Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, April 12, 1896, Page 7, Image 7

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    l Die Haidekercha
Heu-rette von U. stim.
Dyfuchie eine Erziebetin fiiri
ne ekfjiihriae Tochter. Stunden
tqfkudirteSo ich tii lich die eingelass
Zeugnisse,P otogeaphie n und
schrisiem um diePerle mit dem
iichen Wissen, dem gediegenen
alter und dem liebevollen het
, « heraus zu finden, die ich s
· niiißes Mädi erträumie Wit
n nahm die Gouvernante leich
.Jung, hübsch nnd lustig muß
,ein,« erklärte er mir, oder-flach
wie alle Männer.
nzwischen verrann die Zeit, und
ene lief iiiiuleinlos herum Um
vor gänzlicher Berwilderung zu
ahren, begann ich, ihr seidsi vor-i
Isigen Unterricht zu ertheilem Es
rren freie Voriräae, von einem er
en Standpunkt gehalten. Jch
nur gewissermaßen gewaltige
taten um Welt und Menschheit;
Detailardeit iiiberließ ich der
enden Gouvernanie. Helene
« enir mit weit aufgerissenen
gi; zu. Eines Tages sagte ich
ganz verlockend: »Wie wärs
n, mein Kind. wenn statt einer?
herin von nun an ich selbst
en Unterricht leiten wurde i«
z. ein, Mama Das gehi nichif
t,« erwiederte das Kind ent
i , »da würde ich ja gaan
inmi« s
f Isp damit war es Richts. So vI
tschlosz ich mich denn rasch eik
I ges Mädchen zu enges-tren, wel
7 I soeben dem Elternhause ent’
D iipstr. hübsch und jung war sie,
I nsttr bürgte ihr reizendes Bild, at
m mich besonders der träumend
ck fesselte. Lusiig mochte sie auch
nzsie setbsi verrietb, daß man sies
Ahaidelerche nenne. Und was ich
noch von einer Erzieherin ver
thywarum sollte sie es nicht auch
iden?
Ohne langes Ueberlegen ward
Mo Marie Luise Hosmann vorn
tauche der halberstiitter heimathI
liielt I
«: ineö Abends-es war Ansangsi
« mber —- follte sie anlonrmenI
lene und ich fuhren ihr aus dernI
has entgegen, Beide vor Neu
ie Volle. Auf der Plattform eines
»L- ns wurde ein allerliebstes hoch
« "- - schlank gewachsenes junges
sichtbar I
»rä-ulein Hofmann?« I
s ch, gnädige Frau! — Das ist«
» wohl Helenchen?« Zärtlich um
rtnte sie ldas Kind.
Der erste Eindruck war borstig
ich. Wir schwebten zum Wagen.I
. ause angekommen, ward Ma-I
uise, deren Wangen sich immer
« er särbten, allen HausgenossenI
, gestellt und zum Abenderd txt-I
ht. Und Luischen gasb die erst-I
orsiellunn. Sie nahm dem Die-I
er ie Schüssel aus der Hand und
st tesie auf ihren Teller Jch sprang
f
»Sie müssen sich an unsere SitiI
ten gewöhnen, liebes Fräulein, hier?
macht man es sol« Damit legte ich
r vor. I
Sie lächelte mich glücklich an. Da
i blieb es in der nächsten Zeit
arie Luise lächelte stets in sonnt-I
gern Glück; die lleinen Verstöße, die
sicheging waren nicht im Stande
eheiterteit zu triiben Meine;
elehrungen nahm sie mit der dank
( barsten Freudigkeit aus.
Oele-ne ha atte gleich am nächster
Tnge das Heft m die Hand genom
men und umgckb Luischen mit müt
Mlichen Rathfchlägem Sie logie
8 ihr bei den Mahl-Zeiten« was sie
furchtlos essen dürfe, und womit sie«
s eh den Magen verderben tönnte,
etzie ihr auch häufig vor. Jch fah
. such plötzlich als Mutter zweier
I hold-seligen Kinder-, von denen das
i Kinn-re dem älteren an gereifter Er
I fah-Uns weit überlegen war. j
I -«)!etiMn war von einem rühren
k den Lerneifee erfüllt. Gleich nach
et Ankunft hatte sie mich gebeten,
e VioliniStndien fortsetzen zt
dürfen u. an jedem Morgen konnte
man von Acht bis Nenn -—— wenn es
Einem gerade Vergnügen machte ——
zuhören. wie das liebe Kind eifrig!
mit der Bildung von Tönen beschäf
tigt war. Auch lateinische Studien
trieb sie . diese jedoch lautlos. Als
M mich döhmisch sprechen löste, ver
tangte sie sofort eine böhmische
Grammatit u machte nun in ihren
Mßestunden Consonantengehver
suche in ihrer Kehle. Von Helene
ließ sie ti-« die Votatbeln absteigent
Das ganze Haus freute sich über ihre
Fortschritte
Dei Abends saß Luiöchen stets
ks
mit cis-r hättlel anmuthig beschäf
tigt, im Besuchszimmer und bot so ein
liebliches Bild. Von Zeit zu Leiter
ziihlte fie kleine Aneldoten aus der
Weltgeschichte oder ans dem Burschen-s
like-n ihres Bruders. Sie hatte aller-v
liebste Ausdriicku »Heute habe ich mei
nen Uhrschliissel verhummett!« sagte
sie einmal. Wir fanden sie einfach
entzückend.
»Dab’ ich nicht Recht gehaht2« fragte
mich Wilhelm triumphirend. »Funk-,
iillsch und lustig, das ist die haupt
s che.« Ich nickte ihm selig za.
Jn dieser Zeit rüsteten wir uns zu»
einer großen Jagd, bei der es Hasen;
und Herren geben sollte, und art«
Schluß ein großes Diner. «
»Sie dürfen die Jagd rnitmachen,l
wenn es Jhnen Spaß macht!« lächelte
Wilhelm gütig der Haidelerche qu
Und ob es ihr Spaß machte! Doch
dazu brauchte sie vor Allem Jagdlleitys
Hut und -Stirfe(. Jch trug freudig
meine Gardewtbe herbei; Luischen
wählte das kürzeste von allen Kleidern
und probirte der Reihe nach die
sämmtlichen hohen Stiefel des HausesJ
»Vielleicht thiisten’s ein Paar Garn-Z
macht-he die Sie übek Jhke Stiefeln-l
tm anziehen tax-armes- skagte ich. l
Sie schüttelte gedankenvoll den!
Kopf, dann schlug sie die blauen An
gen aus isie stand gerade mit eineml
Fuß in Großpapcks ungeheurem Filz-i
stiefel.) »Ach nein,« sagte sie, »Gum
mischuhe tann ich alle Tage tragen«
aber Jagdstiesel nicht« (
Das Argument war schlagend. ent-’
schied sich Luischen siir meine Reitstie
sel. Nun nähte ihr Wilhelm noch!
eigenhändig seinen Gemsbart auf den
hul, und die Jagd durste beginnen,
Luigchen war ausgerüstet J
helene hatte in diesen Tagen rechten
Lahmer mit ihrer Lehrerin, denn diese
vermochte vor lauter Jagdsieber taunr
mehr zu essen. Der große Morgen
brach an. Luischen sah entzückend aus«
als sie in der frischen Winterlcnft mit
Wangen wie rother Sammet, unsd Au-?
gen, die noch dreimal so iblau blickten,!
als gewöhnlich, in ihren Reiterstieseln1
im has aus und ab trippelte, aus dem;
braunen Haar den Jägerhut, von dernJ
der Gemisbart vornehm stolz herab-E
nicktr. Alle Welt war Von ihr Beson
bert. Die Herren umschwärmten sies
So ließ ich denn das liebe Kind fröh
lich hinaus slattern in den ihr bekann
ten Wald.
Als wir uns nach zwei Stunden bei
der Hasenstrecke versammeltem drängte
sich ein alter Onkel an uns heran.
»Schöne Jugendbildnerin!« sagte er
härnisch nnd deutete in die Ferne. Was
sah ichs Luischsen. von zwei Rittern
umgeben, nahte, ein glückseliges Lä
cheln aus den Zügen. Zwischen den
Rosenlippen hielt sie-keine Cigarettel
Eben nahm sie das dustende Kraut
zwischen zwei Fingern ihrer Linken
und schlug sicheren Grisss mit dem
schweren Stock in ihrer Rechten die
Asche herab.
Mir schwindeltr. Was war aus
dem Kinde geworden!
»Und was sie nicht Alles lernen
willi« lachte der Onkel, sich an meinem
Erschrecken weidend. ,,Vor Allem rei
ten und schießen. Sie meint, Du ha
best Pferde und Gewehre, die würdest
Du ihr gewiß boraen.«
O, dieser unselige Lerntriebl
Eine Stunde später wurde in einem
Dorfwirthshaus geseiithstiickL Luiss
then vertauschte die engen Reiterjtiesel
gegen ein Paar delolletirte Strandlän
ser, und, ohne ihres kurzen Röckchens
zu gedenken, sprang sie leichtsiiszig über
»die Bänke. Als ich in ihre Nähe lam,
ries sie, dies sei der schönste Tag ihres
Lebens.
wer meine war eg ntmr.
Während des Diners um Abend
rieb sie einen Salamander.
»Du läßt Dir das Mädel über den
Iton wachsen!« grollte mißtnuthig eit
bitteres Fräulein
Was sollte ich thun? kutschen zu
Bett schicken? Ich ristirte, daß
sämmtliche Herren einschlirsen, wenn
sLuischeW Augen sie nicht mehr elek
trisirten. So entschlosz ich mich, Lins
chen ihnen als letzte Beute zu ikberlas
sen, »und machte nur über dem Rinde,
daß seine Unschuld nicht qetriisbt werde.
Am nächsten Tom tagte Wilhelm
gedankenvoll- »Lustig ist sie, Das ist
sicher. Wenn sie nur gut unterrichtet!«
Damit streute er »den Saamen des
Mißtrauens in meine Seele. Ja,
wenn sie nur gut unterrichtete! Aber
wer wußte Dass
Ich begann, an der Thiir des Schul
zimmers zu lauschen und durU das
Schlüsselloch Fu blicken. Auch ragte
ich Helene scheinbar harmlus aus. Ei
nez Tages berichtete mtr tdie Kleine:
Heute haben wir in der Religionb
stunde den Herrn von Wachs durchge
fnommenf Jch erschrak. Herr von
lWachs war unser Ruck-bat »Friiulein
H
Lnise zeigte mir an seinen Fehlern,·
wie man nicht sein soll.« ·
Gerechter Gott, wohin sollte solch
ein Unterricht sührent Schon sah ich(
mich nnd meine sämmtlichen Bekanan
ten als Erziehungshamsmel aus den«
Schultisch geschleift. Am nächsten .
Morgen entschloß ich mich, selbst einer I
Stunde beizntvohnm Ich trat unan- «
gesagt in das Schulzimmen Welch «
unerwarteter Anblick bot sich mir dar! i
Jch glaubte, eine Cirtus-Prodiittion
zu sehen. In der Mitte des Zimmer-s
stand Luischem oder vielmehr sie stand
nicht« Sich eigenthiimlich um ihr
Achse drehend, bewegte sie sich lang-sank
um den Tisch, während Helene ihr in
einem gewissen Zwischenraum mit den
gleichen Bewegungen folgte. Jch blieb
erstarrt stehen.
»Wir fmd Mond und Erde!«
jauchzte Helene.
»Gniidige Frau kommen gerade zu
recht!« ries Luischem »Bitte, wollen
Sie die Sonne sein und ganz still sich
um Jhre eigene Achse drehen, dann
versteht es Helenchen noch bessert«
Und die Gestirne schwebten an mir
in himmlischen Ellipsen vorüber. Als
Helene endlich das Ritthsel des Welt
alls begriffen hatte, ließ ich mich er
schöpft nieder.
»Lassen Sie sich nicht stören,« sagte
ich zu Luise, »ich lese hier ein wenig.
Damit hielt ich mir ein Buch vor die
Nase.
j Helene begann, sich unbehaglich zu
jsiihlem Sie merkte, wo das hinaus
ging, und das liebe Kind sorgte um sei
ine Luise.
Der Unterricht nahm seinen ort
Igang7 es war die englische St nde.
iMädi hatte eine Geschichte zu erzäh
lten, in ver das Wort Schlüssel pok
Ikam. An diesem Worte rannte sich die
Schülerin se . ·
»Nun,s Helenchem Du Iwirst doch
wissen, wie Schlüssel heißt!" ermahn
te die Lehrerin. »Dente ’mal nach.
Schlüssel! Nun? Es fällt Dir nicht
eins Aber Lenchrn, Lenchenl So ein
einfaches Wort! Gieb ’n1al den Dic
tionaire her."
Gerechter Gott, sie weiß es selbst
nicht! rief es in mir, und ich verhüllte
stöhnen-d mein Haupt.
Von nun an fühlte ich Luischen öf
ter auf den Zahn. Alles, was sie
Hnicht wußte —- und es war viel —
snannte sie »niichternen Wissenstram."
IDies galt besonders von historischen
Jahres-zahlen, die Einem nach ihrer
sBebauptung nur »die lebendige Freu
tde an sder Weltgeschichte verdarben.«
» Was diese »lebendige Freude« war,
shabe ich nie erfahren.
« An den Winterabenden brach ein
neues Talent von ihr sich Bahn. Sie
zwurde unerschöpflich im Ersinnen
ptleiner, scherzhafter Ausführungen
lOft mußten unsere Gäste sich an sol
fchen betheiligen. Einmal wurde die
Vorführung einer Menagerie ange
ssagt. Die Thitr öffnete sich und her
kein trat mit tiefem Brummen und
wuchtigen Schritten ein Tanzbär.
IWilhelm erkannte entsetzt seinen um
gekehrten Stadtpelz, dessen Arme als
zBeine den Boden berührten. Schon
iwollte er ausspringen, aber der Zau
jber der reizenden Bärenfiihrerinnen
ihiesz ihn schweigen.
Allerliedii schwangen sie das Tum
bourin und schlugen die Kastagnetien
(beides war meinem Salon entlehni),
zund der Bär wurde nicht müde, zu
kianzen und auf den Hinterfüßen zu
,fiehen, ein Kunststück, das er jedem
anderen vorzuziehen schien.
i Die zweite Nummer des Program
Xrneö bildete der feiertiche Einzug eines
iikameels. Dies-mal war mein Pelz
lbeschäftigt worden mehrere Decken
aus Kameelhaar, sowie Herr v Wachs
Isammt seinem Voloniär. Letzterer bil
.deie des Kameels Hintertheii, wäh
Irend Ersterer mit der ausgeftrecktem
«durch Mützen und Decken tunfivoll ver
kleideten Faust den Kon des Wüsten
sschiffs darstellte und seinen eigenen
ächzend unter der Pelzlafi barg. Nach
eininaligem Rundgang ereignete sich«
ein kleiner Zwischenfall Das Kameel,
iwelches von feiner reisenden Herrin
an Stricken geführt wurde und von
Zeit zu Zeit ,,Muh!« machte, sagte
plötzlich ganz deutlich: »Uff! Jch er
Jsiicte!« woraus die Menageriebesitzerin
mit ihm schleunigst den Rückweg in
das Nebenzimmer antrat.
Bald darauf kam Herr von Wachs
mit verstörtem Ausdruck wieder an
das Lampenlicht Er hatte entschieden
etwas Thierifcheö im Blick, und ichs
nahm mir vor, ihm die Mitwirkung
bei derlei Produktionen zu unterfagen.
Den höhepunkt erreichten diese Vor
stellungen am SylvesterJAbend durch
eine Ausführung zu welcher Luiöchem
text allen- früheren, aus eigenem
Trie fich entschloß.
»Der here Professor und die Flie
ge« war der Titel der tleinen Panto
rnsinr. Die Vorbereitungen nahmen
L
abermals längere Zeit in Anspruch.
Endlich wurden wir hetbeigerusen.
Heili er Himmel, was sah ich! Jn
einem intel des Zimmers, vor ec
nem Tisch, der mit alten Büchern über
laden war, stand unser Luischem die
.,Jugendbildnerin,« in einem Aufzug,
vor dem ich schaudernd die Augen
schloß, indeß sämmtliche Gäste sie um
so mehr ausrissen. Das unschuldsvolle
Kind hatte Großpapa Hosen angezo
gen, darüber seinen Schlafrock und
sonst nichts mehr. »Das Haar fiel ihr
in dicken, weißgepuderten Strähnen
über das Gesicht; eine große Horn-!
brille steckte auf sdem kleinen-, nimm-f
ren Niischm :
So nei te sich der Herr ProffessorI
über ein uch und wühlte in einenE
Blättern. Plötzlich ertönte ein leisess
Summen, das von Fern zu tommenä
schien und sich immer mehr und mehri
näherte. i
Die Jagd nun. die der Professor in-;
wilden Sprüngen shinter der Fliege!
unternahm, wie er an »den Wänden
empor trabbeln wollte, «wie er um sich
schlug, daß der Schlafrock weit aus-i
ein-ander flatterte, —- diese Jagd will
ich nur andeuten, nicht beschreiben. «
Endlich glaubte er, die unselige
Fliege gefangen zu haben, sein Gesicht
verklärte sich . . . jetzt —- jetzt öffnete
er die Hand und — eine Maske der
Blödigteit legte sich über sein Antlitz
—- weg war die Fliege. "
Frenetischer Beifall lohnte die Vor
stellung. Jch blickte anwäoll auf Wil
helm. Da, an der Zorn r auf seiner
Stirn sah ich’s, daß Liuischens Ur
theil gesprochen war
Am folgenden Morgen ersuchte er
mich, der Gouvernante sobkld, als
möglich, zu kündigen. Jhre glänzende
Befähigung zur Soubrette lasse sich
nicht mit ihrem Berufe vereinigen . . .
Jch war trostlos. Wie sollte ich
dem armen Kinde den Dolch in die
Brust drücken?
Jch zog Herrn von Wachs in’s Ber
trauen. Er sand Wilhelm’s Entschluß
geradezu empörend Eine bessere Gou
vernante bekämen »wir nie im Leben,
sagte er, solch ein Charakter, solche An
math, solche Heiterkeit! Ich bat ihn,
Luischen durch einige Anspielungen
aus ihr Schicksal vorzubereiten und mir
so meine Ausgabe zu erleichtern Er
versprach es und eilte sogleich zu ihr
Bald daraus erschien Marie Bis
in meinem Zimmer ein wenig ver
wirrt anit leichter Thränenspur aus
den Wangen. Jphigenie, die sich dem
Priester nahte . . .
»Ach, gnädige Frau!« rief sie und
neigte sich« schluchqend wie von ihren
Gesiishlen überwältigt, aus meineHand.
Mein Herz lrampfte sich zusammen;
unsendliches Mitleid schnürte mir die
Kehle zu. Aber wir konnten doch un
möglich Beide weinen. Wo blieb der
Anstand, die Würdel
»Glau·ben sSie mir.« sagte ich milde,
»daß ich bei Ihrem Eintritt in unser
Haus dieses Ende nicht voraus-gesehen
hättet«
»O, gnädige Frau!« ries sie noch er,
schütterter, diesmal in einem wahrer
Paroxismius der Selbstanllagr.
»Ich will thnen keinen Vorwurf
mache-n,« fuhr ich fort. ,,Eine unselige
Verteilung der Umstände hat diesen
tragischen Conflilt herbeigeführt.«
Marie Luise hob »den verwunderten
Blick. »Unselig—tragi;sch, aber, gnä
dige Frau, ich bin ja überglücklich . .!'«
Die Undankbare! »Also schmerzt
es Sie nicht, uns zu verlassen?«
»Das wohl, um so mehr, da ich an
Jhrem Wohlwollen, an Ihrer Giit
mit jedem Tage mehr erkannte, wie
sehr es mir gelungen ist, Ihre Zufrie
densheit zu erringen. Wenn ich mich
trotzdem entschließe, Jhr Haus zu ver
lassen, so ist es nur, weil — weil ich
Herrn von Wachs gar zu lieb habe.«
«Wu——as?«
»Ja, wissen Sie es denn nicht, daß
er um meine band angehalten hats
Wir haben uns soeben verlobt. «
Jch mußte mich an der Lehne eines
Sessels festhalten, um nicht zu wanken.
Dann zog ich, von Freude überwältigt,
Luischen an mein Herz. Jn dem glei
chen Augenblick drückte Wilhelm Herrn
von Wachs an die Brust.
Der Stimmen
. Die erste Ursache eines Schnupfenz
ist Mangel an frischer Luft. Warum,
isi leicht zu erkennen. Bis tief in die
Lufiriihre hinab sitzen zahllose kleine
haarförmige Wimpern. Diese win
zigen Besen sind in einem fort am Fe
gen, aber nur in einer Richtung-näm
lich nach dein Munde zu.
So wird der Schleim, der, regelrechi
abgesondert, dick und klebrig ist, um
Siawb und andere fremde Bestand
theil festzuhalten, the-ständig »die Luft
töhre hinauf getrieben, bis er ihr wei
teres Ende erreicht und leicht ausge
stoßen werden kann. In reiner Lqu
fbewegen sich diese Wimpern ohne Un
terlaß unsd dürften weit emsiger, als
irgend ein Zimmermädchen, jedes
Stäubchen hinaus, so daß alle die un
berechenbaren Luft-durchgänge hübschi
sauber bleiben. Enthält aber die Luft«
ein, wenn auch noch so geringes,
Ueber-maß von Kohlensäure, dann er
schlafft die Beweglichkeit der Wimpern,
und wenn ihnen keine frische Lust zu
geführt wird, so sterben sie größten
theils ab.
Jn dicht verschlossenen Wohnräumenz
ist die Luft immer unrein, und wenns
darin künstliches Licht, insbesonderel
Gas, brennt, schadet auch die Trockenq
heit der Lust, indem sie den Schleim
verdickt und so den geschwächten Wim-;
pern die Bewegung erschwert. Die«
Blüthezeit der Erkältungen fällt ge-s
wöhnlich in die Nebel- und Regen-i
Monate, wo die Zimmer geheizt und:
die Fenster verriegelt werden. Es ist eini
Wunder, wenn unter diesen Umstän-E
den irgend Jemand vom Schnupfen
oder sonst einer Erkäktung verschontj
bleibt, und that-sachlich trifft Das auch1
nur selten zu.
Jeder körperliche Zustand, der als;
krankhaft betrachtet werden darf, jedes
Unreinigteit des Blutes erzeugt Ge-!
neigtheit zum Schaut-sen Manche;
Leute schreiben ihn dem Umstande zu l
daß sie aus einem warmen Raume in’s
Frei traten, während sie sich in Wirk
lichkeit schon drinnen in der dumpfen
sunreinen Luft erkaltet haben. t
Daß « ' . e
ist nicht wahrscheinlich Jedenfalls sind
jdie Keime der Ansteckung noch nicht
entdeckt worden. Meistens vereinigen
Isieh bei den Mitgliedern einer Familie
idieselben Bedingungen, so daß aus
diesem Grunde die Krankheit so häufi
bei ihnen gleich-zeitig auftritt. Briefg
träger, Zugfiihrer und sonstige Perso
;nen, die allen Unbilden des Wetters
ausgesetzt find, aber beständig in der
frischen Luft ver-weiten, ziehen sich auf
fallensd selten eine Erkältung zu.
Der Schnupfen meidet sich mit ver
mehrter Schleimausscheidung aus den
jAugen oder der Nase oder aus beiden,
iverbunden mit Riesen. Dazu können
EKopfweh Müdigkeit, Schwäche, Unlust
Izum Essen und eine Entzünsdung des
kSchlundes kommen Ost folgen auch
Frösteln, leichtes Fieber, Schweiße-ius
bruch. Druck auf der Brust und
ISchmerzen in verschiedenen Körper
jtheilem
? Die Zunge ist weiß und belegt, die
Haut trocken, der Pulsschlag hastig unsd
die Körper-warme ungewöhnlich hoch
sAlle diese Erscheinungen verschlinij
mein sich bei Einbruch der Nachtj
zAußerdem sinkt die Schärfe der Sinne-,
ausgenommen des Gefühls. Das
Sprechen kostet Mühe und klingt hei
ser
i Zur Heilung genügt in der Regel
das Einathmen reiner und frischerLuft,
ein geinächlicher Spaziergang in der
besten Tageszeit und ein warmes Bad
am Abend Den Blutandrang nach
fdem Kopfe beseitigt ein Fußbad in
jheißein Senswasferz eine warme dünne
kSuppe vor dem Schlafengehen Vermit
telt einen wohlthätigen Schweiß
! Die Fenster im Schlafzimmer lasse
man, wenn trockeneWitterung herrscht,
ein wenig auf und decke sich nicht wär
iner zu, als zum Wohlbefinden nöthig
sist Arzneimittel sind geradezu n·-ut3
los, Um- und Aufschläge überflüssig
Den Durst löscht man am Besten mit
Früchten; aufregende Getränke sind
thunlichft zu vermeiden, dagegen ist
IUnmäfzigkeit iin Genuß frischer, reiner
Lust nur wünschenswerth
.F,) a n s —N o l t e
Sthicksal der Kunst.
Jn der letzten General-Versamm
lung der Aktionäre des Wiener ,,Rai
wund-Theaters« tout-de iisber die vom
jAufsichtsrathe plötzlich verfügte Ab
ksetzunsg des mit zehnjährigem Contrak
te angestellten Direktor-Z Müller-Gutt
«mann verhandelt, eines, wie es heißt,
sin den Kunst- und Literaturkreisen
Thoch angefenen, durchaus competenien
IMannes von langbetvährtem Rufe als
sFächmann und Ehrenmanan
Sein Vergehen hatte darin bestan
den, daß er sich von den Aufsichter
tshen keine von ihnen begünstigten un
fähigen Schauspielerinnen, die in der
HPrvbe durchfielen-, aufdrängen ließ,
»und daß er das Theater ohne Verlust
zwar, aber auch ohne hohen Dividen
den-Gewinn leitet-ex obschon er auf das
Iilyms übergebene Haus jährlich 12,000
dGulden Hypothekenzinsen zu zahlen
khatte, konnte er immer noch zwei Pro;
izent Dividende abgeben; doch dies er
lschien den Hauptattionären die in der
sBerwaltung saßen, zu wenig, und da
-sie die Mehrheit der Altien besaßen,
ientsernten sie den Mann, welcher nur
die Kunst und nicht die Dividenden
im Auge hatte.
Die »Wiener AtbeiierseitunM be
"faßt sich in mehreren Nummern einge
shend mit dieser Sache und bringt un
ter Anderem einen dreiseitigen Berichf
aus jener Aktionärs--Berfamrnlunsg,
um zu zeigen, welches Schicksal unten
Umständen vder Kunst bevorsteht.
Der abgesetzte Direktor sagt in fei
ner Vertheidigungsrede unter Ande
rem Folgendes
»Sie haben wohl schon gehört, was
mir in einer Verwaltungs-Sitzung
mit Schiller pafsirt ist. Viele von Ih
nen glauben wahrscheinlich, es sei nur
ein Witz gewesen, darum will ich’s hier
öffentlich in Gegenwart des Verwal
tungsrathes wiedererzählen: —
»Ja einer Sitzung übergab ich vdeni
Verwaltungsrath einen Brief des Re
dakteurs F. Schiller, der um einen
Freisitz für die Vorstellung von »Res
co« ers uchte.
»Was« —- rief ein Mitglied des
Verwaltungsrathes — »dem Esel einen
Freisitz geben? Sein Stück »Fiesco«
hat bei uns noch niemals Geld einge
bracht."
Obschon diese Erzählung selbstver
ständlich einen kaum enden wollenden
Sturm von Gelächter und Hohn her
vorrief, war doch die kleine Anti
Schiller-Fraktion durch ihren Aktien
Mehrbesitz in der Lage, ihren Willen
durchzusetzen.«
1
Der Wanst-.
Eine deutsche Hausfrau entwirfs
folgendes verlocken-de Bild Von ihrenr
T«heetisch, das vielleicht auch unter un
sern Leser-innen Liebhaber findet
·«Mein Theetisch ist mein Stolz units
die Freude meiner Bekannten, obwohk
ich nicht mit theurem Damast und kost
barem Porzellan prunken kann-. Dis
ssOecke hat seine breit-e, gestickte Bart-e
km altdeutschey roth uan blauer Sti
jckereix die kleinen IServiiettem eben-falls
Iroth und blau gestickt, haben alle ver-.
Eschiedene Kanten; ebenfalls altdeutsckj
ist die Sewtttischdecke gestickt. Jn den
Mitte desv Tisch-es stehst eine Schüs
sel mit Salat, Herimsgssalat oder der
gleichen oder eine Mayonnasise. Den
Heringssalat wird smit langgeschnitst
taten P'feffergurken, gehackten Eiern-,
sEsssigtlirschenz Preißelbeersen oder Ha
gebuttseni verziert Die Mayonniaise
the-kommt einen Kranz Von En"dibien-.
ssalat, in den alseich Blumen einiges far
tbige same Eingemsachte gelegt wirs
FUeber dieMayonnaise ziehen sich Strei
ter oder eins gefälliger Stern Von ro
;tshem, tleingehacktsem Gallert. Rechts
»und links Von der Mittelschiissel ste
hen kleinere Schüsseln mit Aufschnith
In die Mitte einer jede-n Schüssel lege
ich ein rund gefchnittewes Stück Brot-,
welches- ich mit lStaniol umwickel
und in dessen Mitte ich ein Strauß
chsen von Peter-filie mit Blumen aus
Kartoffeln und -Ra)d-ieschen stecke. Den
bAufischnsitt lvirtd rings-herum arran
girt und zwar so, daß hell und idunkes
imöglichst abwechselt, dann kommt uns
»·den Rand ebenfalls wieder grüne Pse
»tersilie. An der dritten-Seite der Mit
,t-e-lschiissel stehen- Brod und Butter
»Das Brddkörbchein mit einem zierlicki
lgestickten Deckchen enthält Weiß«brod,
IGrsaubrod und Pumpernicbei. Dies
tButter ist, wenn «sie·in »ein-er Dose ist«
meistens ins Form ein-er Rose arran
;girt, sonst mache ich wohl ein-en sog-ca
suannten Tannenzapfen daraus-. Atti
Per Viert-en Seit-e steht nsun auf einem
kkleiwen Breit, welches ebenfalls mit ei
7nem Deckchen Vers-ehren ist, Zucker-,
JArsack und Sah-ne Ueber dem Tisch
««brenint ein-e «Häsnaelampse. Auf denn
JServirtisch wird »der Thee bereitet und
kocht das Wasser in ein-er Theemsasch.i
ne. — Das Gedeck besteht aus einem
kleinen Teller mit klein-er Gabel, von
ldem der SalIat gsegesss en wird, unsd ei-»
nein größerm Teller für Butterbrods
»und Aufschnsitt Neben dem Telleer
jsteht die Tasse. Der Thee wir-d erst-,
Izum Vutterbrod gereicht Eins
fSchaale mit schön arransgirten Fruch
Iten kommt zum Nach-Asch.
Wöetlich genommen. —
Lehrer: »Kann smir einer on Euch eins
Stelle »aus Schiller’s Gedichten sagen,
in welcher der Ackerbaiu Vor allen ande
ren Ständen gepriesen wird?« —
Schüler: »Ja! Jsm Felde ist der Mann
noch ’was werth.«'
Nicht verlegen. —- Geföng -
niß- Jnspeltor: »Es soll bei Ihrer Ar
beit möglichst die frühere Beschäfti
gung berücksichtigt ·.tvet«den Was sind
Sie gewesen?« —- Sträflingt »Anm
chist.« — Jnspektor: »Hm, hrn, kann
zum Straßenspreigen verwandt wer
«den.«
A n z ü g l 1 ch. —- Arzit »Gnädi
ges Fräulein sehen heut’ etwas ange-:
griffen aus!«,-— Alte Kokettet »Ja
im Kameval bin ich meistens krankZ
die Menge Bälle— —- Arztt «Ja,
Pas Ziele Sitzen kann Jhnen nicht guts
hun.«
EtwaSAndereY.— A.: »Sie
trauetn ja, wen haben lSie denn ver
loren?« —- B.: ,,Verloren habe is
Niemand, ich bin nur Wittwer!« !