Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, January 03, 1896, Page 9, Image 9

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    .. Die tiefen-genian
M Georg Freiqerrn von Omvtedn
I
Lieutenant von Denner hatte kaum
den Gutshof von Groß - Schmiemig
iin Trade mit seiner kleinen Fuchsstuke
verlassen, und Herr von Gernopp Mk
eben in sein Zimmer zurückgekehrt, als
aukh schon seine Frau in der Thür er
ren.
«Augiist, nu rück’ ’inal gleich Wust
Was wollte er denn?«
Herr von Gernopp antwortete ab
sichtlich nicht sofort, weil er gern seiner
Gattin unbezähmbore Neugier aiis vie
Probe stellte, sondern suchte erst nach
einer Cigarre. die er qemächiich in
Brand steckte.
Sie ereiserte ficht ,,Wirv’s:- mir-?
Du taninst ruhig warten mit Deinem
ewigen Rauchen!«
Aber der große LUhiin mit Detii
dicken, röthlichen Gesicht. von Dem iirb
der graue Schimuzbart und Die di..jiteii,
iurzgeschvrenen Haare abhoben, beeilte
sich nicht um eine Seiuiide. Er ließ
sich bequem in seinen Rohrschaukeistnhl
am Fenster nieder, blies Den Rauch
seiner Ciqarre iniigiam von sich und
s prakti:
»Der Oenner hat um unsere Lisvetd
angehalten!«
« »Was? Wer?«
»Der Deyner!'«
Frau von Gernopp war wie aus den
Wolken gefallen. Sie lonnte zuerst
gar teine Worte vor Aufregung finden,
bis sie heraugplatztu
»Und das sagst Du so pornadig, als
ob Du mir sagtest: wir wollen heute
um halb zwei essen, statt um eins?«
Er zuckte die Achseln, scheinbar ganz
gleichgiltig. dabei blickte er jedoch seine
Frau, listig mit den Augen zwinlernd,
von der Seite an, unid als sie ihn, ganz
außer sich gerathend, fragte, warum er
Lieutenant von Detsner denn fortge
lassen, ohne sie zu rusen, antwortete
here von Gernovv nur:
»Musik« Ernilie, Du bist immer so
gleich druss. Wir müssen doch erst vie
Sache ’mal überlegen.«
.Ueberlegen, August, bei sieben un
versorgten Kindern-Z Da willst Du noch
groß überlegen?«
here von Gernopp war nun seiner
Sache doch nicht ganz sicher. Er meinte
unter Umständen vielleicht doch eine
Dummheit gemacht zu haben, und
lenlte sofort mit der Erllärung ein,
daß er Lieutenant von Devner durch
aus nicht abgewiesen, sondern sich nur
Bedenkzeit aus ebeten bis zum nächsten
Mittag· Da szollte der junge Ossicier
aus Groß - Schmremig wieder vorspre
chen. Er hatte ja von seiner tleinen
-Garnison Sebenbach, wo das ganze
usarenregirnent lag, taurn eine halbe
tunde herüberzureiten.
Nun war die dicke Frau von Ger-v
novv, die einen blonden falschen Schei
tel trug zu ihren bereits leicht im Na
den unsd an den Schläsen ergrauenden
arm, ziemlich beruhigt, rückte einen
tuhl zu dem ihres Mannes und be
ann rnit ihrer Lieblingsredentarh die
setz den Anfang von heirathgvliinen
machte:
»Die Sache müssen wir ’mal erst in
aller Ruhe erörtern! Dit« hast recht,
Augusti«
Dann wurde zuerst die Persönlich
leit desBewerbers festgestellt, als:
hübsch, gute Familie, recht vermögend,
sogar möglicherweise sehr vermögend
»s- lauter tressliche Eigenschasten, die
ihn zum Schwiegersohn geeignet mach
ten. Ein einziger Fehler stand dem
entgegen: eine siir das Alter von fünf
undztvanzig Jahren ziemlich ansehn
liche Sicherheit im Benehmen, die Frau
von Kohlstein aus Nieder - Zirbig, die
älteste Dame der Gegend, sogar ei al
ändterbliimt als »Frechheit« bezeilznet
te.
und daraus baute Herr von Cirrnopp
seinen Plan. -
»Weeßte, Emilie, eigentlich bin ich
s nicht gerade wild aus die Geschichte
«Unsfsere Lisbetb ist die hübscheste von
im eren Mädchen Rede nicht gegen-—
sie ist es. Sie ist sogar, wie man so
sagt, eene ,,lt(«uut6«. Die bringen
wir allemal unter! Und wem« uns
bit setzt nach nicht gelungen ist, so bars
nicht vergessen werden« daß sie erst
siebzehn Jahre alt ist, also noch Zeit
genug hat. Und dann ist sie Die
Jüngste und hat sechs Schwestern vor
sich, die auch nicht als alte Jungfern
in’B Gras beißen möchten. Nu sagst
Du. die alte Kohlsteinem die wirklich
ast recht viel Kohl redet, hätte ge
meint, der Deyner wäre »stech«. Das
schadet uns doch nichts, Entiliet Aber
niitzen kann's uns doch, nützen. sage
ich Bäri«
Frau von Gernopp schüttelte sich
plötzlich vor Lachen daß ihr dicker Köc
per aut- und niederwagte, als sie das
ss verschmitzte Gesicht ihres Mannes sah,
s« der sie anbläctte, als habe er etwas ganz
Besonderes gesunden Sie fragte spöt
tisch:
«August, Du hast tvvbl wieder ’mql
einen Plan gemacht?«
«Stirnmi!' gab er zurück, und sie
; hörte nicht aus, zu lachen, denn seitdem
i er in fester Erwartung eines Sohnes
Groß - Schuster-via zum Mast-rat ge
nas-by worauf dann seine Hossnung
nmal getäuscht worden war, wur
den seine Pläne von aller Welt etwas
zweifelnd angesehen. Aber dieses Mal
’ ». ließ er sich nicht irre machen, saubern
spwuq out und ils-M iemet quu
su« als besiirchte er seine List vorzeitig
In verrathen: »Der Dehner foll ’n dif
fel ,ftech« fein. Na, den Mund hat er
auf dem richtigen Fleck, und er ist
schlau, der Junge. Gut, hör’ zu.
Dann fagen wir ihm morgen ganz ein
fach- «Gkvße Ehre, lherr von Den-ten
fehr fchmeichelhaft, reizend, fehr lie
benswürdig aber die Jüngste zuerst
Weggehen —- neei Die anderen verhei
rathen fich ja doch bald, ganz bestimmt,
das steht ja ganz fest, bombenfeft fong
—- nur bissel Zeit natürlich. Und
dann, wenn erst ’mat eine oder die an
dere weg ist, dann, verehrter Herr, kom
men Sie, bitte, wiedert«
Triumphirend fah er Frau von Ger
nopp an, doch fie hatte zu oft feine
glänzendften Pläne zerrinnen fehen
und fragte daher ganz nüchtern:
»Und wenn er nicht wiederkommt,
dann soll Lisbeth wohl sitzen bleiben?«
»Warum foll er denn nicht wieder
kommen?«
»Er tann sich doch vielleicht diesache
über-legt haben! Und dann ichnavpt er
ab. Vielleicht denkt er fcion nach vier
Wochen ander5!«
Sie war ganz besorgt isxvorden in
dem Gedanken, der in endlicher Aug
sieht stehende erfteSchwiegerfohn möchte
ihnen entgehen, doch Herr von Gernopp
theilte ihre Befürchtungen nicht. Ein
feliges Lächeln glitt über fein Gesicht;
vergnügt rieb er sich die Hände und
dachte an feinen Plan. Schon fah er
alle sieben Mädchen gleichzeitig mit
ihren Auserwählten vor dem Altar der
kleinen Dorftirche des Ritter-gutes
stehen, und feine Augen wurden feucht
in dem Gedanken, er möchte etwa zu
annähernd gleicher Zeit den reichen
Segen von sieben Enteltindern im
Arme holten. Frau von Gernopp riß
ihn aus feinen Träumen.
,,Auguft, nu ertliire Dich ’mal. wenn
er nun nach vier Wochen nicht mehr
will?«
Er fuhr auf und betrachtete nach
denklich feine fchiefbrennende Cigarre,
und dabei tain ihm, wie immer, wenn
er fein geliebtes Kraut in Händen
hielt, eine Eingebung
»Weeßte, Emilie, wie wir am ein
fachften dahintertomnien?«
»Nun?«
»Wir fragen direct die Lisbetb, wie
sie mit ihm steht.«
Und dieses Mal sand sie den Plan
gut. Sie ging sosort nach dem Gar
ten. der nach der entgegengesetzten Seite
des Wobnbauies lag, um ihre Toch
ter zu holen. Jn einer Laube an der
Straße nach Sebenbach, ganz hinten
im Grün verborgen, sansd sie die
Schwestern alle versammelt, bis aus
Marie, die älteste, die in der Wirth
schast zu thun hatte. Die zweite und
dritte, Stedbanie und Adda, die aus
der ersten Ehe des herrn von Gernopp
stammten, saßen aus der einen Seite
neben einander, beide groß, blond,
start in den Knochen. Die süniunsd
zwanzigjäbrige Stephanie mit schönen,
frischen Farben, rcaelmäßigem, büb
schetn Gesicht, und Tlddch zwei Jabre
jünger, genau wie sie, nur diellej»i7t
noch etwas hübscher, aber start und
übermäßig entwickelt, so daß sie älter
aussah, als sie war.
anen gegenüber, zärtlich einander
umschlungen haltend, befanden sich die
ältesten der rechten Kinder der Frau
von Gernopp: Cläre und Fips, die
3willinge. Einander ähnlich, wie ein
Ei dem anderen. Zierlich und niedlich,
mit ztvei Peippengesichtchem rotbdiickig
frisch, lebendig, aber zu klein, zu sehr
Nivpes. wie zwei Figiirchen aus Mei
ßener Porzellan. Bei den Herren we
gen ihrer Kleinheit und ihren rothen
Wangen, seitdem sie einmal traut
griinesKieider getragen, auf Vorschlag
eines Spaßdogels »Radieschen« ge
nannt. Der Name war ihn-en geblie
ben.
Auf der dritten Bank der Laube,
zwischen den beiden Schwesterpaaren,
saß still die achtzehniährige Bertha, ein
großes, blondes Ding, häßlich, mit
großer Nase und zu langen Armen, mit
denen sie nichts anzusangen wußte, die
ihr etwas gnomenbaft Unausgewachie
nes gaben.
Alle yotten ne dem Wetthatchen Lis
beth zu, einein großen, schlankem bild
hübschen Ding, das mit der ganzen
heiterteit und Lebensluft ihrer siebzebn
Jahre aus der Kante des Tisches in der
Mitte der Laube balancirte und mit
den Beinen strampelte, daß ibr turzes
weißes Waschtleid immer in den Lüf
ten war. Sie predigte vom Lieutenant
von Deyner, der eben auf der Sehen
bacher Chaussee vorübergeritten.
»UebrigenH reitet er von allen
Lieutenants des Regienents am besten.
Das hat er mir selber gesagt!«
Den Zwillingen schien das sehr gro
ßen Eindruck zu :n-.nt3en. Zie blickten
sich voll Bewunderung nn. und auch die
dicke Adda schien sitt darüber zu
fUUXrL Nur Stepinnje, die älteste der
Anwesenden, die Liebetits Vorträgen
mit einem gewissen itberlegenen Gesicht
zuhörte, antwortete etwa-J spitz:
.Wemt er Ding selbst gesagt tm,
muß es ta wahr sein.'«
Da sprang Lisbeth vom Tische,
stellte sich vor die Schwester nnd sagte
voller Würde
»Ee lügt ntet«
»Was verstehst Du denn davon!
Das kannst Du gar nicht wissen!"
; Hinte Stepbanie »Naturgng stand
i , III III n- a k "ü c
sich-s wi- eim se aus vie ais-is
; los, pflanzte sich vor ihr auf
. de itberlchiittete sie mit nicht zu däm
T werdens Redeschwalt
i .M Du, Du weiße-s o- kkr
ich auch acht Jahre jitnqer in,l
das weiß ich both bessert Denke nur
nith io was. Oder vielleicht meinst Du,
tsuget zu fein, wie wit. Ja! Das wis
sen wir ja schon längst! Und wenn Du
Such zehnmal den Dante gelesen hast,
capirt hast Du ihn doch nicht! Denn
das IN er mir gesagt, den Dante capiet
überhaupt Keiner!«
Stcpbanie zog die dicke Adda beim
Arme aus der Laub-e fort und rief nur
nockkv boshaft:
»»Hetr von Denner wird wohl illu
isinst den Danke nicht gelesen bade-L
Jo: weiß überhaupt gar nicht, was-s Der
Hing angeht. Dich auch nicht. So’:1
junge-I Ding, wie Du, Lisbeii), ianxi io
wie so nicht an’s Heitathen Denken.
! Erst
Jtlber Lisbeth ließ sie nicht ausredett.
Mte auf Commando hatte sie die Thra
kxcn in den Augen, halb vor Berge-,
halb vor Muth, und schrie:
»Du freilich· Mit Dein-en ist-inw
zwanzig Du solltest Dich iicsrhsithi
ichäinen, noch teinen Mann zu haben
Pfui, so alt!«
Ssphsanie blieb regungson stehen
und sprach nur ver-weisend m:t bemitt
terndem Tone:
»Psui, sage ich! Du bist schlecht, Lis
bethl Schlecht!«
Und nun sing auch sie an zu deinen,
während ihr die dicke Adda Indivian
die Wangen strich. Da that das vor
eilige Wort Lisbeth leid, sie umarmte
die ältere Schwester, und dann tiißten
sie sich alle versöhnt reihum, auch die
Zwillinge Cliire und Fips und sogar
die häßliche Bertha mit der großen
Nase, die doch eigentlich die ganze
Seene nichts anging. Die Rührung
war allgemein und übertrug sich auch
aus Frau von Gernopp, die von allen
sechs, eigenen, wie Stiestöchtern, gleich
mäßig abgetiißt ward, ohne daß sie den
Grund erfuhr
Nachdem sich der erste Sturm gelegt,
wollten die Mädchen wissen, Was
Lieutenant von Deyner beim Vater ge
wollt, aber dte Mutter sagte nur:
»Lisbeth, Du sollst sosort ’mal zu
Papa kommen, und Jhr laßt uns ’mal
ietzt allein!« , «
Der eine Zwilling, Fips geheißen,
dessen wahren Taufnamen sogar die
Schwestern nicht recht wußten, weil sie
nur immer ,,’fips« gehört, murmelte
ein naseweises: ,,Aha!«
Dann lief er mit Cläre davon, den
Gartenweg hinauf, wobei sie beide
rechts und links die Blätter von den
Bäumen rupsten. Die älteren beiden
gingen nach der anderen Seite. Nur
die häßliche Bertha blieb allein in der
Laube und sentte ihre große Nase in
ein Buch
Als Lisbeth mit ihrer Mutter beim
Vater eintrat, empfing er sie sehr feier
lich. Frau von Gernopp setzte sich
tviirdevoll, und Herr von Gernopp
legte sein sreundliches rothes Gesicht in
ernste Falten.
»Meine Tochter-, Deine Eltern haben
heute ein ernstes Wort mit Dir zu re
Jen. Nin-: itfwerwiegende Frage mußt
Du Esfxntworten Zum ersten Mal
vielleicht in Deinen achtzehn Jah
ren -«
Da wurde Ligbeth die sich aus einen
Wink gesetzt hatte, unruhig, wenn sie
auch nichts zu sagen wagte gegen die
Lljterszulage, die ihr der Vater ange
Deiben ließ. Dasiir aber unterbrach
ihn Frau von Gernoppt
,,«Zlugust
»Wie mich doch ’mal ausredem Ernt
lie «
s »Du weißt nie, wie alt Dritte Kin
Fder iind! Liebeth ift siebzehn --——«
Herr von Gernopp schlug mit der
flachen Hand aus den Tisch, daß der
Aschenbecher in die Höhe sprang, aus
deren Rand seine schiesgebrannte Ci
aarre aualmend gelegen, und ries:
»Das habe ich doch gesagt!«
Achtzehn hast Du gesagt!«
»Siebzehn weeßte, Entilie, das
weiß ich nu zufällig ganz genau!«
Und beide Eltern wandten sich in
einem Athent an Lisbeth die entschei
den sollte, wer recht hätte. Dariiber
war der ganze Ernst der Lage hin, und
das junge Mädchen wagte es, allmälig
ruhig mit den Beinen zu schlentern,
nach ihrer Gewohnheit, und als Vater
und Mutter noch eine kleine Auseinaw
deksetzung darüber hatten, inwieweit
die bei dein Schlage heruntergesallene,
noch glimtnende Cigarre ein Loch in die
Tischdeete gebrannt oder nicht, platzte
sie plötzlich mit der Frage ganz naiv
heraus:
I »Was naht For Denn Herrn von
Deyner wohl geantwortet?«
s Herr von Gernopp war gewohnt, nie
zseterlich genommen zu werden, und
T ging deshalb sofort auf den Ton ein.
I »Was möcht-est Du denn gern?«
»Ja, natitrlich!««
»Liebt Jhr Euch denn?«
»Schon lange, Papa!« antwortete sie
lachend und umarmte ihren Vater,
streichelte und liebloste ihn, zog ihn am
Schnurrbart und fuhr ihm durch die
Haare, daß sie beide lachten und nun
erst recht jeder Ernst verloren war.
« Nur Frau von Gernopp blieb ge
? messen. Sie sagte, nachdem das Spiel
s etne Weile gedauert hatte:
t »August, Du läßt Dich aber immer
sgleich itberrumpelrn Reden wir nun
)etgentltch mit unserer Tochter, oder
» unsere Tochter mit ans-IV
l Da wurde er etwas lleinlaut und
sevehrte Lisbeth ab, die der Mutter
tRede und Antwort stehen mußte, rote
sie als wohlerzogened jun eö Mädchen
dazu komm-, Fu erklären, He liebe einen
Lteutenant »Man lange«.
Und nun kam es heran-, daß sie den
’Dssktee früher nur von Weitem ver
ehrt, wenn sie ihn einmal zufällig ge
schm, fei dieg beim Exercieren des Re
giment5, dem sie öfters zugeschaut- bei
Felddienftitbungen in der Nähe von
Groß-Sch-miemig oder vor Allem beim
Frühlingsfeste, das die Sehenbacher
Husaren vor vierzehn Tagen gegeben.
Dabei habe sich die Sache entschieden-.
,,«Hat er Ding denn gesagt?« fragte
ftrena Frau von Gernopp, und Lisbeth
meinte verdutzt: »Natürlich, sonst
wüßte ich’s doch nicht!«
Da blickte die Mutter verständnifzin
nig ihren Gatten an.
»Anguft, nun erkläre ’mal, hat FMU
Von Kohlstein recht gehabt?«
Er fing trotz eines empörten Blickes
feiner Frau laut an zu lachen- Nahm
Lisbeth bei der Hand und fragte:
»Wie hat eriz denn gesagt, mein
is ins-TM
»Sei-r schön!« meinte sie andächtig,
Inst -««m fing vFrau von Gernopp schon
« «. stritt-it zu werden, während er
meier wissen wolltet »Ja, sage ’mal,
wag hat er denn gesagt?«
Die Tochter dachte einen Augenblick
nach, ward ein wenig roth, was ihr bei
ihrem durchsichtigen, zarten Teint öfter
widerfuhr, und entgegnete verschänit:
»Das kann ich nicht so recht mehr sa
gen, aber es war sehr gut und schön.«
Herr von Gernopp wußte nicht, was
er noch fragen sollte, um den Grad von
Lieutenant von Deyners Verliebtheit
festzustellen, und da ihm, sobald er an
setzte, feine Frau ein Zeichen machte,
zu schweigen, weil sie fürchtete, er
möchte wieder einmal Alles verderben,
so blieb er miiuschenstilL Lisbeth aber
verkündete plötzlich mit heftig athinen
der Brust und selig vertlärten Blicken:
»Papa, er hat mir gesagt, er würde
Alles für mich thun, sogar, da er nun
sieben Jahre schon Officier ist, noch
siebenJahre um mich dienen, wenn Ihr
»Nein« sagtet. Wie der in der Bibel,
sagte er —-- er wußte den Namen nicht
mehr —- um die den Namen wußte
er auch nicht mehr. Jst das nicht schön
von ihm?«
Jähe Freude leuchtete iiber der EI
tern Gesichter, und Herr von Gernopp
sprach triumphirend, als hätte er allein
wieder einmal die Sache in’g« Geleig
gebracht:
,,(fmilie: x-i(«i!«
»Was meinst Du, Papa-« fragte
Lisbeth, und die Eltern überhäuften sie
mit Küssen
U.
Am nächsten Tage erschien Lieute
nant von Devner zu Pferde und wurde
sofort in’s Zimmer des Herrn von
Gernovp geführt. Der junge Officier
war ein großer, vielleicht etwas zu
magerer, hübscher Mensch mit keck in
die Höhe — gewirbeltem, blondem
Schnurrbärtchen, dem seine schwarze
Husarenunisorm mit den silbernen
Schnüren vortrefflich stand.
Sobald er eingetreten war und sich
im Zimmer allein fah, blickte er sich
fröhlich uin ice-I lbetrachtete die Nboto
graphien, oie auf einem kleinen
Schräntchen zwischen den zwei Fen
stern standen. Lauter Bilder der sieben
Mädchen, nur in der Mitte ein größe
res der Mutter, aus früheren Jahren,
denn fie trug darauf noch ihr eigener
Haar. Die Töchter waren in allen
Altersstufeu dargestellt, vom Kind
iiber den Badiisch bis- zum jungen
Mist-en uno bei der ältesten Marie,
die ·-m ist-on siebenundzwanzig Jahre
t«-E' se sogar bis zum alten Mäd
LCintenant von Dehner betrachtete
sixb vor Allem Liebeth die aus den
zwei Photographien, die es von tihr
gab, gar-z reizend aquchaute. Vorsich—
tig blickte er sich um, ob ihn Niemand
sähe, dann hob er das eine Bild vom
Schrank. um es mehr in der Nähe in
Augenschein zu nehmen, und gerade in
diesem Augenblicke trat Herr von Ger
nopp ein. Er trug nicht die Jagdjoppe,
von der er sich auf dem Gut und im
Hause nur zu besonderen Gelegenhei
ten trennte, sondern ausnahmsweise,
das Feierliche des Augenblicks anzu
deuten, einen schwarzen Rock.
Der junge Officier stellte die Photo
graphie weg, machte eine leichte Ver
beugung und sagte:
»Herr von Gernovv, ich bitte uui
Verzeihung, daß ich hier etwas herun
tergenommen habe, aber da ich selbst
verständlich noch kein Bild Jhres Fräu
lein Tochter besitze. so wollte ich mir’s
wenigstens mittlerioeile ’mal ansehen!«
Das .,noch« uno »mittlerweile« klang
so siegesgetvis-,, als wiirde er insitden
nächsten fünf Minuten ohne jeden
Zweifel eines geicbeult erhalten, so
daß Herr von Gernoth der sich einen
genauen Plan gemacht und eine große
Rede zurecht gelegt, plötzlich ganz ge
gen den eigenen Vorsatz begann:
»Aber so leid eg mir thut, verehrter
Herr von Dehner, ich weiß doch nicht,
ob Sie ein solches Bild sobald werden
bekommen können«
Dehner lächelte nur, als tönne ihm
teiu Korb drohen.
»Sie sind so gut. Herr von Gernopv
dafz sich die Sache schon machen wird«
Jnr Stillen dachte Herr von Ger
nxoop, daß die alte Kohlstein doch wohl
recht hatte, aber er liest sich nichts mer-—
leu, sondern bot dem Lieutenant eine
Cigarre an, um selbst raucheu zu tön
nen. Dann setzten sie sich, und eine
Weile schwiegen sie beide, bis Dennek
gemiithlich begann:
Haben Sie was Feegen mich?"
,,Nee, das nicht, a er ich weiß nicht.
ob’s gehen wird!«
»Warum denn nichts-« Und mit ei
nein Male larn ihm die Idee, weil c:
in der Gegend hieß, daßd die Gerne-pp
Itein Vermögen hätten, das noch dazu
·in sieben Theile gehen sollte, und
Groß- Schmiemig durch seines Be
sitzers eigenen Leichtsinn als Majorat
an einen Vetter fiel, sein Schwieger
jvater in spe» möchte Bedenken tragen,
ob das junge Paar auch zu leben ha
jben würde. Deshalb fügte er noch
Ihinzm »Ich habe übrigens genug fiir
iuns beide. Jch bin selbstständig und
in recht arrnehmbaren Verhältnissen!«
Aber Herr von Gernopp schüttelte
den Kopf.
»Das ist es nicht. Wiewohl ich
Ihnen offen sagen muß, daß es mir
sehr lieb ist, das zu hören, denn ich bin
leider nicht in der Lage, meine Töchter
in ihrer Ehe allein zu unterhalten
Sie wissen, Groß-: Schmieniig ist lei
der Maiorat —« «
Lieutenant von Dehner unterbrach
ihn plötzlich, blickte ihn vorkvnrfgooll
its-» aber so treuherzig dabei, Daß der
alte Herr ihm nicht Flirnen konnte bei
den Worten: »Aber, Herr von Ger
iiopp, warum haben Sie das eigentlich
gemacht mit dem Majorat?«
Es klang etwas Aehnliches herauf-,
wie: »so eine Dumrnheit,« und der nn
gliickliche glückliche Majoraisherr ge
stand ihm ganz beschämt: »Ich konnte
doch nicht annehmen, daß ich lauter
Mädel haben würde. Und ich sage
Ihnen, so sieben Mädchen, die wollen
erzogen sein!«
Sofort siel Deyner ein: ,,Sehen Sie
.’mal, Herr von Gemeint-»wenn Sie
mir eine geben, sind’s blos noch sechse.«
»Es geht aber nicht!«
»Warum denn nicht?«
Der alte Herr suchte ängstlich nach
einem Grunde, da er den wahren nicht
sagen wollte, und in seiner Noth ver
fehanzte er sich hinter seiner Frau:
»Meine Frau will’s nicht!«
Der Lieutenant schien böse zu wer
ben, deshalb vertheidigie sich Herr Ger
nopp sofort: »Mein berehrtester lieber
Herr von Dehner, wir haben ja gar
nichts gegen Sie, aber auch gar nichts,
nnd ich thiite es gewiß, aber in so et
was muß ich doch auf meine Frau
hören.«
Deyner machte ein sinsteres Gesicht:
,,Also gnädige Frau hat etwas gegen
mich?«
»Glauben Sie nur das nicht!«
»Weshalb soll ich denn nun aber Jhr
Fräulein Tochter nicht bekommen? Sie
will. Das kann ich Ihnen nur gleich
sagen, Herr von Gern—opp. Wir sind
ganz einig. Und wenn Jhre Frau Ge
mahlin etwas gegen mich haben sollt-e,
so, bikte, ziehen Sie doch Ertundigun
gen über mich ein beim Commandeur
oder sonst irgendwo.«
Nun belam es Herr Gernopp mit
der Angst, Deyner, der sich durchaus
nicht einschiichtern ließ, möchte etwa sei
ner Frau sagen, er habe gehört, sie habe
etwas gegen ihn, und sie sollte ihm sa
gen, was. Deshalb ging er endlich
aus sein Ziel los: »Ich will Jhnen sa
gen, um was-« es sich handelt. Wir
haben persönlich gar nichts gegen Sie.
Und bitte um Gotteswillem reden Sie
mit meiner Frau nicht davon» Die
Sache ist einfach die: »Li"5beth ist die
Jüngste -- «
Herr von Gernopp hielt inne, denn
er erwartete von der Constatirunig der
Thatsache, dass Lisbeth die Jüngste sei,
einen großen Erfolg, doch Lieuienant
von Dehner nickte nur und schwieg, so
daß Herr von Gernopp bedeutungs
voll mit Nachdruck wiederholte: »Sie
ist die Jiingste!«
Aber der Officier antwortete nur
mit sröhlichem Lachen: »Desto besser,
dann gibt sie den älteren Schwestern
ein gutes Beispiet.«
»Aber Das ist eben der Grund, weg
halb wir sie nicht hergeben können. Sie j
ist siebzehn Jahre alt, hat noch sechs
unverheirathete Schwestern vor sich,«.
drei Stiefschwestern und drei richtige, «
und die älteste ist zehn Jahre älter, und i
nun soll sie anfangen? Sehen Sie,i
mein oerehrtester, tiebster Herr bon»
Det)ner, das geht eben nicht. Das ist
eensach unmöglich Das gäbe Neid -
und Ajtißgunst und Scheelsucht und
Mord und Todtschlag . . . . nee,da5 -
geht eensach nicht. Das sehen Sie
doch ein?«
Lieutensant von Oevner antwortete
mit dem» unbefangensten Gesicht der
Welt: »Nein, eigentlich sehe ich das
nicht ein.«
Da es Herr von Gernopp im Grunde
genommen auch nicht einsah, so wußte
er sich nicht anders zu helfen, als zu
seinem letzten Anstunftsmittel zn grei
fen. tfr stand auf nnd schritt schnell
snaclx der Tbür zum Neben-named der
isoaenaninten ,,Wobnstube«, öffnete sie
ihastia nnd rief hinaus: ,,Emilie, viel- ?
steicht redest Du auch ’ntal mit Herrn "
»von Deyner!«
« Dabei gab es aber einen mach nnd
einen lauten ««21n«-an, denn Fran
von Gernsovp hatte gehorcht, und die
Tdür war ihr gerade gegen die Brust
geschlagen.
Lientenant von Tenner lachte aus
vollem Halse, und es gelang ihm nur
mit Mühe, sich etwas zu beruhigen, als
seine Schwiegermutter in ape nach ei
ner Weile erschien und in der Thitr
keuchend sagte: »Angnst, wer wird
denn so ausmackent Jch wollte gerade
eintreten, und mir ist ganz der Athem «
vergangen so haft Du mich getroffen
Guten Tag, Herr von Deynee. Neh
men Sie wieder Platz. Jch weiß
alles. Jbre Absicht ist uns sehr
angenean Aber leider, leider -——«
Da schöpfte here von Gernopp wie
der Muth und nahm ihr das Wort vom
’Mnntde wea tn der Befürchtunsa, sie
»——
möchte sich zu sehr in’t Zeug legen und
baduvch den erste-n Freier um seine ste
hen Töchter abschreckem »Allo. Herr
von Deyner, bnrp gesagt, jetzt geht es
leider noch nicht. Sie sind uns als
Schwiegersohn sehr willkommen, aber
erst müssen die-älteren Schwestern die
sen wichtigen Schritt in’s Leben ge
than haben, dasnn mag die Jüngste fol
gen und sehr gern-, von Herzen gern
Jhre Frau werden. Und glauben Sie
mir, es ist für Eltern nicht leicht, so
eins um das andere herzugeben. Doch
das Glück unser-er Kinder steht uns am
höchsten. Hören Sie, mein lieber jun
ger Freund: wenns wir alle unsere Kin
der hergegeben hätten und uns blos
noch die Jüngste übrig bliebe, und Sie
kämen rann wieder, so würden wir sie
mit Freuden ziehen lassen, obgleich es
uns bitter ankommen würde. Bitter
gen-s1g.«
lind wie er das gesagt hatte, wurde
er ganz weich, nicht im Gedanken-da- «
ran, das; er die Letzte aus dem Hause
gegeben hätte, sondern im Vorgeschmack
der Möglichkeit, alle sieben an den
Mann zu bringen. Auch Frau von
Gernopp war den Thränen nahe. Nur
Lieutenant von Deyner war nicht enmst,
sondern ärgerlich gestimmt. Er sagte
etwas weniger zuversichtlich, als sonst
seine Sprechweise war: »So lange sol
len wir warten?«
In der Angst, er möchte ganz ab
springen, lenkte Herr Gernopp sofort
etwai— ein: »ng brauchen ja nicht alle
Schwestern Lisbeth Vorzugehen.«
Frau von Gernopp unterstützte ihn
mit noli etwas unsicherer Stimme von
ihrer Rührung von vorhin: »Nein, alle
nicht, alle nicht«
Einen Augenblick war Lieutenant
von Denn-er doch etwas bestürzt gewe
sen, nun gewann aber schnell seine na
türliche Zkvanglosigteit die Oberhand.
Er wirbelte sich den kleinen blonden
Schnurrbart in die Höhe, tlemmte sich
in’S rechte Auge das Ein-glas, das er
eigentlich nie benutzte und nur zum
Schießen trug, und fragte, sich gegen
den alten Herrn verbeugend, verbind
lich mit Betonung jedes einzelnen Wor
tes-: »Darf ich wissen, wieviel es sein
müssen-Z«
Dabei lächelte er so freundlich, daß
man seiner Frage die Bosheit nicht an
mertte, und die Eltern waren derma
ßen in Verlegenheit versetzt, daß sie zu
erst gar keine Antwort fanden. End
lich meinte Herr von Gernopp mit ei
nem ungewissen Blick auf seine Frau:
,,Wissen Sie, Herr von Dehner, wen-n
nur überhaupt Lisbeth nicht die erste
ist —«
Frau von Gernopp schien damit ei
gentlich nicht ganz einverstaden zu sein
doch ihr Gatte zwinlerte ihr auf eigene
Art mit den Augen zu, was soviel be
deutete, daß er wieder ’mal einen Plan
hatte.
Lieutenant von Dehner erhob sich:
,,Gnädigste Frau, unter Diesen Bedin
gungen lziehe ich mich also für heute zu
riirt. Sobatd also eine Ihrer anderen
Fräulein Töchter oder -— eine usnd
die andere verlobt sind —— darf ich
anfi·agen?«
Feierlich gab ihm Frau von Gernopp
die Hand, die er küßte, und sagte in
fast mütterlich vorahnenidem Tone:
»Ein so liebenswürdiger junger Mann,
wie Sie. Herr von Dehner, wird uns
stets als Schwiegersohn willkommen
sein«
»Herzlich willkommen sein!« verbes
serte der alte Herr.
Lieutenant von Dehner verbeugte
sich und, halb schon in der Thür, mur
nielte er etwas wie: ,,Also in —— ein
paar Wochen werde ich mir erlau
ben
Gleichzeitig fast griff das Ehepaar
das hoffnungsvolle Wort aus:
»Wie, in —?«
,,« n — wag — Wochen Hi«
Dehner meinte, als sagte es das
Selbstverstänsdlichste von der Welt
»Nun ja, in ein paar Wochen, höchstens
ein paar Monaten denke ich, wird doch
die erste Verlobung sein!«
Die zehn Jahre, die sich Herr von
Gernopp nun bemüht, feine Aelteste zu
verheirathen, kamen ihm plötzlich in’s
Bewußtsein, verstärkt durch alle fehlge
schlagen-en Versuche, die übrigen unter
die Haube zu bringen, und es entrang
sich ihm ein lzweifelnder Seufzer:
,,Uff! So schnell?«
·,,Warum nichts Wenn man’s rich
tig anfängt!«
Da trat Frau von Gernopp zum
Retter in der Noth, auf den sie ihre
ganze Hoffnung zu sehen be nn, usnsd
fragte mit dem ganzen Geühl eines
besorgten Mutterherzens: »Aus welche
hoffen Sie denn, Herr von Del)ner?«
Fortsetzung solgt.)
C
—- Dag ist das Ende. A.:
Ihre Liebe für Jack ist todt.« —-— B.:
»Starb sie eineg natürlichen Todes--W
—- A.: »Ja, sie heirathete ihn.«
-—-— Verfäumter Anschluß.
»Warum heirathen Sie eigentlich
nicht?« »O, ich habe längst den Zug
Des Herzens versäumt!«
« Euphemis mus. Bemoogi
tes Haupt: »Papierge·ld trage ich im
mer in In Vrnfttcrsche« — —«Du
haft ja aber leine!« Bernoostes Haupt:
»Habe ja auch tein Papiergeld!«
—- Aus der Schule Lehrer-:
»Ein ji«-M Hausthter hat seinen beson
deren Nutzen für unt-. Was ebtarrcht
Ihr zum Beispiel von der FULL am
meisten ,«u Hause, Fümmler«
Fümmler (Gärtnerssohn): »Den BUT
Herr Lehreri«