, führe ihn in die
!Kiiche, undsageMrs Müller, sie möge
Iihm etwas Lunch geben. Nachher kann
er Dir anspannen helfen, und mit Dir
»den River hinunterfahren zum Heu
)machen.«——
) Als Theodor In der Küche am Tische
saß, kalten Braten, Brod und Butter
,und eine Flasche Bier vor sich hatte,
idiinlte er sich ein glücklicher Mensch.
Freilich, als sein Hunger gestillt war,
fing ihn einigermaßen der Gedantx an
Hu beunruhigen, ob er wohl im Stand:
Pfei, alles Das zu leisten, was leisten zu
-iönnen er behauptet, und von dem er
Inicht die Hälfte verstanden hatte.
I Das wird sich schon finden, tröstete
Ier sich. Immerhin war er am Ziele, im
ILande der Freiheit, wo auch dem Aerm
Islen die Pforte zu Glanz und Reich
ithum offen steht. Werden sich seine
Träume verwirklichen? Wird er auch
die anderen Ziele erreichen? « er weiß,
vielleicht —- und wenn nicht, steht doch
Isie ihm treulich zur Seite bis zum letz
ten Ziele, das uns Allen am Ende un
serer Laufbahn winkt; sie, ohne die
selbst der Millionär arm ist: die trö
stende, belebende, ermuthigende schöne
sBetriigerin ,,Haffnung«. —
DoppelsinnigeReplik.
. . Frau Assessor, Sie haben so
schöne, gepflegte Hände —- was thun
Sie dafür?«
»Ich . . Jch thue nichts!«
Die Hauptsache.
»Hast Du gesehen, Männchen, swie
gut es gestern dem heim Rath ge
schmeckt hat — von Allem hat er ge
nommen!«
»Nu: von unserm Mädvln keine!«
Die Gräsin ist durchgegangen
Von Anton Kozmm
Jm Präsidiailgebäude in der Woh
nung des Unterpriisidenten herschte tie
fes Schweigen. Fräulein Magarsethe
wiegte sich langsam in einem Schaufel
stuhl hin und her und schien in irgend
einen französischen Roman sehr ver
tiest.
Die Mama plagte sich mühsam mit
einer Handarbeit und wars von Zeit zu
Zeit ein-en neidischen Blick aus das Buch
in der Tochter Hand. Denn sise lasen
jetzt Beide diesen Roman. Zueost die
Mama hundert Seiten, dannIGretchenz
doch die Mama mertt, daß das Töch
terchen liest und schon weiter ist, als sie.
Sie kam gestern nur bis zur spann-end
sten Stelle, Gretchen ist schon um einige
Seiten weiter.
Die Mama sieht sie mehrmals wü
thend von der Seite an, — dann kam
sie ihre Neugierde nicht mehr Schweigen
gebieten: »Sa-g mal,·Gretch-en, was ge
schieht mit der Gräfin?«
»Die Gräsin ist durchgegangen!«
»Nicht möglich!«
»Doch es ist so. «
»Mit dem Baron, nicht wahr?«
»Natürlich, mit dem Baron.«
,,Entsetzlich! Jch wußte wohl, daß sie
veine leichtsinnige Frau war; doch das
hatt-e ich smir nicht von ihr dargestellt . .
nun und der Mann?« ·
»Der weiß noch Nichts davon; er
denkt, die Gräfin ist in’s Bad gereist.«
»Na, was wird daraus werden!«
Hinter der offenen Thüre des Nach
barzimmers fiel plötzlich klirrend ein-e
Vase herunter; Marie, das Stuben
mädchen, setzte die Scherben schnell zu
sammen und stellte die Vase wieder an
ihren Platz. Dann eilte sie ganz außer
sich in die Küche hinaus und machte dem
Geplauder der Köchin mit dem Bedien
ten ein Ende, indem sie Beide mit ihrem
Staubtuch berührte: ,,Pst, eine schreck
liche Neuigkeit!«
- »Was denn?«
»Die Gräfin ist durchgegangen !«
,,Jesus sMaria!« rief die Köchin.
,,Woher swisssen ISie das ?«
»Die Gnädigen erzählten sich’s drin
nen, natürlich leise. Der Herr Graf
weiß es sogar noch nicht!«
»Nun, wie soll er’s1wissen, wenn der
Diener, sderStepham es sogar noch nicht
weiß. Diesen Augenblick habe ich ihn
gesprochen, er ging gerade an der Küche
Vorüber; ich fragte ihn noch, wohin die
Gräsin gefahren wäre; er sagte, ge
stern Abend wäre «sie in’s Bad gereist."
,,J-sawohl und der Graf glaubt das
auch. Trotzdem ist das ein Schwindel!
Die Gräfin ist nicht in’s Bad gefah
ren, sondern mit dem Baron Hager
burg durchgegangen.«
»Jmmer dachte ich, daß das ’mal
solch’ Ende nehm-en wird,« meinte die
Köchin.
« »Jn einem fort hörte man in der
Wohnung des Oberpräsidsenten das
Säbelgerassel der vielen Ofsiziere,
aber welcher war denn der Baron
THagserburg Z«
, »Der hohe, rothe Blatternarbige,«.
erklärte der Diener. »
, ,,Komischer Geschmack!«
, »Ja, meine Liebe-der Geschmack der
Herrschaft ist anders als der Von Un
sereinenr.«
s ,,Gehen Sie, Johann, und sehen
Sie sich in der Küche des Oberpräsiden
ten um. Wenn Sie Etwas erfahren ha
-ben, so kommen Sie und erzählen es
uns.«
Nach dem Mittag traf Johann den
lStephan im Vorzimmen ·
! »Na, schön sind wir dran, Kame
kad!«
s «Wieso sindwir schön dran?«
» »Die gnädige Frau Gräsin ist doch
durchgegangen«
l »Aber fafeln Sie nicht! Sie ist ink
Bad gereift.«
E »Gefoppt hat sie ihren Mann, wie»
Jauch Euch. Sie sagte: Ich reife in’s’
Bad; doch auf der Station erwartetej
sie der häßliche Rothe, der Baron Ha-j
«qerburg, dann reisten sie zu Zweien in
die weite Welt.«
»Woher weißt Du’s3 Hast Duk
gesehen?«
»So una«efäl)r, als ob ichs gesehen
«hätte. Es ift sicher fo.«
»Teufsel! Das muß ich der Kam
merjungfer erzählen, die wird wissen,
was wir thun sollen. Der Graf ist
nicht zu Haufe,er ist in Wien.«
Nach Verlauf einer Minute wußte
die Kammerjungfer der Gräfin, nach
zwei Minuten die ganze Dienerfchaft,
daß Jhre Gnaden, die Frau Gräfin,
durchgegangen ist.
Jn san Minuten swar das ganze
Präsidialqebäude in Aufregung, die
Leute liefen hierhin und dorthin, und
flüsternd und sgeheimnißvoll gan die
interessante Reuigteit von Mund zu
Mund: Die Gräfin ist durchaeasangenl
Nach sieben Minuten erzählte man
diese Neuigkeit schon auf dem Nachbar
hofe; dort wurde gewaschen, und in hel
ler Aufregung unterhielten sich die Wä
scherinnen darüber, daß die Frau des
Oherpräsidentem die Gröfin, durchge
gangen sei.
f Und wer nach Verlan von zehn Mi
nuten in dem Städtchen noch nicht
wußte, daß die Gräsin durchgegangen
war, der durfte nicht darauf Ausspruch
erheben, zur städtiischen Intelligenz ge
zählt zu werden. Nsach fünfzehn Mi
nuten trafen sich zwei taubstumme
Bettler auf dem Marttspladr. Schon
von Weitem erzählten sie sich mittels
ihrer Zeichensprache die Neuigkeit.
Ganz öffentlich wurde dann allge
mein auf das Bestimmtefte versichert,
daß die Gräfin durchgegangen Auf
dem Bahnhofe erhielten die Durchrei
senden, die ihre Köpfe aus den Coupes
steckten und die dort Her—umschlendern
den nach Neuigkeiten fragten, als Ant
wort die letzte interessante Nachricht,
daß die Gräsin, die Gemahlin des
Oberprässidentem durchgegangen sei.
So wude die alarknirende Nachricht auf
Flügel-n des Dampfrossies weit-er in die
Hauptstadt getragen.
Indessen war nicht soviel Zeit ver
gangen, das; Fräulein Margarethe den
Rest des ihr noch von Rechts wegen zu
kommenden Seitenquantums durchge
lesen hätte.
Die Mamsa fäidielte von Neuem ihre
Nadel ein, blickte dabei wiederholt un
geduldig nach dem Buch und warf
schließlich die Handarbeit newös bei
Seite.
Plötzlich wurde die Thüre sehr ge
räuschvoll geöffnet und -;geschlossen der
Unterpriistdent trat ein, ganz außer sich
vor Aufregung. »Habt Jhr schon die:
schreckliche Nachricht vevnommen2«
»Was denn? Welche?«
,,Also Jhr sitzt hier noch ruhig zwi
schen Euren vier Wänden und ahnt
noch nicht, was geschehen ist?«
»Was denn, um Gottes willen?«
»Die Gräfin ist -durchgegangen.«
»Unmöglich!«
»Gewiß, es ist so!«
»Mit wem denn?«
’ »Mit jenem dummen Offizier, mit
idem Affen, dem Baron Hagerburgz
ihrem Manne hatte sie dasselbe gesagt,
wie uns Allen, daß sie in ’s Bad gehe,
und mit dem Abendzusge ist sie abgereist.
Schon auf der Station erwartete ssie der
Baron und der Diener des Oherpräsi-«
denten hat mit eigenen Augen gesehen,
wie sie zusammen in ein Cosupe stiegen.
Natürlich reisten sie nicht in der Rich
tung des Badeortes, sondern mit dem
Wien-Berliner Schn·ellzuge. Wer
weiß, wo sie jetzt lbereits sind! Der
Oberpräsident ist, wie Jhr wißt, jetzt
in der Hauptstadt und weiß von alle
dem noch sgar nich-ts.«
»Vielleicht bringst Du’s ihm schonen-d
bei.«
»Der Teufel, soll sich in solche schmu
tziaen Familien-Angelegenheiten mi
schen!«
»Großartig,« rief Fräulein Mar
garethe, »da soll noch Jemand sagen,
Ponson du Terrail schreibe unwahr
scheinlicbi Seht! in diesem Roman las
ich einen ganz ähnlichen Vorfall. Das
ist fast zu wunderbar! Ein Gras be
tet seine Frau an, da kommt ein Baron
dazwischen, und die Gräfin geht mit
ihm durch . «
It- sk Il
Während die ganze Welt so sprach,
streifte der Oberpräsident mit sein-er
schönen Frau in größter,innigsterGliick
seligteit in den Tannen-wäldern des
Badeortes Mi- iumher. Der Verliebte
Gatte war von Wien aus geradewegs
seinem lieben Frauchen nach MI- vor
ausaeeilt, um die später Eintreffende
bei ihrer Ankunft zu iiberraschen.
Baron Haare-barg exerzirte fast zu
gleicher Zeit draußen in der Raserne
mit seinen vierschrötigen Dragonern.
Pariri.
Professor mev.: »Aber smein Lieber,
wann endlich werden Sie sich das ewige
Pumpen abgewöhnen?«
Studios med.: »Herr Professor, erst
gestern haben Sie in Ihrer Vorlesung
gesagt: das Herz ist ein Pumpapparatz
und sehen S e ich bin nun kmal so ein
Herzensmensch!«
0-0————-—-——
Seemannsrviy.
Dame: »Herr Kapitän, wie weit sind
wir noch vom Lande?«
Kapiiäm »Ungefäsl)r zwei Seewei
len.«
Dame: »Man sieht doch aber gar
nichts, in welcher Richtung liegt denn
Land?«
Kapiiäm »Direkt unter uns, Strä
-disge.«
W—-O-O«Os
Jm Vertrauen.
Bankiers (zum neuen Kafster):
»Wenn Sie vielleicht einmal Lust haben
sollten, mit der Cassa durchzugehen, so
sagen Sie mir si. .Jch geh’ auch
gleich mit!« «