Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 12, 1896, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags -.Blatt.
Beilage des ,,Anzeiger nnd Herold« zu No. 4o, Jahrgang IS.
Z P. Wind-MAY Ictausgebcr «
Gkaiis Jscanvfsjizbkiiskag den 12 Jüiii jäh-C
Femileton
che»-.—-«. .«- .
Dänningyaufm
Roman von Claire v. Glürner
Guitton-m
»Bisher lornrnt dir denn diese Wis
senfchaft liebe Johanna?« fragte Ma
elone, während der Freiherr wieder
schweigend auf und nieder schritt.
Als ich m s Dorf gehen wollte, war
Johann Leopold im Begriff, fortzu
fahren,« antwortete sie. Er nahm
rnich nnd mein Packei bis an’s Pfarr
haus mit . . .'«
«Uns nicht einmal Adieu zu lagen,
finde ich merkwürdig!« rief Magelonr.
Hildegard trat zu ihr.
»Kind, er hat dein zärtliches Abmah
nen gefürchtei,« sagte sie spöttisch,
«oder ist es ihm in der zwölften
Stunde eingefallen, ein Verlobungsge
schent herbeizuschaffen."
Magelone zuckte ungeduldig die Ach
seln. In diesem Augenblick tant der
alte Christian mit der Lampe; gleich
darauf trat Otto herein nnd gab dem
Freiherrn einen Brief«
»Von Waldemar,« sagte er; »ein Er
«presse hat ihn aus Thalrode gebracht.«
.Absage —- das wußt’ ich ja!'· flü
sterte Hiidegard
Der Freiherr setzte sich an’s Licht
und begann zu lesen; sein Gesicht
wurde immer heller, und ehe er mit der
ersten Seite fertig war, rief er:
»Das nenne ich überrafchen! Eine
größere Freude hätte mir der Junge
nicht machen können. Er hat sich ver
lobt!«
»Wal-demar! —- Verlobt?« —- Mit
wem?« riefen verschiedene Stimmen
durcheinander
»Hört ihn felbst,« ssgte der Freiherr.
»Der Brief ist aus Wien. Die dringen-i
den Geschäfte, die ihm Weihnachten
nicht erlaubt haben herzutornmem ten-«
nen wir nun. Also.hört: — den Ein
gang erspare ich Euch —- — hier:
»Seit gestern der glücklichste der Men
schen« —- nattirlicht — »Meine Braut,k
Maria Therese Antoinette Walburg, ist
die zweite Tochter des Grafen Anton,i
paupt der älteren das heißt proteftaml
bischen Linie. Jshre Mutter ist- einel
Rothtirax die Großmutter-, Theo
bore Klaufenburg, hast du gekannt,
lieber Großvater Antoinette soll ihr.
ähnlich sehen. Sie ist achtzehn Jahre
alt, hat hellbraunes Haar, blaue Au-«
gen, herrliche Farben; ist groß und träf
tig, wie alle Klausenburg'schen stauen,
aber, unter uns gesagt, graziii er und
eleganter. Jhre Güte, ihre Bescheiden
hett, ihr kindlicher Frohsinn erobern ihr
alle Herzen« —- und so weiter, und so
weiter! Das geht noch lange in die
sem Tone fort und· besagt nicht viel,
denn der Junge iit verliebt. Aber die
Familie ist ut —- und dies Kind wird
ja wohl ni t aus der Art geschlagen
sein. —- Gott gebe seinen Segen!« J
« Tante Thele trockneie die Augen;
der Freiherr stand auf und..ging wie
der im Zimmer hin und her
»Morgen feiern wir Doppelverlob
ung und so bald ais möglich Doppel
hochzeii!« sin er noch einer« Weile
wieder an. «Ziese große unerwartete1
Feudei Ader alle meine Dönning
«user sollen sich mit mir freuen. —--’
Ein Fest will ich ihnen geben« von dem.
noch Enkel und Urenkel sprechen sollen.’
—- Und du« Theilu, laß dir vom Reui
amtmann auszahlen. was du zum Aus
bau deiner Kleinkinderschule drauchst.«
»Liebe: Johann, ich danke dir tau
«-n-dmal!« rief sie vor Freude errö
nd· indem sie zu ihm ging und ihn
Marmtr. ·
»Schon gut, Schwester, schon gui!«
Hgie er und machte sich von ihr los.
»Nun aber rasch! Zündei den Weih
nachtibaum an und holt die Kinder —--—
ich will fröhliche Augen sehen!'«
»Noch wenigen Minuten strahlte das
Zimmer im magiichen Lichterglanz des
Weihnachtsdanmei; Kinder-stimmen
jauchzien, und verlangen-de händchen
streckten sich nach den lesten im Tonnen
grün verborgenen Süßigkeiten aus« die
ihnen der Urgroßvater reichte· hildses
gard und hebtoig tauschten hocherregt
mit Magelone und Otto ihre Kennt
nisse iiber die Walburg’s und Roth
tirch’s aus«-nd Tante Tihetla lauschte
aus das wachsende Toben des Windes
,.Wo nur Wildenhann’s bleiben, und
Johann Leopolb!« sagte sie; »so schnell
wie der Expresse mit dem Briefe hätte
sein Wagen doch auch zurück sein
müssen.«
»Vielleicht wartet er auf denAchtnhr
zug," meinte Johanna. «
»Wenn ich wüßte, daß er das in
Thalrode thut, möchte ich einen Boten
hinschicken,« sagte die.Tante. ,,Freilich,
wenn er in der Stadt geblieben ist · ."
Sie vollendete nicht: der alte Chri
stian kam und bat, daß Johanna einen
Augenblick hinaustommen möge.
»Was gibts denn?« fragte Tante
Thetla.
»Es wünscht Jemand das gnädige
Fräulein zu sprechen,« antwortete der
Alte in sichtlicher Bestürzung. Jo
hanna. die an Christine dachte, ging
schnell hinaus, um weiter Ertundigum
gen abzuschneiden; aber statt der Er
warteten stand ein Mann da, eine gro
ße, breitschulterige Gestalt.
»Liebe Johanna!« sagte er vortre
tend und streckte ihr die Hand entgeq
gen.
,,Ludwig!« rief sie jubelnd; aber
dann fiel ihr auf, wie bleich er aussah.
»Um Gottes willen, was ist dir wider
sahren2« fragte sie, indem sie seine
Hand in ihren beiden festhielt. »Was
führt dich hat«
»Ich tomme von Hannover, vom
Sterbebette eines Freundes,'« sagte er,
.uber das ist's nicht, um was es sich
handelt s-— laß uns beraihen«
Sie flüsterten eine Weile mit einan
der dann folgte Ludwig dem alten
Christian in das obere Stockwerk «- o
hanna tehrte in das Wohnzirnusk II
rück.
Mit zö ernden Schritten ging Dust
den Freitserrn zu, der jetzt, dps des
Kindern umgeben, am Feuer saß.
»Lieber Großvater,« sagte sie, hin
ter seinen Stuhl treiend, so daß er ihr
Gesicht nicht sehen konnte, »mein Pfle-;
gebruder, Doktor Ludwig Werner, ist
geiommen.«
»Dottor Ludwig Werner?« wieder
holte der Freiherr-· a, ja, ich besinne
mich . . . Nun, wo tecit er denn?"
Johanna rang nach Athenr
- »Er ist nicht zum Besuche gekom
men,« sagte sie. »Er war in Han
nover undJoollte direkt nach Linden
bad zurück, aber als der Zug in Thal
rode hielt, ist Johann eopold beim
Aussteigen gefallen . "
i ,,Todt!'« schrie der Freiherr, indem
erooon seinem Sessel auffuhr. » Sag’
gleich das lehte Wort! —- tein langes
Qualen und Vorbereiten,« fügte er
hinzu, während seine Schwester zu ihm
jtrat und seine Hand faßte.
»Nein er lebt, oerlaß dich daraus!«
sagte Johanna. »Er ist nur betäubt
von dem Fall, darum ist Ludwig mit
hergekommen Sie haben ihn in sein
Zimmer gebracht.«
Einen Augenblick war es, als ob der
Freiherr in sich zusammentnickte, aber
mit einer gewaltsamen Anstrenng
richtete er sich auf. «
»Komm’, Thetla!« sagte er mit ht
loser Stimme. »So lange ersioä CO
met, wollen wir die Hoffnung f -
lienR
l
Zehntes KaplteL
Es war ein trauriges Neujahr für«
Dönninghaufem Statt des beabsichtigq
ten Doppelfeftes mit seinen heitereni
Zutunftsperspektiven ein Krankenla-"
ger, das von Stunde zu Stunde mit
schwereten Sorgen erfüllte. Johann
Leopold war noch immer nicht zum Be
wußtsein gekommen; der alle Haus
arzt zuckte rathlos die Achseln, und der
aus der Stadt berufene Medizinalrath
erklärte dem Kollegen daß seiner An
sicht nach Johann LeopolW Zustand in
Tod oder Jrrsinn enden müsse. Nur
Ludwig gab die Hoffnung nicht anf,
ließ dem Kranken unermüdlich lalte
Umschlöge auf den Kon legen und die
Ruhe feines Wesens flößte auch seiner
Umgebung Muth ein
Der Freiherr wollte sich auch darum
nicht dazu verstehen, ihn fort zu las
sen.
»Bitte, bleiben Sie! — Wenn Sie
augenblicklich auch noch so wenig für
den Kranken thun können, Sie erzeigen
mir eine Wohlthat durch Jhr hier
fien," sagte er, als Ludwig um einen
Wagen nach Thalrode bat.
»Ja, wenn Sie irgend können, blei
ben Sie bei uns!« fügte Tante Thekla
hinzu, und Ludwig wars nicht im Stan
de, den Wunsch des alten Geschwister
paares abzuschlagen.
Am Neujahröabend hatten sich einige
der jüngeren Familienmitglieder im
Wohnzimmer zusammengefunden.
Hedwig, die zuletzt gekommen war.
trat fröstelnd an den Karnin und streckte
die Hände nach der Flamme aus. «
" »Mich friert bis in’s Herz hinein,'«
sagte sie. »Eben ging ich am Banki
saal vorüber, die Thitr stand offen; im
Lampenlicht, das vom Gange hinein
fiei, sah ich die lange weißgedecite Ta
fel und dachte, wie bald vielleicht ein
schwarzes Gerüst da stehen wird. Ich
wollte, wir wären fort!———aber Eduard
sagt, wir müßten aushalten.«
»Natürlich müssen wir das-l« ries
Hildegard »Was würde Großpapa
von uns denlen, wenn wir ihn jetzt al
lein ließen? —- Jn solchen Zeiten müs
sen die Familienglieder zusammen
stehen«.
» ch wüßte nicht, daß unser Zusam
men tehen etwas niihte,« sagte Mage
lone. ,,Johanna ausgenommen, die das
für sorgt, daß Großpapa und Tante
Thetla am Kranienbette nicht verbun- l
gern . . .
»Dasiir würde auch olme sie gesorgt
werden, « fiel Hildegard ein. Uebrigens
wenn sie die Martba spielen will, magt
sie s thun — —- unsere Aufgabe ist eine
andere schwerere, am Todtenbette und
beim Begräbnis «
»Wie könnt Jhr gleich an Tod unt-l
Begräbniß denken, wenn Einer malj
sein Fischen auf dsn Kon fäll t!« rief;
Magelone, siand auf und trat in eine!
der Iensternischen. Hildegard lachte
spöttisch
»Die Geschichte vorn Vogel Strauß,« i
sagte sie. ;,Aber was geschehen soll, ge
schieht, und wenn man noch so fest die;
Augen zumacht«. I
»So glaubst du auch, daß er sterbenz
muß?« fragte hedwig I
i
l
»Der Medizinalrath hat ihn aufge
gebe-Mr antwortete Hildegard. Hed
wig starrte in’ö Feuer; nach einer Pau
se sagte sie iaurn hörbar: l
»Wenn ee stürbe, wäre Bruder Otto
Majoratserbe.«
»Und die übermüthige Magelone!
stände ,,vis-a-ois de rien," fügte Hil- .
degarb hinzu. »
»Das glaube ich nicht —- sie würde
höchstens den Bräutigam wechseln, sieh’
nur!« sagte hedwig und deutete nach
rückwärts. Sie hatte im Spiegel ge
sehen, daß Otto von idem Tische, wo er
Zeitungen gelesen, aufgestanden und
zMagelone nachgegangen war.
! Hildegard lächelte mit überlegener
iMienr.
I »Sei ruhig« gab sie zuversichtlich zur
FAMon »für den unliedmöwiirdigen,
lmenschenscheuen Johann Leopold war
iMagelone passen-d, aber Otto kann,
Ewenn ihm die Erbschaft zufällt, auf ei
ne brillante Partie Anspruch machen
und wird es thun Jch tenne unseren
Bruder.«
Sie wäre vielleicht nicht so zuversicht
lich geblieben, hätte sie das Gespräch
am Fenster erlauschen können
»Bist du traurig, Magelone?« fragte
Otto, indem er die Hand der juisen
sFrau erfaßte; »grämst du dich um
Johann Leopold?« ·
»Grärnen. nein —- geärgert halte ich
mich über deine Schwestern,« antwor
tete sie »Ich lann’s nicht leiden. wenn
man die Mücke zum Elephanten macht.
Denk nur« sie reden ganz tragisch von
Tod und Begräbnisz.«
»Du haft Recht — es ist durchaus
nicht nöthig, jetzt schon die Hoffnung
aufzuricme sagte Otto. »Aber ist es
nicht auf der anderen Seite natürlich,
daß sich unsere Phantasie alle Möglich
teiten vorstellt? —- Auch ich, Magelone,
so sehr ich msich sträube. schwarz zu
sehen. habe mich seit dem Unfall immer
fragen müssen, wie dir zu Muthe fein
würde wenn — —- wenn wir Johann
»-«»— -.- -.. — .. . . ---.».—,.-—-.. -.—.....—————.. —
Leopoid verlören?« und indem er sich
niederbeugte, daß fein Athem ihre Wan
ge treifte, fügte er leiser hinzu: »Mitt
de du dich grämen?«
»Ich würde sehr traurig sein, wie
wir Alle,« sagte sie dann
»Nicht wie die Braut, die den Gelieb
ten verliert?« fragte er wieder.
Sie sah schnell zu ihm auf, dann
schlug sie die Augen nieder.
«Kom·odie spielen kann ich nicht,«
flüsterte sie. »Aber was quälft du
mich? —- was geht’s dich an ?«
Sie wollte ihm die Hand entziehen,
er hielt sie fest
»Magelone,« flüsterte er mit leiser,
leidenschaftlich bebender Stimme, ,,hast
du noch nicht daran gedacht, daß, wenn
Johann Leopold stirbt, ich sein Erbe
bin? —- Verstehe, was das sagen will
—- — auch du wirst dann mein!'·
»Stillt unterbrach sie ihrs halb un
willig, halb erschreckt. »Um Gottes
willen, still! —- ich will nichts weiter
hören!« und indem sie sich ungestüm
losmachte, kehrte sie zu Otto’s Schwe
stern zurück.
Aber seine Worte waren auf em
pfänglichen Boden gefallen Mage
lone mußte immer wieder n die Mög
lichkeit denken. die er ange eutet hatte,
und ihre Phantasie malte Zukunft-Wil
der aus, die auf sdieser Möglichkeit be
ruhten. Selbst ihre Empfindung war
anders geworden. Otto’s Worte an
diesem Neujahrsabend mußten mehr
kgetvesen sein als ein koletieå Spiel,
und ihr Herz antwortete in lauteren
JSchliigen als bisher. Vorübergehend
Itam wohl das Bewußtsein eines Un
srechts über sie; dann weinte sie, fand
Esich grenzenlos unglücklich, aber sie
suchte Trost im Weitrrträumen, und
wenn sie mit Otto zusammentam lag
»in ihrem Ton, ihren Worten und Bli
cken eine unterdrückte Erregung, die
iihrem sonst so kühlen Wesen einen
meuen Reiz verlieh. Otto war, wie er
sie-T selbst gestand, sterblich in sie ver
ie t
Tage vergingen, ohne daß in Johann
Leopold’s Zustand wesentliche Ver
änderungen eingetreten wären. »Alles
beim Alten!« war die troftlose Ant
’wort, die der Freiherr immer wieder
Hauf die Ertundigungen der Seinigen
sgab, und dann ging er finster umher
oder saß schweigsamer als je zu Häup
ten der Tafel. Der Einzige, mit dem
er sich zuweilen in ein Gespräch einließ,
war Ludwig.
I »Wenn ich nur begreifen könnte,
was Großpapa an dem arroganten
iMenschen findet, « sagte Hildegard i
:»Et kommt und geht und spricht seine
Meinung aus, als ob er ganz zu uns
igehörte Aber freilich, wo sollen solche
Leute Manieren lernen!«
Magelone sagte:
i ,,Aso das ist der vielgepriesene Pfle
gebruder, Johanna s Jdeall —- ein
Bulldoggentopf auf einem Elephan-l
ienleibe.«
Eduard und Karl erklärten ihn,
nachdem er eine Cigarre mit ihnen ge
raucht hatte, für einen prächtigen Bur
schen. sOtto san-d ihn zu langweilig
und Tante Thetla nannte ihn »das
beste, mildeste Gemüth der Welt,«
während sich Johanna immer wieder
durch seinen spötisch-herben Ton ver
letzt fühlte ·
Am zweiten Tage nach seiner An-!
kunst hatte sie ihn zu einem Spazier-!
gang aufgefordert. Als-sie unter dem!
grauen Winterhimmel hingingen, eine«
Kriihenschaar irächzend vorüberzog,
und der Schnee unter ihren Füßen
knirschte, sagte Johanna:
»Das ist wie in der guten alten Zeit,
wenn du zu den Weihnachtsfereien nach
Haus kamst. Weißt du noch, wie wir
dann umherstreiften, um unsere Som
merplätze im Wintertleide zu sehen?«
»Ich weiß es," antwortete er, »aber
junsere heutige Wanderung würde uns
Inicht daran erinnern. Damals gingst
du nicht nur zufällig denselben Weg
mit mir; meine Heimath war auch die
;deinige. Vergiß nicht, daß du seit-dem
jdiese Heimath verschmäht und Dön
"n-ina-hausen gewählt hast.«
l »Ich hoffte, du hättest meine Gründe
Hderstanden und gebilligt,« sagte er.
»Verstanden, ja! —- gebilligt, nein!«
antwortete er und gab dem Gespräche
seine andere Wen-bang.
Wenige Tage später-, während einer
der Familienversantmlungen im
Wohnzimrnet, sagte er: -
»Ich glaube doch, liebe Johanna,
daß du Talente zur Schauspielerin ge
habt hättest. Es ist bewuswderungs
würdig, wie du deine Rolle als »Mä
diges Fräulein« durchsührst. Selbst
die Huldigungen dieses saden Reute
tenants, die dir geradezu unerträglich
sein müssen, nimmst du so gnädig aus,
daß Jeder, der dich so kennt wie ich,
sich täuschen lassen könnte.«
Johanna wurde roth.
»Du irrst! ich finde Vetter Otto an
genehm; ich unterhalte mich gern mit
ihm,« antwortete sie; Ludwig lachte
bitter auf.
»Dann muß ich dich noch mehr be
wundern,« sagte er. »Jn jeder Lebens
lage nicht nur scheinen, sondern sein
können, was die äußeren Verhältnisse
verlangen . . Wünsche und Urtheile
dem Wechsel der Umgebung anpassen,
welch’ ein seltenes wunderbares Ta-»
lent.« « .,
»Du vertennst mich!« rief sie ge
tränkt.
»Das habe ich immer gethan!« gab
er bitter zur Antwort.
Jm Augenblick fühlte sich Johanna
durch solche Aeußerungen verletzt, aber
nachhaltig zürnen konnte sie Ludwig
nicht. Vielleicht hatte sie die leise Ah
nung, daß sein Mißtrauen und Miß
verstehen getränkter Liebe entsprang,
oder ihr Herz war anderweitig zu sehr
beschäftigt. Zur Erklärung sagte sie
sich selbst, daß sie dem Jugendfreunde,
um des Beiftands willen, den er Jo
hann Leopold, dem Großvater und
Tante Thetla leistete, alle Härten sei
nes Wesens verzeihen müsse.
Seit einer Reihe von Jahren war es
eingeführt, daß die Weihnachtsgäste
den Dreitönigsabend noch in Dönning
hausen verlebten und am siebenten Ja
nuar Abschied nahmen. Am Morgen
des Sechsten standen die beiden Wil
denhain’schen Ehepaare mit Otto und
»Magelone zusammen und beriethem
ob sie unter den jetzigen Verhältnissen
wie gewöhnlich abreisen oder ohne
Weiteres bis zu irgend einer Entschei
dung bleiben, oder den Großvater nach
seinen Wünschen fragen sollten.
»Ich muß fort, mein Urlaub geht zu
Ende,« sagte Otto, und leise, nur
Magelone Verständlich, fügte er hinzu:
»zum Begräbnß komme ich wie-den«
»Du sollst nicht so sprechen!« ant
wortete sie vorswurfsvoll Gedacht
hatte sie dasselbe.
Jn diesem Augenblick trat der Frei
herr ein.
,,Kinsder!« rief er auf die Gruppe
Izu-gehend. »Danit Gott mit mir —
Johann Leopold ist außer Gefahr.«
Ein vielstimmiger Freudenruf gab
Antwort; daß Otto stumm blieb,
wurde nicht bemerkt. Magelone trat er
blassend zurück; sie schwankte. Etdu
ard, der ihr zunächst stand, sprang zu,!
die Halbohnmächtige zu stützen.
,,Laß nur, es ist nichts!« sagte sie
und machte sich los. Der Freiherr
)
wurde aufmerksam
»Liebe Magelone, fasse dich!« sagte
er freundlich, indem er zu ihr trat;
aber sie tonnte seinen Blick nicht ertra-·
gen, beugte sich nieder und küßte ihm, l
in Thränen ausbrechen-d, die Hand. ;
»Unsmn, Kind! Jetzt ist ja Alles guts
Komm’, komm’, wer wird sich so gehen
lassen!« ries er, indem er sie zum näch
sten Sessel führte, dachte er: »Sie ist
doch ein warmherziges kleines Ding
und hat den Jungen lieber, als ich
gl—aubte.«
Zum Lohn richtete der Freiherr seine
Mittheilungen speziell an sie. Aus?
sührlich mußte sie hören, wie Johann
Leopold nach und nach zum Bewußtsein
gekommen war und Grostoater und
Tante erkannt hatte.
»Jetzt schläft er,« schloß der alte
Herr, »Christian und Thetla sitzen bei
ihm und bewachen seinen Schlaf, wie
die Drachen das·Gold; aber sobald er
aufwacht, sollst du ihn besuchen, liebes
Kind«
Ludwig war eingetreten und hatte
die letzten Worte gehört.
»Verzeihen Sie, Herr von Dönning
hausen, hier muß ich ein Veto einle
gen,« sagte er in seiner entschiedenen
Weise. ,,Dem Kranken ist für lange
l
Zeit noch Ruhe nöthig, und ich bitte
dringend, daß sich außer seiner gewöhn- ·
lichen Umgebung Niemand ohne meiW--«""
Erlaubniß an seine-m Lager blicke-risk«
läßt.«
Hildegard warf dem Tollkühnen, der
sich unterfing, dem Freiherrn ohne Um
sckweife zu widersprechen, einen hoch
müthig verwunderten Blick zu.
»Lieber Großvater,« sagte sie, in der
Absicht, den alten Herrn noch mehr zu
reizen, »wenn wir uns den Anordnqu
gen des Herrn Doktors fügen müssen,
sind wir hier überflüssig und thun am
besten, morgen abzureisen.«
Sie erwartete hierauf im grollenden
Tone den Bescheid zu hören: »Ihr
bleibt und werdet Johann Leopold so
bald als möglich sehen.« Statt dessen
erwiderte der Freiherr:
»Ja, Kinder, reist nur. Zur Ge
nesung- und Verlobungsfeier kommt
Jhr wieder her.« Und ohne zu beach
ten, daß seine Enkelin tief verletzt war,
gesellte er sich zu den beiden Wildw
hain’s, die mit Ludwig über den Kran
ten sprachen.
Hildegard zog ihre Schwester an das
das nächste Fenster; Otto war wieder
zu Magelone getreten, die in einem
Lehnstuhl am Sophatische saß und ge
dankenvoll mit ihren Armbänsdern
spielte.
»Was nun?« fragte er leise.
Sie sah zu ihm auf; was die flim
mernden Augen ausdrückten: ob
Schmerz, oder Unwillen, oder Spott,
konnte er nicht unterscheiden.
»Was nun?« fragte er noch einmal
und versuchte ihre Hand zu fassen,
aber die schlanken Finger entzogen sich
ihm.
»Vorsichiig sein!« antwortete sie in
gelassenem Tone. Er wurde roth.
»Das heißt mit anderen Worten,
»daß du nun wieder Johann Leopold’s
iBraut bis ,« sagte er bitter. »Du
tmachst es wie die Hauskatze, der ist auch
Ivek Besitzer gleichgiltig — sie hängt
ieben am Besitz.«
, Fortsetzung folgt.)
i ».
I Yumoristischeg.
A n g e m e s se n.
A.: »Wie gefällt Jhnen mein-e junge
amerikanische Nichte?« «
B·: »Ganz vorzüglich! Sie sieht in
der That sehr ,,chic« aus!«
A.: »Ja, sie kommt auch direkt von
Chicago!«
———-—.0-O-s———————
Stets zielbewußt.
»Lieben Sie Goethe, Fräulein?«
s »Aber wie können Sie denken . . .
seinen Mann, der schon längst todt ist
und noch dazu verheirathet war!«
—————.s.s.
z Bele i d i g t.
« Dame: »Was wir in diesem Winter
für schreckliches Wetter hatten!«
Herr: »Ja, aber wenn Sie sich erin
nern wollen, der Winter von 1850 war
noch viel kälter.«
» Dame (empört): »Mein Herr,·das
· verbitte ich mir!«
i AAA
Modernes LiebesoraleL
Junge Wittwe (zu einem Stellt-ich
ein sich rüstend): »Ein recht stattlicher
Mann ist er ja, aber hat er auch recht
viel Gew, lieber Amor?«
Amor: »Oh, dafür, daß ich ihm eine
so reiche Wittwe zufüh-rte, hat er mir
dereimal so viel Trinkgeld gegeben wie
Du!«
— -.. . .
Klassische Definition.
Gattin: »Was ist denn eigentlich
llassische Musit?«
. Gatte: »Das ist die Musik, die Dir
gefallen muß, wenn sie Dir auch nicht
gefällt.«
Die Autographin.
Fräulein: »Bitte, Herr Maier,
schreiben Sie mir etwas Schönes in
mein neues Poesiebuch. Jch ließe es
gerne von einem geistreichen Herrn ein
weihen.«
Maier (fchreibt): »Was Du thust,
thue Gans!«