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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (May 22, 1896)
Ein böser Tag Ins dem österreichischen Milttarleben von von F. Hohes Der Zugführer Redlich vom zweiten Zug der dritten Kompagnie wri- heute offenbar mit dem rechten Fuße zuerst aus dem Bette getreten; da pflegte et jedes Mal guter Laune zu fein. Heute ifi er dazu auch noch dienftfreil »Wohlverftanden, Sterz: jetzt pa5f’ et ’mal gründlich auf, er Strohfath Daß meine Stiefel heute ordentlich ge pnstzverden und glänzen,.verftanden? Aber sofort an die Arbeit gegangen, fonft fährt ihm ein . . über die Ohren!« Der Zugfiihrer lachte über das ganze Gesicht, nnd das ganze Zimmer lachte gehorsamst-mit ihm. Redlich ist von jcher sehr liebenswürdig und hat feine Mietenx aber heute, wo er ganz be j fonverz guter Laune ist, gebt er mit feinem Pnhen dem Jnfanteriften Sterz, besonders freundlich um Er ift Soldat vom Scheitel bis znr Zehe- Den Krieg schlingt er förmlich seit dem Löffel hinab und »martirt'« ihn nicht bloß, wie es die andern «Mnttersiihnlein« zu thun pflegen. Der Jnfanterist Sterz nahm sich daher von sje ein Beispiel an ihm. Um so eifriger folgte er einein «Befehl’ feines Vorge settern - Befehl ist eben Befehl und Subikdinxtion ist Subordination,« pflegte erzu sagen So trug er denn alfo sofort die Stiefel des Zugfiihrers auf den Gang hinaus, wo bereits seine . Pech-Instrumente bereit ftanden. xJnfanterist Sterz,« tornmandirte auf ein Mal der fo eben geschwind por übereilende Feldwebel Kraupner, «stellen Sie Ihre Stiefel geschwind weg nnd-tragen Sie sofort dieses Schreiben zum Herrn Hauptmann Meier2« Ohne einen Laut von sich zu geben, fckpb der Jnfanterift die Stiefel sammt dem Putzzeug in den Winkel und eilte mit dem Schreiben davon. Es trug keine Aufschrifi. doch er wußte die Wohnung feines Hauptmannes. ,Hauptmann Meter wohnt ja nicht weit.« dachte er sich; ,einen Sprung zu ihrn gemacht, das Schreiben überge ben . . . und die Stiefel werden noch Iimnrer zur rechten Zeit fertig.« —- Ueber dies lautete der Befehl ,,iofor:« — und f- so eilte er perm. See-»F Jm naiernenuose Haue er m Der Eile bald den Lieutenani Quirin von seiner Kompagnie niedergerannt. .Na, Sie Trottel, haben Sie denn Jhre Augen nicht beisich ?« Der Reute nant zog ärgerlich an feinem Waffen rock und wischte sich mit dem Finger die Stelle ab, an welcher ibn Sterz mit seiner unsuuberen Blouse berührt hatte. Was fliegen Sie denn so?« herrschte er den erschrockenen Infan teriften an, welcher mit offenem Mun de vor ihm stand und kein Wort der »«Enischuldigung herausbringen konnte. »Ich melde gehorsamst, Herr Linne nani . . ich soll dieses Schreiben da vom Herrn Feldwebel . . . geschwind forttragen,« stotterte er endlich. »Ei, was geschwind! Zeit genug da zu! Vorher tragen Sie noch dieses Schreiben zu dem herrn-Oberlieute nani Hasner hin,« befahl der Lieute mut, indem er ihm das Schreiben in die hand steckte. »Wissen Sie, wo er «wohnt?« Es hatte ebenfalls keine Aufschrifi. »Me1de gehorsamst, ja . . . Am an deren Ende der Garnison.« »Auc- gehen Sie, aber nur eiligst-, die Sache ift wichtig!« Der Jnfanierift eilte davon wie der Wind . . ,,Sie, Jnfanteristl Wissen Sie denn nicht, daß Sie vorschriftsmäßig zu falutiren haben? « wurde er plötzlich — eine tiefe Baßstimme hinter feinem Rücken laut, und mit zorngliihenden Wangen sah er sich vorn span Haupt mann angehalten Sterz nahm sofort die vorschrifts mäßige Haltung an. »Melde gehor samst, Herr Hauptmann daß ich eina Schreiben für den Herrn Hauptmann habet« Er reichte es hin. Doch in diesem Augenblick kam der " hie-er Major Ellenberg auf seinem Schimmel dahergetrabt »Schu- Meier, griiß Dich!« rief . der Major schon von weitem und ließ sich ziemlich schwerfällg von feinem Schimmel herab. »Nicht wahr, ein tapitalifches Roß, diefer Schimmel, mö? Der Blih unsers Obersten Pi lati. Er hat mir ihn zu einem Mome nadenritt angetragen? Viel Ehre, nicht wahr? Run, alter Kamerad, möchtest Du nicht n Glas Wein mit trinken gehen-i eine Kehle ist kannibalisch trocken wie die Sahnrai« Der hauptmann versengte sich wie derholt, idem er vie tamexadschaftliche Windung des Majors entgegennahm. »Ist das Dein Bursche? »Ach nein, ein Mann aus meiner Umwand-« » »Auch gut! Sie, Jnfanterist, füh L I ren Sie den Blitz in den Pferdeftall des Herrn Obersten Aber vorsichtig, sehr vorsichtig! Es ist ein famoses, edles Thier!« Daran warf er Sterz die Zügel des Pferdes zu, nahm den Hauptmann un ,ter den Arm und beide Ofiiziere wan derten in das Kaffrebaus Jetzt stand der Jnfanterist da! Zwar hatte er ein Schreiben weniger in der Tasche, dafür aber einen Schimmel mehr am Hals, und wußte nicht. was nun zuerst anfangen Er nabm die Zügel in derHand und führte dasterd ein Siücl Weges fort »Ei was,« dachte er sich, »die Zeit drängt, und reitend komm ich früher an’s Ziel!« Er suchte sich auf’s Pferd zu schwingen. Ein vorübergehender Dragoner half ihm dabei, und nun trollte der Jnfanterift im Sattel des We es daher. « lle Wetter! Mensch, was machen Sie da? Wird er gleich herunterstei gen?!« donnerte es Sterz m den Ohren und die Reitgerxe des Obersten pfiff sausend um seine Nafe herum Sterz war auch schon unten am Pferd. »Jnfante«rift Sterz von der dritten Compagnie,« meldete er sich und erzählte dann stotternd dem Obersten, wie er zu dem Schimmel kam und wie auf ihn hinauf Die Sache stand schlimm aber es sollte noch schlimmer kommen. Unter Aufsicht des Obersten selbst mußte e: das Pferd in feinen Stall führen. Darauf sagte der Oberst zu ihm: »Jetzt gehen Sie heim und melden Ih rem Feldwebel, daß Sie drei Tage Dunkelarrest haben!« Der Soldat machte »Kehrt« und schritt ans, was er konnte As m « t Warten!« rief der Oberst zurück. »Tragen Sie erst diesenBrief zu knei nem Eioilschneider Wendlmaier in die Thalstraßehin . . · So! Marsch!« Dies Mal überbrachte der eilende Sterz obne jedes weitere Hindernis den Brief des Obersten und stellte da raus auch das Schreiben des Linne nants Lustig dem Oberlieutenant zu. I Das Stiefelputzen in der Kaserne hatte inzwischen ein anderer besorgt. IDA Zugsiihrer war sehr aufgebracht IJnianterist Sterz aber trat seine IStrafe an I Einen Tag später. 3 Es wurde an die Thin des Obersten IRitter b Pilati geil-pfr. l ,Herrrrein!« I Hauptmann IIIeier tra ein. »J« habe gehorsamst zu meide.., Herr IOberft daß ich von dem Lieurenant ILustig dieer Schreiben erhielt!« Der Oberst öffnete das Papier nnd las: »Kamerad! Jch bitte Dich, mir auf einen Monat mit einem Betrage von etwa 100 Gulden ausbelfen zu wollen« Mit dem often Bären und Iauch mit meinem ledernen Hauptmann ist’s nicht mehr auszubauen Jch will ans einen Monat Urlaub nehmen und brauche dar-um Pulver. Jch weiß, daß Du dies Mal mit Geld versehen und einen Kameraden nicht im Stich lassen Iwirsi. Jn vier Wochen — aus Ebers will ich mit Dank begleichen. Grüß Dich! Dein Lieutenant Lustig.« Der Oberst errötbete vor Zorn. Der alte Bär war er feil-sit »Dies« Wind beutel! Dieser ,Wagbals! Das soll er biißenl Und wann haben Sie dieses Schreiben bekommen? Wer bat es Ih nen zugestellt?« »Gestern zu Mittag, Herr Oberst, « meldete der Hauptmann »Ein Mann meiner Kompagnie bat es« mir über bracht, gerade in dem Augenblicke, als Herr Major Ellenberg auf dem Schim mel des Herrn Obersten zu mir gerit ten tam·« »Heißt der Mann Suer »Ja wohl, Herr Oberst-« »Es war also derselbe, welcher mein Pferd heimführen solltest Jch habe ihm drei Tage Durste-Arrest diktitt, weil der sreche Bursche meinen Blitz in der Gasse berumjagte.« »Wie Herr Oberst beseblen.« Adern-als wurde an die Thür ge tlopst. . «Herrrrrein!« ; Mit dem bleichen Gesichi eines Zschuldbewußien Uebelthäiers kommt Ider Oberstlieutenant hasmr zum Bor schein. Er salutirt und bteibt wie eine Kenze sichern Der Oberst sieht ihn streng an und wartet. Doch der Oberlientenani schweigt noch immer, und nur zeitweise schweift sein Auge an seinen neuen ho sen hinab, welche über die Maßen breit sind nnd um seine mageren Beine schloiiem »Nun . . . was wollen Sie von mir?« fragt ungeduldig der Oberst. »Und was siir Hosen haben Sie heute an? So gegen jede Vorschrift über mäßig breit. .ganz gegen das Sieg lemth« eIDer Herr Oberst haben zu befehien geruhi. . ich möchte mich einstellen,« stotterie der Oberlientenant. »Ich . . . ich befohlen? Wer hat l— I Jhnen denn das aufgebunden?« »Ich melde gehorsamst, hier . . . . hier . . . das eigenhändige Schreiben des-Denn Obersten felbft.« Ja, wirklich! Es war sein eigen händiges Schreiben. Aber es war der Brief an seinen Schneider-, worin er ihm schrieb: »Noch Erbalt dieser Zei len kommen Sie sorfort zu mir! Die Hosen sind zu eng ganz gegen jede Vot schrift « »Wann und von wem wurde Jhnen sdas Schreiben übergeben?« fragte der Oberst, und ein Lächeln zuckt ihm um den martialifchen Schnur-Wart . »Ich melde gehorsamst, Herr Oberst:j gestern vom Jnfanierifien Sterz mei-? ner Kompagnie. Gestern konnte ich4 nicht erscheinen, weil ich keine genügde breiten Dosen hatte, um mich vor dem; Herrn Obersten sehen lassen zu kön-( nen." »Daha!«' Der Oberst lachte fest auöi vollem Halse. s Neuerdings wurde an die Thür ge-; klopft. »Zum Kuckuck schon . . Herrreinl«, Mit entblößtem haupte und einem! Partei rnit Stoffrnuftern unter demi Arm, tritt der Schneider Wendlmaier; ein, sich nach allen Seiten tief vernei-; gend. ’ Der Oberst schaut ihn verwundert an. »Ah, Wendelrnaieri Sie kommen doch? Weshalb nun?'« »Ich soll rnich zur Besichtigung der Monturstiirte hier einfinden,Eueana den Herr Oberst, und habe mir zu die ern Zwecke erlaubt, gleich einige Muster mitzubringen.'« »Mensch, was fällt Jhnen ein?« »Euer Gnaden, Herr Oberst, wollen verzeihen. Aber dieses Schreiben be zeugt, daß ich nicht lüge." Der Oberst las-: »Sie werden hier mit aufgefordert, sich morgen 4 Uhr Nachmittags einzufinden und sich an der Besichtigung der Moniurstijcte des YRegiments zu betheiligen. - Das Regiments-Kommando.« Alle drei sOffiziere brachen in ein schallendes Gelächter aus. Der Schnei Fdermeister sah ganz entsetzt drein Z »Und wer, bitt e ich Sie, hat Ihnen »dieses Schreiben gebracht?« »Ein Jnfanterist, welcher gesagt bat, Her komme direkt vorn Herrn sObersten selbst und müsse gleich in Arrest.« »Der Steer« riefen die Offiziere eEinsrimnrig. Jetzt war die Sache aufgetlijri: die Einladung zur Besichtigung Der Mon ;tur, welche dem Hauptmann Meter galt, hatte der Schneider bekommen; kdas Darlebensgesuch des Lieutenants TLustig statt des Oberlieutenants Has :,ner dem vor ganz- kurzer Zeit ein rei kcher Onkel- gestorben war —- sein Hauptmann! Der sOberlieutenant Hasner aber war über den Brief des Obersten, bestimmt für den Schneider rneister, so ganz außer sich gerathen. daß er sich sofort ganz neue und recht weite Beintleider hatte anfertigen las en. Und diese beillose Verwirrung hatte der Jnsanterift Sterz in seine-n bei spiellosen Uebereifer verursacht. »Meine Herren!« begann der Oberst noch lachend, »mein Schneider Wem-l rnaier soll in Zukunft keine so bor schriftswidrig engen hosen machen, doch, wenn er will, kann er dieselben dem herrn Oberlieutenant ein wenig verengen. Der Herr hauptrnann mag sich zur Befrchtigung der Montur be eilen, und Sie, Derr Oberlieutenant, richten Sie Ihrem Kameraden aus« daß ich sein Oberst btn und kein alter Bär, und daß sein hauptmann kein le derner und gut mit ihm auszukornrnen ist, wenn rnan selber strainnrirn Dienst und auf Ordnung hält! Weiter mag der here Lieutenantum teinen Ur laub ansuchen, denn er wird keinen er halten. here hauptrnanm Jbrern Jn ijfanteriften Sterz ist die Strafe erlas l en i »Wie herr Oberst befehlenk 1»Adieu nun, meine Herren!« s : Für Hans nnd Heim. Ueber die Dauer des stantfsndeh ..,.—. »Dann prüfe, werfich ewig binden cd sich das herz zum Herzen findet-« Schiller-J Hin und wieder wird die Frage ge stellt, ob eine län ere oder türzere Ver lobungszeii für rautpaarewiinfchens werth fei. Da werden denn diese oder. jene Argumente pro und contra in’s Feld geführt unter denen natürlich das hauptsächlichfie für erstere Seite die ifi,; daß eine längere Zeit erforderlich istJ um sich gegenseitig genau kennen u ler- s nen, ehe man den wichtigsten ritt desLebenI vornimmt und fich nnlöslichi aneinander reitet. Die andere Seite( führt als ihr Argument in’ö Feld die Behauptung, daß ein langdauernder Brauiftand ermüdend, und geeignet? 1 Ini, Mißverständnisse hewokzukufm Unter einer »turzen« Berlobungszeit versteht man die Frist von 6 bis 12Woil then, die til-erzeugten Berfechterinnenj der vorsichtigeten Maßregel versteigenx sich zum Verlangen einer Ausdehnungj derVerlobungszeit bis zu 2 und 3 Jah ren. Die berechtigte Meinung Anderer in Ehren, so dürfen wir wohl als ziemlich sicher annehmen, daß der einzelne Fall für die eine oder andere Entscheidung bestimmend sein dürfte; im Allgemei nen aber läßt sich die Hinschleppung einerVerlobung aufJahrehinaus kaum besiirworten. Es geht eben damit, wie mit allem Anderen, die seit, unsere raschlebige Gegenwart, wirft ihren Schatten auch auf dieses Berhiiltniß. Jedenfalls ist ein jahrelanges Hin ziehen einer Vereinigung kaum noth wendig und rathsam, wo dieBerlobung so geschlossen wurde, wie sie sollte, näm lich unter folgenden Aufpiztem wo der Bräutigam jeht oder in absehbarer Zeit so gestellt ist, daß er mit gutem Gewis sen an dieGriindung einerFamilie den ten darf. Und ehe das der Fall ist, sollte et ein Mädchen so wenig durch das din dende Verlöbnis, wie durch ie Ehe an sich tntipfen,denneinemforg ältig ergo genen Mädchen, wie einer auf ihrer Re putation fehenden Familie ist es im höchsten Grade fatal, wenn eine Verlo bung rückgängig gemacht werden müßte -—— und daß ein Mädchen seine schönsten Jahre hindurch die Wartende spielen, den Einschränkungen, die ihre Verlo bung ihr auferlegt , sich unterwerfen sollte, das sollte ein Mann von ihr, die er liebt und achtet, nicht erwarten. Tre ten natürlich unvorhergefehene Un glücksschliige ein, verhindert Krankheit in der einen oder andern Familie die eheliche Verbindung, so ist das etwas anderes, dann haben es die Beiden zu tragen als einen Vorgeschmack der-Sor- ; gen und Leiden, wie sie ihnen in sit-H innft auf andere Weise noch manchmal; geboten werden mögen. Sie haben aber; auch in solchem Falle nicht unter dami-; i scher Beurtheilung zu leiden. ; Jm Uebrigen gedenken wir miti einem mitleidigen Gefühle jener tragil- - tomischen Figuren, wie wir sie ausz- der älteren Literatur oder auch der Wirt-; lichteit im früheren Deutschland ten ne: des Herrn Eandidaten Hungerlein und derFräulein Gouvernante Aeltlich, des Ranzleirathå - Kopiften und der Jungfer Nat-erin, die in riitsrender Ge duld so lange aufeinander warteten bis-« eigentlich leine- der Beiden mehr fähig war. ein Glückgefühl oder eine Enttäu- z schung zu empfinden, bis das Hossenk undsparren ohne alleAussccht zur süßen s Gewohnheit geworden war. Jenes schlagendeArgurnent aber, dafzz eine Zeit von Jahren erforderlich sei,k um sich ganz genau lennen zu lernen,Z kann auf mannigfache Art angefochtenå weiden. Erstens sollte man sich ebenso! wenig verloden wie heirathen»Jn hastez to repent at leisure'«,» denn ein im Punkte der Sitte strenges Paar be trachtet sich durch die Verlobung min destens so gebunden, wie so mancher Ameritaner durch die Ehe. Das wird in Deutschland sehr schön symbolisiri durch den Wechsel der späteren Trau ringe schon bei der Verlobung. Jede vorsichtige Familie, jedes streng erzo gene Mädchen wird den Wunsch haben, den jungen Mann erst ein wenig näher kennen zu lernen, ehe er als zutiinftiges Glied der Familie in ihr eingeführt wird. « Ebenso umgekehrt: etn junger Mann, wie er sein sollte, wird sich nicht auf der Straße verloben, sondern wird unt die Dame seines Herzens im Schooß von deren Familie werben und sich erst an sie tetten, nachdem er mit Genugthuung gesehm hat, wo sie herstammt und un ter welchem Einflusse sie ausgewachsen ist.Dann aber ist eine jahrelangeProbe zeit überflüssig. Sind die jungen Leute aufrichtig, herrscht in der Familie leine jScheinwrrthschast, so ist ein Berlehr »von Monaten so zweckentsprechend, wi ein solcher von Jahren. So weit wiz Jntan sich, mit einer durch strenge Sitte und gute Erziehung gezogene Grenze xzwischen sich, kennen lernen kann, Hso weit lernt man sich in dieser Zeit bei öfteren- Verkehr kennen. Und wo Heu chelei und ein hinter-das-Licht-fiihren von der einen oder der andern Seite zur Taktik gemacht wird, da ist man auch konsequent genug, das. durch eine län gere Zeit fortzusehen um des Vorwei les willen, der Einen von Anfang an dazu veranlaßte. Abgesehen davon giebt es ja Charal tere, die sich durch zehnjährige Ehe hindurch noch nicht vollständig ver stehen, woraus hervorgeht, daß je nach dem ein Charakter gebildet »lis, eine noch fo lange Prodezeil eventuell nicht die Garantie in sich schließl, dpch noch in der Ehe Züge am andern Theil zu findester die Einem neu und frappant ind. Und im Grunde genommen ist das auch ganz gut, denn eineEhe würde viel F« l von ihrem Reiz und auch viel von ihrem Werth einbüßen, wo nichts zuer griinden, zu studiren übrig bliebe, wo Keines sich in Eigenthümlichleiten und Charakterziige desAndern hineinzusin den hätte, wo ein Jedes die Seele und das Wesen des Andern so wie man das A B C vor- und rückwärts herleiert, auswendig kennte. Wo man aber aller lei austauchenden Ecken am Andern durchLiebe undGeduldabschleifenlernt, und namentlich, wo man seinen eigenen Charakter, sein Naturell und seinTem perament den entdeckten Eigenschaften des Andern anpassen muß, da erst ent steht mit der Zeit innere Harmonie, eine solche Ehe hat sittlichen Werth und ist das, was eine Ehe sein soll. Wenn man aber, wie die vorsichtigen Befürworter langdauernder Verlo bungen meinen, bei dem ersten Anzei chen eines uns nicht angenehmen Zuges die Flinte in’s Korn werfen will, wo ist da eine Gelegenheit zur Selberziehung und —- wie viele Eben blieben über haupt zum Schließen übrig? Etwas Jllusion muß etnemBrautpaare immer verbleiben, wo sich aber der Brautstand hinzieht bis zur Langweiligleit, wo man sich über alle dislussionsfiihige Themata bis zur Uebersiittigung schon ausgesprochen hat« was soll man da mit sich anfangen —- die Zärtlichkeits - Bezeugungen und die siiszlichen Unter haltungen sind für die Betheiligten so wohl wie siir die Umgebung auf die Dauer unsiiglich langweilig. Ueber haupt ist ein jahrelan er Verkehr eines jungen Mannes, dessen Anwesenheit einer Familie immerhinRiicksichten und Unbequemlichteiten auferlegt, auf die Dauer lästig. Das hausmiitterlicheArgumeni, daß die Herrichtung der Aussteuer lange Zeit in Anspruch nehme, erwähne ich hier schon gar nicht, denn je größer und reicher dieselbe ausfallen kann, desto mehr wird man auch von den Vortheii len Gebrauch machen, wie sie der heu tige Stand der Industrie bietet, die Zeiten des jahrelangen Stichelns an Dutzenden von Wäscheftiiclen jeden Gent-es sind vorüber. Es ist heute von höherem Werthe, wenn nun blühend und frisch seine neue Lebensstellung antritt und sich seine Wäsche fertig lauft, als wenn man sich bis zum Hoch zeitsiage halb lrüvpelig und blutarm gesessen und ialb blind aenähi hätte. Fiir die meisten Frauen bildet die Ehe nichts weniger als eine Gelegenheit zum Aus-ruhen Bis man sich in seine neuen Pflichten hineingesunden und dasj- Haus noch um manches durch unse rer fleißigenHiinde Arbeit bereichert hat« treten meist schon die Pflichten der zu tiinftigen Mutter an die junge Frau. Findet man aber eine jahrelange Brautzeit nicht rathsam, so ist doch da mit noch nicht gesagt, daß man sich über Hals und Kopf, nach laum geschlosse ner Bekanntschaft verloben und heira then soll.Von dieserSorte hat man hier leider allzuviele Ehen und sie enden meist in recht turzer Zeit in Eheschei dungsgerichten. Sie sind nicht begrün det auf wahrer Liebe oder auch nurAch tung, sie werden geschlossen in sinn lichem Rausche von der einen, miser-ech nung undSpetulation von der anderen Seite und das Resultat ist auch dar nach. Es verlohnt sich kaum, sich mit dieser Art von Verbindungen zu befas sen. Unter normalen Verhältnissen dürf ten wir also wohl eine Verlobungszeit von 8——6 Monaten als genügend siir die praktische und als nicht zu lang fiir die fentimentale Seite der Betrach tung von Brautftand und Ehe an sehen Studentenstreichr. Wer da glaubt, das; in unseren nüch ternen Tagen die lustigen Studenten streiche anggestorben seien, der lasse sich durch folgende Geschichte, die in des ,,Burschenschasilichen Blättern« erzählt wird, eines Besseren belehren. Das sind jetzt bald dreizehn Jahre her, da kam ein Jenenser Studio in seinem nennten Semester zu Besuch nach der alten Musenslndt nnd zwar hegte er die löbliche Absicht, eine Schnur Bären nn znbinden Zu dein Zwecke hatte er eine größere Summe Geldes- daheim losge-— eist. Das Schnldenbezahlen ist immer-« hin eine schmerzliche Thätigleit nnd« mit reniger Wehmnth sieht inan die! blnnlen Goldsüchse in den weitgedssneten Händen der ,,Philister« verschwiiiden.l Was lag daher näher, nle daß sich das-« bemooste Haupt diesen Schmerz ver süßen nnd den Wehmnthsbecher mit ei nem Tröpschen Humor würzen wolltest Er ging daher nicht ohne Weitereö zu den Philistern, nhlle das Geld ans den Tisch nnd lie sich eine gewöhnliche Quiltnng darüber nusstellen, sondern er schrieb diese Quilinn en selbst nnd legte sie dann znr Kenntnis-nahm vor. So bescheinigte derSchneidermeisier G. Fol gendes: »Für ein paar exirnseine Sonn tngshosem welche ich sür den Herrn Kandidnten X.. angefertigt habe, em lpsing ich soeben mit vielem Danke den Preis von 24 Mark, obgleich ich diesel ben hätte billige herstellen können. « tDer Drechslermeit er unterschrieb mit Vergnügen nachstehende Bescheinigung: I»Jch, der Drechelermeister H. belenne shiermit äußerst geknickt, daß niir die IFreude, den Herrn Kandidaten X zu meinem Schuldner zu haben, Idurch dessen mir unbegreifliche Zahlungseilsertigleit vereitelt worden ist. Obgleich ich überzeugt bin, daß derselbe seist Geld praktischer hätte an legen können, als in solchen Dingen, wie ich sie verlaufe, so habe ichihm diese Dummheit doch nicht übel genommen, u. quitlire, wehmüthig schluchzend, über 50 MarlJ Und so unterschrieben sie Alle, der Posthalter, Schuhmacher und andere ehrenwerthe Philister. Den Haupttrumpf aber sollte sich die alte treue Philine (Wirthötochter) Fräulein H. leisten. , Bei ihrer seligen Mutter hatte der nunmehrige Kandidat als liasser Fuchs ein Semester lang ge wohnt, aus alter Anhänglichkeit aber immer noch einen Rest seiner Wirths schuld anstehen lassen. Nun wohnte das junäg oder eigentlich nicht mehr gan junge ädchen im dritten Stock des schmalen Hauses ain Markt: der alte Fuchs hatte ihr angetündigt, daß er am Vormittag herauskommen und den Rest seiner Schuld bezahlen würde. Das gute alte Mädchen war hocherfreut und versprach, eine Kanne Bier bereit zu halten. Als der Schnapphans an der Rathshausuhr elfmal vergeblich nach dem Apfel geschnappt hatte, bewegte sich von dem am Markt belegenen Verbin dungshattse ein kleiner Zug schräg über den Platz. voran der alte Student, hin ter ihm acht weistbemühte Füchse Er betrat mit ihnen das Haus, ließ sieh das im ersten Stockwerk belegene Zimmer von dem Inhaber öffnen und stellte an jedes Fenster —- dao ganze Halt-S halte immer nnr drei in der Front —- einen Fuchg. Jin zweiten Stock wohnte ein Schuster, auch er mußte seine drei Fen ster siir je einen Fuchs hergeben Dann ging er- hinauf in den Stock, wo Fräu lein H» bereite- iingstlich über die selt iamen Vorbereitungen, den Rest der Depulation empfing. Der alte Stu dent hielt eine ieierliche Anrediy sprach von der christlichen Nächstenliebe, von sder Bedeutung deiJ akademischen Ztu diunisz ini Allgemeinen, und von dein sittlichen Werth des- Schuldenbezalsleinz ini Besondereiu iraul dann nebst feinen -Begleitern von dein dar-gebotenen Bier nnd trat mit innen an die Fenster. Mit weit schauenden den Anwohnern des Maritee wohlbetaiinter Stimme hielt er nunmehr an die gesamniie Bürger schaft Jenas und das sich allmählich an ssainmelnde Voll eine ziindeiide Rede, sworiu er den Anlaß zu dieser Feierlich · ileit kund gab. »Er pries die Tugenden sder Philisterinnen, Mutter und Tochter, ier gedachte ihrer liebevollen Pflege, wo ibei er so gerührt wurde, daß er zum sTaschentuch greifen mußte; feinem Bei jspiel folgten die aus den Fenstern sehen Iden acht Füchse, welche ihre Schnupf Itiicher gleichfalls zum Zeichen ihrer Er grissenheit rangen. Nunmehr verlae das alte Haus mit lauter Stimme fol gende Quittung vor versammelter Zu hörerschast: »Jena, 26 Tage vor Weihnachten, Ist-IT Ich, Jungfrau Karoline Irederile Anna H» geboren Iam 29. April 1848 in der großherzog llichssiichsischen Residenz-— und Universi tätsstadt Jena bei CamdsdorL bezeuge Ihiermit unter häufig vergossenen aus-· lrichtigem eigene dazu mitgebrachten lThränem dasz ich von dem äußerst lie lbenswlirdigem von niir äußerst hoch Iverehrten Herrn X» Kandidaten der Philologie und sonstiger Dinge, soeben wider Erwarten den Nest seiner in Ss S. 1889 bei· meiner seligen Mutter rontrahirten Schulden erhalten habe. Niemals werde ich ihm diese edle That vergessen; noch in meinen letzten Jah ren, welche hoffentlich noch recht fern find, werde ich mit wonnigem Entzücken daran dritten, wie Herr X. als fideler Fuchs aus unserer Bude wohnte. Wald fhorn blies, Klavier spielte, lang, aus xdem Fenster die Beine heraushing und Reden an das versammelte Voll hielt. Ich schließe tiefgelnittt mit dem from men Wunsche, dasz einmal ein großer Mann aus ihm werden möge, welches ihm mein Mutterchen ja jedesmal« ver sprach,»«so oft ev Geld bezahlt hatte.« Mit einem donnernden Hoch aus das liebliche späte Mädchen schloß die Feier lichten, für deren Veranstaltung Fel. P. tiefgerührt dankte. Freilich hatte te entsetzt ausgeschrieem als ihr etwas sernab iegender Geburtstag ukbi et oebi verkündet ward. Auch sie lebt· längst nicht mehr, sie ward sahliiigo dahingerasft in der Blüthe ihrer Jah re, eine Zierde der Jenenser Jung srauen. M « .«.» -,« VerfasquIst »Mein thenrer Mind, wir müssen den Hochzein verschiedent« »Da muß Ich aber erst meine — GtäubigerfctagenP .