Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 19, 1896, Sonntags-Blatt., Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Zu sent erzogen.
Von Vorn Vnncker (Berlin).
»Aus-) du bist wirklich entschlossen,
dich wieder zu verheiratme«
»Nicht nur entschlossen, mein lieber
Criesbeiny — sondern ich habe bereits
die ersten Schritte dazu gethan«
»Ho« ho! so eitig?«
»Sehe ich aus wie Einer, der sich
Lange besinnt, wenn er einmal einen
Entschluß gefaßt hat«-«
Der entschlossene Heirathscandidat,
ein Mann zu Anfang der Fünfzig, trat,
da sein Gegenüber ihm die Antwort
fchuidig blieb, vor den Spiegel, um sie
von seinem Bilde einzuholen. Er hatte
solle-Grund über die Antwort des Gla
ses zu schmunzeln. Frischlebig, behag
lich, ganz dazu angetban, gesundanu
den noch für eine ganze Reihe von Jah
ren hinaus zu verbeißen, strahlte ihm
sein Bild entgegen.
»Na, immer noch nicht ausgeföhnt,
Griesgrams Du siehst ich bin kein
Greis und habe keine Lust, mich von
Dir zu einem solchen machen zu lassen.«
Mein Bedenken gilt nicht so sehr Dir,
ils Deiner Tochter«, gab der Andere
mismutbig zurück.
«Sehr verbunden.«
»Was wird Magda dazu sagen, wenn
Du so ins Blaue hinein, aus dem Wege
des Jnsernts, Dir eine Frau wäblst —«
Franz Wallburs zuckte mit den
Schultern. Dies-mal war er es, der
seine Antwort gab. Der Andere wie
derholte init eindringlicher Betonung
seine Frage.
»Was wird Magda dazu sagen,
Franz?«
»Das Mädchen ist viel zu gut erzo
gen, um mir irgend welchen Widerstand
entgegenzuiebeus —«
»Das weiß ich, allein —« warf
Oriesbeim ungeduldig dazwischen;
gedeiht-er Himmel, sie ist gut, zu gut
erng Jch spreche auch nicht von ei
nem Widerspruch der Lippen, ich dente
an den Widerspruch ihrer Seele-«
»Der Wäge- rannte nervös im
Zimmer Inn-her.
»Ist-M Du on wieder an? Spitz
ftndigkeiten it r Spitzfindigteitem
Danks ihr nicht recht ist, mag sie den
Mturd anfrhun!«
»Das hast Du ihr ja untersagt, seit
fee sprechen gelernt hat«, brummte der
Undereironisch
Wallhurg fuhr auf.
»Griesheim, bift Du des Teufels!
Du thust ja gerade, als ob ich ein
graut-schlechter Vater wäre! Na, so
antworte doch.«
»Werk« mich hüten, wenn Du gleich
wieder so außer Dir -geriit)hft.«
»Mir, mir das; der ich keinen ande
ren Gedanken gehabt hab-e, als dieses
matterlose Kind gut zu erziehen, und
nachdem ei erwachsen war, mit allen
Freuden-zu umgeben, die seinen Jahren
angemessen und zuträglich sind. Frage
sie doch selber, wenn Du mir nicht
glaubst, oh ihr ihre Malerei, ihre Lec
Err. ihre reizen-den Zimmer, das ftete
Beisasmmewsein mit der gutherzigen,
aufmerksamen Müller» die kleinen
Iahrten mit mir, der Besuch ihrer
Freundinnen nicht über Alles geben«
»Das Fragen- diirfte mir wenig
nützen. vMag-da wsirde mir ja doch nur
seine liebenswiirdige ausweichende Ant
wort geben. Aber ich brauche auch ihre
Antwort nicht —«
, »Natürlich nicht — Du weißt auch
so, daß ftch meine Tochter todtungliick
lich fithlt — Du — Du Allerroeltsswei
ser Da! Weil ich sie nicht ausf Balle
nnd Gesellschaften schleppe, weil ich sie
nicht oon jedem X-beliehi-gen Laffen um
die Taille fassen . affen, den dummen,
sogenannten hei hssähiaen Bengelä
die nichts als ihr Geld wollen, nicht be
reitwillig Thür und Thor öffne, bin ich
ein Rabenvater —- es ist zum -Verrückt
werden«
»Du, Wallburg, — nur so nebenbei
-— ich bin auch Vater so eines dummen,
sogenannten ihieirathsfädigen Benge15.«
»Ach-was, der zöhit nicht rnit.«
»Seht verbunden-"
»Und kurz und gut, mein lieber
Freund, um dem Gespräch ein für alle
wl ein Ende zu machen —- ich erziehe
meine Tochter, wie ich will, niserte Dir:
ein Mädchen kann gar nicht zurückhal
tend genug, kann gar nicht gut genug
erzogen —-«
»Und nicht fest genug eingesperrt
werden. Sehr schön, mein Lieber. Je
der nach sein-ern Geschmack.«
»Ganz meine Anscht Vielleicht hast
Du mm auch die Güte, mir zu sagen,
Des meine Tochter eigentlich mit mei
ner Heirath Fu thun hats«
Mai besten so wenig als möglkchx
m diesem praktischen Grunde hatte ich
Dir den freundschaftlsichm Rath geben
Osten, Dei-e Tochter mehr aus ihrem
Wkiheuwaiein zu befreien, sie tn
Ue Seit « ten med, wenn mög
lich, zu then, them Du an Dei
Ie zweite cl- W«
»Jeyt brachWallburg in ein schallen
des Gelächter aus.
»Also ernsthaft an eine Heirath für
das Kind hast Du gedacht! Da also
sollte das Ganze hinaus! Das Miidell
weiß ja taum wie ein Mann aussieht!«
»Lsei«der!«
»Leider!«
Eine neue Lachsalve.
Orirarhem dieses Kind! Auslachenl
würde-sie Dich, wenn sie das hörte. Jch
tsenne meine Tochter. Sie wünscht sich
nichts Besseres, als bei ihrem Vater zu
bleiben, den sie iiber Alles -liebt, noch
lange, am liebsten innner. Riraens wird
sie’s wieder so gut haben in der Welt ———
nsirgends. Oder troeißt Du auch das
etwa bessert«
Griesheim zuckte die Achseln.
Vielleicht —- Es sind nicht immer
gerade die Väter. sdie ihre Töchter am
besten kennen —- oor Allem nicht, wenn
diese Töchter so seit-sinnig und rück
sichtsdoll sind swie Deine Magda. —
Na, Gott befohlen. Wallburg."
»Du willst fort? Na, ich hoffe, Du
tornmst morgen in gemiithlicher Laune
wieder. Auf Wiedersehen —- Du —
Du Besserwifser!«
Nachdem Herr Franz Wallburg die
Thitr hinter seinem Gast geschlossen
hatte, wars er sich behaglich in seinen
Lehnstuhl
»Gott sei Dant, daß der Nachmit
tagsprediger fort ist.«
Dann steckte er eine schwere Havanna
in Brand und sah auf die Uhr.
»Gleich ein Uhr. Daß der Schlingel,
der Friedrich. noch nicht hier ists Bin
-begierig, was er- heute mit-bringt Ge
stern war nicht oiel Gescheidtes unter
den Entgängen. Nur das kleine Möbel
mit den blonden Zöper und dein Grüb
chen hätte mich reizen können —- hm,
aber die war zu jung — alles was recht «
ist — die avar wirklich zu jung für mich.
Herein! Na,endlich, Friedrich!« «
»Bitte um Entschuldigung gnädiger
Herr, wenn ich habe warten lassen —
aber am Schulter war heut’ ein Ge«
dränge! Dafür bring’ ich aber auch ei-«
nen ganzen-Stoß«,fügte er schmunzelnsd
hinzu ein großes sPacket Briese unter
der Chisfre «M. G. 100« vor seinen
herrn niederlegend
JSpnst noch was, gnädiger Herri«
Nicht, daß ich wüßte Doch ja —
gehen Sie hinüber zu meiner Tochterk
und fragen Sie, ob sie um drei Uhr ihre!
Heu-ähnliche -Spazikksshkt mit mit
machen wollte. Bescheid ist nicht nö
. —« z
thrg .
Für sich fügte Wallburg hinzu: »sie;
sagt doch ja.«
Nachdem Friedrich gegangen war»
nahm Wallburg ein elegantes Falzbein ?
zur Hand und machte sich daran die
Briefumischläge in derselben Ordnung,
iin der Friedrich sie vor ihm hingelegt
hatte, aufzuschneiden
Erst dann begann er die Selbstams
preisungen all der »jungen« , »ichönen«,
s»begn'bten« , »gut und häuslich erzoge-;
«nen« Eheaspirantinnen zu prüfen unb·
.vot Allem die beigelegten Portraits ei- s
ner eingehenden Besichtigung zu Unter-?
Eziehen
! Nach einer guten halben S: unde
hielt et etwas ermüdet inne
Die meisten der »inngen« Damen
. die sich als passenbe Ehehäiften bei ihm
!-,meldeten hatten nicht nur die Zwanzig, .
wie es ja bei seinem Alter gut unds
wünschenswerth war sondern auch die
Dreißig reichlich überschritten, unb da
les gefälligen Photographen nicht dar-:
auf anzutonrnten pflegt, ein haibess
Jahrzehn und darüber auf Kosten der
Aehnlichkeit wegsstewuchiren, mai-Herr
FranHWallburg seiner Sache nicht ganz«
sicher, ob nicht am Ende etliche dieser
Schönen die ominiisen Vierzig bereits
Iiiberschritten hatten.
Auch die begleitenden Briefe wollten
ihm heute gar nicht so recht gefallen.
Die Epitheto: ungebildet gefchraubt
erlogen schienen ihm nicht zu schroff ge
Wählt »
; Herr Franz Wallburg zündet-e sich
seine frische Cigarre oon der schweren,
sdunsllen Sorte an, schob den ersten er
sledigten Stoß mit einigem Unsmuth zur«
ISeite und begann von Neuem. Neun-I
Einer 1, 2, 3 -—- die alte Geschichte, nur
daß sich noch ein gänzlich world-ong
phischer Brief von einer gefallenen
Chanfonettenigrösze dazwischen verirrt
hatte.
Endlich ein Umschlag mit einer zier
lichen, gebildeten Mädchmhandfchrift
über-schrieben DurchfchniitghandschriftE
der höheren Berlin-er Tochter. Richtig,
: der Brief me auch in Berlin W. abge- J
fiempelt Vielleicht würde hier eine
Anknüpfung möglichseieh denn nur auf
eine solche hatte here Franz Wallhurg «
Ies einstweilen abgesan. Schriftliche
« Anniiherung —- perfonliche Prüfung —- i
Entscheidung nach reiflicher Ueber-le
»M, so lautete das heiraihsprox
summ.
I Wuchers fühlte otdenilich ein ange-»
Mc Veickeln in den Fin-»
getfpiseeh all er den Brief mii der fei
nen MMndschrifi aus dein Um
schlage zog. Ein Bild war nicht dabei.
Aber taum hatte Wallburg einen
Blick auf das Briefblatt geworfen. als
er sich verfärbte und mit weit geöffne
ten, starrblickenden Augen auf die zier
lich geschriebenen Zeilen siierte. Die
bleich grwordenen Lippen waren fest zu
samrrrengepreßt, »die hand, die das
Brief-blau hielt, zitterte heftig.
Nun legte er das Schreiben vor sich
bin auf den Tisch, zog sein Taschentuch
und wischte den perlenden Schweiß von
·der·Stirn, dann erst begann er zu lesen,
langsam, schiveratbmend, Zeile für
Zeile, Wort fiir Wort, wieder und im
mer wieder, und wenn er zu Ende gele
sen batte, stockte er jedesmal, aus’s Neue
bei der Unterschrift. Heftiger ging sein
Atbem, stärker zitterte die Hand.
War es denn möglich, faßbar. »was
da unter dem Briefe stand, was er mit;
seinen eigenen leibhaftigen Augen las
und wieder las: s
Dochachiend und ergebencft Magdal
W» Adresse Postamt Nr.10, postlaJ
gerad. «
Er mußte es am Ende wohl glauben i
das scheinbar Unmögliche Unfaszliche, I
daß seine eigene Tochter den Brief ge- ]
schrieben hatte. den er in Händen bielt,
dasz seine Tochter sich einem evildfrenul
den Manne zum Weibe anbot. weil ihr
die Welt unter dein Dach des Vaters zu
eng geworden war.
Nein, nicht zum Weibe-, Gott seij
Dunst nicht, nur von einer geistigen An
näherung mit einem fernen Ausblicts
auf die Zukunft war die Rede, nur ein s
Hilseschrei swar der Brief nach einer(
Hand, die sich ibr entgegenstreckte sollte, ,
um sie aus der Haft ihres goldenen Kä- l
fi gs zu befreien
Und noch einmal las Wallbura Seite
für Seite, Sas für Satz, Silbe für
Silbe. i
Kein Wort der Anklage gegen ihn. i
Dennoch glaubte er sein eigenes Ver
damnmngsuttbeil zu lesen Dann saß;
er lange Zeit, das haupt in den han-(
den vergraben dentend und griisbeld, 4
wie er nre vordem gegriibelt und ge-!
dacht
Æso rvar s doch Wahrheit gewesen
was der Andere gesagt: er tannte sein
eigenes Kind nicht! (
Während Magd-III feine gebot-:
same, gut erzogene Tochter neben ihmi
durch’s Leben gegangen war, scheinbar
glückiich nnd befriedigt, hatte sie gelit-»
ten und gedarbt und geschwiegen, um
ihn nicht zu kränken — feinfiiblig ge
schwiegen, immer mit demselben sreund
lichem dankbaren Gesicht.
Wie mit Messern schnitt die Erkennt
niß durch seine Seele, und wie ein
glühendes Erz brannte die Frage in sei
nem Hirn —was nun, was nun?
Magda durfte niemals erfahren, daß
er der Empfänger ihrer rührenden See
lenbeichte gewesen. Aber auch niemais
durfte er sekbst daran denken, seiner
Tochter jenes neue Dasein bereiten zu
wollen, nach dem sie lechzie, dürstete.
Von dem leichtlebigen, entfchlossenen
Manne war jederMutb. jedesZutrauen
gewichen. Die Erkenntniß, daß der fel
ienfefte Glaube an das Glück seiner
Tochter, den er durch Jahre gebegt,«
nichts als ein eit·lerSelbstbetrug ge-j
wesen sei, hatte ihn völlig niederge-;
schmetteri. Dennoch mußte Rath geq
fchafftiverdem 4
An der Tbür seines Arbeitözxiinrnersl
wurde geflopr (
i
Einmal, zweimal, er hörte nicht dar- i
au . . s
Ein drittes Mal. j
Heitig sprang er aus. i
Friedrich steckte den Kon durch die
Thür. j
Was wollte man denn von ihm, jetzt
in dieser ernsten Standes
»Der Wagen ist angefahren gnädi
ger herr. Fräulein Magda sind schon
eingestiegen und swarten auf den
Herrn.«
Einen Augenblick zögerte Wallburg.
Dann turz entschlossen:
»Sagen Oie meiner Tochter, ich könne
sie heute nicht begleiten. — Es wäre
mir iehr leid, sie möge allein fahren.«
Friedrich riß Mund und Augen qui.
»Ohne Frau Müllers«
fWallburg trat heftig mit dem Fuße
au .
« »Wenn ich iage allein, io heißt das
doch nicht« mit Frau Müller!«
i Entschuldigen der gnädige Herr, ich
dachte nur, weil das Fräulein noch nie
mal-sS —
Sie haben nichtsz u denken. Und
—Friedrich —- merken Sie gut qui —
xiagen Sie meiner Tochter, sie möge fah
ren, wohin sie wolle; und bestellen Sie
rdern Kutscher er dürfe meine Tochter in
kleinem Fall den Weg fahren, den wir
alle Tage machen. Ra, wird’s bald
. herr Franz Wollt-arg ieste iich nicht
jnieder Er ließ den hat-im Brieie lie
aen, wo iie isgem und steckte nur den
Brief ieiner Tochter zu iichz dann nahm
,er hat nnd Ueber-siehet und machte sich
Iqui den Weg zu dem ziemlich entfernt
wohnenden Grieiheirn Der kam ihm
ordentlich vergnügt entgegen. »Ich
muß Dich loben, Franz. Wahrhaftig,
Du nimmst ja förmlich Vernunft an.
Jch bin soeben Deiner Tochter begegnet.
Allein und nicht im Thiergarten. Aller
hand Achtung, alter Junge! Zuerst
dachte ich, es wäre ein Unglück geschehen
oder sonst irgend ’was aus den Fugen,
als ich die Magda·da so vergnügt in
den Polster-n «sah. beruhigte ich mich.
Wahrhaftig, ordentlich sidel sah das
Mädel aus. Kein Wunder, wenn sichs
Einem so nach beiläufig neun-zehn
Jahren das Gitterthürchen ’mal so eini
bischen austhut und der Mensch einen
kleinen Ausguck halten kann . .. Thu’
mir nur den einzigen Gefallen Franz,
kund srag’ sie nachher nicht, ob sie Dich
Tnicht an ihrer Seite sehr vermißt habe
suuv vie Spazikquhkt ohne Dich doch
siein eigentiicher Genuß gewesen sei.
IDas Mädel ist so verdammt gut erzo
gen und so polizeiwidrig rücksichtsvolL
idaß sie im Stande wäre, Dich anzulii
»Aber Du begebrst ja gar nicht aus
—- was ist denn mit Dir los? — Siehst
da, als ob Dir die Petersilie verhagelt
wöreund sonst noch ’toas!«
Statt jeder Antwort zog Wallburg
den Brief seiner Tochter aus der Tasche
und gab ihn Griesheirn mit den latoni
ichen Worten
,,Da, lies.« ·
Dann wandte er sich von seinem
Freunde ab. Nach einer Weile, sdie ihm
eine tleineEwigkeit düntte, vernahm er
ein undeutliches Gebrurnrnel in seinem
Rücken. Dann legte sich ihm eine Hand
auf die Schulter und er hörte Gräs
heirn sagen:
»Eine Perle von Mädel. Wird ’rnal
’ne Prachtsrau werden«
Blitzschnell drehte sich Waltburg um.
»Aha-Xb kam ich zu Dir —- Du —
Du hast öfter —- na Du weißt schon,
Griesheim —- wegrn Deines Jungen
bei mir angeilopfi . . ."
»Hm — ja — wegen dieses soge
nannten heirathsiöhigen Bengels—-—der
es durchaus — na, schon gut.«
»Wenn Du nach diesem Briefe noch
derselben Ansicht bist —- swenn Du nicht
meinst, daß Magda sich damit etwas
vergeben»
; »Vergeben-— Papperlapappi Wenn
diese armen eingesperrten Bögelchen
Ame-l die Flügel regen so sollen sie sich
Hgleich ’was vergeben haben. Der Brief;
list Ia ne Prachtleisiung. Beweist daßj
Deine blödsinnig gute Erziehung nichts;
an ihr verdooben hat. Erst recht will«
ich das Mädel für meinen Jungen!" ’
»Aber was wird Dein Fritz dazu sa
gen ?«
I »Er ist zwar weniger gut erzogen als
Deine Magda, und pflegt mir nicht ge
rade aufs Wort zu fol en —- aber in
diesem Falle glaube ich r ihn gut sa
j gen zu können; das Wenige, was er von
ihr gesehen . . .«
Wallburg athmete erleichtert auf.
»Magda muß Antwort auf ihren
FBrief erhalten. Das siehst Du doch ein ;
Inicht wahr?" ’
i Selbstverständlich Fritz muß ihnj
pbeantworten und dabei erwähnen, daß
er se: n Alter absichtlich falsch angegeben 4
!habe, um mehr Vertrauen zu
U.s.W.1
I .Achutichks dachte ich auch!« «
»Kurzer Brieswechsel — gegenseiti
ges Erkennen —- Stelldichein —
Aus einer kurzen Bekanntschaft mit
Gottes Hülfe eine lange Liebe . . . .
Die beiden Männer schüttelten sich
Idie Hände. i
»Na, und sind die beiden jungen Leu-!
te erst glücklich vereint, dann kannst Dui
ja Dein eigenes Heirathsprojett wieder!
Iaufnehrnen, Wall-Hur«
Der wehrte entsetztg mit bezden Hän
den ab.
s »Das ist ein- für allemai gethan
Hasbe ich nicht mal meine eigene Tochter
verstanden, die seit neunzehn Jahren
an meiner Seite lebt, wie sollte ich da
wohl eine Frau verstehen, die ich erst
morgen oder übermorgen kennen lernen
soll. Und dente nur die armen Kinder!
Jn der Furcht, ein zweites Mal in den
alten Fehler zu verfallen, sie zu gut zu
erziehen, würde ich sie zu wahren klei
nen Ungeheuern heranwachsen lassen.
Griesheitn lachte.
Bor acht Tagen est die Hochzeit
Magda Wallburg’s und Fritz Gefes
heinr’s gefeiert worden.
Wallburg hat seinem Schwieg—ersoh
ne einen feierlichen Eid geleistet, sich
nicht in die Erziehung seiner Kinder zu
mischen
I
I
l
— —f-f - ...«...
»Da habt s mt nur halt-et. «
Unter den Münchener Lohntuifchern
befindet sich eine ersteckliche Anzah7,
welche Witz und Laune besitzt Die
Leute sorgen für die Unterhaltung
während der Warteduuer auf den
Stande-lösen indem sie entweder die
Passantem andere Fuhrwerttlenten
oder auch die eigenen Standesgenossen
zur Ziesscheibe derben Spottes machen. !
Einer der Iidelflen dieser Kategorie ist4
der Lohntutfcher Xewer Z» eine wies-!
lich possirliche Figur; wiirde sein Spitz
name nicht unter allen Fiatern so gut
bekannt sein, wir dürften denselben der
Kuriosität wegen ansiigen, »so aber be
gnügen wir uns mit einem kurzen Be
schrieb: Der Xaderl ist eine wohn-arch
spickte, etwas über hundert Kilo schwere
Person mit einem scheibenrnnden, zie
gelrothen Gesichte, kleinem blonden
Schnurrbiirtchen, einem nicht gerade
reisenden Stumpsniischen von ders
Form eines Champagnerstopsels, an!
den beiden -Ohrliippchen prangen gol
dene Ringe, der Lackcylinder ist etwas
inach linls gesehn die eine der gewalti
Jgen Tatzen spielt in den Mußestunden
sortwiihrend mit »der Uhrtette von soli
dem Eisen, einer Pserdetinnkettr. Ver
gegenwärtigen wir uns noch eine kleine
Episode am Standplah Centralbahn
hof, als gerade cherl Erster an der
Tour ist. Plaudernd und lachend un
terhält sich eine Fiaiergruppe; die
Häupter hängend und Ohren gesenkt in
Kniebeugestellung harren die Its-finan
ten eines kleinen Danerbausesx da naht
ein Fremder, mit Plaid und Feidstecher
ausgerüstet; ein Fiaker raunt dem
Xaverl zu: »Jetz’n timmt wass« Der
Xaverl betrachtet den Ankömmling über
die Schulter, dieser springt nicht in den
ersten, sondern in den dritten Wagen,
hat aus einen Griff den Taris hervorge
holt und kommandirt barsch: »Sieges
thor!« Schadensroh sagt der Xaderl:
»Bravo Bennii Da is a Fufzgerl
g’schmied’t, smi hast nur haibet.« Ein
gealtertes Fräulein wendet sich an Xa
verl mit der naiven Frage: »Was to
stet eine Fahrt nach Haidhausen Z« Be
dentlich zuckt der Xaverl die Achsel und
meint: »Ja! Woadhaus’n und Wand
haus’n is a Unterschieds« »Nun ich
meine bis zum ZitstemvirthP »Si·ib·.«
sagt er, gnä’ Fräuln, da temma’s mit ’n
Tramtvay am schnellsten um zwanzg
Psenni hin, dort’n tinunt grad ider
rechte gen, tummean Ehna, funsi
müaßen’s a Stund« wart’n.« Ein
dicker here pseist am Sterngarten aus
zwei Fingern, der Xaverl ist mit einem
graziösen Sprung ausf dem Bock, sein
wodldressirter Trakehner bekommt von(
selbst Leben und Bewegung, wohl setzen
:noch drei Konkurrenten Galopp an,
ladet Xavekc ist mühen-s Erste-, kenn dies
Peitsche würdevoll·alsEhrenbezeugung,s
nur die Worte: Newbergdaus«n und a;
Stünderl im Englischen Garten uma-;
nand« werden gewechselt und dahini
geht es. Die Geschäftsprattiten drin-:
gen gerade die gewandtesten Qui-nim
scher am häufigsten mit den bestehenden
ortspolizeilichen Vorschriften in Kon
flikt, und wegen mehrerer Uebertretun
gen derselben hatte sich sheute der Xaverl
vor dem Strafrichter zu verantworten»
Der Richter sagte: »Warum haben
Sie denn Einspruch gegen diese drei
Strafmandate erhoben, Sie wissen!
doch, daß Sie von den Zeugen überführt
werden und daß daan die Verband-;
lungstosten auch noch auf Sie kam-«
men.« Angellagter: »Da haben’s mi:
snur halben here Rath! J laß verhan-I
deln, daß mer uns a mal aussprechaj
iönna, wenn i die Zettl alleweil glei;
,zahlet, na wüßt’ i steht nimmer, wa-!
stunk Um sein Geld mueß mer doch no!
ired’n dürfen, und außerdem shad’ i gleij
idrei Zettl z’samm lemma lass'n, da-j
;mit’s toane drei Verhandlungen giebt.
s Sie wissen scho, daß i- a guate haut bin
lund daß i erst ted’, wenn’s mir zldict
wird. aber dös gang ja nimmer ’rum,»
wir war-us schön gnua. Dös is scho
ganz aus, was Unseroaner zahl’n mueß, z
wir Fiasker san die reinst’n Staatser-!
haltet. Bist a mal net auf d’ Minut!
f
am Bahnhof beim Passn na qustk
Deine füns Martl, dagegen d’ Eisen-l
bahn schreibt ganz tützl an: Der Ber-i
liner Schnellzug hat eine Stunde Ver
spätung, und Jedem mueß recht sein«
Unseroaner darf sich nur um a Minnt’n
irren, wenn er a Fahrt ausrechnen glei
san’ö da wegen lleberforderung, bei ver
Eisenbahn heißt’s so viel lossts und
bös lost’ts aa. Neulings will i recht
höflich sein und sag’ zu an Nanschirtag
werter: Sie, Herr Bremsprügelaspiix
rant, is der Lindauerzug schon eine-H
Sagt der Mensch, der bei der Verkehrs
anstalt so viel is wia d’ Brems’n an
mein Brummer: Wenn’s no mal so
was sag’n, saß i Ehna wegen Amts
äbrenbeleidigung und laß a mal a war
nendes Beispiel exempeln, Sie Gattu
arnbt gegen an Betriebsbeamten Jenes
Mint a mal, i bin doch a altboaris
scher Freiherr gegen Lden Beamten, zahi
mehret Strafen nnd Steuern als so a
Mensch verdient, hab meine eig’ne Uni
torm nach der Vorschrift a Zeugh bös
si’ g’wasch’n hat« von die zwoa Araber
gar net z'ted’n, und i sbin der Neambt
gegen denkt Da hört W do’ derØmiieis
hanvel ans, wenn so a Soasassieder aa
no' wer mar. Jefn schaug’n’s no’
die Büldung an, die von uns verlangt
wird. Möcht Dann- nach Sendling urn
a Fussgerl sahen na« vörsst bettek net
g’n: a Markt tost’t mel’ Steck’n,
ondern höchstens: J ltab Vi so tief, so
tles . .. a Markt is der Tons-. Nen
: lings saht i an Berliner Durch b’ Send
lingergass’n, verbitt’ sich ver re, daß
i net an’s Sendlingertbor hi abr, unv
knoant: det olleRabennest sälltein. J
muasz die Ehr von der Stadt Münta
rett’n und mach eabm weiß: bös That
stellt si’ nur aus Kohl so baufällig, bei
uns sallt höchstens a Neubau ein, der
weil san mer glücklich durchteinma.
Gestern moant a so a Allerweltstritisk
rer: »Sag’n’s,a mal, Sich-wagen wa
rum darf in- München toa Velozipedist
in der innern Staidt und Neamt mit an
Kinderiwagl in der Maxmilianstraß’n
aus’n Trottoar sah’n?« Dös is steili’«
a schwierige Sach’, hwb i g’sa-gt, aber
was i woas, müeszt sonst im Hofbriiu
haus a Radlreniis baut wer’n, und. in
der Maxmillianstraß’n san die Trot
toar z’btoat, da nehmet’n sich die lloa
neumodischen Kinderwagl z’min-ber
aus. Sä, bös hat er selber glaubt.
Was also den oan Zettl wegen der
Zuvielsorderung anlangt, somueß i
sag’n: da bceb’ns mi nurhalbeU Wis
sen’s es giebt so Leut, die möchten edel
miinnisch fahren und sbettelsmännisch
zahl’n. Wenn Oaner beim Einsteig’n
scho’ z’-bandeln anfängt, oder nach’n
Tavis fragt, da bin i scho' weg. A rich
tiger und gebüldeter Mann der steigt
ein. »Schtvwger in d« Karlstkaß’n"
micht st’ brpat, steigt aus und sagt:
»was tost’s?« »Dbs wissen·s selber,
Herr Grcsz na springt a Marti. Von
so an Herrn muesz mer Respekt hom.
Oder d’ Paulina vom Oberpollinger
»Herr Xavek, a paarmal um d’ Ring
linie, mir brummt der Kopf vo bautet
crust-, obi-, eina-, aus-L umandergehn«,
na, da seit sie nixn, beim Lachendem
drahst W z’etstmal um: »Sä Fröukn
Paulina hörn’s nixn?« »Na! was
denn t« »Bei den Lachenden gebt jecn a
G’schtift,gkad zapsas wiedetan Ditsch’n
an. »Ei ja seeli. sagt·s, nehmens a
Maßl mit und schangn's ob d' Cilli aa
vorn bedeani. Daß Eim Gatten der
Klosterbtäu b’ Feiiuln Paulina, bös
boaszt i, no’ a paar hasekl ausschleckt,
bös is« selbstverstän«blich. — Sehgn’s
bös san Beim-schön Wenn aber a so a
Psennigsuchsek loa G’siibl bat, wie a
Ampbi i, nachet iö’ eabm Unseroaner
laut gesetlicher Vorschrift nach alle Ar
titl tin-d Patigtas’n preisgeb’n, und net
blos, baß b’ nixn veweanst, streiten und
itgetn mußt di’ und hinterdrein timmt
no« a Strafzetti. Wenn’s so sut geht,
acher gibt’s bald toan zünstig’n Fiatekf
mehr, und i für meine Wensigleit, laß
mi’ von an Doktor entsett’n und wert-«
a Packttäget zu Belozipeb. So jetzt
sprechen’n mi« stei, sonst is ’s Unglück
fertig nnd mich haben’s aus’n G’wis
sen.«
Die ledie melancholische Wen-hung
in dem großen Speech loes Angellagten
tief ungetheilte Heiterkeit her-von Der
Xavetl betrachtete die Zubötek mit ge
radezu komischen Wuibblicken. sähe-end
sein Gesicht sast Lilasatbe bekam. Die
zwanzig Mart Geldstrafe wurden aber
aus sechs herabgesetzt »Ja da habt’8
mi’ no net a mal halbet«, kies er aus
und verschwand pseilschnell aus bem
Saal.
Jmmet Jurist.
Gerichtsrath (zu seiner Tochter):
». . . Jch sage Dir, Emilie, wenn Du
Dein schroffes Benehmen der Herren
welt gegenüber nicht änbekst, so bleibst
Du in 1., 2. und B· Instanz siyen!«
Fein unterschieden.
Ebemann lam Bette seiner newösen
Frau, die immer jammert): »Und so
geht es jetzt seit Jahren fort, here Ge
beimratbl . . . Ach, ich fürchte, meine
liebe Frau ist unbeilbar!"
Arzt (leife): »Unbetlbar, mein Lie
ber, möchte ich sie nicht nennen, aber
unverbesserlich ist sie sicherl«
Eine fonderbareftuh.
»Na, hören Sie, so eine entsetzlich
magere Kuh bab’ ich mein Lebtag noch
nicht gesehen!«
»Ja, lieber Herr, das kommt davon,
weil sie gar so viel abergläubisch is!«
»Wie, abeegliiubisch?«
»Ja, sie frißt durchaus nix ander’s,
als vierblätteriaen Mee! . . Da muß
das Vieh ja balb verbungeen!«
,
NW -«·.
Selundärbabn - Betriebs
b i n d e r n l ß.
Stationdvorstanw »Na, kommt Jbr
endlich einmal! . . . Die paar Leute
und eine bakbe Stunde Verspätungl«
Zugfiihrer: »Ja mein! haben uns
ja die Malesizbub’n, die hiesigem in
hippelswalde ’n Schwßwagen an ei
nen Baum gebunden!«
Ein hoffnungsvoller Rock.
Kunde: »Der ldvorze steck. den ich
bei Ihnen vor-i Woche gekauft, ist sehr
schlecht! Glei im ersten Regen ist er
roth ewordenl«
Te dler: Les-, wenn er roth gewor
den- ist et is Usch Uschk ACUO ichlschW