Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, January 10, 1896, Page 5, Image 5

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    F Die liefen-gerannt
III Gen-g Freiherrn von cnipteda.
,« Fortfeßungp
Er hatte nur so daraus los gespro
chen, in grenzenlosem Gottverttauen,
wie sein ganzes Leben ihm bisher vers l
, sangen, und eigentlich hatte et sich über
diese Frage nie den Kon zerbrochen
Nun wußte er wirklich nicht, wie er siehl
. helfen sollte, deshalb sprach er die sie-I
« den jungen Mädchen der Reihe nachj
durch, wobei ihn Frau von Gernapps
noch einmal auf den Stuhl ziiriick«eog:i
»Ich darf wohl zu dieser Gelegenheit
die jun-gen Damen beim Vomamen
nennen's Also Fräulein Lisbeth «
läme nicht in Frage imm- (l«· Hin
weis-in Fräulein Marie, hm wird
sich gewiß machen. Fräulein Glutin-«
nie ist ·ne sichere Sache, sobald eins
Mann gesunden ist, an Kenntnissen«
imd Tiefe ihr gewachsen. Fräulein
Addai Gnädigste Frau, wer so
hübsch, ich möchte fast sagen. schön ist
— lächerlich Dann die gnädigen
Fräuleins Cläre und Fipg - — ab so
pakäon, ja ich weiß nur den Namen
Fips wag
-
Irau von Gernopp meinte atheini
los: »Bitte fagen sie nur rudig
Fips ——«
Und er fuhr fort: »Alio die beiden
jungen Damen nichts leichter als
das. Also Sie fehen, gnädige Frau:
ichdin jedenfalls guten Muthes.«
Doch Frau von Gernopp fragte:
»Und Bertha? Die haben Sie aus
gelassen«
·Ah lo. Hm· Das dürfte schwe
rer —- fein —- oder nicht ganz so leicht
—- Den inneren —- Werth«
r von Gernopp rettete ihn, indem
er afi heiter, feiner Sache sicher, sagte:
»Um die bade ich keine Bange. Wie
die wird, lann man gar nicht wissen.
Sie hat kein Aeußeres, was gleich in
die Augen fticht, wie bei unferer Lis
deth, aber wir Gernopps entwickeln uns
alle spät. Die kann noch ’nial eine
große Ueberrafchung bringen!«
·Jawohl, ganz beftimmtl« pflichtete
Wi- mit fauerfiißer Miene bei und
erhob sich zum zweitenmal. Doch ehe
er ging, bat er noch fchlankweg um eine
Photographie Lisbeths. Zuerst war
Frau von Gernopp sehr erschrocken und
Wie, sie diirfe das nicht thun, denn
sie wären doch nicht verlobt, aber der
junge Officier antwortete nur immer,
als habe er schon die Anträge fiir die
sechs Schwestern in der Tafchet »Es
ist fa nur eine Frage der Zeitl«
Schließlich konnten die Eltern nicht
wider-stehen« und er bekam sie unter
dein Versprechen, sie niemals irgend
Jemand zu zeigen und äußerlich fo zu
this, als ol) nichts vorgefallen sei.
Aich Lisbeth dürfe von dem Bilde
ni i wissen, fonft würde sie das ihres
z ftigen Verlobten verlangen·
Ils er das Zimmer verließ und sich
rnik herrn von Gernopp vie Hand
schüttelte, fagte jener: »Allo, Herr von
W, Sie wissen —- fodald Lisbeih
nicht die erfte iftl«
,Unfere Interessen sind ja die glei
chen!« antwortete der junge Officiep
Beide hatten sich verstanden
Sobald er gegangen war, packte
Frau von Gerne-pp ihren Mann beim
Ann: .Auguft, weshalb halt Du nur
eine ausgemacht?«
Das wird sich finden!« und er
lachte verfchmitzt dabei
Sie drohte: »Du haft wohl wieder
·mal einen Plan?'«
Er nickte und sprach: »Weeßte,
Enrflie, das erfährst Du seinerzeit,
man muß nie vorher über Sachen re
den, fonft wird's nichts. Und ist's
nicht gegliielt mit dem Deynert Nun(
fage noch ’mal was ilber meine Planet l
Und die Kohlfieinen foll mir 'mal»
kommen. Jch wünfchte jedem FamH
lienvaur, alle Lieutenants wären fo
Jus-« wie deri«
MS Lieutenant von Deyner viel
«6haussee nach Seh-Bach herabtarn,
ritt er Galopp tret dee knüppelharten
Simse. heute waren ihm alle Pfer
dedetne einerlei. Vor lauter Wonne
bemerkte er nicht die Schwester-n hie
wieder in der Laube faseri. Und als
er knapp vorüber war, warf ihm der
eine Zwilling, das Radieichen Fin
die gern Dummejungenfireiche machte,
eine abgefallene, unreife Birne nach.
Sie traf zum Schreck der Mädchen den
Gaul auf die Kruppe, daß er einen
Mas machte. Aber auch das merkte
der junge foicier kaum. Nur Fing
bekam dafür von Lisbeth mit der Näh
nadel einen Stich, daß sie laut schrie
Ill.
Die ersten Einwirkungen von Lim
tenant von Dennets Wirksamkeit mach
ten sich lekeits in den nächsten Tagen
beknettbar. Bis dahin hatten in
erpSchxitEexnig nsuk ver Comnnn ,
beut der Sebenöachek Husaren nnd est "
paar ältere Officiete Besuch gemacht,
die Getnopps ans der Zeit kunnten, rvc
vie ältesten Mädchen ein paar schach
tetne Atksgehvetsuche unternonnnenz
Die übrigen waren nicht erschienen
weic, wie man wußte, Getnopps nicht-J
xsabewc ;
« Nun tacnen die Lieutenants alle ent- ;
sein, um Inten Besuch zu InachJnj
Liemenant von Deyner hatte nämlichk
in-. Dis-use verbreitet, die GOE- I
P Schmiemigee seien gewillt, aus ihrer
’ bishekisisn Zusückgezogenteit gänzli.t)
herauszutrcten Sie würden Bötie
Minuteste, italientik Nächte
mir Gouv-nahte Jnuäiimnms -.i;s.s
Feuerwerh Den-ts, Jagden any-« m
oigenden Winter ·Ti)eatetabende. Vor
allein möchten doch die Kameraden yet
nmsager. daß Frau von Gernopp jeden
Sonntag Nachmittag empfinge.
Da nun aber die Sonntage in Se
benbach, nJo es feinen Dienst gab, der
meisten Offieieren unerträglich iedern
vortamen, so ward der Gedanke eines
»er fix« mit allgemeiner Begeifies
rung aufgegrissen, und Deyners Ritt
meister, Graf Westerbransi, der vor al
iern unter den Sonntagen litt. meinte:
»Der Devner ist doch ein Prachtierii
Wenn wir den nicht hätten! Der ge
botene Manager!«
Und damit wurde in der allgemeinen
Freude Lieutenant von Denkm- eine
populäre Person in ganz Sehenbach,
denn auch die Spihen der Behörden,
die Justiz, wie die Landwirthe der Um
gegend iansgroeiiten sich Sonntags zum
Schwarzwerden.
Die Fiuih der Besucher in Groß
Zchmiemiq wuchs und wuchs, und hat
ien sich Gernopps zuerst bei jedem neu
Ericheinenden vor allem Herren —
aefreut, so begann ihnen doch allmäh
iitli bange zu werden. Geradezu eine
»mi! aber brach ans, ais folgen-der
Brief Deyners einiraf:
,,pochgeehrrer Herr von Oernopp
Wie Sie aus dem regen Besuch er
sehen, der Groß-Schmiemig zu theil
wird, bin ich an der Arbeit. Es wird
Sie freuen, zu hören, daß meine Be
mühungen von bestem Erfolge begleitet
sind, so daß ich Jhnen fiir nächsten
Sonn-tag, gering gerechnet, das Er
scheinen von- zwanzig Personen in
Aussicht stellen kann. Jch bitte je
doch, sich unstet Umständen auf dreißig
gefaßt zu machen. Unmöglich ist es
nicht, wenn auch nicht wahrscheinlich,
daß sich noch mehr einfinden. Bei die
ser Gelegenheit muß ich Jhnen nämlich
das Geständniß machen, daß ich in Js:
reni Namen und, wie Sie wissen. nur
in Ihrem Interesse es für unuingiing·
lich nöthig gehalten habe, Gras-,
Schmiemig in Mode zu bringen. Mode
ist alles, aber auch alles. Da die Leute
aber nun einmal so egoistisch sind, sich
mit Worten nicht abspeisen zu lassen,
sondern Thale-n sehen wollen, so war
ich genöthigt, ihnen nicht nur die Lie
benswiirdigieit der Wirthe zu rühmen
und die Anziehungstraft der gnädigen
Fräuleins, die sie in unseren selbstsüch
tigen, materiellen Zeiten allein nicht zu
einem Besuche ermuntert hätte, sondern
ihnen auch Sicheres in Aussicht zu stel
len. Vor der Hand that ich dieses mit
einem» our fix« ,den ich mir erlaubt
bageich auf Sonntag fastiulegen
Jch ließ a-,hnen es würden allerhand
Scherze folgen, wie: Gartenfeste, Was
servartien, italienische Nächte, Schlit
tenfahrten, Jagden, Balle, Feuerwerh
Diners, Jllumination, Schlittschuh
laufe, Pianicls u. s. w.
Mit der Bitte, mich Jhrer Frau Ge
mahlin und Fräulein Töchtern zu Fit
sien zu legen, und »in der Hoffnung, mit
Ihnen, Herr ivon Gerne-on am nächsten
Sonntag das Weitere besprechen zu
tönnen. habe ich die Ehre zu sein
Ew. Hochwohlgeboren
hochachtungsvoll ergebener
Ernst von Denner.««
Als Herr von Gernopp den Brief
gelesen hatte, wars er ihn wiithend aus
den Schreibtisch, lief wie rasend im
Zimmer auf und ab und rief einmal
iiber das andere:
»Die alte Kohlsteinen hat doch recht!
Sie hat doch recht!«
Aber seine Frau, die sich freute, aus
dem zurückgezogenen Leben ein wenig
herauszutornmem begann Deyner zu
Vertheidigen und machte ihrem Manne
ernstli« Vorwürfe, er sorge nicht ge
niigeno siir seine Kinder, denen nun
endlich einmal Gelegenheit geboten
werde, zu ihrem Glücke zu gelangen.
Doch er war nicht so leicht Zu bewegen
seine Einwicbigu zu geben« denn seit
hren legte er i Seite, so viel er
o,nnte um Frau und Töchter bei sei
nem Tode, da ihnen doch das Gut ent
ging, ein Vermögen zu schaffen
Eine Weile sWte »der Meinungs
taenpf hin und her, bis Herr von Ger
nopp endlich sagte:
»Gut, ich will Euch Frauenzim
mern den Willen thun, aber ich mache
mir meinen Plan Eine gewisse
Summe sehe ich imir ikm Kopfe fest,
und sobald sie erreicht ist, Ernilie — —
ist s aus mit dir ganzen Herrlichkeit!«
Damit war Frau von Gernapp ein
verstanden Sie dachte, bis dahin
wiirde sich schon Rath finden und rief
sofort ihre Kinder.
Zuerst kamen die beiden Raoieschem
die unzertrennlich waren, wie sie, seit
sie in’s Leben getreten, Alles gemeins
saen unternommen Sie hatten auch
ihr Zimmer sür sich, das die anderen
Schwestern. vor Alle-in aber Stephanie,
nur mit ihrer besonderen Erlaubniß
betreten durften, weil es bei Csläre und
Fing immer allerhand Wichtigthuetei
und Gehoimnißvolles gab.
»Seht Euch dorthin, Papa will mit
Euch allen sprechen," sagte Frau von
Gernopp, und die beiden winzigen,
zierlichen Dinger ließen sich aus dein
großen Paneelsosa des Vaters nieder,
sin dessen Kissen sie sast zu verschwinden
drohten.
Daraus trat Stephanie ein mit ei
nein Buch, in dem ssie gelesen, gefolgt
von der dicken Adda, die geschlafen
-hatte, wie gewöhnlich nach Tisch, und
deren Bade, aus der sie gelegen, darum
ganz roth war
,,Seht Euch, Kinder, Papa will mit
Euch allen sprechen,« wiederholte die;
" knick- und sagte es ein drittes Mal,
J sei-— Die llclteite,Ma1-ie,etschten. Sie
Jwir, wie ihre beiden rechten Schwe
; item, groß, blond und auffallend kno
s chi g, fah eigentlich noch älter aus, als
dir iiebenundzwanzig Jahre, die sie
zählte, ging viel einfacher gekleidet, als
die übrigen, und trug eine kleine weiße
Sckiirze »zum Zeichen ihrer Herrschaft
in Küche, Keller, Haus und Hof.
Sie nahm nicht ruhig Platz, wie die
andere-n sondern näherte sich Herrn
un Gernopp, der sich wieder in eine
undurildringliche Ranchwolie gehüllt
hJtt
»Vater, ich habe Bertha in den Gar
ten geschickt. um Lisbeth zu holen; sie
miissen gleich zurück fein. Vielleicht
wartefi Du noch einen Augenblick
. Aber ich tann wohl gehen, ich habe zu
» thun?«
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Er streichelte ihre Hand und sah sie
! zärtlich an.
»Du sollst es gerade hören- Da
sage ich’s den Beiden später. Nicht
wahr, Esrnilie?«
Frau von Gernopp aber fand eö viel
l wichtiger, daß ihre Kinder ed vernäh
men, denn die wollte sie verheirathen,
an der Aeltesten war doch Hopsen und
Malz verloren! Und schon drohten sich
die Eltern iiber diesen Punkt in die
Haare zu fahren, als die beiden Ber
mißten eintrat-n. Sie waren Beide
vollkommen außer Athem, so waren sie
gelaufen
»Ihr sollt nicht immer so weit von
Hause fort, Lisbethl Jch -hab’s schon so
oft verboten!« tadelte die Mutter, ohne
ihrer Jüngsten jedoch damit irgend edel-»
chen Eindruck zu machen, die lachend er
widerte:
»Ich habe in der Hängernatte gele
gen, und die hängt gerade in der Ecke
nach Sebenbach zu.«
Herr von Gernopp ereiserte sich:
»Die iannsst Du doch wo anders
hinhängen!«
»Me! Sonst lann ich die Kaserne
nicht sehen, Pasda!"
»Was ist das nun wieder siir ’ne
; Antwort!«
Er war böse geworden. darum lies
Lisbetsh zu ihm hin, strich ihm die
Wange, that schön, tüßte ihn und zog
ihn schließlich bei den Haaren, bis er
schrie —- irnnrer ein Zeichen, daß er
versöhnt war.
Währenddessen hatten die Radies
chen angefangen, aus dem Sosa heim
lich zu winden. sso dasz sie nun schon
ganz hoch flogen. Sie hielten sich da
bei aneinander sest und waren puter
roth geworden bei der Mühe, die sie sich
gaben, mit Lachen an sich zu halten
Stephanie hatte stillschweigend iihrBuch
wieder vorgenommen, da sie merkte,
dafi des Vaters große lljiittheilung zu
der die ganze Familie zusammenge
tromrnelt worden, noch immer nicht er
solgen sollte. Die dicke Adda war
noch schläfrig und wollte eben wieder
einnicken in ihrer Ecke, als Herr von
Gernopp end-lich begann
,,.itinder, nun hört mich ’mal an.
Hure Eltern haben beschlossen, ein
ganz neues Leben zu beginnen von
ietzt ab. Ihr sollt in die Welt einge
fütxrt werden, ausgehen, Euch vergnü
E gkn nach Herzenslust!«
Weiter lam er nicht« denn nach seinen
lWorten erhob sich ein derartiges Ju:
belgeschrei, daß man seine Stimme
nicht mehr vernahm. Lisbeth tanzte
im ziinmer herum, die dicke Adda
lachte aus vollem halfe, und sogar
Etephairie wars ishr Buch aus einen
Stuhl und ging zum Vater, iihn zu
umarmen. Die Radieschen aber gaben
sich einen Freudenruck und Abstosz mit
den kurzen Beinchen, daß sie hoch in die
Lust flogen, und Frau von Gernopp
ver-weisen mußte: »Macht nicht die
Zoringsedern ladut, sonst sollt Jhr
mal sehen!« «
Als sich der Jubel etwas gelegt
hatte, suhr Herr von Gernopp fort:
,,Nächsten Sonntag wird de? An
sang gemacht!«
Erneute Freudensausbriiche, bis er
stolz erklärte, als habe er höchst eigen
händig die Entdeckung gemacht:
»Eure Eltern shaben nämlich einen
»j»ur- tin-« eingeführt. Nächsten
Sonntag ist der erstel«
t Aber nun toar es aug. Die Eltern
I wurden von den Radieschen, Lisbeth,
Adda, Stevhanie derart -umlagert, be
stürmt, geküßt, umarmt, daß sie kaum
f metsr Athem » ··pfen konnten. Nur
J die älteste, Mal-re und die häßliche Bek
i tha, nahmen nicht daran Theil. Sie
schienen sich auch zu freuen, doch sie
zeigten es nicht fo tvie die anderen
lind alg nun die Schwestern plötzlich
in alte vier Winde zerstoben, urn auf
ihren Zimntern sich die Kleisderfrage
theoretisch toie praktisch zu überlegen,
blieben die beiden ganz ruhig zurück.
»Ihr freut Euch wohl nicht?« fragte
Herr von Gewopp theilnehmend, aber
eiei bischen gereizt, »denn er war selbst
gerührt iiber seine Großmuih iso viel
Geld zu ovfern für seine Töchter-. Die
häßliche Bertha war etwas verlegen ge
morden und tovllte Murie die Antwort
überlassen. Sie sprach wenig und hatte
sich daran gewöhnt, Lisbeth oder einer
anderen Schwester fiir sich das Wort
zu geben. Die Aelteste sfagte denn auch:
,,Bertha hat nichts Rechtes anzuzie
lten. Vater, »und sie sollte doch nicht zu
rückstehen hinter den Schwestern.«
Herr von Gernopp wittserte eine neue
Ausgabe.
,·-Weeßte, Marie, Bett-her hat genau
so gut ihr Taschengeld bekommen, wie
Jhr anderen, unt ssich davon anzuzie
hen. Gine verwendet es eben geschick
ter als die andere. Das taan ich nich·
ändern. Nicht wahr, Emilie?"
Frau von Grnopp stimmte ihm bei,
und Bertha ging, ohne ein Wort zu
fügen- davon. Die Aelteste blieb zu
rück, usm Wirthschastsangelegenheiten
zU bksptechem Sie wollte wissen, für
wie viel Personen sie am Sonntag zu
sorgen habe, denn sie machte in der
That Alles. Die Mutter hatte von
Küche und Haus snie eine Ahnung ge
habt und überließ schon seit über zehn
Jahren alles Marie, wenn sie auch
stöhnte unter der Last aller Pflichten«
die sie nicht hatte.
Nach ein paar Minuten singen die
Angeinandersetzungen über Kaldsbra
Leis, »Beminchen«, Botvle, harte Eier-,
Käse, Anchovis, Thee, Kaffee, Bier an,
Frau von Gernopp tödtlich ziu lang
tveilen, nnd sie verschwand ganz leise.
Nun faßte der Vater sein Kind zärt
lich um die Taille und fragte:
»Sage mir mal, Marie, wie hat
denn Bertha das angefangen, daß sie
nickrtg onna-ziehen hat?«
»Sie hat Cläre und Fips von ihrem
Gelde abgegeben, asuch wohl Lisbeth
mal, und ich glaube Adda wohl auch!
Stephanie nicht, die verbraucht am we
nigsten! Unsd wenn's nöthig ist, helfe
ich der schon aus.«
« Herr von Gernopp schwieg eine »Wei
le, dann gab er Marie in Anbetracht
der bevorstehenden erhöhten Kosten
Wirthschasftsgeld susnsd schließlich steckte
er ihr noch heimlich ein Zwasnzigmarts
stiict zu mit den Worten:
»Mein liebes Mariechen, da hast Du
eine Kleinigkeit für Dich, ich weiß ja,
daß Du immer alles weggibst, und
Du sollst Dich auch ein bischen nett
machen für Sonntag!«
Sie lächelte nur, dankte und lwollte
gehen. Er aber fragte sie noch einmal,
ob sie auch ganz bestimmt das Geld für
sich verwenden werde. Da antwortete
sie:
»Vater, ich brauche es nicht! Wirklich
nicht. Ich will es der armen Bertha
geben, die ist so gut! Wie ich aussehe,
ist ganz einerlei, denn ich kann doch
nicht viel bei den Gästen sein. Jch
habe iu thun. Und sieh mal, Vater,
heirathen will ich und kann sich doch
nicht. Wer sollte denn dann das Haus
besorgen? Die gute Mama versteht
nichte- davon.«
Dabei entwand sie sich ihm und
husfckrte hinaus trotz seines Rufens.
UT
Endlich war der heißersehnte Sonn
tag gekommen, und mit ihm in ganz
Graf-, Schmiemig die fieberhafteste
Erregung Man hatte auf das ersste
Eintreter von Befuchern auf drei Uhr
gerechnet. Doch es wurde fünf, ehe Je
mand erschien. Ein paar Minuten
nach 5 Uhr zeigte sich endlich auf der
Sebenbacher Chaussee eisneStaubwolke.
Die Schwestern hatten sie fasst gleichzei
tig bemerkt, denn Lisbeth shatte durch
ihren Ausguck von der Hängematte
nichts voraus. Sie trug ein srischge
waschenes weißes Kleid mit rosa Gür
tel, und die Mutter hatte ihr einge
schärft, es nicht zu zerknüllen, ehe die
Gäste lamen.
Die Staubwolke entpuppte sich als
Lieutenant von Deyner’s tleiner Dog
cart, aus dein er fröhlich grüßte. Er
wurde empfangen wie ein König. Herr
und Frau Gernopp gingen sihm entge
gen, und in einiger Entfernung folgten
oie sechs Schwestern. Marie war im
Hause beschäftigt. Die Mädchen wa
ren alle in hellen Waschtleidern. Die
beiden Radieschen trugen gleichen
Schnittiund gleiche Farben.
Lieu enant von Dehner nahm den
Empfang sehr huldvoll entgegen unv
begrüßte sofort seine zukünftige Braut,
die sehr stolz auf ihn war und heute in
sich eine gewisse besondere Bedeutung
fühlte. Ueber seinen Brief sprach er
gar nicht, sondern iseszte mit der ihm
eigenen liebenswürdigen Sicherheit
voraus, daß Gernopps mit allem ein«
verstanden sein müßten. Er ibesichtigte
alle Maßregeln, die getroffen worden,
und gab schnell noch ein paar Rath
schiiige, denn mehrere Wagen aus Se
benbach mußten in ein paar Minuten
eintreffen, wie er meinte.
»Wenn ich mir erlauben darf, etwas
zu sagen. Herr von Gernopp -««-»«
»Bitte, bitte ——« antwortete der alte
Herr in neuern schwarzem Rock, den er
zu des jungen foicierg Empfang ge
tragen. Dabei gab er den Mädchen
einen Wint, ein bischen zur Seite zu
treten, und Dehner sagte:
»Wissen Sie, Herr von Gernopp
aber bitte, seien Sie smir nicht böse -'«
»Gewiß nicht!« »
»Sie müssen die gnädigen Fräuleins
anders aufbauen. Den Feldzsugsplan
halte ich nicht siir gut. Sie wollen
durch die Masse wirken, die jungen
Damen haben Sie sozusagen hinter
»sich magiirt Ich bin zwar kein großer
Zitatege, aber ich glaube, es ist doch
richtig: getrennt marschieren - - vereint
schlagen. Der Angrifs auf die armen
Männerherzen mag n tismpo angesetzt
werden, vorher jedoch würde ich rathen,
die Damen zu -vertheilen· Etwa eine
oder zwei mit Ihnen. Eine im Salon.
Die Rad- — die Zwillingsschwestern in
die Laube, das vorletzte gnädige Fräu
lein mag sich dann im Garten ergehen
und unversehens beim Rohen des Be
suches hinter einem Boskett hervortre
ten. Ich last-wandle währenddessen mit
dein gnädigen Fräulein Lisbeth ——«
Herr von Gernopp sbiickte ihn schein
bar ernst an, während es ihm lächelnd
um den Mund zucktr.
»Letzteres scheint mir die Hauptsache
zu i:i"n!«
Da lnirschte auch schon der frisch
ausfgeschiitteie Sand unter der Einfahrl
im Gutshofe, Und sofort zerstreuten sich
die Mädchen auf der Eltern Geheiß
nach allen Seiten.
Liesuienant von Deyner ging mit
Lisbetb eilig auf einem Nebenwege da
von.
,,Habe ich das nicht großariig ge
macht?« fragte er, sobald sie außer Ge
hörsweiie waren.
Sie wurde dunkelroth und meinte:
»Wir sinsd fehr zufrieden gewesen, Herr
von Deyner, über den joms fix!«
Er bemerkte ihr Erröthen und war
nun plötzlich selbst nicht mehr fo sicher
wie sonst, währen-d das lecke, aufge
weckte Mädchen, dem man gar keine(
Verlegenheit zutraute, neben ihm her-I
schritt, noch immer glühend über- s
flammt. Er fragte: i
.,Wissen Sie, gnädiges Fräulein,
was mir Jhr Herr Vater gesagt hat,
wie ich um Sie anhieltZ Jch konnte es
Jshnen nicht früher mittheilen!«
Bei ihrem: »Nu-n?« wagte sie kaum
aufzublicken, und er fuhr fort: »Ihr
Herr Vater hat mir gesagt, ich sollte
später wiederkommen, wenn erst einmal
Jhre älteren Fräulein Schwestern ver
heirathet oder doch derlobt wären. Also
wir müssen so lange warten! Jst das
nicht trasurig?«
»Papa hat mir nichts davon erzählt.
Jch weiß, daß er nicht gleich »ja« gesagt
hat, aber ich dachte, es -—— es — es —
sollte bei nächster Gelegenheit gemacht
—- werden —«
Nun, wo sie traurig geworden war,
hatte sie auch dieVerlegenheit überwun
den unsd ward plötzlich sehr böse.
»Was denkt sich denn Papa nur?
Wie lange sollen wir denn da warten?
Da wird man ja noch wer weiß wie
alt! Und ich will nicht warten! Will,
will -nicht!«
Und schon perlten ishr »die Thränen
in den Augen. Er tröstete sie.
»Es ist ja nicht so schlimm! Sobald
eine Ihrer Fräulein Schwestern sich
verlobt, kommen wir ja auch an die
Reihe! Und nun sehen Sie, gnädiges
Fräulein. darum je eher — je besser;
wir müssen ein bischen helfen!«
Verwirrt fragte sie: »Wie meinen
Sie -das?«
»Wir miisssen lden Herr-en Gelegenheit
bieten, überhaupt Jihre Fräulein
Schwestern kennen zu lernen. Wen
man nicht kenn-t, kann man auch nicht
lieben. Wenn Sie nicht aus unser
Frühlings-fest gekommen wären, hätte
ich Sie doch auch nun und nimmer ken
nen gelernt. Und —-- und —- es ist
doch eigentlich recht gut, daß wir suns
kennen gelernt haben — ich finde
doch b«
Er hielt «inne. Sie waren stehen ge
blieben und er faßte nach ihrer Hand,
die sie ihm ruhig überließ, aber sie war
wieder puterroth geworden. Einen
Augenblick kämpfte er mit sich, dann
faßte er einen Entschluß, zog sie plötz
lich an sich, um sie szn küssen. Doch sie
entfchliipfte ihm und drehte sich schnell
zum Gutshasusse herum, idessen Dach
iiber die Sträucher schielte, und sagte
ängstlich: »Man kasnn iuns sehen!«
Er entschuldigte: »Aber wir sind
doch eigentlich theoretisch verlobt!«
Doch ider wiederholte Ruf Herrn von
Gernonps: ,,Lisbetht Lisbeth!« schreckte
sie aus und sie gingen schnell sdem
Hause zu. Dort wimmelte es schon
oon Menschen auf dem Sitzplahe vor
der Ga·rten«treppe. Fast das ganze Of
ficierscorps aus Sebenbach mit seinen
Damen war erschienen. Dazu ein
paar Herren von der Regierung und
Justiz. Man stand iu einem Haufen
herum und es ging ein wenig steif -z-u,
den-n Niemand übernahm es, Leben
und Bewegung in die Gesellschaft zu
bringen« Lisbeth mußte sich den Da
knen bekannt machen und sich die Her
ren vorstellen lassen.
Frau von Gernsopp lief in ihrer Ber
legenheit, da sie es nicht gewohnt war,
die Wirthin zu spielen, von einem zum
anderen, ohne doch genügend mit »den
Leuten zu sprechen. Dann ver-schwand
sie für ein paar Augenblicke im Haufe,
scheinbar-, um ihre Anordnungen zu
treffen. Jn Wirklichkeit jedoch ging
sie in den Sailon, dann sin das Zimmer
ihres Mannes, hob ein paar Zeitungen
auf, als shasbe sie etwas zu suchen,
rückte die Stühle hin und sher, schob
vor dem Spiegel ihren falschen Scheitel
zurecht und kehrte dann eilsfertig wieder
zsuriick. —
Lson auen soenen wuroen Oernopps
zu der reizen-den Jdee beglückwünscht,
aus der Zurückgezogenheit heraustreten
zu wollen, und vor allen Dingen, sdiefe
Sonntage eingerichtet zu haben. Oberst
von Meerling steckte seine kleine, unan
sehnliche Gestalt, strich sich den schwar
zen Schnurrbart und »so-gie, zu Herrn
von Gernopp aussehend, wobei er zwei
Finger der rechten Hand in sdie Knebel
des Attila ei-nl)ing:
»Wir wußten es ja längst, lieber
Herr von Gernopp, daß Sie Jthte
Fräulein Töchter ibald heraus-bringen
würden. Das wäre ja auch gar nicht
anders möglich gewesen, denn meine
Lieutenants müssen doch Jemand zsum
Tanzen slkaben Es fehlt sehr an jun
gen Damen. »Sie sehen, lwir tin-d auch
nahe-zu vollzählig erschien-ent«
Dabei lachte er freundlich tin meckern
dem Tone, und Herr von Gernopp
stimmte ein«
Lieutenant von Deyner’5 Mitwi
ster, der ebenso mager nnd noch größer
war, wie fein Lieutenant, der schöne
Graf Wosterbrant mit dem unendlich
langen blonden Schnurrbart, sprach
mit lden beiden Radiezchern Unde
M fOst lächthsch TU- UU MM Of
ficier neben den winzigen Mädchen
zu sehen, idie sich sdie Hälsfe verrentm
mußten, um ihn anzusblichen Er
fühlte das selbst, sdoch es gelang ihm
nicht, los-zukommen, denn Cläre usnsd
Fipo überftiirzten sich förmlich in Fra
gen, die sie an ihn richteten. Sie wa
ren froh, in der allgemeinen Verlegen
heit Jemand gefunden zu haben, der
Rede unid Antwort stand, iund sie wa
ren entschlossen, ihn nicht so bald wie
der freizugesben
Die sdicke Adda befand sich gleichfalls
in tödtlichfter Berlegen«heist, »denn sie
unt-erhielt sich mit der Frau eines Ritt
meisters, die, feit Kurzem ekft verheira
thet, weder Sebesnbach, noch Groß- —
Sch·miemig, noch irgend etwas kannte,
aber gleichfalls nicht zum Entschluß
kommen konnte-, fsich jemand anderem
zuzuwenden, in der Furcht, vom Regen
in die Traufe zu gerathen.
Stephanje ließ sich vorn bescheidenen
kleinen Lieutenant von Warnitz die Be
schwerden des Dienstes verrathen, statt,
wie sie gehofft, eine »startgeistigse« Un
terhaltung zu finden, und die häßliche
Bertiha stand verlegen, ganz verlassen
in eine-m Winkel. Ab und zsu blickte sie
wohl einer der Herren an, in der Asd
srcht, mit ihr zu reden, ida er aber in
der Eile des Vorsttllens snicht gehört,
mer sie war, und sie sich weder durch
Aehnlichkeit noch gleiche Kleidung als
Schwester der übrigen-Töchter des Hau
seg verrieth, so hielt er sie für eine Gou
vernante oder Gesellschafterin und ging
an ihr voriiver, weil er meinte, es nicht
niitliig zu haben, sich mit ihr zu lang
weilen.
Nur Lieutenant von Deyner listt
nicht unter der allgemeinen Verlegen
heit, sondern beobachtete »die Gesellschaft
wie ein Feldherr seine Truppen Aiber
das Bild schien ihm nicht zu gefallen,
und er näherte sich Herrn von Gernopp,
um ihm etwas miitszutheilen Nur
konnte er ihn noch nicht von tder wlsten
Frau von Kohlstein aiuf Nieder-Zerl)ig
los bekommen, die seit fünf Minuten
gleich-falls ldas Fest durch ihre Gegen
wart verschönte.
Mit der Alten sprach er grundsätz
lich nicht, weil sie ihn mit »ju-nger
Herr« anzureden pflegt-e, und er ishr
einmal im Aerger in ider Dinerlaune
mit »alte Dame« geantwortet hatte,
swas eine Beschwerde sbeim Commen
deur zur Folge hatte.
Eine Weile stand Deyner in »der
Nähe und zwinterte Herrn von Ger
nopp zu, sbis dieser endlich »die häßliche
Bertha aus ihrem Winkel herbeikom
ten konnte und sie nun ihrem Schick
sal in Gestalt der alten Kohlstein Tiber
ließ.
»Was ist denn -los?« fragte er ängst
lich Lieutenant von Dehner, nicht an
ders meinen.d, als daß irgend ein fürch
terlicher Mißgriff geschehen sei, sder alle
Pläne übe-r »den Hausen werfen könnte.
Der junge Officier sagte: »Das geht
nicht so! U-n«möglich!«
»Aber mein liebsten bester Herr von
Deyner, so sage-n Sie dochtoasl«
»Die Leute bocken sich ja blödsin
nisg!«
Der alte Herr war ganz erstaunt.
»So, so, sich finde es reisend! Alle
freuen sich sso über unseren S-onntag!«
»Das sagen sie Ihnen snur so. Jn
Wirklichkeit, wenn das so fortgeht,
kommt deiner wieder!«
Nusn war herr »von Gernopp tief
erschrocken.
»Keiner wieder? Aber was dann?
Wir wollen ja alles thun, mein liebsten
bester Herr von Dehnert Was könnten
wir denn thun? Was machen wir denn
falsch? Um Gottes-willen, so helfen Sie
doch!«
Lieutenant ivon Dehner zog ihn- ein
wenig zur Seite in einen Weg, so daß
die Busche sie verdeckten, denn Herr von
Gernopps Jammer war so laut wor
den, daß sich schon ein paar der « e
ladenen umgedvcht hatten
»Sie müssen die Leute ein bischen
vertheilen. Nicht alle so ausp Klum
pen. Sie müssen die richtigen die zu
einander spassen, auch aus einander
hetzen Sie müssen diesem vor-schlagen,
er soll im Garten spazieren gehen, je
nem, der bequem ist, er isoll sich s .
Einer smsuß eine Cigarve kriegen,
er zufrieden ist, ein anderer eine
Wein. Den müssen Sie in die onne
setzen, den in den Schatten. Den wür
digsten alten Herren müssen Sie sit-m
Stat vorschlagen die alte Kerl-Mein
nageln Sie in i nd einer Ecke mit ei
ner Partie Wh·t fest, damit sie den
Mund shält und Ihnen nicht die Leute
vertreibt. Die junge Welt muß Ge
sellschaftsspiele spielen u. s. to. Das
ist doch «icht schwer. Berzeihen Sie,
Herr i. . dernopp, aber Sie verstehen
nicht sdis Sache giu deichseln.«
Herr oon Gewopp stand ida wie vom
Blitze getroffen. Er wußte sich gar
nicht zu helfen. Lieutenant von Dev
ner meinte lustig nach einer Weile:
»Sei-en Sie, Herr von Gernopp,
wenn Sie einen Schwiegersohn hätten,
so könnte der officiell die Geschichte
machen -—-—«
Dabei sah er fragen-d den alten
Herrn an, doch dieser that nicht im Ge
-ring«sten, als ob er die Anspielung ver-«
stünde. sonder-n saate schnell:
,,M-achen Sie doch einfach sdie Hon
new-BE
»Kann ich doch nicht!«
»Warum den-n inicht?«
»Die Leute müssen »sich dann doch
frage-n: was shat dieser Kerl, des
net, eigentlich- dabei zu thun, was t
den das eigentlich exan
»Ja, was machen wir da?« fragst
ganq sassxmgdloö Herr von Gent-Mk .
Mosis-M toten - —