Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 05, 1896, Sonntags-Blatt., Image 7

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    WSonntags - Blatt
Betrage ves»Auz-igcr mai HeroivkszuNm 39", Jahrgang sä.
J. V. Windung-. Herausgeka
Grund Island Nebraska, den 5. Juni«1896.
FoIIjlletonz
«·"·«";s?oiin"inovaufk"np » «
Roman von Claire v. Gliimer
(Fortsetzung.)
Sie verstummte. Eine Weile gingen
sie schweigend weiter, dann suhr Chri
« stine in schüchternem Tone fort: ’
»Bitte, gnädiges Fräulein, denken
Sie darum nicht schlecht von uns! Was
siir Mühe hat sich der Jakob egeben,
unsere heirath zu Stan e zu ringen,
und als das Kind zur Welt gekommen
ist, hat er’s so lieb gehabt —- so lieb!
— Und nun liegt es schon seit acht Ta
gen begraben unter dem Schnee, und
der Jakob liegt da oben bei seiner bö
sen Schwesier, und ich muß in den
nächsten Tagen fort —-— ich habe mich
nach Oberroda bermiethet. Aber daß
ich gehen soll, ohne den Jakob zu sehen,
und ohne daß er von mir und meinem
Unglück hört, das wird mir gar zu
schw-«
Johanna redete ihr tröstend zu, ver
sprach ihr, von Jakob Nachricht zu ver
schassen — sie rechnete aus Johann
Leopold’5 Hilfe — und als der Kreuz
weg kam, der in’s Dorf hinunter führ
te, verabschiedete sich das Mädchen
mit dankbaren Worten und erleichter
tern Herzen. Gedankenvoll sah ihr Jo
hanna nach; vom Thale heraus klang
das Weihnachtsaeliiut —- wo war der
»Frieden aus Erden,« den es den Men
schen oerkiindigen sollte?
I
NeuntesCapiteL
Die Schlittensahrer waren zum
zweiten Frühstück nicht zurückgekom
men, erst zum Diner sanden sich die
Familienglieder wieder zusammen.
»War Großpapa zornig?« stüsterte
Mageione Johanna zu. Jn demselben
Augenblick wurde der Freiherr herein
geschoben und seine sinstere Miene gab
nur zu deutlich Antwort aus die Frage.
hildegard ließ sich nicht einschiich
tern.
»Lieber Großpapa, sei nicht böse,«
sagte sie mit der ihr eigenen hochmütbi
aen Vernachlässigung »Ich war schuld,
daß wir so lange ausbiiebenx ich hatte
Kiausenburcks eine Ewigkeit nicht ge
sehen; sie luden uns so freundlich ein
zu bleiben: Nein sagen war wirklich
nicht möglich.«
»Aber basz wir hier warteten. sandest
du in der Ordnung?'!- siel der Freiherr
ein. »Ein anderesmal erinnere dich ge
fälligsi. daß solche Rücksichtslosiqteiten
in meinem hause bisher nicht Sihl ge
wesen sind und es auch nicht werden
sollen . . . Setzt Euch!«
»Ich habe es euch vorher gesagt,«
flüsterte Karl Witdenhain, als seine
Frau an ihm vorüberqing
»Ihr seid alle Feiglinge!« antwor
tete sie und dann saß sie mit erhobenem,
Kot-se und zusammengezogenenBraueni
steisnackig und stumm zur Linien des,
Freiherrn.» siir den iie nicht mehr zu i
exisiiren schien. .
Einlilbia aina das Mahl zu Ende«
nur Otto sliisterte hin und wieder Jo
hanna eiwas zu. das sie lächelnd an
hörte. Dann blickte Johann Leopold
der noch bleicher und matter aussah als
aewöbnlich. von seinem Teller aus,
starrte die Beiden an versank wieder m
seine Avatbie und Maaelone machte
heute keinen Versuch. ihn auszuriiiieln
Als sie sich im Wohniirnmer von Jo
hann Leopold aetrennt hatte, sagte sie,
an Otto’s Seite tretend:
»Bitte, schlaue mir itaend eine Toll
heit vor —- ich sterbe vor Langeweile«
»Garnich- mn mik ma- sei mein
Wen-. « ·
begann er halblaut zu singen und die
ilammenden Augen waren viel leiden
schaftlicher als der dalbneclische Ton.
Maaelone guckte die Achseln
.Untinn! Das bat ia der Dichter
seldsi Tragödie aenanni « anworiete
sie. «Jch will etwas Lusiiges haben.
Aber du bist auch schon von der Dön
Hiäghausek Schwerfälligkeit enge-I
e t."
»Wie ungerecht!« ries Otto. »War’ö
nicht lustig als ich mich in Klausenburg
zu dir in den Schlitten schwang und
vor Johann Leopold’s langer Nase
mit dir davon jagte?«
Magelone lachte; Otto fuhr in lei
denschaftlichem Tone fort:
«Bis an’g Ende der Welt-hätte ich
dich entsiihren mögen. Der Gedanke,
dich in Johann Leopold’s Armen zu
sehen, macht mich wahnsinnig . . .
jwarum siehst du mich so spöttisch an?
Das soll dies Lächean
»Es sragt vielleicht, was du bei Tisch
mit derselben Miene Johanna zugeslü
stert hast,« antworete Magelonr.
»Ich glaubte, daß ich dem Befehl, ihr
den Hof zu machen, gehorchen müsse,«
sagte Otto. »Gihst du Contreordre?«
»Durchaus nicht!« rief Magelone.
»Es ifi auch besser, die Komödie wei
ter zu spielen,« fuhr Otto in ernstem
Tone fort. »Johann Leopold’s Eifer
sucht ist unverlennbar, es ist am besten,
ihn auf falsche Fährte zu bringen . . «
»Und zugleich zwei leichtgläubige
Frauenherzen zu beschwindeln,« fiel
Magelone lachend ein. »O Don Inan,
Don Juan!«
»Spiele die Don Juan-Ouvertiire,"
bat Otto; »du spielsi sie herrlich«
»Heute nicht«-heute dürften sich nur
Chorale hören lassen,« sagte Mage
lone, und mit spöttisch toiettem Blick
wandte sie sich ab und ging an das Ka
min. wo Tante Thella und die Cou
sinen saßen
Während dieses Gesprächs war Jo
hann Leopold zu Johanna an den
Kaffeetisch aetreten.
»Wie gefällt dir der neue Vetter?«
sagte er. Aber ich brauche nicht zu
fragen: Ihr scheint seit gestern Abend
Fels-on die besten Freunde geworden zu
e n.'
»Nicht seit gestern Abend,« antwor
tete Johanna mit leichtem Erröthen
»Er war bei mir gleich nach dem Tode
des Vaters und war so theilneh
mend . . .«
»Das tann ich niir denke-W fiel
Johann Leopold ein. »Er weiß über
all den rechten Ton zu treffen, dieser
neue Rattenfänger von Hameln Nimm
dich vor ihm in Acht.«
Sie sah fragend zu ihm auf, aber da
iam das leidige Erröthen schon wie
der; unwillkürlich wendete sie sich ab,
es zu verbergen, und plbßtich —- sie
hätte nicht zu sagen gewußt warum —
fiel ihr das Liebespaar ein, dem sie
Hilfe versprochen hatte. »Ich habe
ein Anliegen an dich,« sagte sie im ern
sten Tone. »Der rothe Jakob ist dabei
im Spiel.«
»Laß hören!« bat, er indem et einen
Stuhl an ihre Seite zog, und von sei
ner Theilnahme erwärmt, erzählte sie
ihm von der Scene im Föksterhause
und dem Leiden der armen Christine,
und als sich Johann Leopold bereit er
klärte, dem Mädchen zu helfen, berie
then sie, wie das am besten geschehen
könnte
»Ich bitte dich, Magelone, sieh’ dich
einmal um,« sagte Hildegard, nachdem
sie das Paar am Kasfeetische eine Weile
beobachtet hatte. ;
»So eifrig unterhalten die sich nuns
schon seit einer Viertelstunde. Nun,
wie ist’s, wirst du nicht eisersiichtig?«
Magelone lachte. «
»Eisersiichtig aus Johanna, o nein!«
ries sie mit übermütbiaetn Tone. "
»Nu: nicht so selbstbewußt, liebes
Kind!« gab Hildegard spöttisch zur
Antwort. »Trotz deiner Unwidersteh-.
licht-it hast du, so lange ich hier onus
Johann Leopold noch nicht einmal zum f
Sprechen gebracht, wie das jetzt Jo
hanna thut.« ?
»Ja, wirklich. er ist wie ausgetuscht,«j
fiel Hedwig ein. »Jetzt kann er hören
und reden —- neben dir sitzt er immer;
wie eine holzpuppe.« H
»Natürlich, die Liebe, ach, die Liebe, :
sie macht den Menschen stumm!« sagtef
Magelone mit lächelndem Munde, aber«
ihre Augen flimmerten nnd in ihrem;
Herzen re te sich eine Mißempfindungz
gegen Jo nna leise nur und schnellJ
verilin end und doch war es der Anii
sang ener verhängnisvollen Wand-I
iung im Verhältnisse der Beiden.
Am folgenden Morgen war Johanns
lLeopold itn Förfterhause beim rothen
Jatob gewesen. Als er zuriicktarn,
straf er Johanna im Corridor und er
Iziihlte thr, daß der wilde Busche bei der
Nachricht vom Tode feines Kindes bit
terlich geweint und inständtg gebeten
habe, ihm Christine zu schicken.
»Das Beste wäre, wenn du sie mor
gen früh hinauf begleiteteft,« fügte er
hinzu; »das würde ihr den schweren
Gang erleichtern, und ich würde mich
dann auch einstellen, sie bei dem Kran
ken einzuführen."
»Gewiß, ich bringe sie hin," antwor
tete Johanna; ,,um elf Uhr wollen wir
dort sein . . . O Johann Leopold,
wie gut du bist!«
Sie waren an der Wohnstubenthür
stehen geblieben. Magelone, die von
oben lam, glitt geräuschlos heran und
hörte die letzten Worte.
»Was hat er denn so Gutes ge-»
than?« fragte sie. ,,Sagt es mir —i
ich will es mit bewundern.'« i
Johanna wurde verlegen. Der Vet
ter tarn ihr zu Hilfe.
»Lasz es gut sein, liebe Magelone,"
sagte er in dem kalten, überlegenenl
Tone, in welchem er mit ihr zu sprechen
pflegte. »Du fändest am Ende nur je- s
nes unerträgliche Kolettiren mit Hu
manitiitshestrebungem das du neulich
so scharf verspottet hast«
Bei diesen Worten hatte er die Thür
geöffnet. Mit unwilligem Erröthen
ging Magelone an ihm vorüber. Wie
pedantisch, ihre Aussprüche so ernst zu
nehmen! Johanna freilich sagte der
gleichen nicht, —- sie wurde ihr immer
unangenehmer.
Der Verabredung gemäß stellte sichs
Johanna am folgenden Morgen mit
ihrer Schudbesohlenen im Fdrsterhausel
ein. Chrisiine glaubte noch immer
nicht, daß sie den rothen Jakob sehenl
würde.
»Seine Schwester bringt sicherlich
wag dazwischenf sagte sie immer.
Aber Johann Leopold’s Macht- I
spruch hatte den Widerstand der Itzt-Z
sterin gebrochen; sobald sie Johanna;
mit ihrem Schützling tommen sah, zog!
sie sich im stillem Zorn zurück und be-!
gniigte sich, durch die Thürspalte zui
beobachten, was vorging
Viel war es nicht, was sie erspähte
Johann Leopold tam den Beiden ent-l
gegen. i
»Kommen Sie, liebes Kind, der Ja- -
lob erwartet Sie,« sagte er mit einer
Freund lxchteih die den Unwillen der
Försteri verstärkte. Nie hatte er mit
ihr oder ihrem Mann in solchem Ton
gesprochen. »Fürchten Sie sich nicht«
suhr er fort. Niemand wird Jhnen
in den Weg treten; wenn es aber ge
schehen sollte, lassen Sie mich’s wissen.«
Dann össnete er das Krankenzimmer
»Christine, bist du endlich dal« ries
JaloW Stimme aus dem Hinter
grunde. Mit einem Ausschrei stürzte
das Mädchen hinein und Johann Leo
pold zog die Thitr zu.
»Komm’, Johanna, wir haben hier
nichts mehr zu thun,« sagte er und Bei
de verließen das Haus
Als die Försierin in der Wohnstube
an’s Fenster trat, gingen sie neben
einander den Waldweg hinunter. Sie
lächelte spöttisch. »
»Nein-It soll mir weis machen, daß
die dem Jakob und der Christine zu
lieb heraustommen,« dachte sie; »aber
es soll ausgepaßt werden, darauf mö
gen sie sich verlassen. Wenn ich nur
hören könnte, was sie miteinander re
den! Sie sieht"an ihm in die höhe,
ais ob er der Herr Pfarrer auf der
Kanzel wäre.«
Es war ein seltsames Gespräch, das
die Beiden führten; eigentlich mehr
ein Monolog Johann Leopold’s, dem
Johanna zuhörte.
»Die glücklichen Unglücklichen!« sing
er an und starrte mit seinen gianzlosen
Augen in’s Weite. »Schon gestern,
als Jalob um seinen Knaben weinte
und in Schmerz und Sehnsucht nach
Ehristine schrie, habe ich ihn beneidet.
Wie muß solche Empfindung die Seele
ausweiten und siähleni Aus Glück
und Unglück kommt es nicht an, nur
ein ganzes Gefühl, das den ganzen
Menschen packt und ausriittelt . .
aber wer hat das noch? Wir sogenann
ten Höhetsiehendem Gebildeten, gehen
an unserer Halbhett zu Grunde, am
FSchwankem Zweifeln, Rechnung tra
gen.«
Mit schmerzlichem Erstaunen hörte
iihm Johanna zu. Wie konnte er seine
eigene Vergangenheit, die Liebe zu der
verstorbenen Braut —- Tante Thekla
behauptete, er trüge sie noch im Herzen
—· vergessen oder verleugnen? —- Ihn
daran zu erinnern, wagte sie jedoch
nicht und sagte nach einer Pause
,,Jch glaube, du irrst, ich glaube, die
Liebe wird nicht von Rang oder Bil
dung beeinflußt — denk’ nur an meine;
;Mutter.'« , i
Er schien sie nicht gehört zu haben. i
»Dasiir werden wir denn auch ,wiei
sich’s gebührt, von halben Wünschenl
und halben Vorsätzen von Jahr zu
IJahr hingezogen. Unser Ziel scheint;
Tuns keiner Anstrengung werth —- ja,
Iwirst uns eine Laune des Glücks das
iErsehnte zu, so wissen wir taum, ob
wir es fassen und halten wollen, denn;
das Erfassen ist Mühe und das Fest-i
halten Arbeit.« I
Sagte er das in Bezug aus sich
selbst? War ihm Magelone das Er
sehnte2 Johanna hätte ihm das Aus
sprechen erleichtern mögen, aber Ma
gelone zu nennen, erschien ihr indiskret;
sie sagte darum nur:
»Ich kann mir nicht denken, daß Ir
gend Jemand zu träge sein würde, das
Glück zu ergreifen das sich ihm bietet.«
« »Das Glückl« wiederholte er mit
trübem Lächeln. »Das Glück —- wer
nur daran glauben könnte! —- du weißt
nicht, welche Kraft zum Glauben ge
hört, viel mehr, als zum leidenschaft
lichen Begehren. Darum scheint mir
der Mann, der sich topsüber, blind siir
das Unheil, das daraus entstehen wird,
in die tollste, unwiirdigste Leidenschaft
stiikzt, nicht nur beneidenstverther, son
dern achtungswerther als der Klügler
und Zweisler, der heute warm und
morgen kalt ist« nicht sassen und nicht
lassen kann —- Da steht sie vor dir die!
holde Gestalt, dein Herz klopft bei ih-!
rem Anblick, es lockt dich, sie zu besitzen,
dich ihr hinzugeben, dich an sie zu ver
lieren. Aber inmitten des Rausches
weißt du, daß sie nur ein tönendes Erz
ist und eine klingende Schelle; daß sie
dich nicht versteht und nicht zu verstehen
begehrt, daß wenn dein Wunsch er
füllt wird, all’ das Sehnen in Ueber
druß und Ekel endigen muß. Du
sagst dir, daß du nicht im Stande sein
wirst, die voraus empfundene Täusch
ung vor dir selbst zu entschuldigen,
und es kommen Augenblicke, in denen
du selbst dein Wünschen verachtest.«
Ausathmend blieb e stehen und strich
sich über die bleiche S irn.
Habe ich dich erschreckt?" sagte er
dann in ruhigem Tone. . ,,Verzeih’ mtt
und vergiß, was ich gesagt habe. Wenn
du mich länger kennst, wird dir klar
werden, daß ich mich leicht in Himm
spinste verliere und geneigt bin, Ge
spenster siir Wesen von Fleisch und
Blut zu halten.« .
Denselben Tag konnte der Freiherr
seinen Rollstuhl verlassen; er erklärte,
daß dem beabsichtigten Neujahrsdiner
nichts mehr im Wege stände, und die
Vorbereitungen begannen: Johanna
und Otto schrieben Einladungen; Tan
te Thella revidirte Keller und Vor
rathstammern und hielt Conferenzen
mit der Wirthschafterim der alte
Christian putzte das ,,Familiensilher«,
wie es Hildeaard refpektvoll nannte,
und auö der Porzellaniammer wurden
Schätze alten Meißner Geschirrs an’s
Tageslicht geschafft Maaelone war
noch unstiiier als gewöhnlich. nahm
bald dies bald jenes in Angriff, und
spottete über die bevorstehende»Staats
artion«, aber es geschah mit einer er-«
zwangenen Lustigkeit, die Johanna be
liimmerte. Hildegard blähte sich wie
ein Pfan, in der Hoffnung, durch ein
neues Sammetlleid alle Damen der
Umgeaend zu verdunkeln, während
Ifdedniig einer Garniiur venetianifcher
Spitzen noch blendender-e Eigenschaf
ten auschrieb Der Freiherr sah demL
Neujahrsdiner mit der Befriedigungs
entgegen, die der Bauherr bei der
Grundsteinleauna eines langgeplanten
Bauwerk-e empfindet, selbst vck Heka
Pfarrer war eifrig beschäftiat: er ent-l
warf einen Toast auf die Verlobung
des Maioratsherkm
WieJohann Leopold dazu stand,wäre
schwer zu sagen gewesen. Nicht die lei
seste Andeutung verrieth, daß er an die
Bedeutung des Festes dachte. Sein Be
nehmen gegen Magelone blieb das
selbe, kalt, gemessen, wie bisher. So
lange der Freiherr im Familienkreise
verweilte, war auch Johann Leopold
da ; sobald der alte Herr sich zurück
zog, verschwand auch er. Johanna, die
den Eindruck ihres Waldgesprächs nicht
losgeworden war, beobachtete ihn ge
nau; aber vergebens suchte sie nach ei
nem Nachhall jener Stunde und fing
an zu glauben, daß nicht nur Johann
Leopold, sondern auch sie selbst damals
Gespenster gesehen.
So war der Shlvester herangekom
men. Das helle Weihnachtswetter
ihatte schweren grauen Schneewolken
iPlatz gemacht, die Vom Winde ge
fpeitscht über die Berge jagten. Auch
Ider Freiherr, der seit seiner Genesung
»in bester Stimmung gewesen way-sah
heute finster drein wie der Himmel.
»Ich weiß nicht, was ich von Walde
mar denken soll,« sagte er, als er, seine
Morgenpseise rauchend im Wohnzim
mer aus und ab ging· »Seit dem Te-.
legramm vom Weihnachtsabend nichts
von sich hören zu lassen, ist start.« i
»Da er sich auf heute angekiindigti
hat, wird er das nicht mehr nöthig ge-;
sunden haben,« meinte Tante Thetla.
»So — und du bist wohl derielbens
Ansicht?« rief der Freiherr, indem erl
sich nach ihr umwendete. »Seht nur zu,
wie weit ihr mit diesen neumodifchen·
Rücksichtslosigkeiten kommt. Wie follt
es heute zum Beispiel mit dem Abholen
werden? —- Jch kann doch nicht zu je-»
dem Zuge den Wagen fchicken.« I
»Waldemar pflegt immer mit dem
Curierzuge zu kommen, der um fünf
Uhr in Thalrode ist, « sagte Hildegard,
die mit einer Handarbeit Tante Thekla
gegenübersaß.
,,Unfinn! er ist auch fchon Mittag-S
und acht Uhr Abends gekommen,« fiel
der Freiherr ein. »Aber das ist einer
lei — er mag eintreffen, wann er will,
anzuzeigen hat er’s, und thut er das-;
nicht fo wird er auch nicht abgeholt-i
bafta!« J
Er hatte in dem Tone gesprochen, 1
der keine Erwiderung zuließ. Alle
schwiegen, während der alte Hirt-,
dichte Rauchwolten aus-stoßend, seine
Wanderung fortsetzte. Nur Hildegardc
erlaubte sich, während er am andern t
Ende des Zimmers war, Tante Theklals
zuzufliifterm
»Viel Lärm um nichts! Du sollstl
sehen, es kommt ein Brief oder Tele-;
gramm, in dem Waldemar absagt. Jch
täme auch nicht, wenn ich mich, wie er, l
in Wien amiisiren könnte.«
Aber die Stunden vergingen undf
weder Brief noch Telegramm erschien.
Die frühe Dämmerung brach herein,
noch verstärkt durch den Schneefall, der
um Mittag begonnen hatte und immer
heftiger wurde. Auch der Wind heultei
immer lauter um das Schloß. F
Jn der Wohnstube brannte ein hel
les Kaminseuer; mitten im Zimmer
stand der Weihnachtsbaum, der nach
altem Brauch zu Shlvester zum letzten
Mal angezündet, vollends geplündert,
zerhackt und im Kamin verbrannt wer
den sollte. Magelone und Johanna
waren beschäftigt, die herabgebrannten
Weihnachtslichtchen durch neue zu er
setzen; Tante Thetla und Hildegard
saßen am Feuer; Hedwig stand am
Fenster und sah in das wirbelnde
Schneetreiben hinaus-.
»Wenn nur erst unsere Männer zu
rück wären,« sagte sie. »Unbegreiflich,
wie man bei solchem Wetter aus-reiten
tann.«
»Es tling schlimmer als es is, '-' gab
Johanna tröstend zur Antwort; »auch
ich bin erst seit einer halben Stunde
aus dem Dorfe zurück —- es war herr
lich, sich gegen den Wind anzustem
men.«
»Seltsame Liebhaberei!« ries Hin-e
gard. »Aber du bist doch nicht allein
gegangen?«
Ehe Johanna antworten konnte,
wurde geräuschvoll die Thür geöffnet
und der Freiherr trat ein. Es war so
ungewöhnlich, ihn um diese Zeit im
Familientreise zu sehen, dasz Tante
Thella erschreckt ausstand und ihm ent
gegenging.
»Laß dich nicht stören!« sagte er und
fing an, im Zimmer auf und nieder zu
gehen. ,,Abfcheuliches Wetter!« rief er,
als ein Windstoß gegen die Fenster
fuhr. »Ich hätte den Wagen schicken
follen; wer weiß, ob Waldemar in
sThalrode ein Fuhrwerk findet. Jetzt
;wird’s zu spät sein.«
! »Der Wagen ist in Thalrode, Groß
papa; Johann Leopold ist hingefah
ren,« sagte Johanna.
« »Und das weiß ich nicht?« rief der
Freiherr, indem er mitten im Zimmer
.stehen blieb. Seine Augen blitzten im
zFlackerlichte des Kaminfeuers.
s »Du schliefst, Großpapa, und Jo
Ihann Leopold mußte eilen, um den
JZweiuhrzug noch zu erreichen. Er
ihätte in der Stadt noch etwas zu befor
Jgen, sagte er, käme aber mit dem Vier
luhrzuge nach Thalode zurück. Wenn
Vetter Waldemar kommt, werden sie
Jsich wohl treffen.«
I ,,Freilich werden sie das-! Darauf
vist’s ja nur abgesehen — von Kindes
beinen an haben sich die Beiden in allen
dummen Streichen beigestanden,« sagte
der alte Herr, aber in so humoristischem
ITone, daß Tante Thekla beruhigt auf
athmete.
s Fortsetzung folgt.)
l f ff
j Belohnt?
! Marschall Daendels, welcher in den
ffranzösisch-holländischen Zeiten Gou
« verneur von Java war und mit großer
Kraft und Festigteit die Zügel der Re
gierung in der Hand hielt, durch sei
nen wahrhaft eisernen Willen auch Au
ißervrdentliches vollbrachte, war, wie
Esich das begreifen läßt, wenig beliebt,
.ja viel gefürchtet und gehaßt. Eines
sjTages war eine Gesellschaft von Offi
zieren bei einem gemeinsamen Mahle
versammelt. Als man die Gesund
heit des Gouverneurs ausbrachte, wei
gerte sich ein älterer Hauptmann, die
- selbe mitzutrinken, weil er von demsel
jben zurückgesetzt werde und er ihm da
kher nicht freundlich gesinnt sei. Ohren
i bläser gibt es überall. Ein solcher eilt
kzur Stunde, da das Gastmahl vorüber
:war, zu Daendels und hinterbringt
Hihm das Vorkommniß. Am anderen
I Tage ladet der Gouverneur den Haupt
s mann zur Tafel, und er muß der Ein-«
scadung selbstverständlich folgen. Gegen
kdas Ende der Tafel bringt der Ade
stant des Marschalls dessen Gesundheit
saus. Alle Anwesenden erheben sich und
» stoßen an —-— nur der Hauptmann bleibt
Tsitzen und macht es wie Tags zuvor.
YVergeblich winken ihm seine Freunde.
Er bleibt ruhig sitzen, als ginge das
Gesundheittrinien ihn nichts an. Da
springt Daendels auf, zieht seine Pi
stole und ruft ihm zu: »Mit dieser Pi
stole hätte ich Euch erschossen, wenn Jhr
feige genug gewesen wäret, Eurer
Ueberzeugung untreu zu werden. Ihr
seid ein Mann von Ueberzeugung und
Muth. Hier meine Hand! Jch er
nenne Euch hier vor Euren Kameraden
zum Major!« «
Einzige Mög lichkeit.
Jch muß mir diese Woche einen neuen
Anzug bestellen.
So? Hat sich abermals ein Schneider
etablirt I
- --.O
DivnntunhZ
Am Tage ihrer Trauung haben gnä
dige Frau laut und vernehmlich «Ja!««
gesagt.
Gewiß, und mein Gatte auch !
Und heute, nach so kurzer Zeit .".
Hat es sich herausgestellt, daß unter
Umständen zwei B e ja h u n g e n auch
eine V e r n ein u n g geben können !
............. - . - W» .. -.-..
Unbedacht.
Aeltliches Fräulein: ,,. - . .Wissen
Sie, Herr Doctoizjch lasse mich jed es
Jahr e i n m al pyoiogmphiren!«
Doctor: »Aber da müssen Sie ja
schon eine-Un m a s se Bilder haben!«
OOO
Umschreibung.
A.: »Was hat der Mann sük eine ,
Beschåstigung ?«
B.: »Der ist Menschenmaler.«
A.: »Wie ist das zu verstehen ?«
B.: »Je nun, er—schmiert die
Leute an.«