Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 08, 1896, Sonntags-Blatt., Image 11

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Der Telerteur.
Von Karl Reuter Kerger.
Mitternacht war es. Eben lugte der
Vollmond über die Wipfel der Ahorn
biiutne, welche eine fchattige Allee rings
um den Excezierptatz der Jefferfom
Darracks bildeten. Nur das einförmige
Geräusch der Tritte des langsam auf
rmd abfchreitenden Postens unterbrach
die tiefe Stille
Jn der Brust des jungen Soldaten
aber ftiirmte es. Verworrene Gedanken
jagten sich in feinem Gehirn, die der,
seine Brust erfüllenden heißen Sehn
sucht nach Freiheit entsprangen
«Feiheit !«
Herrmann Fötfter blieb betroffen
stehen« denn er hatte das Wort ziemlich
laut gerufen. Ein bitteres Lächeln
vmfpielte feine Lippen. Selbst wenn er
ehört worden, wer würde es verstehen?
Ton feinen Vorgesetzten sicher keiner.
Thor, der er war!
Ja wahrlich. ein Thor war er gewe
en, hätte er denn sonst zum zweiten
ale freiwillig den gestreiften Rock an
»-g:zo?en, nachdem er« um das erste Mal
n hm aufgeztoungenen zu entgehen.
Deimath und Geliebte verlassen hatte?
Er nahm seinen Marsch wieder auf,
und während er so auf- und abschritt
im dämmerigen Mondlichte, zog in
bunten Bildern die Vergangenheit an
seinem Geiste vorüber.
Den schönen Miitchentraurn der
Kindheit hatte frühzeitig die Wirklich
keit zerstört. deren Rauheit und Nackt
heit ihm keine zärtliche Mutter mit den
Blumen der Liebe bedeckte. Fremde
Menschen machten den armen Find
Iing schon iriih darauf aufmerksam,
daß er eigentlich gar tetn Recht habe zu
existiren, daß dieses Privilegium nur
solchen gebiidrr. die vorsichtiger in der
Wahl ihrer Eltern gewesen. Bald aber
sah man, daß die Körperkraft des troh
allen Entbedrunaen ternaesunden Kna
ben sich onettjeilhait verwenden ließ. —
äahre vergingen, unter schwerer Ar
it, im arauen Einerlei. Dann erwach
te in seinem Leben ein Sonnenstrahl:
die Liebe. cis waren die blauen Augen
Gertrud’s, der Tochter seines Brod
herrn. welche den Funken in ieiner
Brust entziindetem Er fand Gegen
- liebe, und siehe. die Arbeit wurde ihm
nicht länger schwer, er sehnte sich nicht
mehr in die weite Welt, der einsame
Bauernhof am Saume einer melancho
"lischen Haide, von düstern Fichtenwal
dern urntränzn wurde ihm zum Para
diese. Zwei Jahre lang träumte er den
chönen Traum, den nur einmal so
·berquellend und beieliaend der Mai
desjiebeniz bringtz Und dann —- ein
Stückchen weißes Papier-, es wurde das
Wölkchen arn Horizont seines Glücks
himmels, das bald zu einem schwarzen
Sturmaewiilt ansehwellen und den
Sonnenschein aus seinem Leben verja
gen sollte. Das Papier enthielt die
Einberufung zum sljiilitiir. Er wurde
Soldat in einer entfernten Residenz
ftadt, wurde mißhandelt, gelnechtet,
iyrannisirt, aber alles ertrug er ohne
Murren. mochte auch der Mannes
grirnm in ihm tochen, er dachte an seine
geliebte Gertrud und daß dies Leben
nur drei Jahre dauern würde. Selten
nur schrieb er ihr. Einen Brief auszu
sehen roar siir ihn ein schweres Stück
Arbeit. Wozu auch? Hatten sie sich
doch beim heimlichen Abschied ewi e
Liebe und Treue geschworen. Auch te
Yrieb wenig. Zuletzt aber fiel ihm der
on ihrer Briefe auf, diese Gereiztheit,
diese seltsamen Anspielungen und Be
schuldigungen verstand er nicht. Dann
blieben ihre Briefe ganz aus. Eines
Tages erfuhr er von einem Bekannten
aus seiner Gegend, der- auf Urlaub ge
wesen war, daß Franz Lindbolt, ein
reicher Bauernbursche, um seine Ger
trude freie, daß ihr Vater diese Verbin
dung wünsche und sie derselben nicht
Hang abhold zu sein scheine. Eine heiße
nast, dafr er seine irdische Seligkeit
verlieren könne, ergriff ihn, und zu
gleich eine arimene Wirth, daß dies
rniiglich sein könne. Er schrieb ihr ei
nen Brief voll Fragen und Bitten und
Vorwürfem Keine Antwort· Seine
Hoffnung sanl von Taa zu Tag. Erst
fett spiirte er rnit vollerWucht dieSlla
venlette des Militarismrsä. Kaum
konnte er seinerSehnsucht gebieten, hin
zueilen zu ihr, in ihren Auaen sein Ur
theil zu lesen. von ihren Lipppen be
stätiat zn hören, was er immer und im
mer noch nicht glauben konnte. Er ver
nachlässiate seinen Dienst. zog sich die
Unanade seiner Vorarsetzten zu und die
Folae war, das-, ihm der nachgesuchte
rlaub verweigert wurde. Taae der
Verzweiflung ohnmäehtiger Wuth, dil
sterer Schwermutb solaten, bis er end
lich der gesunde Kern in ihm die Ober
hand gewann. Er legte sieh einen
Plan zurecht. Durch unermüdlichen
Dienstuer durch sllavische Unterwür
figkeit ewann er sich allmälig die
Gunst seiner Vorgesetzten zurück, und
als er dann wieder urn Urlaub anhielt,
wurde er ihm bewilligt.
Mit vor Aufregung gerdtheten Wan
en ftand er am Fenster des tahlen
onpes und blickte auf die tm jungen
rithlin Sfchmuck prangende Land
chaft. iel zu langfarn fuhr ihm der
Zug und zuweilen viel zu schnell, wie
eben die Gefühle des Hoffens und Ban
geng in feiner Brust abwechselten. End
lich konnte er den Zug verlassen. Rasch
durcheilte er das tleme Städtchen, hi
naus in das weite, stille, duftende Land.
Eine deutfche Meile noch hatte er zu
wandern. Bald schon grüßten ihn dun
kele Fichtengruppen, rothe Ziegeldächer
über blühenden Obftbiiumen als alte
Bekannte. Die saftgriinen Blätter der
Erlen blintten im Frühlingsfonnens
strahl. Fern am Saume der Felder,
von wo das laute ,,Hiih« und »Hot« der
Ackerer drang, schimmerten wie Mar
morfäulen die Stämme der Bitten. Die
Pappeln am Wegesrand, von jubiliren
den Lerchen umtreift, lifpelten bekannte
Melodien. Da wurde ihm so traut
und heimathlich zu Muthe, und wie ein
fiißer Hauch aus dem Paradiefe feiner
Kindheit zog es durch feine Brust.
Plötzlich gewahrte er fern auf der
sLndftraße eine gelbe Staubwolte. Was
Itonnte es sein? Eine Heerde oder ein
Ackcrwagen war es nicht. Endlich un
terschied er eine von zwei Gäulen ge
zogene Kutsche, von einer zweiten ne
lfolgL Ein eigenthiimliches Gefühl der
IScheru das er felber nicht verstand, be
ktvog ihn, sich zu verbergen. Rasch
sprang er über den Graben und stellte
sich hinter die Ettenhecke, von wo aus
er, ohne selbft acfeben zu werden, die
Landstraße überbliäen konnte.
Die Fuhr-werte kamen näher. Fröh
liches Gelächter drang an fein Ohr,
fchon tonnte er einzelne Stimmen un
terscheiden. Er boa die Zweige aus
einander, um besser fehen zu können. Jn
der erften Kutsche faßen vier Personen.
War’s denn möglich? Das war ja der
alte Haidbaurr, sein Dienstherr, mit
feiner Frau, und diefer gegenüber saß
Franz Lindholt, und neben diesem saß
eine Mädchenaestalt mit weißem Schlei
er, einen btiihenden Mnrthentranz auf
zdem vrächtiaen goldblonden Haar. Es
Zwar Gern-nd
Vor temen Augen flimmerte es, em
schmerzhaftes Stechen durchzuckte seine
Brust. Langsam drana er durch die
hecke, sprang über den Graben, lehnte
sich müde an den Stamm einer Pap
del und blickte den rasch sortrollenden
.Fuhrtverten nach. Die Sonne strahlte
iund die Lerchen jubilirten wie vorher,
Haber ihm war der Frühling entwichen,
ein eisiger Hauch hatte die dustenden
Blüthen in seiner Brust getödtet. Lange
stand er am Stamme der Pappel, und
zuletzt tam eine seltsame Ruhe über ihn,
die Ruhe eines grauen, stillen Dezem
bertages.
Er wanderte langsam weiter, bog
aber von der Landstraße ab, treuzte
Wiesen und Felder nnd erreichte endlich
einen einsamen Fichtenwald Dort
streckte er sich its-z dustiae Moos und
lauschte dem Brausen der Winsel. wel
ches wie Geister elispel die heilige Stille
durchtlang. fknbetveglich lag er da,
bis in den Wol en das Abendroth er
losch; dann schritt er weiter. Ein
mal blieb er mitten aus einem freien
Felde stehen und betrachtete lange einen
Stern, der groß und glänzend am west
lichen Horizonte stand.
Heller Lampenschimmer strahlte ihm
aus den Fenstern der Wohnriiume und
Küche des geräumigen Vauernhauses
entgegen. von der Tenne klang Tanz
musit und fröhliches Stimmenaewirr.
llnbemertt erreichte er das Kammer
chen, worin er früher mit einem Finecht
zusammen geschlasen hatte. Jn einer
Spinde hingen noch seine Kleider. HI
stig vertauschte er die Unisorm mit ei
nem starken Arbeitsanzug und entsun
te sich so unbemerkt, wie er gekommen
war. Die Unisorm dersenlte er, mit
Steinen beschwert, in einen Teich. Nun
war er stei, jetzt hinaus in die weite
Welt!
Unter mancherlei Strapazen und
Entbehrunaen erreichte er Rotierdam
Von dort lam er als Mairofe nach
New York. Hier im Lande der Frei
heit boten sich ihm genug Gelegenhei
ten zu einer erfolgreichen Laufbahn,
aber die innere (,erfahrenheit mit sich
felbft raubte ihm den Sinn fiir Bestän
idigteit. erner wieder zog er weiter,
und ein rollendet Stein fetzt Manni
flieh kein Moos an So verainaen fünf
Jahre, und noch hatte er es zu nichts
jgebracht Er befand fich in St Louis,
feine Mittel waren erschöpft und zum
»ersten Male konnte er teine Arbeit fin
’den. Als er nun eines Tages an eineni
NetritteniAnwerbe-Vureau vorüber
.tarn und fich unterrichten ließ, daß der
Soldat in Amerita fiir feine Dienste
gut bezahlt und wie ein »Gentleman«
behandelt würde, tam ihm der Ge
)dante sich anivetben zu lassen und sich
felbfi hindurch zu zwingen, fünf Jahre
lang beständig zu bleiben. Gedacht.
gethan.
Sechs Wochen war er jetzt Soldat
nnd fchon hatte er den rafchen Schritt
wohl hundert Mal bereut und ver
wünscht. Zwar die Diseipltn war hier
nicht so strenge wie in Deutschland, die
Willkür aber eben so groß, welches ihm
um so unerträglicher war, weil er er
wartet hatte, als freier Mann und nicht
als Sklave behandelt zu werden.
Ein Geräusch von Tritten weckte un
sern Helden aus seinen Betrachtungen
Dunkle Gestalten tauchten aus; er
wurde abgelöst.
Am folgenden Tag gab es Löhne.
Herrmann Förster erhielt noch nichts,
denn der Lohn des ersten Monats wur
sde den Rekruten zurückbehalten. Da er
aus Wache gewesen, wurde er heute nicht
zur Ausliiilfe im Garten oder zum Rei
nigen der Wege und Anlagen komman
-dirt, welches ihm. dem ,.Dutchman«,
Esonst ost seitens seiner irischen Vorge
setzten passirte.
Nachdem er das schlechte Mittags
mahl verzehrt hatte, welches nur aus
Kartoffeln, dicken Bohnen, Brod und
Kassee bestand (der Fetzen Fleisch, den
es noch gab, war nicht zu genießen) be
gab er sich zu den Schlafsälen hinauf,
um ein wenig zu lesen und sich auf die
Nachmittag-- »Daß Parade« vorzube
reiten
Oben bot sich ihm ein überraschender
Anblick. Mitten im Saale stand ein
Theil der Mannschasten in einer dichten
Gruppe zusammen, in deren Mitte er
beim Nähertommen den Sergeanten
O’Leary gewahrte, der die Deutschen
und besonders- ihn nicht leiden konnte
und den auch er von ganzem Herzen
basztr. Er saß auf einem hohen Stuhl
Vor ihm stand ein Tisch, mit grünem
Tuche behangen, woraus eine Wachs
tuchdecte mit rothen und schwarzen Fel
dern lag, kurz: ein Spieltisch.
Herrmann wollte seinen Augen nicht
trauen. War es denn möglich? Der
Sergeant hielt eine Spielbanl und
nahm in Rouge et noir den armen Sol
daten den kargen Gehalt ab?
Rein Zweifel, so war es. Bald ent
sdectte er noch mehr. Oder war es nur
kZufalL daß eine gewisse Klique von
ZLandsleuten des Seraeanten die mei
Fsten und größten Gewinne zogen, die
jaezogen wurden? Die übrigen Mit
tspielenden, meistens harmlose Rekru
Zten, schienen dies gar nicht zu bemer
;ien, nnd wenn, mochten sie wohl lieber
ihr Geld verlieren, alg wie die Feind
kfchait deJ acfijrchteten Vorgesetzten her
auszuiordern
z Das Mechtggetuhl emporte sich m
Idem Deutschen und als er sah, wie ein
gutmüthiger Schotte seinen letzten Dol
lar seyen wollte, flüsterte er ihm zu:
»Sei vernünftig, gieb doch diesem
Schwindler nicht Alles!«
Jn seiner Erregung hatte er ziemlich
,laut gesprochen. Unheimliche Stille
folgte. Plötzlich sprang der Sergeant
auf und stürzte mit den Worten: «Ysm
gml il— 1)utci-iman!" vorwärts
Hund stieß den jungen Mann so heftig
mit der geballten Faust vor die Brust,
daf; er rückwärts zu Boden taumelte.
Sogleich sprang er aber wieder auf.
Seine Wangen brannten, seine Augen
glühten, die Lippen hatte er zusammen
getniffen Vier Mann sprangen ihm
entgegen, aber mit einem gewaltigen
Ston schleuderte er sie von sich. Aber
jschon lamen dem Seraeanten einige
seiner Landsleute zu Hiilfr. Er wur
de von der Uebermncht überwiiltigt
und zur Wache geführt.
Sechs Tage strenger Arrest wegen
Widersetzlichleit gegen den Vorgesetzten,
lautete das Urtheil, welches am folgen
den Morgen iiber Herrmann Förster
gefällt wurde. Er wurde mit dem ein
gefangenen Deserteuren zusammenge
sperrt, mußte ihr elendes Lager thei
zlen, unter Aufsicht einer Wache in den
ESteinbriichen arbeiten und wurde be
handelt wie ein Verbrecher. Schwei
gend, in finster’m Trotz ließ er Alles
über sich ergehen. Sein Entschluß war
gefaßt, sobald er frei war, wollte er de
Isertiren.
Der Lag seiner entranung aus oem
Arrest lam. Des Abends beim »Roll
«Call« antwortete er träftig sein »Hier!'
iund begab sich gleich zur Ruhe. Die
lLampen in den Sälen wurden gelöscht
sHier und da wurde noch halblaut ge
sprochen, welches aber bald verstummte
und einem Schnarchlonzert Platz mach
«.te Draußen fingen die Wipfel an zu
brausen,grel1e Blitze zuckien durch die
Nacht und ferner Donner rollte Nicht
Zlangh so rauschte ein heftiger Regen
Znieder. Leise erhob sich Herniann und
jschlijpfte tn seine Kleider. Das Tosen
Edes Sturmes verschlang das Geräusch
Eseiner Tritte Unbemertt gelangte er
Iin S Freie, wartete unter einem Schup
ipen, bis der Regen nachgelassen hatte,
und befand sich bald aus der Straße
nach Carandolet. Dort bestieg er einen
Pferdebahnwagen nach St. Louis Er
erinnerte sich, daß ein Belannter aus
seiner Heimatl), seines Zeichens ein
Schneider-, vor zehn Jahren mit seiner
Familie nach Amerila ausaewandert
war und sich tn St. Lonis niedergelas
sen hatte Wenn er diesen sand, war
ihm geholfen.
Richtig fand er im »Directory« die
L 1
Adresse nnd stand bald barans vor ei
nem hohen Tenementhause.
Der gute Schneidermeister, der sich
eben mit seiner Gemahlin zur Ruhe be
geben wollte, war höchlichst erstaunt,
als so spät noch an die Thür getlopft
wurde und ein Soldat hereintrat.
l »Kennen Sie mich nicht mehr, Mei
Istek Bügeler?" fragte Herrmann.
i Jener schüttelte verdutzt sein Haupt
— ,Jch bin der Herrmann Förster vom
Haidebauernhofe!"
« Als das Ehepaar sich von seiner
Ueberraschung erholt hatte, beaann er,
von seinen Schicksalen erzählen, vnn
seinem festen Entschlu , zu defertiren,
und erbat sich zum Schluß zu diesem
Zwecke einen abgelegien Anzug. Die
ser wurde ihm gerne bewilligt.
» Während er im Nebengemache seine
Kleider wechselte, bereitete die Schnei
dersfrau einen lalten Aufschnitt und
der Gemahl holte in einer Blechlanne
JBier heraus. Der junge Mann mußte
Zsich hinsetzen, essen nnd trinlen und da
bei wurde von alten Zeiten geplauderi
; »Du schreibst doch auch zuweilen nach
)Ha«nse?s« fragte der Schneider beiläu
fig
) »Jn den fünf Jahren, seit ich hier
Ibin habe ich nichts von draußen ver
,nommen!«
i ,,Jsts msgnchr Dann weißt Ding
kwohl noch gar nicht!«
»Was?"
»Ja. weißt Dn’s denn nicht? Der
alte Haidbauer und seine Frau sind
vor vier Jahren turz nacheinander ge
storben nnd da hat der Franz Linn
holt, der die Gertrnd geheirathei hat
den Hof übernommen, der aber ganz
unglaublich verichuldet gewesen sein
soll, so daß der Franz ihn nicht lange
bat halten können und da ist et mit sei
ner Frau und einem Kinde berührten
tommen nach Ameriiaf
M :- « ,
»Du-, tlcs Ucllluu llll cllkql,
»Franz Lindholt ist mit feiner Frau in
Amerika?«
»Ja, nun warte mal das ist noch
nicht Alles, der Franz hat sich nämlich
in Missouri oben nicht weit von Wood
ville, eine kleine Farm getauft und soll
auch ganz gut ausgemacht haben, da
hat er sich aber, im März ist’s ein Jahr
geworden, sehr ftart ertättet, hat sich
hingelegt und ist gestorben.«
Herrmann war ganz bleich gewor
den und starrte den Sprecher mit arc
ßen, glühenden Augen an. Allmiitig
stieg eine duntle Röthe in feine Wanan
und mit einem tiefen Athemzuge mur
melte er: »Wer hätte das gedacht!'
Er schien aus einmal von einer gro
ßen Unruhe befallen zu sein und verab
schiedete sich bald darauf mit herzlichen
Dankesworten von den braven Leu
ten.
Jmmer weiter wanderte er in west
licher Richtung, durch die stillen Stra
ßen. Mitternacht mochte es sein, als
er die Vororte erreichte. Rechts zeigten
ihm die grünen und rothen Signal
laternen einen Güterhahnhof. ;z—n
dunklen Reihen standen die Waggons
auf dem Netzwerk der Schienenaeleise
Dorthin lentte er feine Schritte,
schwang sich in einen leeren Wagen, zog
die Thiir hinter sich zu, streckte sich auf
den harten Boden nieder nnd war bald,
von großer Müdigkeit übermannt, ent
schlafen.
Ein dumpfes Rollen und Riitteln
weckte ihn. Verwundert rieb er sich die
Augen und gewahrte, daß sein Nacht
quartier sich bewegte. Durch die Ritzen
strahlte der helle Tag. Als er die Thiir
ausschob, gewahrte er, daß der Zug mit
vollem Dampf in’s Land hinaus-fuhr
Bei der dritten Halteftelle wurde er von
einem Bremser entdeckt. Diesem drückte
iet, nachdem er erfahren hatte, daß das
Städtchen Woodville sechzig Meilen
Iweiter an derselben Bahn lieae, sein
letztes Fünsundzwanzigcentstiick in die
Hand und durfte mitfahren.
Als der Zug um die Mittagszeit an
einer kleinen Station hielt, erkundigte
sich Herrmann, wie weit es noch bis
Woodville sei. Zehn Meilen, hieß es
Statt wieder den szng zu besteigen,
reiste er zu Fuß auf dem Landwea wei
ter Mit Plötzlicher Angst war ihm der
Gedanke in die Glieder gefahren, er
könne zu früh in Woodville ankommen.
Ja, was wollte er denn eigentlich dort?
—-— War sie nicht die Wittwe eines An
deren? Mußte er ihr nicht ein Frem
der sein ) Welche-S Recht hatte er, vor
sie hinzutreten ?- tir blieb erschrocken
stehen und sann nach. Wäre es doch
nicht besser, wenn er weiter reiste? Wo
zu die alten Wunden wieder aufreißen?’
—--- Aber das heiße Verlangen feineHH
Herzens siegte iiber die kalte Vernunft.
Er wollte sie ja nur fragen, ob sie da
mals seinen Brief erhalten habe.
Nach verschiedenen Ertundigunaen
erreichte er das lieblich von Obstbän
men umgebene, zwischen blühenden
gelbem liegende Farinhaus. Sein
erz klopfte heftig, als er sich aber dzr
Thür nahte, kam eine seltsame Ruhe
iiber ihn.
Die Magd, bei welcher er sich nach
Mes. Lindholt erkundigte, führte ihn
in’s Wohnzimmer, wo er Platz nahm.
L , l
ESobald aber aus dem Nebengemaehe
Ider Klang der geliebtcn Stimme an
Jsein Ohr drang, die er seit Jahren nicht
jvernommen hatte, war es um seine
ERuhe geschehen. Er sprang auf und
stiitzte sich mit den Händen auf die
sTischkanie denn seine Knie bebten.
! Die Thiir ging auf. Sie war es-.
»Schön» noch war sie neworden und
weibliche-n Ein Zug stiller Schwer
nmth nie-. Die Lippen verlieh dem Ge
sichte ein«-II riihrend Liebliches.
’ Sie siiskkxte erblaßte und starrte ihn
nn, als säh sie ein Gespenst
» »Als-Hi Lindholt — ich bin’s« —
stoiterie er.
Sie starrte ihn noch immer groß an,
sank auf einen Stuhl und murmelte:
»Du, Herrmann?«
i Jhre Faiiunaslosigkeit gab ihm seine
:volle Ruhe wieder. »Verzeihen sie,
sFrau Lindbolt,« sprach er, »ich wollte
iSie nicht erschrecken, nur fragen wollte
sich —— Fast Du damals meinen Brief
Inicht eri-,atten?«« ·
I Sie blickte ihn in maßlosem Erstau
snen an, sprang plötzlich auf, ergriff
seine Hand und fragte eindringlich er
Iregi: »Sag« mir die Wahrheit, Herr
smann, hast Du damals in der Residenz
»ein Verhältniss gehabt mit einer
zWirthstochter und hast Du aus meine
letzten drei Vriefe einmal aeantworiek?«
s »Was sagst Du? Dreimal hast Du
jschrieben und keine Antwort von mir
Jerhaiien ?——«-Um Gotteswillen, sprich —
lwer hat die Briefe an Dich in Ent
piann aenommen und die Deinen be
fördert?"
»Mein Vater!«
»Und wer hat gesagt, daß ich mit ei
nem anderen Mädchen ein Verhältniß
shötthk
»Warte- Watoman schrien es, der
sbei Deinem Regiment stand!«
»Der Freund Franz Lindholt’3? —
Oh, nun ist mir Alles klar! — Ger
trnd,« fuhr er nach einer Pause mit
iunkelnden Augen fort und ergriff ihre
Hand, »in-in hat uns betrogen, schänd
lich betroaen um unser Glück! Jch
schwöre es Dir, Gertrud, nie hat ein
anderes Bild in meinem Herzen ge
wohnt, wie das Deine — man hat uns
schmählich belogen und betrogen!«
Allniiilig legten sich die ftiirmischen
Wogen der cfrregnng sie vermochten
mit Rulfe iiber die Vergangenheit zu
reden, nnd Alles, was zwischen ihnen
dnntel gewesen, klärte sich auf. Eine
Stunde war im Nu vergangen, da öff
nete sich die Thiir nnd ein dreijähriges,
blondlockines Mädchen trat herein,ftutz
te aber beim Anblick des Fremden.
»Komm nur« Gretel,« sprach die
Mutter lkichelnd »und gieb dem frem
den Onkel die Hand!«
Die Ftleine, ganz das Ebenbild der
Mutter, kam zdgernd näher und ließ
ihre großen Augen prüfend auf dem
Fremden haften. Er mochte ihr wohl
gefallen, denn vertraulich streckte sie ihm
ihr Höndchen entgegen. Sanft zog er
sie auf seinen Schooß und küßte sie auf
die Stirn.
»Willst Du den fremden Onkel auch
ein wenig lieb haben?« fraate er sie leise.
Statt der Antwort schlang sie zärt
lich ihre Aermchen um seinen Nacken
nnd schmiegte ihr Köpfchen an seine
Wange
Herrmann’s leuchtende Augen be
qegneten denen der erröthenden jungen
Mutter Jn diesem stummen Blick lag
mehr als wag tansend Worte sagen
kdnnen, aus diesem Blick strahlte das
Morgenroth einer glücklichen Zeit.
OOO— — s
Hohlenwnnder auf Yniatan
Aus der Halbinsel Yukatan hat der
ameritanische AlterthumsforscherHen
eh C. Mercer, Kurator des Museum-Z
für Archäologie an der Universität von
Pennsylvanien, zusammen mit John
White Convith Höhlen mit unter
irdischen Hainen entdeckt. Die Ein
gänge dieser Höhlen bilden in
der Regel einen senkt-echten Schacht,
ähnlich einem Brunnen, oder gro
ße unterirdische Kuppelräinne. Dei
in diesem Theile Yulatansj be
deutende Flüsse nnd Ströme nicht
vorkommen, die solche Hohlränme hät
ten ausroiihlen können, so erklärt Mer
cer ihre Entstehung damit, dnfz sich aus
der Felsoberfläche zunächst irgendwo
atmosphärisches Wasser ansammelte,
das die Felgsläche allmählich zersetzte
bis ein Loch entstand Aus dein Boden
dieser Löcher fraß bog Wasser das Ge
stein m die Tiese und Breite aus nnd so i
entstand eine sehr aufsällige nlrt unter
irdischer, luppelsörmiqer Nummern
Von 50——30() Fuß Durchmesser nnd 10
Mfis-Fuß Tiefe, die durch eine oderz
mehrere runde Oeffnungen in der Decke
(von 10—-50 Fus; Durchmesser) mehr?
oder weniger hell erleuchtet wurden. ;
Die Natur bat sich nun diese merk-«
würdigen Höhlen gewissermassen als
unterirdische Treibhäuser mit Oberlicht
ausersehen. Durch die Lichtössnungen
nungen stürzten Stücke der ursprüng
lichen Decke hinab und bilden Hausen
loser Steine auf dem Boden der Höhle.
Wo der Hausen hoch genug und allmäh
.lich mit Humus bedeckt wurde, siedelte-e
sich Bananen und tropifche Immerng
lne Gewächse an, die mit ihren Kronen
manchmal die Ränder der Oeffnun nng
streifen, aus derselben hervorragen un
sbei windigein Wetter ein merkwür
digesGräusch In derHöhle verursachen.
Zuweilen liegen diese unterirdischen
Haine aber auch weit unter der Ober
fläche in Rotunden, die von oben ganz
unzugänglich find; Tauben bauen ihre
Nester auf Felsvorsprüngen in der
sNähe der Lichtösfnung, und kleinere
TThiere finden Schlupswinkel unter den
Felshaufen Erreichen auch manchmal
die inneren Anhäufungen einer solchen
Höhle den Rand der Oeffnung, so daß
man hinabspringen und an den Abhang
des Hügels in die Höhle hinabilettem
kann so veibt doch m der Regel eine
Kluft von mehreren Yards, die man
entweder mitStrielen uberbriicken muß,
um an den Boden zu gelangen, oder
man benutzt wie die Eingeborenen die
vielfach bis zum Boden der-Höhle hinab
reichenden Wurzeln der Alamobäume,
welche am Rande der meisten dies-et
Oeffnungen stehen.
i Mercer und Convith fanden eine
iganze Anzahl solcher Höhlen auf, von
Edenen manche auch Wasser enthielten,
andere aus mehreren neben einander
Eliegenden Kammern und Gängen be
standen. Stellenweise war der Boden
Einit Asche und rothen und grauen
Topfscherben bedeckt, die mit farbigen
Ornamenten verziert waren. Eine
Menge 2 bis 3 Fuß im Durchmesser
haltender Steinblöcle, die ausgeht-It
waren, von denen einzelne als Korn
quetscher, die meisten aber zum Aus
sangen von Wasser gedient haben mö
gen, deuteten an, daß ehemals diese
Höhlen von Menchen bewohnt gewesen
waren· Jn manchen Höhlen fanden
sich in den Felsen eingeschnittene Kreise
und Gruppen von rechtwinkligen Um
rissen und in der »Hirschhöhle« auf den
Wänden die Zeichnung eines Hirsches.
Nachgrabungen, die verschiedeneSchich
ten erkennen ließen, forderten aus der
Asche neben Topfcherben Thierknoehen
»und ausgeschlagene Menschenknochen zn
z Taaey was Mercer zu der Annahme ber
sanlasz daß die Hohlenbewohner Kalli
j balen gewesen sein müßten.
( A-A
Gedichte in Pfälzer Mund-ni
Von Loreuz Rom-J
N e i ch d n m.
Un esch der Mensch ach noch so reich
Un noch so ofgeblose,
Miihner wie zivee e dreißig Zäi
Kann er sich nicht reiße looße.
»j« esch neidcnswerth wer nimmt sei?
Lons,
Wie Schicksalsband ’s bot b’schiede:
Er sind’t im schtillc Schaffenskrees
Sei’ Herzensgliich sei iu Friede.
Blith un Blumm.
O Himcintlf mit Difte fiß, «
Wie l)auchscht, o Rons’, in’s Herz bei-«
(55risz’,
Doch lieblicher-, as allc beed’,
DnsU d’ Net1’, wann se in Blithc
schlecht
Was d’ Blith· verscl)pricht, die Trank-«
dic- halt’t"«z «
Am Rhei« nn b"sunners in der Palz;
Sie schafft «n Impr wunncrfei’,
Drum eler dic- Welt de Wei vum Rhei’«.
Weit hininsnooch erscheint, wie mied’,
Noch ganz absnnnerlich e Blith’.
· Es licht, so faiai das Kennerdum,
Jm WOP e wunncrvolli Blmnni.
Was Glanz ’m Schmu, ’m Räischc
Duft,
Im Veranstin dir Zisplii)rluft,
ITOZ csch in Bacchus Heiligdum
Nin glattjbiuebdc Wei« fci’ Blumm.
dksann alksi dir Blnnnn te Ackig’ entzickk
Zo wird doch sie doch-«- Herz erquickt,
Un manche c Häscher b«fchwert of Ehr’«
Tas; sie die lennmekmain wiirL
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MaycrofdeHasejagd. "
Mauer, der Priwatje
Geht Hase schicfo
Säicln er zu fanncr Frä:
»Her’ cmol, Luin
Drei schieß« id) lwit", ich wett’:
Een for Vetter Kunz
OfUJ Sdnannndiscijl knnnnt d«r zweit,
Ilinnnncr drei est-V for unis.«
» »Bänd«fcln nnsr ««n Bär-e nf,
Wann d’ net der Mauer wärscht.
Männche, geb Owasht d’rns:
Schic«fi« de drettc you zersci)t.««
U Verfasser von »Zw c- w l«e, K n o w
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