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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Jan. 31, 1896)
T) sz Die IrieLguresn III Chors Freiherrn von Quer-reda. G. FortsetzunM Nur die häßliche Bertha war ohne Tänzer geblieben, nachdem sie den er ften Waizer getanzt. Sie fafz neben der Mutter, in ihr Schicksal ergeben, ganz ruhig, ohne Aerger oder Beschä mung. Sie machte sich nicht-Z aus dem Tats- obwohl sie ihn noch kaum kannte. Sie wußte, daß sie häßlich war, daß sie keine Zukunft hatte, keine Erobe rungen machen würde, und sie war auch nur aus Pflichtgefühl mit auf oen Ball gegangen, weil die Eltern es wünschten- Sie fürchtete sich nur da vor, daß sie der Mutter lästig fallen könnte, und daß sie etwa sich ihrer fchiitnen möchte, weil iie sitzen blieb. Und nun machte es ihr Frau von Gernopp noch befonderå schwer: »Ich finde, Verthir, daß sich Egon und Joa chim recht wenig um uns tiirnmern, fonft würden sie doch einen Tänzer her fchickeui« Beriha schwieg, doch der Tänzer kam im nämlichen Augenblick· Ein bartlofer, doch nicht mehr ganz junger Herr mit ftark ergrautem Haar . Und tiefen, auffallenden Narben rechts und links am halfe, von einer Opera tion. Er lächelte freudig iiber das ganze Gesicht, als er Beetha fah, und näherte sich ihr schnell mit den Worten »Gniisdigeo Fräulein, da sind Sie ja! Denken Sie, ich habe Sie die ganze Zeit gefucht!« Während er noch sprach, fragte Frau von Gernopp verstohlen die Tochter: »Wer ift denn dass-" Und Bertha, die ein wenig unsicher neworden, getraute sich nicht zu ant rten, weil der fremde Herr es hören it« ··. Er half ihr aus der Beete-gen heiti »Gnädiges Fräulein, bitte wollen Sie mich betannt machen —- wohl Ihre Frau Mutter?« Sie nickte, erhob sich lintifch zur Hälfte. weil sie in solchen Lagen sich noch nirht zu bewegen wußte, und sagte, mit einer etwas steifen Handbes wegung auf den Herrn deutend: »Herr von Pellberli« Sofort wurden Frau Von Gernsan Züge freundlichen denn sie hatte ge hört, er folle fehr vermögend fein, und wußte, daß es der neue Gntgnnjimr war. So sagte sie denn: »Wir find doch Nachbarn geworden, Herr von Pellbert?« »Jawohl, gnädige Frau. Wir wer den es. Ich habe titöhrie»-Jrf aller dings getauft. Und ist-. hätte Ihnen » auch bereits den nachbarläten Besuch gemacht, wenn ikb nicht arn selben Tage wieder nach Berlin zuriictaefahren wäre, um erft heute wiederzutorntnen Jckt war nur ein paar Stunden treulich in Sebenbach bei meinen litefxinviftern Und dort habe icit Ihr Fräulein Toch ter kennen gelernt.« W--.- --.. cu--.--«..- .-!-s-. s...-. U Islklsc UUU NILCIIUIU Islulk U((UICULALI freundlich: »So, so! Und Sie haben meine Tochter gieirb roiederertannt?« Im Stillen siiblte sie sich geschwi chelt darüber siir Vertba, doch here von Pellbeet lachte fröhlich und meinte: »Gewiß habe ich sie roter-enttaan so sort aus den ersten Blick. Aber, gnös dige Fran, wissen Sie, eine besondere f- finnit war das nun gerade nicht: mein Bruder bat nämlich geholfen Und hat sie mir eben gezeigt. Ich habe nämlich gerade tein gutes Physiognomieenae dächtniß und hätte sie am Ende rvobl nicht wiedergefunden unter den bieten Menschen —·- von denen ich iibriaens auch nicht einen tenne ——« Und dabei sah er Bertba sreunotirt an und ließ einen schnellen Blick iiber ihre nicht häßliche Figur gleite-man der nur die zu langen Arme störten, mit denen sie immer nichts Rechtes anzu fangen wußtr. Dann bat er sie sofort »Es um den Tanz und legte die Hand um ihre Taillr. Während das Paar im Saale war, tarn Frau von Koblstein berau: »Wer ist denn dieser gräßliche Mensch, Ewi lie, mit dem Deine Bertba tan t?« Frau von Gernopp sübite sich siir den Ritter ihrer Tochter etwas einge nommen und antwortete pitirt: »Die ser größtiche Mensch ist der reiche Herr von, Pellbeci, der Röbnsdori getauft t.« »Ach- lv sieht der auf-A Und sosort erschien auch Herr von Gernopy bei seiner Ebebälste: »Du, Emilie, der seblt auch gerade noch, um mit Bertha zu tanzen. Der ist ja scheußiich. Der steche Dachs, der Heisa ttckt- hat eben binter mir gesagt: «Gieich und gleich gesellt sich gern.« Man dars sa als Vater nicht so thun, als hörte man so ’ne unverschiimte Be h Mein-ig, aber unser Kind muß mög - iichst sehen, daß sie mit solchen Leuten nichijanzt Wer ist denn dieser Ubu?« »Mitt? Das ist gar iein Ubut Das is here von Pellbeck!« « »Der Röbnzdorser?« »Um-« »Na beat' mir einer einen Storchs v e e a r auch schon Herr von XMbecs get den Eltern Berti-a ab, vie , einen kleinen Knix machte. Er ließ sich slltchttq nett Herrn von Ger napo betannt machen nnd stellte seinen Besuch siir die nächsten Taqe in Aus sicht, Dann aber verabschiedete er sich, rein noch die anderen Damen nnd Her ; Drin tennen an lernen. ( »Wie ist er den-M fragte Herr von Gern-pp seine Tochter. Sie antwor tete ganz o en, er gefiele ihr gut, und dann ward e von einem Officier nach dem andern zu einer Extratour geholt, als ob es nur eines Ansan et bedurft hätte, um sie in’s Fahrwafstzr zu brin e n. Sobald sie fort war, sprachen die Eltern zusammen über Herrn von Pell .bert, und Herr von Gernovp wieder hoste einmai über das andere seine An sicht als Landwirth: »Wer Nöhnddors taiift, der muß entweder ein Stier sein oder ein landwirthschastlichez Genie, oder er muß schmähliches Geld haben. Nun fragt sich’s bloß, was der Pellbeck von den Dreien ist.« Da tam Egon in die Nähe mit Lis beth, und Frau von Gernopp rief ihn herbei, um etwas über den neuenGuts nachbar in Erfahrung zu bringen. Er wußte nichts von ihm, als daß er der Bruder des Rittmeisters von Pellbect war. »Liebe Mama, habe teine Angst, ich werde die Sache schon managen und alles heraustriegem was Du willst, meinetwegen wie viel Haare er auf dem Kovfe hat. Komm, Lisel, wir wollen nicht einen Takt versäumen —-——« Da bei raste er mit der schon ganz schnell athmenden Braut davon, ohne Frau von Gernovps Mahnung zu hören, er möge ,Lisbeth ein bißchen Ruhe gön nen. Alsi das Souper herantam, suchte der tleine Lieutenant »von Zundt I eifrig überall Fins, die er für den Sonderwalzer engagirt hatte, zuerst ohne sie entdecken zu tönnen. Er fragte den großen Grasen Westerbrant, der eben mit der dicken Adda vorbeitam und dem Eßsaal zustrevte: ,,HerrGras, helfen Sie mir um Gottes-willen! Wo ist Jhr Fräulein Schwiigerin? Jch meine die Kleine -—-« »Cläre?« fragte Adda, sich herüber beugend. Lieutenant von Zundt 1 glaubte, »die Kleine« könnte nur .,Cläre" heißen, und so ging er, sobald sie ihm gezeigt worden« auf das Ra dieochen zu, das allein dastand und sich hilflos umblickte, da Lieutenant von Zundt ll, der ebenso aussah, wie sein Bruder, sie für das Souper engagirt hatte und nicht erschien. Als Zundt l sich ihr näherte, ihr eine Verbeugung machte und den Arm bot, tam er ihr zwar eine Sekunde lang fremd vor, doch der Offizier war seiner Sache so sicher, daß sie nicht da ran zweifeln konnte, er sei der Rechte. Lieutenant von Zundt Il, dem man als jüngeren Bruder, und weil man behauptete, er sei noch eine Linie llei tier, den Komperatio zuertannie und ihn nur »Minder« hieß, hatte Fips zu Tische geführt. Sie hatte überhaupt teinen Unterschied wahrgenommen und glaubte bestimmt,neben Lieutenant von Zundt I zu sitzen, wie er auf ihrer Tanztarte verzeichnet war. Während des ganzen ssoupers be znertten die Radieachen auch den Jer thuin ebensowenig wie Zundt und stünden Die Unterhaltung war sehr rege auf beiden Seiten, und die Paare freuten sich übers Kreuz gleichmäßige gesunden zu haben, vor allein die bei den jungen Ofsiziere, denen es selten gelang, mit Damen zu tanzen, die we sentlich tleiner waren als sie. So ent spann sich allmälig zwischen den Vie ren eine stille Harmonie, so daß nach Tisch Lieutenant von Zundt l zuEgon von Dehner sagte, der auf einen Au genblick zufällig neben ihm stand: »Man fühlt sich doch als Mann, wenn die Dame kleiner ist!" Jener benuhte sofort die Gelegen heit, ihm zuzuslüstern: »Du, Zundt, gefällt Dir denn meine Schwägerin2« »Welche?« »Na, hier die Kleine!« Er wollte nicht gerade antworten und wichnus: »Es sind ja zwei ————'« »Was schadet denn basi« »Ach! Es schadet nichts, Dehner, sie sehen sich nur so ähnlich —'« »Weil’s Zwillinge sind!« Sie hätten lauter sprechen kanns-» da ein anderer Ossizier eben Cliire auf eine Extratour fortgeholt. Nun fragte Zundt l: »Sage ’mal, Dehner, wie hei ßen denn eigentlich Deine Fräulein Schioiigerinnenik Egon von Dehner wollte eben sa gen: Fips und Cläre!« als er sich be sann, daß der Name »Fips« vielleicht keinen günstigen Eindruck auf seinen Negimentstameraden machen niöchte und ihn gar zum Lachen bringen könnte, wobei es dann mit jeder zarten Regung ein Ende haben mußte. Er hielt inne. sagte: ,,t5läre - -- und « --—»« Daraus zögerte er ein wenig und überlegte sich schnell, wie »Ros« wohl getauft sein möchte. Beim besten Wil len wußte er es nicht, denn er hatte niemals etwas anderes gehört, als eben »Fivs«. Doch ,,Friederite« schien ihm das einzig mögliche, und er wie verhalte: »Cläre und Friederite« — Da tam das Radieschen auch schon zurück und Zundt l flog mit ihr da von. Und auch Cläre fragte ihn, mit denselben Worten, die Fips bei der Ertratour gebraucht, als er sie eben tennen gelernt: «Tanze ich zu schwers« «Aber bitte, gnädiges Fräulein, wie ich mir schon vorhin zu sagen erlaubte: wie eine Eitel« «Vorhin?« fragte sie erstaunt. »Nun sa, alt ich die Ehre hatte,Jhre Betauntfchast zu machen, und wir vor dem Soupee die Exiratour zusammen tanzten.« Tisre bist- tibei Atem erschrocken an: »Ich habe lerne Extratour mtt Jhnen getanzt!« »Dann kann es bloß Ihr Fräulein Schwester gewesen feint« ,,Fips!« entfuhe ihr unwillkürlich und Zundt I horchte auf. ,,Dehner sagte — verzeihen Sie, gnädigeö Fräulein, sind Sie nicht — Friedetike?-« Ganz verlegen und bescheiden ant wortete sie: »Ich heiße Cläre, und meine Schwester ——« ,,7.Trie:serile, ach so W« « ,,:liein, Hexene. Wir nennen sie WITH-« Nun wußte Zundt l gar nicht mehr Besckeir nnd erzählte, wie Dehnet sie gewinkt Dann blickte et in ihre Tanzkarte und sah den Namen seines , Bruders-. Und dabei lam ihm ein küh 2ner Plan, als et die Verwechselung entdeckte: ,,Gniidiges Fräulein, ich habe jetzt also sälschlicherweise siir meinen Bruder getanzi. Wenn ich nun den Cotillon für mich tanzte?« Sie wußte nicht, was sie sagen soll te, doch da ihr die Mutter eingeschärst, stets Cotillon und Souper als beson dere Gabe zu betrachten, die sie den Herren zu ertheilen hätte, dann aber nie mit einem und demselben zwei Tänze an einem Abend zu tanzen, so fragte sie, den zierlichen kleinen Herrn verschämt anauclendt ,,Geht denn das?« »Warum oenn nicht«-« ,,Schickt es sich denn?« Er wurde stutzig, schwanlie eine Sekunde und sprach: »Es mertt’s ja kein Mensch!« Und er tanzte richtig mit ihr auch den Cotillow während der Sünder mit Fips das Gleiche that, da ihm der Co tillon ja von Rechts wegen zukam. . Die ganze Gesellschaft aber freute sich darüber, Zundt und Zünder mit den Radieschen so glücklich zu sehen. Wie sie zusammen gehörten, darüber zerbrach sich Niemand den Kopf, denn die Offiziere und Damen tonnten die Radieschen nicht auseinander halten, und Gernopps nicht die Zünder. Als der Ball zu Ende war, und die Gäste allmälig sich entfernten, brachen auch Gernopps auf, denn Herr von Gernopp sagte zu seiner Frau: ,,Emi lie, wir dürfen nicht die letzten sein, sonst sieht es so aus, als ob wir noch fchnell eine verloden wollten-" Der Herr von Pellbeck empfahl sich mit dein Versprechen, in den nächsten Tagen seinen Antrittsbesuch zu machen nnd sagte Bertha als ältester Bekann ten besonders herzlich gute Nacht. Jn dem zur Garderobe hergerichte ien Raum waren nur Gernopps mit den beiden zukünftigen Schwiegersöh nen. Die dicke Adda hing an Joa chims Arm, hingebungsdoQ etwas mitbe. Sie hatte wenig getanzt und auch er sich geschaut, dafür hatten sie lieber-in einer bequemen Ecke gesessen, sich oerstohlen die Hand zu drücken und Ins-s Treiben zu beobachten. Die Radieschen strahlten in seliger Erinnerung vor Glück und Wonne. Etephanie schien etwas mißmuthig, und tkgon fragte-sie, während Lisbeth biri.b vom unaudgesetzten Tanzen ihn hilf umschlungen hielt: »Nun, gnä dige Schwägerin, geruhen Euer Gna ren. sich amüsirt zu haben?« Este rümpfte die Nase und wollte wissen: »Wie nennt man ein Kameel init zwei Höckern?« ,,Trampelthier!« antwortete Egon sofort, und Stephanie erklärte: »Herr von Warnitz ist zu zwei Höckern avail cirtk« Sie gingen. Dehner beugte sich zu Herrn von Gernopp: »Ich weiß, wa rum sich Herr von Pellbeck angelaust hat. Ich habe alles heraust« Die häßliche Bertha horchte aus und oie Eltern fragten beide: »Nun?" »Er soll heimlich in Berlin verlobt fein nnd will sich ansässig machen, weil er- oie Braut verlangt, ehe es öffentlich wird!« Vertha sah ihn mit großen angster siillten Augen starr an. Vill. In Groß-Schkniemig wurde von nichts anderem mehr gesprochen, als von dem verflossenen Ballsest bei den Husarem und die Schwestern fanden nicht Worte genug. der zu haust ge bliebenen Marie all das Herrliche zu schildern, das sie erlebt. Die Radieds chen fckswiirmten vor den anderen von Allem, was sie erlebt, aber sie vermie den es irampfhaft, von Zundt und Zünder zu reden. Nur wenn die bei den allein in ihrem Zimmer saßen,nach dem Essen, wo Jeder sich auf eine Stunde zurückzog, weil die Eltern beide ihr Nachmittagsschliifchen hiel ten, oder Abends, wenn re »Gute Macht« gesagt hatten, dann ngen die Zwillinge an, von den Vr dern zu sprechen. Ganz leise und heimlich, da mit es Niemand hören sollte. Sie fragten sich, wie ihnen dieser und jener gefallen von all den Herren, die auf dein Balle mit ihnen getanzt, und im mer gingen sie dann eine Weile wie die Katze um den heißen Brei, ehe die eine oder die andere kühner ward und das Eis zu brechen wagte mit einer Anspie lung oder mit gerader Frage nach den Sündern« die ihnen Herz und Sinne unausgefeht beschäftigten Der Vetter ans dem Alburn mit dem— schiinen Schnurrbart war ganz veraeiien., unsre war mehr sitr Zundt I, Ftpt neiate sum Zünden doch tie kamen irr-errin, pag eigentlich alle Bei-de ganz gleichmäßig nett und liebenswürdig ewefen seien. Zwar war früher der adteschen Jdeal ein großer, mächti ger Mann gewesen mit gewaltigem Bart, ein Riese, an dem sie sich bergen könnten, der sie beschützen würde, wie ein Vater, ein Gewaltiger, der, wie sie von August dem Starken dukch vie Gouvernante in der Geschichte gehört, Hufeisen zerbrach und mit steifem Arm Trompeter zum Fenster hinaus hielt. Aber ganz plötzlich hatten sich ihre Träume verschoben. Ein Ebenbild, das ihnen gleich sei, fanden sie nun doch eigentlich das richtige. »Hast Du gesehen, wie zierliche Hände er hat?« fragte Fins, und Cläre gab nickend zurück: »Meine: auch! Und die kleinen -Ftißchen!« »Bei meinem habe ich auch die Stie fel angesehen. Ganz Lack, und die schöne goldene Borte d’rum ’rum?«" »Meiner hat auch hiibsche Stiefel, ganz spid!« Da sie nun einmal den Ausdruck »meiner« gefunden hatten, so quälten sie sich nicht mehr vor einander mit »Herr von Zundt'« ab, was immer et was Steifes gab und sie hinderte- sich recht auszusprechen,fondern das »mein« und ,,meiner« schwirrte förmlich hin und her. Es deutete so anheimeliid die Zugehörigteit an, es"klang wie lei ser Vorgeschmack des Besitzes. Herr von Gernopp hatte von der stillen Schwärmerei der Radieschen ebensowenig etwas bemerkt, wie feine Frau. Wohl dachten sie einen Augen blick daran, daß die Herren von Zundt vielleicht recht gut zu den Zwillingen passen könnten, da die Schwestern, die bisher von ihrem Eintritt in die Welt ab unzertrennlich gewesen, dann in derselben Familie bleiben würden. Aber es hieß, Zundt und Zünder müß ten reiche Frauen haben, da sie selbst nicht übermäßig mit Gliictsgiitern ge segnet wären. . »Ich sehe noch kein Land, Aiigust!« meinte Frau von Gernopp, und ihr Gotte antwortete spöttisch: ,,Coliiman sah auch keines nnd fand doch endlich Amerika!« »Nun mache ’mal keine faulen Witze, August, die Zukunft unserer Töchter ist wichtig genug! Jch kann nicht finden, daf; uns der Ball was genützt hätte, und ich weiß nicht, wie das werden soll!« Herr von Gernopp strich sich den weißen Bart und antwortete nicht,weil er wußte, daß es seine Frau ärgern Ei wollte sie aber heute ärgern, denn sie hatte ihm nun schon den dritten Tag an seiner grauen Hose, die er im mer trug, einen abgerissenen Knopf weder angenäht, noch durch die Töch ter annähen lassen, fo daß die Hosen träger schief saßen, und er infolgedes sen fortwährend mit der linken Schul ter zuckte. » »Weshalb antwortesi Du denn nicht«-« fragte sie. »Ich dente nach.« «Woriiber denn?« ,,1teber das scchiclsal unserer Rin der!« »Danach frage ich Dich ja ebeii!« Er stellte sich böse: »Ich kann nicht so antworten, wie ans der Pistole ge fchossclli« »was soufr Yu Ia auch gar nichi:" »Na, dann lasse mich doch nachden ten, Emilie!« Sie blieb eine Weile vor ihm stehen, dann meinte sie has-haft: »Dein Nach denken geht recht langsam heute!« Herr von Gernopp ärgerte sich ei gentlich gar nicht, sondern amüsirte fid; heimlich wie ein König über seine Frau, wenn sie sich fo erboste. Er wußte, es war nur eine Schwäche von il7r, und sie vertrugen sich ini Grunde sehr gut. Deshalb stellte er sich ganz verzweifelt, drehte sich mit heftig ziickender Schulter herum und sprach: »Wie soll man sich was überlegen,wenn man sich nicht ’mal richtig anziehen tann'?« »Warum sollst Du Dich nicht anzie hen tönnen?« »Weil mir ’n Knopp sehlt!« Scharf blickte sie ihn von der Seite an: »Ich habe genug im Hause zu thun. Weißt DU, August, wer sieben Kinder grosz gezogen hat, denn die drei ältesten habe ich doch auch über nehmen müssen und habe mir Mühe mit ihnen gegeben, wie mit eigenen, — der !« Er kannte genau diese Redensart nnd machte ein ganz ergebenes Gesicht, biss sie fertig war, woraus er ihr zuge stand: »Ich weiß sehr wohl, Emilie, das-. Du gut gegen die Kinder gewesen hist «-« Da wurde Herr von Pellbect gemel det. »Seht angenehm!« Und als der Diener verschwunden war, sagte Frau von Gernopp: »Ern pfange Du ihn ’mal lieber allein. Jch komme vielleicht später, August! Wenn er heimlich verlobt ist, so interessirt er uns doch eigentlich, finde ich, nicht mehr,als irgend ein anderer Gutsnach bar. Warum überhaupt heimlich? Was soll das? Da muß höchstens noch irgend 'waö Dammes dahinter stecken!« Ehe Frau von Gernopp ging, ward sie jedoch gewahr-, daß ihr Gotte noch Pantoffeln trug, und sie schickte ihn deshalb schleunigst davon, um Stiefel einzuziehen: »Das kommt davon, sich so gehen zu lassen, August!« M si- eisk ib- m. während er in der Thiir verschwand: »Weißte, Eini lie, sorge Du 'mal lieber für die ho senknöppe Deines Mannes!" Da kam auch schon Herr von Pell beck, und sie mußte ihn empfangen, aber sie machte, nachdem er schon ein paar Minuten da war, noch immer keine Anstalten, eine von den Töchtern zu rufen. ’ ,,Sind-die gnädigen Fräuleins nicht zu Haus?« fragte er, und sie gab zu rück: »Ich glaube, meine Töchter wer den im Garten sein, aber unser Gar ten ist sehr groß, und bis man sie aus stöbert, kann lange Zeit bergehen!« »Ich habe auch einen Riesenpart in Röhns«dors, nur sehr schlecht gehalten. Das ganze Gut scheint mir iiberhaupt niedergewirthschastet zu sein-« Herr von Gernopp kehrte zurück mit Stiefeln an den Füßen, die er ganz stolz verstohlen seiner Frau zeigte, und das Gespräch über Röhnsdors ward fortgesetzt. Nach einer Weile fragte der alte Herr plötzlich ’seinen jüngeren Nachbar: »Bitte, sagen Sie mir bloß eins, Herr von Pellbeck, warum haben Sie eigentlich Röhnsdors getauft?« Dabei blickten sich die Gatten sta gend an, denn nun mußte es doch kom men, und er that ihnen auch den Gesal len, sie genau aufzuklären: »Ich ver stehe, daß Sie sich wundern, Herr von Gernopp, wie ich Röhnsdors kaufen konnte. Vom Standpunkte des Land wirthes aus. ist wohl Röhnsdors auch kein guter Kaus. Aber ich bin gar nicht Landwirth, sondern ich habe meinem Bruder gesagt: ich suche ein Gut mit hübschem Wohnhaus,Schlösz chen oder dergleichen, nicht zu groß, mit guter Jagd und hübschem Garten. Jch bin nämlich leidenschaftlicher Jä ger. Es darf nicht weiter wie eine halbe Stunde von der Eisenbahn sein, in der Nähe einer Stadt oder Garni son, damit ich Verkehr sinde von — verzeihen Sie, da Sie ja Landwirth sind, Herr von Gernopp — von Nicht wirthen! Jch habe das deshalb ge sagt, weit ich mir unter Landwirthen allein wie ein weißer Rade vorgekom men wäre und absolut nicht hätte mit reden können —« »Und Ihr Herr Bruder? Der Rittmeisterl« sragte Frau von Ger nopp. « »Mein Bruder —- jawohl, gnädige Frau, ich habe nur den einen —- mein Bruder also rieth mir eben, Röhnsdorf zu tausen, weil esalles das aufweist, was ich suche. Nebenbei — auch ein Vortheil —- war es billig --«— Mehr sagte er nicht« und von der heimlichen Verlobung war nich-is zu erfahren, aber da er Gernopps gut und immer besser gefiel, so beruhigten sie sich, und Frau von Gernopp rief sogar ihre Töchter herbei, die trotz ihrer Be hauptung, sie seien so schwer zu finden» nach ein paar Minuten zur Stelle wa ren. «Pfui, bei Tage ist er doch noch gar stiger!« flüsterte das eine Radieschen dem anderen zu, das verstohlen ant wortete: »Da sehen ,,unsere« doch an ders ansi« Marie lernte von Pellbeck erst ten nen, und mit ihr unterhielt er sich am meisten, da sie gerade neben ihm Platz genommen hatte, während die häßliche Bertha sich so entfernt von ihm nieder gelassen hatte, daß sie außer der ersten Begrüßung kein Wort mit einander wechselten. Da tönien plötzlich Trompeten von draußen, und im Nu waren sämmt liche junge Mädchen aufgesprungen. Die Radieschen liefen sofort in den Garten, sie hofften, es möchte eine Schwadron sein, bei der ein Zünder stünde. Lisbeth lief ihnen nach, und die dicke Adda folgte etwas langsamer: Egon und Joachim konnten dabei sein. Vielleicht war es sogar Graf Westa brant, der feine Schwadron absichtlich hier vorüberftihrte. Marie verschwand sofort im Hause, denn wenn etwa die Husaren Halt machten, so kamen auch die Officiere in den Hof, und es galt, ihnen irgend ein schnell beschafftes Frühstück vorsetzen, und wenn es auch nur ein Glas Wein war und etwas Vutterbrot. Die übrigen traten mit Herrn von Pellbecl auf die Ga«rtentreppe. Als dann aber das Trompetercorps einen Marsch blasend auf den Gutshos rückte, war alles verschwunden, denn Herr und Frau Gernopp mußten die Honneurs machen. Nur Bertha blieb zurück. Er fragte etwas spöttisch, weil ihn alles verlassen und er plötzlich al lein stand: »Gehen Sie denn nicht auch zur Musik, gnädiges Fräulein?« »Ich bleibe ebenso gern hier,« ant wortete sie nur. Er fragte weiter: »Macht Ihnen denn die Musik keinen »Spaß?« »O ja! Wir hören sie ja hier, sie ist laut genugt« »Und die schönen bunten Unifor men?« Sie schüttelte den Kopf. Verwun dert meinte er: »Eine junge Danie, der Hufaren keinen Eindruck machen? Jch glaubte, das gäbe es gar nicht« »Meine Schwestern sind ja da, Herr von Pellbeck, und wir sind sieben. Da können wir uns doch nicht alle auf die Officiere stürzen!« ,,Stlirzen?« Nun meinte fie ein unrechtes Wort gebraucht zu haben und entschuldigte sich. Doch er schien nicht sehr darauf zu achten, sondern betrachtete sie nur von der Seite, wie sie etwas linkisch mit den langen Armen an ihrem Kleide zapfte. « Lt »Wir wollen doch lieber auch aus den . Hof gehen, gnädiges Fräuleint«· « meinte er, und sie traten durch den Flur in die Vorfahrt,- wo schon alle die anderen versammelt waren. Das Trompetercorps der Husaren hielt im Halbkreis um den Stäbc trompeter, besbaubt und schmutzig vom Exerciren, und blies aus« Leibesträften ein Potpourri aus dem »Vogelhänd ler.« Es schallte und dröhnte im Echo von den Wänden, so daß sich die Radieschen ein wenig geziert die win zigen Oehrchen zuhielten. Oberst von Meerling, der immer große Pferde ritt,»sprach vom Sattel aus mit Frau Gernopp· Herr von Gernopp lief von einem der Herren zum anderen, um ihnen die Hand zu schütteln, und die jungen Mädchen brachten schon den sOsficieren einen Schluck zu trinken und ein Butter ·brot. Das ganze Officieircorps war gekommen, und von allen Seiten hieß es: »Gnädiges Fräulein, wie ist Ih nen der Abend bei uns bekommen?« —- »Freuen Sie sich nicht aus die Hoch zeit?« —— »Wie viel Personen werden es denn sein?« —- ,,Jst es nicht eine gute Jdee vom Oberst, beim Einriicken mit dem Regiment in Groß-Schmie mig zu halten?« Die Zünder hatten sich schon an die Radieschen herangewacht. Zuerst hat ten sie mit Stephauie gesprochen, doch diese überließ schnell den Schwestern das Schlachtfeld, als Rittmeister von Pellbeck sich ihr näherte. »Mein Bru der ist ja gerade da! Was sagen Sie dazu, daß ich ihn zu Ihrem Nachbar gemacht habe?« meinte er. und Ste phanie entgegnete: »Ich glaube, daß Papa sehr zufrieden damit ist, denn nun wird er endlich einen Nachbar ha ben, der bleibt. Die anderen gingen ja immer schon sehr bald, sowie sie ab gewitthschastet hatten.« »Dazu ist ja allerdings keine Ge fahr, denn mein Bruder will das Gut bewachten Aber ob er nun gerade sehr seßhaft sein wird?« Und dabei lächelte der Rittmeister, als wollte er sagen: ich glaube nicht. Die häßliche Bertha hatte die Worte gehört. Sie war ein Stück abgetom men von Herrn von Pellbeck, denn die Mutter hatte sie gerufen, um dem Oberst guten Tag zu sagen. Rittmei ster von Pellbeck erblickte sie und fragte, wann seine Frau sie wieder abholen solle — ob es ihr passe am Nachmit stiag Bertha sagte zu, und da die Brüder sich nun die Hand schüttelten, so stand sie plötzlich allein mit ihnen, denn Stephanie war mit dem Ober stabsarzt in ein Gespräch gerathen über Baccillen, nach denen sie gefragt, und die jetzt in Milliarden aus den Worten des Arztes aus sie eindrangen. Herr von Pellbeck sagte zu seinem Bruder, dem Rittmeister: ,,Dente Dir, ist das zu glauben, das gnädige Fräu lein hatte gar keine Eile herauszutoiw men, um die Musik zu hören und Euch zu sehen!« Bertha antwortete schnell etwas ver stimmt in einer leichten Auswallung von Aergert »Die Schwestern sind ja da!« « Die Herren lenkten das Gespräch ab. Sie sahen, daß es ihr unangenehm ge wesen, und sie sprachen von ider Hoch-« zeit, aber mehr der Rittmeister, wäh rend sich sein Bruder etwas zurückhielt, da er noch nicht eingeladen war wie die anderen, weil er eben erst seinen Be such gemacht hatte. kkllollcy slllllo Escer Wicscc gllliö allein neben ihm. Sie hatte so Son derbares über ihn gehört, daß er heim lich verlobt fei, daß sein Bruder ihn »nicht seßhaft« genannt, und doch war er der einzige der Herren, der sich um sie kiimmerte. Während die anderen zwar artig gegen sie waren, aber bald zu einer der Schwestern übergingen, war er immer gleichmäßig gegen sie ge blieben, und wenn er sie auch nicht irgendwie auszeichnete, so ließ er sie doch nicht zurücktreten gegen die ande ren. Er war häßlich, sehr häßlich, das gestand sie sich ein, er war nicht mehr jung, wie er ihr selbst gesagt, schon fast vierzig Jahre alt, und die tiefen rothen Rarben entfreiean ihn sehr, aber er war gut gegen sie gewesen. Und plötz lich tam ihr eine Frage auf die Lippen, ihrem Gedankengang Ausdruck gebend, ehe sie sich noch recht die Worte über legt: »Wc5halb hat Jhr Bruder ge meint, Sie würden wohl nicht lange — bteiben - - in tltölsnsdorf’.3« ,.(««t er das gefagt?« fragte er ein wes «1 einem Ton, als spräche er nicht Im über feine Privatangelegen heiter-. Bertha erfchrat, doch sie hatte ein mal gefragt nnd mußte es eingestehen: »Ja, das hat er gesagt!« Herr von Pellbeck runzelte etwas die Stirn: ,,Vielleicht hat er einen Scherz gemacht!« Sie war sehr beschämt und geär gert. Sie fiihlte das Bedürfniß, es gut zu machen, und sprach: »Sie sind böse darüber, Herr von Pellbech Es war auch nicht recht, daß ich das ge sagt habe, und ich bitte, zürnen Si mir nicht deshalb. Jch bin doch eben erst herausgekommen. Neülich in Se benbach war es mein erstex Ball, und ich mache noch Fehler.« Fast demüthig hatte sie das gesagt. Er wandte sich ihr plötzlich ganz zu ,,We"shatb soll ich böse sein, gnädiges Fräulein?« »Weil ich gefragt dabei«