Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, April 26, 1896, Image 1

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    F Bequ- zu Na. 34, Jahrgang 16, des Anzeiger nnd Herold, Freitag den l. Mai 1696.
SJuntags-Blatt des Anzeiger und Herold.
It GREqu »Um
« Ginqu Jst-tits, Nemskii, Siiiutagjdcn 2«6Jfop"kic 1896;
»
"·NrZZ".:·7
Meeres-leuchten
Erzählung von c. III-c
. «3apitiin, follen wir nicht Vetore
'« en «
« »Der Denker soll rnich holen.
n ich’s thn'! So bange ich anf
- »Garn« fahre hab' ich noch nie
,«- sli bei dreht, auch wenn die Bri
»" ;- noch Kifer aus Nowroeft wehte
ls deutet Geht auf Euren Posten,
teuerrnannl«
’ »Nichts file sungut, Capitiin
ch meinte nur fo, da wir die Küste
· Lee haben und der Wind von
kMinute zu Minute fieifer wird.«
’ ,.Defto rafcher lonnnen wir nach
· efternilntde.«
»Seht wohl Capitön.«
Der Steuermann Eifriftian Fed
«-« fen ging zum Ruder zurück. um
sein ftrnernden Matrofen zu helfen.
- 1 pttiin Klaus Gehlfen erfaßte
. ein Tun, lchnte fich an »die Regeling
des Achtevdecls und fchentte mit fin
fleren Blicken auf die fchämnende,
c. tofende See.
» Der fchlanl gebaute Schooner
" » fk gleich einem durchgehende-I
" Rfe til-er spie empörten Wogen da
hin. Die steife Nordweftbrile ver
stärlte sich von Minute zu Minute;
Was Meer schämnte und kochte im
ofenden Aufruhr und entfandte oft
( miltfchiffs iiber -die Negeling brau
Zenit-e zifchenbe Seen, deren Waf
» erfelpvall due leichte Fahrzeug zu
« erdriielen drohte. Aber jedesmal
I taucht-e tdas gefchrneidige Schiff wie
der empor aus deanchwall der Flu
t . schüttelte gleich einem lebenden
,- efen vie Wassermassen ab ein-d
«- fliirntte durch die anfgeregte, heulen
J de. brausende, zifchende See. Dunk
- le Wollen jagten über den abenolis
— chen Viert-net und verfinfterlen die
nahenve Nacht mehr und mehr; oft-;
T: mais prasselten heftige Regenboens
- - auf das Deel nieder univ der Sturms
drohte »die wenigen Segel, welchel
der Schoonrr noch trug, in taufen-its
; Fee-n zu reißen. Die Logisihüsz
« ren waren feft geschlossen. Alles
Mian before-den sich an Deel und
Art-regten lich auf tEvens Vorderdeel
«- Irrfmnrnem jeden Augenblick gewär
«s«- ts: been Connnanido des Capitäns
er des Steuermanns zu folgen u.
och mehr Segel zu bergen. Aber
Enpitän Klaus Gehlfen dachte
nicht daran, die Segel zu reffen.
Er fchien eine wilde Freude an die
fem tollen Dahinftiirmen feines
Schiffes zu empfinden. Jetzt riß
s— er sogar feine dicke Schifferjacke
vorn auseinander und bot die ge
bräunte Bruft dem Sturm und Re
gen dar
»Noch einen Strich mehr abhal
ten, Jckhn,« rief tder Steuermann
, dem Mvtrosen am Ruder zu und
sprang set-bit hinzu, um das Ruder
« rascher zu riechen.
I - Der Mntrose, ein stiller, kalt-bill
tiger Sohn der friefifchen Miste,
dessen haare eisgtau um das ver
witterte Antkih wehren, befolgte den
Befehl und sprach dann zu dem
Steuermann
.Da Qlle is weder oditinnt wie’n
Melbolzen.«
- »Wir wer-den doch noch beidrehen
müsse-IF meinte der Steuermann
»Da tennt Sei den Ollen flecht,
StiiermanniJck sank jetzt in’t veerte
Jahr met elnm hew schon Sturm
mit durchtpetderh aberft bei hat noch
dich ein einzig Mut beidrei·ht.«
I «Jn, worum denn nich, Fahn?
« Dat is doch keine Schendei Jet glöw
wenn einem Idee Not-denen von ach
tetn packt und jümmer näher an
Füsse verdammte stesevigsche Miste
Mängeln dann wört nachgeradeTisd,
bitaeipeeihn.«
»Hei dheit et nich, Stüermann; un
wenn hei den Schooner up denSand
rennt. hei is tnu wedderhaarig.
« De Einzige. de sonst woll hetpen·
kunnt, dat wör sme Fru, wenigstens]
in tde erste Tid ehrer Ehe —- nu is?
bat ia vet anders worden« !
»Bist meint Jii damit, Jena«-«
»O nix nich, heut Jet meine man
et —« .
Und mit diesen Worten widmete
John wieder seine ganze Auf-meet
snmieii dem Ruder, der Steuer
mnnn beachte tein Wort weiter aus
heraus. i
"« Wistian Fee-dessen fuhr zum ersl1
ften Mal mit Capitän Gehlfen’5
Schwner Fällen« Gehlfen hatte ihn
in Geeftemrinde fiir das Schiff als
Steuermann engagirt und Christian
fkkllkt sich- einmal wieder auf einem
folch’ flinken Sogelfchiff die grünen
Fluthen der Nord- und Ofifee durch
pflirgen zu können, nachdem er meh
rere Jnshre auf einein großen Aus
wandererdarnpfer gefahren war.
Die «Ellen« war als eines der
schnellfien Segelfahrzeuge in Brenmi
und Geeftemiinde bekannt, deshalb
fehlte es· Capitiin Gchlfem der zu
gleich Eigenthümer des Schiffes war,
niemals an Ladung. Außerdem
kannte man Capitiin Gehlfen als ei
nen vortrefflichen Seemann, hatte er
doch das Lootfen-Examen gemacht u.
außerdem als Mvtrofe und Steuer
mann faft alle Meere der Welt befah
ren. Seit er Eigenthümer der »Gl
len· geworden, befchräntte er frch in
deffen auf·die Nord- und Oftfer. Zu
weilen fuhr er allerdings auch nach
England oder Amsterdam, meistens
machte er aber feine Iahrten nach Ko
penhasgen, den norwegifchen ««fen
oder durch die Oftfee nach den « sten
pliihen PomrnerWs und Oftpreufzen'5.
Jent war er auf der heirnreife begrif
fen. Er lam von Stettin, hatte Kiel
usw Kot-entsagen angelaufen und be
fand fich auf dem Wege nach dem hei
mathhafen Geefiemiinde.
Capitän Gchlfen war armer Fi
fchersleute Kind. Auf einer armseli
gen Nordfeeinfel geboren, war er schon
als vierzehnjähriger Junge an Bord
gegangen, nachdem fein Vater in einem
Sturme das Leben verloren und feine
Mutter nach la«v .n Siechthum e
ftorben war. Wo sich Kluus Gehlfen
iiherall heran-getrieben, Niemand
wußte es zu sagen. Jn Geefterniinde
oder Brernen fah man ihn immer nur
kurze Zeit; ftrts trieb es ihn wieder hin
aus auf's Meer, das feine heirnath
geworden. Eines Tages aber, nach
jahrelanger Alnoeferrheih war er heim
gelehrt —als d ißigjiihriger, welt
tundiger und — icher Mann. Nie
mand wußte, wo nd wie er das Geld
erworben hatte. Die fadelihafteften
Gerüchte waren im Umlauf, aber, kurz
und gut, Klaus Gehier war im
Stande, fich zu verheirathen, und noch
mehr, fich ein Schiff zu laufen und auf
eigene Rechnung zu fahren.
Das war eine hochzeit gewesen, als
fich der reiche und lustige Klaus Gehl
fen die blowdlockige, blauäugige Ellen
Peters als Gattin genonrsrnent Der
Wein floß nur fo, und die lustigen Ka
meraden Klaus Gehlfen’s tranken in
Champagner das Wohl des jung-en
Paares. Lufiig ging es her, und Klaus
Gehlfen war der Luftigfte von Allen.
Er lorrnte aber auch wohl glücklich
fein und ftolz dazu auf fein junges
Frauchen. Die Ellen Peters Iwar jetzt
freilich nur noch die Tochter einer ar
men Wittwe, aber doch guter Leute«
Kinde Jhr Vater war ein reicher
Rheder gewesen, der Unglück gehabt«
und als er Banleroti machen mußtU
sich eine Kugel durch den Kon gejagt
hatte.
Ellen wsbee war sung und schön undl
hatte das beste Pensionat Brenten’s be
sucht. Nach dem schrecklichen Tode ih
res Vaters swae es ihr und ihrer at
men Mutter herzlich schlecht gegangen.
Da erschien Klaus Gehlsen —- der
stattliche reiche Schiffs-eignen Die
tiesblauen Auge-n. die trat-sen braunen
Haare, das gebräunte Antlitz, die trös
tige, schlante Gestalt, das mußte "
dem Mädchen gefallen, und Ellen -
tees sagte nicht »Nein,« als Klaus um
sie are-hielt, obgleich Maus in dem
Rufe Wut-, ein lustiger Vogel zu sein,
und Niemand wußte, tvie er zu seinem
Gelde gekommen war.
Bier Jahre war es her, daß die
fröhliche hochzeü gefeiert worden —
viee Jahre, eine so kurz-e Spanne Zeit
aber was war aus dem fröhlichen, jun
gen Ehepaar getvoedent
Da stand dee seither so lusti e Bur
sche, dee Klaus, und schaute insteren
Blickes hinaus ans das tobende Meer.
Ein bitteres, böses Lächeln zuckte um
seine Lippen, und Rot-schen den Augen
hatte sich eine diesteee Falte ties, ties
eina raben. Der Sturm zerzauste;
sein net, gelocktes Haar, zerrte an«
seinen Kleidern, und dee Regen durch
näszte ihn bis aus die W. Er rührte
stch Ieicht. Sein-e Rechte ietntatntnsettel
das Tau, die Linie lag ates der Rege
ling nnd trannpste sich zusammen, alt
wollte sie das holz zerbrechen.
Uns-d d’runten in der Kajiite ruhte
Ellen, sein junges Weih, auf dem mit
chtvadzem Leder iiberzogenen Sopha
und hielt ishr dreijähriges Töchterchen
bekde im Arm. Sie lauschte den
wilden Melodien des Sturmes und
der Wellen. Fester preßte sie ihr Kind
in die Arme, wenn das Schiff ächzend
tin-d stöhnend wie ein leitendes Wesen
in der gähnenden Tiefe der Wellen zu
der-sinken drohte.
»Nami, Mama, ich süchte mich,«
meint-e die kleine Elia. »Weöshalb
komm-i Papa nicht?« «
»Still, mein Kind! Still! Papa
muß oben dleiden.«
»So laß uns zu Papa gehen, Ma
ina.«
»Nein, nein, Papa hat seht teine
Zeit.«
»Vat- hat seht nimmer Zeit, mit
mir zu spielen-. Wann spielt Papa
wieder mit mir, Mama?«
»Still, mein Kind, stillt« Weine
nicht! Papa wird schon wieder mit
Dir spielen —- komm’, schlaf’ ein, mein
Liedling.«
Und »das Kind schlief in dem Mut
terarm troh Wogendraus und Stur
mesgetös. Die junge Mutter aber
beugte sich iiber ihr Töchterchen und
weinte leise dor sich hin. Dann legte
sie das schlafende Kind in das Bett,
sanl auf die Kniee, legte ihre Stirn
aws den Rand des Bettes unsd flehte
zu Gott um Rettung aus den Schrecken
des Meeres.
Plöylich fuhr sie empor —- ein lau
tes Krachen ertönte — ein furchtbares
Stöhnen und Aechzen —- Schreien,
Laufen —- Comniandos, Fluchen und
Wettern! Das Schiff rollte und
stampfte entfehlicht Ellen ward an die
Kajiitemvarrd geschleudert, dort traf
sie mit der Stirn ge en eine scharfe
Ecke, sie blutete, sie iihlte sich einer
Ohnmacht nahe; doch sie durfte nicht
schwach werden —- ihr Kind — ihr
Kind! Bei-end raffte sie sich empor
und wankte zur Bettstatt, in dem die
kleine Ella friedlich schlummerte —
dort brach sie zusammen
Ein schwerer, schlürfender Schritt
nahte sich der Knjiitenthiir. Dann
ward die Thiir langsam geöffnet und
der graut Kopf des alten Jahn blickte
herein.
»Um Entschuldigung Frau Gelu
sen, sind Sie noch wach?«
»Bei diesem Wetter schlafen? Tretet
ein. Jahni Was ist vor-gefallen da
Ebens«
»O, nir nich, Madam! 's ist nur die
Großrnaststange iider Bord geflo
gen —'«
»Es-reger Gott —··
»Frau Gehlsen, wollen Sie die
Kleine da nicht werten? Man kann
nicht wissen, was passiren thut —- wir
haben da die serv-— Verzeihung, Ma
dam! ich meine, da in Lee liegt gerade
die Jammers t, ich kenne die schles
wig’sche Küste «er, wie meine Tasche
— unst- ivenn wir in die Bucht hinein
treiben, dann thut man tin-mer gut,
sich ans’n Sprung in's Salzwasser
vorzubereiten«
«Barmherziger himmel! —- Und
mein Manns«
»Der Capitän steht unt dein Achter
deck und wettert über die ver-o- Ver
zeihung, Madam! — und schilt über
die zerbrochene Stange.«
»Ist teine Rettung mehr. Jahn?«
»Ich weiß es nicht, Frau Gehlsen.
Aber wenn ich Siie wäre, dann ginge
ichHu dem Capitiin und sagte: Klaus
Gehlsen, sagt’ sich, da unten schläft
Dein Kind, und wenn Du das retten
willst, dann ist es jetzt die höchste Zeit,
daß Du· beidrehst und nicht noch rnit
halb geressten Segeln vor dem Nord
W gerade aus die Jammerbucht tos
,.Er hört nicht auf mich, Jahn! Jer
wißt es ja —- seit jener unglückseligen
Stunde —«
»Ja, ja, ich weiß, Frau Gehlsen —
eö war wohl nicht recht, daß Sie ihm
vor-warfen, er habe sein Geld und Gut
auf unrechtinäßiae Weise erworben,
aber, du lieber Gott, im Zorn spricht
derMensch oft ein unüberlegtes Wort.«
»Es war schändlich von mir, so zu
sprechenl Jch weiß es jetzt. daß er ein
Ehrenmann ist durch und durch. Da
mals Its-M Mich mein falscher Stolz
geblendet—salsche Freundinnen hatten
den Samen der Eifersucht, des Miß
trauens in mein her-i gesäet und ich
glaubte ihnen mehr, als ihm, dem ehr
lichen, treuen Mann, der sich in hattet
ZU
Arbeit sein hab und Gut erworben.«'
»Ja, ja, die guten Freundinnen
haben schon viel Unglück in der Welt
angestsiftet.« «
»Ich sehe ihn noch vor mir stehen«
als ich ihm das häßliche Wort zu
schleuderte, daß er ein Abenteuree sei,
der Gott weiß wo und wie sein Geldl
gefunden oder —- aestohlem Jahn, er;
zward weiß wie die Wand —- erst«
sglauhte ich —- er wolle mich schlagen
)—— dann athmete er tief auf und dann
sprach er: »Du sollst selbst erfahren,
wie man auf ehrliche Weise sein Geld
verdient. Von jetzt asb wirst Du mich
auf allen Reisen begleiten — Du miß
traust mir —- nicht eher spreche ich zu
Dir wieder ein Wort, bis Du dieses
Mißtrauen verloren hast —- bis Du
selbst zu mir kommst, um Dein Un
recht einzusehen —«
»Ja, ja, das sind nun beinahe zwei
Jahre! Athen Madam, konnten Sie
denn nicht zu ihm gehen?« —
«Jch half-B versucht, aber der unse
lige Stolz drängte mir das Wort, das
mir auf den Lippen schwebte, stets wie
der in die Kehle hinab. Wenn er mich
ansah mit seinem sinsteren Blick, so
verächtlich, so unnahbar-Dahn Jhr
wißt ja Alles —- Jhr seid jetzt mein
einziger Freund, seit meine Mutter
todt ist ——«
»J, Madam, wie follt’ ich nicht.
ihakk ich doch schon Ihrem Vater selig
gedient, als er noch seine fünf Schiffe
auf dem Meere hatte. Als kleines
Kind hab’ ich Sie schon auf den Ar
men getragen.«
«Rathet mir, Jahn, was soll ich
thun?«
»Das ist schwer zu rathen, Madam.
Jn ’ner halben Stunde rennen wir mit
dem Kliiverbaum in den Sand der
Jammerhucht —'«
»Mein Gott« mein Gott, hilf Du
uns.«
Weinend war das sunge Weib am
Bette ihres Kindes nieder-gesunken
»Frau Gehlsen, wenn Sie zu ihrem
Manne gehen wollten, noch is vielleicht
Zeit zum Beidrehen «——« «
»S! Wlkll Mich Nicht Dosen-Er wlkV
wieder so schrecklich bitter und höhnisch
lachen, wie damals im KanaL als der
dicke Nebel herrschte und ich ihn bat,
vor Anker zu gehen, damit wir nicht
mit einem anderen Schiff zusammen
stießen. »Hast ja tein Vertrauen zu
mir,« rief er mir zu. »Hast Furcht,
dasz ich das Schiff nicht steuern kann
—- aber weißt Du. ein Abenteurer, der
Geld verdienen will, musz wenigstens
ein fixer Seemann sein« —- und weiter
jagten wir durch Nacht und Nebel —«
»Un wären bald mit so ’ner smoten
den Kaffeerniihle —- «bitte um Ver
zeihung, Madam —- mit so’n großen
Steamer, mein’ ich, zusammengestoßen
—- aber um des Kindes willen würd’
ich’s doch noch 'mal versuchen.«
Ein Gedanke schien plötzlich durch
die Seele Ellen’s zu schießen.
Wie ein Lächeln fast flog es über
ihr betiimmertes Antlitz. Sie richtete
sich empor und sprach mit festerer
Stimme:
»Ich will’s noch einmal versuchen,:
Jahn, das Vertrauen meines Mannes
wieder zu gewinnen, wie ich ihm ja
Ilängst von ganzem Herzen vertraue.?
sWenn er will, kann er uns sicher auss
dieser Gefahr erretten — aber Wortel
fhelfen hier nicht, nur eine That. —
Jahn, geht wieder nach oben und seht
izu, othr den Capitiin bewegen könnt,
feinmal herunter zu kommen. Aber
sagt beileibe nicht; daß ich ihn zu spre
ichen wünschte —- dann lommt er sicher
nicht —«
»Will’s schon machen, Madam —
sun wenn’s zum Schlimmsten kommt,
Tdann halten Sie sich nur an den alten
Jahn. Jch brina’ Sie und die Kleine
wohl noch an Land —« «
»Schnell, Jahn —- geht!« —
- s «
Auf Teck sah es wild und wiist ge
nug aus. Die Stanae des Großma
.stes war gebrochen und hatte die anze
»Tai-lage des Großmastes mit au Deckl
gerissen. Die Mannschaft arbeitete
xmit wilder Haft, die Taue zu tappen
Iund einigermaßen Ordnung in das
Gewirr zu bringen« Capitän Klaus
xGehlsen stand auf dem Achterdeck und
leitete die Arbeiten« während Christian
Feddersen das Ruder hielt. Der Nord
west war seht noch mehr nach West her-»
umgesprungen und mußte das Schiffs
gerade auf die Küste zutreibem wennl
iman nicht bald einige Segel sehenl
i
konnte, um das Fahrzeug wieder ma
növrirfiihig zu machen. Das wußten
die Leute sehr wohl und deshalb arbei
teten sie mit wahrer Todesverachtung
trotz Sturm und Regen, um die Tale
lage wieder llar zu machen, trotz der
Finsternis der Nacht und der fortwäh
rend iiber Decl spritzenden Sturzseen.
Das Schiff trug keinen Fetzen Segel
mehr und trieb unaufhaltsam der
Küste zu.
»Halloh, John,« rief ärgerlich Capt.
EGehlsem »Wi) steckst Du? Hier sind
»all Hands« zu gebrauchen!«
»Um Entschuldigung Capitiin. Jcl
gew man mal nach Fru Gehlsen sei
en.« i
»Zum Henker die Weibsbilderl
Greif zu, daß wir wieder einen Fetzen
Leinwand da oben hineinbelommen,
sonst holt uns Alle in einer halben
tStunde der Teufel.«
i »Ja, ja, Capitän, dat schall woll so
sien. Un um uns olle Burssen mag
Idat woll kein Schade nich sten, aberst
zde kleine Ella da unten —- da is doch
Znoclh en bäten tau jung for den Dü
we . —«
. Der alte Motrose blickt-e sich, um den
jKameraden bei der Arbeit zu helfen,
ser konnte nicht sehen, wie das finstere
Antlitz dessCapitiins geisterbleich wur
de, er hörte nur ein lautes Aechzen
hinter sich, als ob Jemand mit gewal
tiger Anstrengung einen Schmerzens
schrei unterdrückte.
i- iis «
Capitiin Gehlsen stand einen Au
genblick wie betäubt da· Dann wandte
er sich an den Steuermann und sagte:
»Ich gehe einen Moment hinunter zu
meiner Frau —- mir scheint, der
Sturm läßt nach. —"
»Glau’bs taum, Capitäm —«
»Halten Sie gerade in den Wind
Fedidersem Wir sind der Küste zu
nahe gekommen -——«
«Wohl möglich, Capitän —- Sie
-wollten ja nicht beidrehen —«
»Zum Henler mit Ihrem Beidrehen!
Dazu ist’s noch immer Zeit — ich len
ne mein Schiff —«
»Seht wohl, Capitän!« —
Caspitän Gehlsen stand lauschend
an der Tshiir seiner Kajiite. Ein
Lichtstrahl schimmerte durch eine
Spalte, aber lein Laut von drinnen
war zu vernehmen. Leise öffnete
Gehlsen die Thür. Die Lampe
schwankte wir toll an der Decke, einige
Stuhle waren umgeworfen von sder
Gewalt des Sturmes, der das Schiff
hin- und herschleusderte, asber von El
len und dem Kinde war nichts zu se
zhen.
Dem ftarlen trotzig-In Manne bebte
das Herz. Er trat rasch ein-dann
blieb er plötzlich ftehen und schlug auf
stöhnend »die Hände vor das Antlitz.
Eine Weile stand er so da, dann
trat er an idas Lager heran, auf dem
fein Weib und fein Kind in sanftem
Schlummer ruhten. Jsm leichten
Rachtgewande lag sie da, das kleine
Töchterchen im Arm. Das Kind
schlief sanft und süß; Ellen dagegen
schien lebhaft zu träumen, ihre Brust
hob und fenlte ssich stürmisch, ihre
Wangen waren fieberhaft getöthet u.
ihre langen Wimpern zuckten, wie
wenn die Schlafende imTraume wein
te. Und jetzt — wahrhaftig! —— da
rann langsam eine Thräne über die
Wange hinab und fiel nieder auf die
Stirn des Kindes!
Capitän Gehlfen lam sich Vor wie
ein Ver«brecher. Wie war es mög
lich, bei solchem Unwetter fo ruhig u.
friedlich zu schlafen? Wie konnte sein
Weib hier so ftill unld ruhig aushar
ren, während droben im wilden Trotz
und Hohn das Schiff dem Verderben
entgegen jagte? War er wahnsinnig
gewesen? Wollte er an Weib und
Kind zum Mörder werden? O, sie
mußte ihm doch vertrauen, da sie jetzt;
so ruhig wie das Kind in ihrem Mut-(
teraem schlummern konnte! Stöh-;
nensd sank er vor dem Bette auf die
Knie nieder, ergriff die herabhängende
bleiche band seines Weibes und preßte
sie an seine Lippen. O, swie er sie
liebte —- fie und fein Kind!
"Plötzlich fühlte er die kleine weiche
Haan in der feinen zucken — er sprang
Ellen» —
gen auf, wie aus tiefem Schlaf erwa
chend und —- o, wie es ihn freudig, be
glückend durchbebte — lächelte ihn
sanft an. z
«Ellen!« —
»Ach, Du bist es KhauM —- Jch
träumte soeben von Dir unsd dem
Kinde. —« «
,,Ellen,’wir sind verloren-! Jn wenig
Minuten zerschellt das Schiff an lder
Küste. —«
Ein leichtes Beben ging durch
Körper des jungen Weibes, auf einen«
Augenblick schlossen sich ihre Augen,
doch dann sah sie ihn wieder freundlich
lächelnd an, reich-te ihm tdie hand und
sprach leise:
»Du wirft uns schon retten, Du
wirst Dein Weib und Dein- Kind nicht
umkommen lassen. ——«
»Ellen, Ellen! O, mein Gott, was
hab’ ich gethan!« , - .
si- ng st- «
Der starke Mann war auf die Knie
niedergesunken und verhüllte auf
schluchzend sein Antlitz mit beiden
Händen. Da legten sich leise u. sanft
zwei warme, weiche Arme usm seinen
Nacken, eine weiche, thränenfeuchie
Wange schmiegte sich an die seinige u.
eine leise zittern-de Stimme fliisterte:
»Ich vertraue Dir, lieb-er Mann, Dei
ne Hand wird uns retten.«
Er umschlang sein Weib mit wilder
Leidenschaft und eine Weile ruhte sie
eng umschlossen in seinen Arm-en.
Draußen über ihnen, um sie todte der
Sturm, tosten und brüllten die Wel
len, ächzte und stöhnte das Schiff, er
zitterte bis in die tiefsten Fugen, als
sollte es im nächsten Augenblick aus
einanderbersten, aber ein feliges
Gliicksgefühl durch-beim »das Herz El
len’"g, sie hatte die Liebe ihres Gatten
wiedergefunden, weil sie ihm vertraut
·n »der Stunde der höchsten Noth.
Jetzt ließ er sie los und sprang
rasch empor. Ein muthiger, freudi
ger Strahl erglänzte in seinen Augen
—- er war wieder der alt-e fröhliche
Seemann, der seh-on hundert und aber
hundert Stürme durchwettertt
»Ich danke Dir, Ellen!« rief er.
»Ich danke Dir, Du hast mich dem Le
ben wieder gegeben! Jch rette Euch
oder —- ich — sterbe mit Euch-«
Er stürmte zur Thiir hinaus auf
das Deck.
Jn demselben Augenblick wachte die
kleine Ella auf und sing an zu weinen-.
;,,Mama, Mama, wo ist Papa?«
: »Still, still, mein Kind —- morgen
.spielt Papa wieder mit Dir!«
’ Und felige Freude im Herzen schloß
sie weinend und lachend ihr Kind in
die Arme. —
»Capitän, die Takelage ist wieder
klar, ich glaube, wir könnten, versu
chen, ein Segel zu setzen — der Wind
ist wieder etwas nach Norden umge
sprungen — man hört aber schon die
Brandung in Lee —«
»Der mit sdem Ruder! -——- Lassen
Sie alle Segel setzen, die brauch-bar
sind. Wir miisfsen jetzt Segel pressen,
um ovn dem Legerwall los-zukom
men."
,,Wenn’s nur was hilft —«
,,Kein Wort mehr — thun Sie, was
ich besehle —« . ·
»Seht wohl, Capitän!———« T
Klaus Gehlsen packte mit gewalti
gem Griff das Ruder unsd drehte das
Schiff gerade in den Wind. Unter
furchtbarem Schlagen wurden alle Se
gel, welche das Schiff führen konnte,
aufgegeit; von dem gewaltigen Druck
des Windes erbebte das Schiff bis in
ldie tiefste Fuge, es war, als sollte die
gegen den Bug anstitrmenide See das
Fahrzeug verschlingen, jetzt hob sich
thurmhoch die Woge über »das Schiff
— mit gewaltigem Brausen stürzte die
See über Deck, Alles was nicht mit
Tauen unsd Ketten befestigt war, über
Bord schleuderndz die Regeling mitt
schiffs ward fort-gerissen, die Seiten
boote an den Davids zerschmettert —
die Balken —— die Planken — die Ma
sten stöhnten und ächzten—die Mann
schasten wurden niedergerissen — ge
gen sdie Bordwand geschleudert — fest
llammerten sie sich an die Planken, an
die Rippen oder die Taue —- ein jeder
glaubte, das letzte Stündlein sei ge
kommen — aufrecht allein stand Klaus
Gehlsen am· Ruder —- furchtlos und
fest —- mit Bärentatzen das Ruder hal
tend und ·das Schiff an den Wind
zwingend. Und das brave Schiff ge
horchte, ächzend und stöhnend zwar,
wieder dem Ruder und flog am Win
de dahin, sich von ider gefährlichen
Brandutigtu rasch entfernen-diI
Das Schiff swar gerettet —- die
Mannschaft sprang empor — ein
shurra herschallte, das selbst das To
ben des Sturmes ü’bertönte.