Grand Island Anzeiger. (Grand Island, Nebraska) 1889-1893, July 15, 1892, Image 7

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    "Nemcsis.
criminalsceschichte
— von —
Friedrich Friedrich.
Wenige Stunden darauf erschien Wen
zel, als Uniersuchungsrichter, vom Ak
tuar begleitet, aus der Brandstätte. Er
traf nur wenige Menschen von dort, un
ter ihnen den alten Gärtner.
Der Ort selbst kannte ihm nicht den
geringsten Auhaltepuntt zur Untersu:
chung mehr bieten. Das Gartenhaiuz
war nur noch ein schwarzer-, rauchender
Schutthaufen, halb verkohite Balken la
aen zerstreut umher, die Umgebung war
in ziemlich weitem Umkreise zertreten
und machte einen wüsten, und öden Ein
druck.
Der alte Gärtner wollte ihm seine
Wahrnehmungen erzählen
Hier nicht, unterbrach er ihn, denn
neugierig drängten sich mehrere Arbeiter
heran. Jhr lönnt mir nachher im
Schlosse Alles mittheilen——lvmmt dort
hin.
Er schritt dem Schlosse zu: bei Ber
tha ließ er sich anmelden, allein sie ließ
ihm erwidern, daß es ihr unmöglich sei,
irgend Jemand zu empfangen und zu
sprechen. Er fand dies natürlich. Der
Schmerz verlangt allein zu sein.
Er ließ den Gärtner in den Garten
salon,in welchen er durch den Diener
geführt nar, kommen.
Der Alte erzählte ihm seine Wahrneh
mungen mit denselben Worten, mit denen
er sie Urban mitgetheilt hatte.
Wenzel unterbrach ihn nicht.
Ihr seid also der Meinung, daß die
selbe Hand, welche das Feuer angelegt,
auch die Thür von außen verriegelt hai ?
Fragte er endlich.
Der Alte blickte ihn erstaunt an. Er
begriss diese Frage kanni.
Natürlich,ern)iderte er. Wer anders
hätte es thun sollen! Es lomnit zur
Nachtzeit Niemand in den Parl.
Und in welcher Absicht, glaubt Ihr, ist
das Feuer angelegt? forschte Wenzel
weiter.
Das toeisz ich nicht, sicherlich aber in
seiner guten, denn wer niclit etwas Bö
ses ini Sinne bat, greist niclit zu solchem
Beutel. Geoinn kann Niemand durch
den Brand haben
Wenzel schwieg nachsinneud einen An
genblick.
Wißt ler ob der Toetor Brandt
irgend einen Feind hat's sragte er end
lich.
Ich kenne leinen, gab der Gärtner
zur Antwort, ich möchte sogar schwören,
daß er keinen Feind hat, weil er nicht im
Stande ist, irgend Jemand ein Leid zu
usiigen. Er ist still, gntiniithig nnd
steundlich gegen einen Jeden. Ich ver
kehre gern mit ihm. Er kennt die las
teinischen Namen der Blumen nnd
Pflanzen zehnmal besser als ich, -—-- und
dabei ist er nicht im Stande eine einzige
Salatpslanke ordentlich in die Erde zu
bringen. Hier aus dem Gute bat
Niemand etwas gegen ihn-soviel weiß
ich.
Hatte Euer Herr Feinde? sorschte
Wenzel weiter.
Jch habe niich uni seine persönlichen
Verhältnisse nie genau gekiininiert, denn
sie ingen mich nicht-Z an. Und ich niei·ie
aug, ee ist nicht gut, wenn die Unterge
benen allziigenaii auf die Angelegeiihei
ten ihrer berrschaften schauen.
Hat er irgend welchen Streit niit ei
nein seiner Tiener gehabt ?
Ich weiß nichts davon. Vor wenigen
Tagen hat er allerdings seinen Jiiger
plötzlich entlassen.
Wie hiesz derselbe?
Sand
Und weßhalb hat er ihn entlassen?
Der Alte zog schweigend die Schultern
empor·
Ich kenne den Grund nicht, erwiderte
er·
Wenzel blickte ihin scharf in’e Auge.
h Ihr kennt ihn-—- sagt nur die Wahr
kli.
Nein, ich kenne ihn nicht, erwiderte
der Alte. Jch weiß nur, was die Diener
erzählten.
Und was erzählten sie?
Der Alte zögerte mit der Antwort.
Was erzählten sie? wiederholte Wen
zel noch einmal.
Sie sagten, der Jäger habe der gnädi
en Frau allzu verliebt in die Augen ge
chaiit. Er war freilich ein hübscher
Mensch und kluger Kopf —- aber Herr
Richter, ich mag nicht als wahr vertre
ten, was die Diener geschmäht haben
Das sollt ihr auch nicht. Hat Euer
err Streit niit ihnt gehabt-»ich meine
einen heftigen Austritt ?
Davon weiß ich nichts. Mir ist nur
bekannt, dafi Sand plötzlich das Schloß
verlassen mußte.
Es war derselbe Jäger, den Herr von
Börner bereite seit mehreren Jahren
hatte? den ich aus der Jagd öfter ge
sehen habe?
Derselbe, bestätigte der Alte.
Der Mann ivar heftig und jähzornigl
Das konnte er sein; gegen iiiich ist er
es freilich nie gewesen, und ich möchte
ihm auch nichts nach.agen, wao siir ihn
zum Nachtheil ausschlagen könnte.
Jch verlange von Euch iinr, daß Jhr
in allen Stute-i die Wahrheit sagt,
sprach Wen-sel. Seid überzeugt, baß
ich keinem Unschuldigen ein Leid zusii
gen werde; wer indess schuldig ist, ver
ient Strafe-»Was wißt Jhr tiber den
Ia er?
är war ein sonderbarer Mensch, dessin
Charakter ich nie völlig habe begreifen
kennen. Tegel-m kein-te er so unbän
big und wild sein, Iihm Niemand ent
sank-zweien wagte« dem tu seiner sei-»
denschast kannte er sich selbst nicht mehr,
und dann wich er wieder scheu jedem
Menschen ans und suchte die Einsamkeit;
es war dann, als ob er die Menschen
fürchte.
Wie war er in der Erfüllung seiner
Pflichten?
Aeußerst pünktlich nnd gewissenhaft,
vund deshalb hielt der Herr auch so viel
aus ihn. Er pflegte ihn stets in Schutz
zu nehmen« wenn Andere über seine Hef
tigkeit Beschwerde führten.
Und doch hat ihn Herr von Börner
«plötzlich entlassen, wie Ihr mir gesagt
IhabIP
" Er wird seine gewichtigen Gründe
gehabt haben, die ich nicht kenne, gab der
lAlte ziir Antwort.
s Wenzel schwieg. Nachsinnend schritt
,er aus und ab, als versolge er im Geiste
ieinen bestimmten Gedanken. Plötzlich
iblieb er nor dein alten Gärtner wieder
jstehen
i Wo hält der Jäger sich jetzt auf?
fragte er.
Jch weiß es nicht.
; Jst er wieder hier gewesen, seitdem er
entlassen ist — oder habt Jhr ihn seit der
Zeit wiedergesehen?
» Nein.
f
; Der Richter entließ den Alten und trug
sihm aus, den Doktor Brandtzu ersucher
zu ihm zu kommen.
Was glauben sie, soweit sich bis jetzt
nach der Untersuchung ein Urtheil bilden
läßt? wandte Wenzel sich fragend an
den Attuar, als sie allein im Zimmer
waren.
Der Jäger wird dae Haus angesteckt
haben. um sich sür seine Entlassung zu
rächen, urtheilte der Attuar schnell und
mit ziemlicher Bestimmtheit.
Wenzel zuckte mit den Achseln.
Es ist möglich, allein bis jetzt liegt
s noch nicht der geringste Beweis gegen ihn
soor. Jch glaube nicht, daß er es gethan
that; denn halte ich ihn auch einer sol
chen That fähig, so war er jedenfalls
zu llug, sich zu gestehen, daß er Börner
hierdurch wenig Kummer bereiten werde;
s ich glaube vielmehr, er tviirde das Schloß
selbst angesteckt haben.
« Das Schloß ist tnassiv, warf der Al
tnar ein.
s Massiue Gebäude brennen im Innern
Hauch. s Nun, die Untersuchung wird
j tut-J hoffentlich mehr und feste-re Anhalt
»punlte geben-— Haben Sie die Aussa»
sgeu des Gärtners genau zu Protokoll
s genommen ?
i Ter Aituar versicherte eg.
Der Alte, fuhr Wenzel fort, macht ei
.nen durchaus ehrlichen und wahr-haften
Eindruck. Er ist in sei-ten Mittheilun
-gen zwar etwas breit, das pflegen alte
Leute indesz in der Regel zu sein.
Der Doktor Brand trat in das Zim
nter und unterbrach ihn.
Durch die Hast seiner Bewegungen
und Antworten verrieth er deutlich, daß
die Aufregung, in welche er durch das
Feuer und Römers Tod versetzt war,
ihn immer noch nicht verlassen hatte.
Er gab indesz seine Antworten genau und
bestimmt.
Wenzel sragte ihn, ob er zu Sand in
irgend einem näheren Verhältnisse ge
standen habe.
Nein, erwiderte Brandt. Er war
stets artig gegen mich, wir haben indeß
selten ein Wort mit einander gespro
chen.
Er versicherte mit derselben Bestimmt
heit, wie am Morgen friih gegen den
Doktor Urban, dasz er die Hatiethiir nn
verschlossen gelassen habe.
llno weshalb glauben Sie, daß die
Thiir wahrend ihrer Abwesenheit von
außen verschlossen ward? fragte Wen
ze»
Ich weisz es nicht, erwiderte der Ge«
fragte, ich bin auch nicht nn Stande ir.
gend einen Grund dasiir aufzufinden.
Der Doktor Urban glaubt, ed sei ge
schehen, damit ich und Heinrich ver
brenne--—ich kann diese Ansicht nicht thei
len, denn ich begreise nicht, wem durch
unsern Tod ein Dienst erwiesen sein
könnte.
Haben Sie keine Feinde?
So viel ich weiß, nicht.
Wissen Sie genau, wann Sie das
Gartenhaus verlassen haben?
Jus-re war um els Uhr.
Und wann bemerkten Sie das Feuer?
Ich habe nicht nach der Uhr gesehen.
Jfch war mit Heinrich langsam nach dem
Sandberge gegangen; wir waren bereite
eine Zeitlang oben, als er zuerst den
Feuerschein bemerkte « es mochte viel
leicht usn zwöls Uhr sein, genau weiß ich
es nicht.
Haben Sie des Abends Niemand im
Parle in der Nähe des Gartenhausee be
linerkth
Niemand.
Haben Sie irgend eine Verniutlsung,
Jwer das Feuer angelegt haben könnte?
l Nein· Durch Unoorsichtigteit kann
das Feuer nicht entstanden sein, weil an
»dem Tage, auszer Heinrich und mir,Nie
imand indem Hause gewesen ist, undwir
gestern Abend nicht einmal Licht ange
zündet hatten; aus der andern Seite ist
es mir unbegreiflich, wie Jemand eine
solche That vollbringen kann.
Sein Gesicht bestätigte diese letzten
Worte vollkommen. Er sah so harmloo
und unschuldig aus, daß Jeder über
zeugt sein mußte-, er selbst könne mitAb
stcht kein Unrecht begehen
Wengel begriff, daß ihn die Auf-sagen
Brandt a iin Ganzen wenig weiter süh
ren würden. Er war ein Gelehrter,
dessen Anschauungen nicht über den
Kreta seiner Wissenschaften hinausgin
gen. Schon wollte er ihn entlassen, um
noch eini e Diener des Schlo es, welchei
osort arti die Brandstätte na Ausbruch
; es s Ieeilt waren, zu ver bren,
als mich ausser-at tn den lou
stürzte. Seine Wangen waren bleich,
die Augen noch geröthet, dennoch leuch- .
teten sie lebhaft, aufgeregt. Ohne Hö
gern schritt er aus Wenzel zu·
Dieser streckte ihm die Hand entgegen
»- er kannte ihn ja. Er wollte ihm
über den Verlust, den er erlitten hatte,
einige beruhigende Worte sagen, allein
der Knabe blickte ihn völlig gefaßt an.
’ Wenden Sie alle Kräfte an um den
YVerbrecher zu entdecken, der das Haus
angezündet hat, bat er mit dringender,
haftiger Stimme-Mein Vater hat
;dadurch sein Leben eingebüßt.
i Ich werde es thun, versicherte Wenzel
»und ich hoffe daß es mir gelingen wird
! Es muß Ihnen gelingen! rief Hein
rich fast leidenschaftlich Mir hat das
iFeuer gegolten, ich habe in demselben
kmein Leben verlieren sollen, denn der
Herr Doktor Brandt ist so gut, daß er
keinen Feind haben kann!
« Hast Du denn Feinde? warf Wenzel
ein
Ja—— ich weiß es nicht, fügte Hein
rich sogleich sich verbessernd hinzu.
’ Und weshalb glaubst Du, daß das
Feuer Deinem Leben gegolten habe?
; Den Knaben schien diese Frage etwas
Hzn verwirren, er zögerte zum wenigsten
’n1it der Antwort. »
! Es hat mir gegolten! erwiderte er
dann. Weshalb wäre die Thiir sonst
. von außen verriegelt gewesen? Es wußte
Niemand, daß wir das Haus verlassen
hatten. Wer das Feuer angelegt hat,
ist in dem Glauben gewesen, daß wir
uns in dem Hause besänden.
Des Knaben bestimmte, hastige Worte
machten auf Wenzel einen eigentliiimli
chen Eindruck, der Knabe schien offenbar
mehr zu wissen, als er sagte, vielleicht
auch sagen mochte.
Du hast gegen irgend Jemand einen
Verdacht ? fragte WeuzeL
Heinrich blickte ihn einige Secunden
groß und starr an. Es lag eine Bestä
tigung in diesem Blicke-, nnd dennoch er
widerte er gleich darauf niit fester
Stimme-: Nein«
Dann kannst Du auch nicht behaupten,
dass das Feuer Deinem Leben gegolten
hat·
Es hat ian gegolten! erwiderte Hein
rich, ohne seine Worte durch irgend einen
sGrund zu beweisen.
l Du bist aufgeregt, Heinrich, fiel Dok
.tor Brandt ein. tloinnt uiit mir, Du
bedarfst der Ruhe.
Der Knabe schüttelte ablehnend init
dem liopse Noch einmal wandte er sich
san Wen-El und erfaßte in leidenschaftli
cher Weise dessen Hand.
Mein Vater ist durch das Feuer ge
storben, ries er, rächen Sie seinen Tod
dadurch, daß Sie Denjenigen, der das
Feuer angelegt hat, zur Rechenschaft zie
hen. Jch werde nicht eber Ruhe finden,
als bis dies geschehen ist!
Thränen glänzten in seinen großen
Augen. Wenzel versprach seine Bitte
zu erfüllen, dann ließ er sich durch
Brandt ruhig aus dem Gemach führen.
Wenzel schritt schweigend aus und ab.
Haben Sie den Knaben beobachtet?
wandte er sich fragend an den Aktuar.
Er war sehr aufgeregt. Jch finde es
natürlich nach den Vergängen der letzten
Nacht.
Wenzel schiittelte ntit dein Kopfe.
Es war met-r als Ausregttng, fuhr er
fort. Der Knabe hat einen bestimmten
Verdacht und scheut sich, denselben ausz
zusprechen und doch sieht er nicht aug,
ob er Furcht kenne. Ich fasse sein We
sen noch nicht. Ginge nicht etwaes Be
fonderes itt seine-n Innern vor, so toiirde
der Schmerz uttt den Tod feines Vaters
ihtt übetwiiltigen, denn Börner hat mir
mehr alo einmal erzählt, dasz der Knabe
tttit unendlicher Liebe an ihm hängt-. Eis
ist tttir ein Räthsel ttttd tieht mich ttnend
lich an, ttnd ich habe bis jetzt stets die
Erfahrung gemacht, daß es immer ausser
ordetttliche Menschen waren, an tvelche
ich mich so unwillkürlich ohne daß ich
im Stande war, tttir darüber llar zu
werden, gefesselt und hingezogen gefühlt
habe.
Er verhörte ttoch einige Diener, ohne
daß er durch deren Auesagen mehr er
fuhr, als er bereits wußte. Sie gaben
ihm nicht einen einzigen bestimmten An
haltepunkL
Unbefriedigt über das Ergebnis-i seiner
Untersuchuttg verlies; er das Schloß.
Er hätte gern tttit Vertha gesprochen,
weil er hassen durfte, durch sie zunt tve
ttigstett einige Andeutungen zu erfahren,
er ehrte indess ihren Schmerz zu sehr,
als daß er gewagt hätte, sie in demselben
zu stören.
Urban begegnete ihm aus der Straße,
als ex itt die Stadt zurückgekehrt war.
Haben Sie irgend eine sichere Spur
des Brandstisterz gesunden? fragte der
Arzt.
Nichte-»- nichtdl Jch vermuthe, die
Angelegenheit wird tnir noch viel Arbeit
verursachen.
Verlieren Sie nur den Muth und die
Lust nicht, fiel Urban ein. Haben Sie
lFrau von Börner gesprochen?
i
Nein. Sie tvollte Niemand empfan .
gen. Ich finde ee natürlich. Wer vor»
wenigen Stunden so unertvartet den
Mann verloren hat, kattn unmöglich
Besuch annehmen. s
Urban zuckte halb zweifelnd mit den
Achseln. « ·
Jch gebe Ihnen im« Allgemeinen
Recht, erwiderte er, indesz sind die Cha
rattere sehr verschieden. Manche schei
nen durch ein solches Unglück kaum be
rührt zu werden,-ja fle haben sttr den
wirklichen Schmerz kein Verständntsz
und keitte Empfindung
Wenzel blickte ihn erstaunt anl
Wollen Sie dies auch aus Frau von
Vdrner beziehen? fra te er.
Sie vergessen, daß ch durchaus keine
bestimmte Beziehung ausgesprochen habe.
Jch theilte Ihnen nur eine pshchologische
Beobachtung mit, welche ich mehrere
Mal zu machen Gelegenheit gehabt habe.
-—Doch meine Patienten verlangen nach
mir. Nehmen Sie den vorliegenden Fall
ernst und genau.
Er wollte sich entfernen.
Wenzel legte die Hand auf seinen Arm.
Nur noch eine Minute, um eine Frage
an Sie richten zu können. Glauben
Sie, daß Frau von Börner im Stande
ist, mirirgend welchen nähern Aufschluß
über das Verbrechen, oder irgend einen
Verdacht anzugeben?
Urban schien diefe Frage nicht erschr
tet zu haben rschloß die Augen
halb, unt seinen Mund glitt ein leichtes,
halb spöttisches Lächeln.
« Bester Freund, erwiderte er, ich bin
zwar seit Jahren sHausarzt bei Vörner
gewesen, allein ich habe mich nie rühmen
können, dafz die schöne Frau mich zu ih
rem Vertrauten gemacht hat. Und selbst
wenn ich es gewesen wäre —— ein Ver
traun-r muß schweigen können. Han
deln Sie fo, wie Ihre Pflicht es erfor
dert ---ich glaube, dann wird Sie nie ein
Vorwurf treffen können.
Er wandte sich ab und schritt schnell
die Straße entlang.
Einige Secunden lang blickte Wenzel
ihm nach. Die halb ausweichenden,
halb dunklen Worte des Arztes fielen
ihm auf. Urban war ein offenes, unbe
fangenes Gemüth—-- weshalb gab er sich
jetzt anders, als er wirklich war, ja an
ders, als er zu denken schien! Es kam
noch das eigenthiimliche Benehmen des
Knaben hinzu Sollten beide um ein
Geheimnis wissen, das sie nicht ausspre
chen mochten, oder sollte er fich in beiden
täuschen? Er wußte, daß der Mensch in
erregten Augenblicken oft mehr wahrzu
nehmen wälnit, als wirklich wahrzuneh
men ist. Er klammert sich dann an Ge
ringfügigkeiten, welche oft nur ein Spiel
des Zufalls sind, fest, und hofft durch sie
auf eine Spur geführt zu werden, aus
welche sie nimmer führen können. Daß
er selbst durchBörnest Tod, durch das
-Geschick der schönen Frau in Aufregung
sversetzt war, konnte er sich nicht verheh
fleu, deshalb kehrte er in seine Wohnung
zuriirL Vielleicht wurde er dort ruhiger
und sein Auge blickte mit größerer Filar
heit. Er konnte sich rühmen, daß ihut
noch kein Verbrecher, dessen That er zu
untersuchen und zu verfolgen gehabt
hatte, entgangen war, deshalb hoffte er
mit Zuversicht, das es ihm auch hier ge
lingen werde, toenn er auch für den Au
genblick noch keine Möglichkeit, es zu er
reichen, einsah-—
Wolfs hatte kaum von dem Unglücke,
welches seine Schwester betroffen hatte,
gehört, als er zu ihr eilte, um ihr seine
Unterstützung anzubieten. Vertha nahm
dieselbe an, weil sie derselben bedurfte.
Sie verließ ihr Zimmer nicht. Selbst
ihre Dienerin und ihre Kinder ließ sie
nicht zu sich. Hartnäckig weigerte sie
sich, irgend welche Speise zu sich zu neh
men. Einen so tiefen Schmerz um ih
ren Gatten schien sogar die Dienerschast
nicht erwartet zu habet-, da das Ver
hältniß ztvischen beiden kein ungetrübt
glückliches geweer war.
Wolf-s blieb auf dem Gute. Er traf
alle Vorkehrungen, welche die Beerdi
gung Börster’ø erforderte. Ehe dieselbe
noch vollzogen war, tratdas Vorniunds
schaftsgericht zu Gunsten HeinrichUZ aus,
um dessen Vermögen zu sichern. Wolff
kam demselben helfend und fördernd ent
gegen. Er besaß hinreichende Gewandt
heit und steuntnisse dazu, und bot Alle-J
aus, um jede peinliche Störung von sei
ner Schwester fern zu halten. Auch er
schien Böriter’-3 Tod schmerzlich uud tief
zu empfinden, so fern, ja feindlich sie sich
auch früher gegenüber gestanden hatten.
Der Tod befin ja eine versöhnende
Kraft. Selbst gegen Heinrich, den er
früher kaum beachtet hatte, war er
freundlich und theilnehmend, obschon
der Knabe seine Theilnahme ziemlich
kalt zurückwies.
Boruer wurde mit all der Pracht bes
stattet, tvelche sein Stand erfordern-.
Das Unglück, welches ihn betroffen,
hatte die allgemeinste Theilnahme ivach
gerufen, und alle seine zahlreichen
Freunde und Bekannte geleiteten ihn zur
Ruhe.
Dte Beerdigung war beendet. Nach
all’ der Unruhe-, welche sie hervorgerufen
hatte, herrschte in den weiten Räumen
des Schlosses eine fast erdrückende Stille.
Auf allen Gesichtern sprach sich Trauer
und Abspannung aud. Selbst die Die
nerschast sprach nur leise init einander,
als scheue sie sich, die Stille zu unter
brechen. llnivilltiirlich mußte sich einem
jeden derselben die Frage ausdrängen,
was ausz- ihm werde, nun Ider Herr da
hin war. Dass nicht Alles beim Alten
bleiben lönne, das; eine Veränderung
eintreten miisse, sah jeder ein, indess ver
mochte noch Niemand einzusehen, welche
Gestaltung das Leben im Schlosse kuns
tighiu annehmen werde·
Bertha hatte noch immer ihr Zimmer
nicht verlassen«
FiirHeinrich war es ein schwerer
Tag gewesen, indessen hatte er auch
ihn mit einer wunderbaren Fassung er
tragen. ;
Nur in dem Augenblicke-, als der’
Sarg, welcher die Reste seines geliebten
Vater-Z bat«g, von den Trägern empor
gehoben wnrde, um aus dem Schlosse
getragen zu werden, hatte er sich von
Brand« Hand losgerissen und mit
Ungestüm über den Sarg geworfen.
Er hatte sich von ihm nicht trennen
können und doch hatte er sich trennen
müssen.
Als dieser schwere Augenblick vorüber
ewesen, war er ruht er geworden.
eine Throne ward in feinem großen,
fsnllen Auge mehr gesehen. Nur das
leise Zittern seiner Hände und Lippen,
das Beben seiner Stimme verrieth, wie
unendlich viel er litt und in sich ver
schloß.
Brandt wandte seine ganze Aufmerk
samkeit und Liebe dem Knaben zu. Auf
seinem Zimmer saß er mit ihm und
suchte seine Wiszbegierde wieder anzusa
chen, um ihn zu zerstreuen und für
kurze Zeit den Schmerz vergessen zu
machen
Heinrich hörte ihm still zu, allein sein
starrer Blick verrieth, daß seine Gedanken
dennoch bei einem anderen Gegenstande
weilten. Selbst gegen Brandt, der sein
ganzes Vertrauen besaß, hatte er sich noch
nicht über seinen Schmerz ausgesprochen,
jede Aufforderung dazu wies er mit ei
nein schweigenden Schütteln des Kopfes
von sich.—-—
Während im Schlosse eine dumpfe,
fast unheimliche Stille herrschte, schritt
der Jäger Sand hastig durch den Park
hin, dem Schlosse zu. Sein dunkles,
glühendes Auge schweifte suchend umher.
An seinen gerrötheten Wangen erkannte
man seine Aufregung Mit festem
Schritte trat er in das Schloß ein. Ue
berrascht blickte die Dienerschaft auf ihn.»
Keiner von ihnen hatte ihn seit dem Tage,"
an welchem er aus dem Dienste Börner’s
entlassen war, wiedergesehen. Der alte
Gärtner hatte ihnen mitgetheilt, daß der
Untersuchungsrichter ihn genau über
Sand verhört hatte, deshalb mußteSand
in enger Beziehung mit dem Brande
stehen.
Flüsternd steckten sie die Köpfe zusam
men, als sie ihn kommen sahen. Sie
begriffen nicht, wie er es wagen konnte«
in das Schloß zu kommen Fest trat er
aus sie zu·
Wo ist die gnädige Frau? fragte er
dann.
Einer der Diener erwiderte ihm, daßi
sie sur Niemand zu sprechen sei und fürs
ihn wahrscheinlich am wenigsten i
Ztolz richtete der Jäger den Kopf;
eint-sor, sein leuchtendes Auge blickte
zornig
Fiir mich am wenigsten! ries et mit
wegioerieiidem Lächeln Ich werde den »
noch mit ihr sprechen. Geh und melde»
mnli an! ;
Der Diener weigerte sich.
So werde ich unangemeldet zu ihr ge
hen, fuhr Sand fort. Noch bin ich ja
bekannt genug in diesem Hause-, um ihr
Zimmer finden zu können!
Schnell wollte er auf Bertha’s Zim
mer zuschreiten Der Diener vertrat ihm
den Weg.
Ich habe Befehl Niemand zu ihr zu
lassen, sprach er.
f Der Befehl flinimert mich nicht! rief
der Jäger hastig. (Heh’ fort oder ich
werde mir den Weg frei zu machen
wissen!
Er erhob drohend den Arm.
Erschreckt wich der Diener zurück. Er
kannte Sand’s Hestigkeit Mehrere der
übrigen Diener wollten ihm zu Hilfe ei
len, auch von ihnen wagte indeß keiner
den Jäger zurückzuhalten. Ungehindert
schritt er auf Bertha’s Zimmer zu und
trat ein.
Bestiirzt blieben die Diener an der
Thür stehen« Sie erwarteten, von ihrer
Herrin zur Hilfe gerufen zu werden —
vergebens-. Sie hörten dieselben drinnen
mit dein Jäger halb laut, ihnen unver
ständlich, sprechen.
. (Fortsetzung folgt.
Rette Wahtgeschichte.
Eine köstliche Wahlgeichichte wird aus
Rumänien berichtetJnGloesti fand eine
Nenwahl statt, da der dort gewählte
Abgeordnete sein Mandat niedergelegt
hatte. Der Ausgang der Neuwahl ließ»
sich durchaus nicht vorher bestiiiinieii.i
Trotzdem rechnete einer der Eandidatemf
Herr Eaiitaeuze116, der Ehefredacteurs
der Vointza Nationala, niit solcher Si:s
cherheit auf den Erfolg seiner Eandida s
tur, dafz er, um seine Wahl festlich zui
begehen, ein großes Gastcnahl —- 250
Eouoerts —- bei dem Wirthe des Elub-’
hanfes der Ploesti’er Liberalen bestellte.
Abends um 6 Uhr war das Festmahl
großartig hergerichtet, die Menug waren
ausgezeichnet, die Kellner standen bereits
unter den Waffen und aller Augen harr
ten auf Herrn Cantacuzeue, den Auser
wählten der Bürger von Ploesti. Aber
statt seiner traf die Hiobizbotfchaft ein,
daf; der Chesredacteur der Vointza elen
diglich unterlegen fei. Den bereits ver
sammelten Freunden des Herrn Candi-s
daten war der Appetit vollständig ver
gangen. An die noch nicht erschienenen
Parteigängcr — selbst aus entfernt lie
genden Stadien wurden Gäste zu dem
großen Banlett erwartet-wurden rasch
Telegranime abgesandt, durch welche die
Einladungen widerrnfeu werden sollten.
Aber leider zu spät. Die Parteibruder
und Freunde waren bereits auf der Nei
se, fröhlich und guter Dinge kamen sie
in Ploesti an, zu einer Taufe waren sie
abgereist nnd mußten jetzt einem Be
gräbnifz beiumhneu Moral: Man
darf niemals dan Fell des Bären ver
kaufen, bevor nian ihn nicht getödtet
hat.
Bei H n n t i nqt o n, Jnd.,entgleiste
ans der Chieago ob Erie Bahn der ans
nenn Wagen bestehende Welle- th Fargoi
Expresz Zug, welcher mit Thee, Seide
und Pferden beladen war, nnd fiinf ans
demselben befindliche Personen wurden
schwer verletzt.
Ein Feuer in Meqiirh ä- Sons Tep«
pich und Möbel Geschäft in W i listing- !
ton, Del» verursachte einen Schaden
von est-Hinter Versicheruan s45,tnn).i
Jn L o n i s i a na ist die ganze Ge
gend am Anite Niver von Lake Man-s
repas bis Fort Vincent überschwemmt.
Der Verlust sür die Farmer ist unge
heim-.
.
H
Das Präsidentemvahlspotuni.
Der soeben begonnene Präsidenten
Waniseldzug dürfte, auch ohne an dra
matischen Ueberraschungen so reich zu
sein, wie manche der früheren, zu den
beinerlenøwerthesten der 26 Wahlcani
pagnen gehören, welcher unser Land bis
jetzt gesehen hat. Abgesehen von den
politischen Fragen, bieten die Kosten
dieser Feldzüge und die stets zuneh
mende Stimmenzahl besonderes Jn
teresse.
Die Berichte, welche wir über das
Votum beiden ersten 9 Wahlcampag
nen haben, sind sehr mangelhaft. Als
Washington zum Präsidenten gewählt .
wurde, gaben die Staatsgesetzgebungen
das Electorenvotum ab, wie dies die
Verfassung gestattet. Diese Methode
erhielt sich in Süd-Carolina sogar bis
zum Jahr lsszm andrerseits findet
sich die Wahl durch besondere Wahl
männer, welche ihrerseits durch allge
meine Volkstvahl bestimmt werden, in
manchen Staaten schon 1800 vor. Ein
vollständiges Votum des Landes beider
Präsidentenwahl läßt sich erst von 1822
an feststellen. Damals wurden 352,062
Stimmen abgegeben. Jn den nächsten
8 Jahren must die Zahl der Stimme
rechtigten gewaltig gestiegen sein; denn
die Nationalwahl von 1832 ergab be
reits 1,156,328 Stimmen.
Von nun an ist die Zunahme eine
beständige. Nur die Wahl von 1864
war eine Ausnahme; sie lieferte ein
kleineres Votum, als die von 1860,
einfach weil sich zur Zeit 11 Staaten in
Rebellion befanden und nicht mitthaten.
Unter den vosherigen Wahlen war die
von .18--t(), welche William Henrh Har
rison in das-«- Präsidentenamt brachte,
besonders denktviirdig durch ihren
Stiiiiiiietizittvachg; es wurden damals
im Ganzen 2,—«U,77 Stimmen abge
geben, gegen 1,-tkm,2(«; im Jahre
Mit-L
Ueber die drei- Millionen kam man
erst 1852 hinaus-; in diesem Jahre
wurden :3,14:3,877 Stimmen abgege
ben, und vier Jahre später 4,052,967.
Zwölf Jahren darnach waren 5,724,-·
i524 Stimmen zu verzeichnen, und von
da an hat jede Nationalwahl 700,000
bis 1,:;(w,u«0 mehr gebracht. 1888
endlich kam es auf 11,:374,987. Der
dieszjiihrige November dürfte uns etwa
lelz bie- 13 Millionen Stimmen brin
gen.
Auch die Kosten für die Erwählung
eine-J Präsidenten sind fort und fort ge
stiegen. Gewiegte Politiker sagen, jede
im nächsten November abgegebene
Stimme werde wahrscheinlich Pl kosten.
Dabei sind auch die Ausgaben für das
Drncken der Stimmzettel und für das
Entgegennehmen und Zählen derselben
mitgerechnet. Jedenfalls werden in
zdicsem Jahre die Unkosten größer sein,
Hals jezuvor, schon wegen der großen
iAnzahl der abzugebenden Stimmen
fund der Annahme des auftralischen
iWahlshstems in vielen Staaten. Ge
iwaltig müssen auch die directen und in
fdirecten Kosten der großen National
sConvention sein, obwohl sich ihre Höhe
Jnur vermuthen läßt. Nimmt man dann
Inoch die Kosten der Ward-, District-,
Countn und Staatseonventionen hinzu,
welche zu des Nationalconventen füh
ren, so erscheint die Behauptung, daß ·
das Aufstellen der Präsidentschafts-Can
didaten allein heuer J4,()0s),000 koste,
kaum übertrieben. Dazu kommen nun
die kolossalen Summen, welche der
Wahlfeldzug in der ganzen Union ver
schlingt, fiir die Organisirung der Par
teien, Ansstattung der Straßenparaden
und Abhalten nnzähliger Versammlun
gen, Schreib, Druck- und Ueber
setzunggtostem und so weiter (darunter
kann sich noch Jeder denken, was ihm
deliebt.)
Die Sage von Pelikan.
Die Ornithologen wußten wohl längst,
daß die dein Pelikanweibchen zugeschrie
bene Eigenschaft, sich die Brust auszu
reißen und deren ,,Jnhalt« seinen J in
gen zum Fraße darzubietem in den Be
reich der Sage gehöre-, allein erst in
neuester Zeit wurde die Ursache der
Eustehung dieser Sage näher beleuchtet.
Und zwar geschah dies durch Baron
stalberwattem einem Wiener Naturfor
scher, der aus einem kleinen Boote die
Donau von Wien bis Sulina, behufs
Erforschung der Vogelwelt dieser
Streckt-, abwärts fuhr. Bei dieser Gele
genheit hat er zumal die Pelikane eis
rigst beobachtet und sich zu diesem
Zwecke bei Fden Vögeln selbst in einem
leerstehenden Neste »von dessen Dimen
sionen man sich demnach einen Begriff
machen kann cinquartirt. Nun
schreibt er, daß die Pelikaue insoferne
ein geregelte-g Leben führen, als sie
täglich blos drei Mahlzeiteu halten, bei
denen sie eine nnglaubliche Menge von
Fischen vertilgen Dann ruhen sie, ei
nige mit dein syalse aus dem Rücken,
andere damit beschäftigt, ihr Gefieder
zu putzen. Die männlichen Pikane be
kiimmern sich nicht im Geringsten um
ihren Nachwuchs, diese Sorge stillt viel
niehr den Weibchen zu uud wird so be
folgt, das; das Weibchen den gewaltigen
Schnabel gegen die Brust drückt und
ihn öffnet, ,,iroraus die Jungen aus
dem titehlsaete der Alten, wie and einer
Schüssel sresseu.« Diesem Vorgange
nun ist die erwähnte Sage entsprungen
und hat dem Pelikane nicht nur den
Ruhm besonderer Ausopseruugøfähigkeit
eingebracht, sondern ihn gerader zum
Typus derselben gestempelt.
Samuel Vurd in North-ach ll.,
erstach m Streit seinen 32 Jahre ate
Sohn. Er ist derbe-steh -