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About Grand Island Anzeiger. (Grand Island, Nebraska) 1889-1893 | View Entire Issue (March 4, 1892)
s Die Grundmiihlr. Iriminalroman v Friedrich Jacebsen.» »Hörsi Du, wie der Regen an die Fenster sch: ügt? Es wäre Thorheit, sich bei dem Wetter auf den Weg zu machen « »Ich bin abgehärtet5 ein wenig Nässe. schadet mir nicht « ,,Unsinn, davon ist seine Rede! Aber der Mond wird verdcckt bleiben, und Du kennst die Gegend nicht« « Die beiden Männer, welche sich so unterhielten, saßen neben einander auf. dem Sofa und tauchten. Sie standen in demselben Lebensalter, im Beginn der dreisziger Jahre, aber ihr Aeuszeres war wesentlich verschieden. ! Derjenige, welcher zuerst gesprochen hatte, trug eine beqnente Hanzjoppe und zog an seiner langen Pfeife mit dem weisen Versiändnifz der Landgeisi lichen Sein volles rothes Gesicht wurde von einem starren schwarzen Vollbart umrahtnt, er war breit und reckenlsaft gewachsen i Der andere war kleiner und schlanke-r; sein blondes an den Schleifen etwts gelichtetes Haar lag sorgfältig gescheitelt um den ieingesetonitteneu klopf; ein woblgepflegter Schnurrbart verrietls, dasz sein Träger einem weltliche-n Beruf angehörte. f Der Pastor hatte seine Pfeife ausge raucht und griff nach dein Tabaletastetn »Ja; die Gegend,« sagte er mit seiner dröhnenden Stimme. »Da glaubt ihr Stadtmenscien, tnan könne auf unseren Bergen spazieren wie ,,llnter den Lin den« tn Berlin. Prost Mahlzeit, hat sich was! Ich sitze nun siiuf Jahre in die sein Nest, welche-S die Menschen in ilsrer Verblendung Schönborn getauft l)aden,j aber der Weg von Schönborn nach tiio senhain -—- auch eiu schöner Name! ist noch heute zu Zeiten meinen Augen verborgen. Du bist ja erst seit einer Woche Atntsrichter in Hageubnrg, aber Du wirst Deinen lieblichen Bezirk schon zur Genüge kennen lernen « »Gutes hier so viel zu thun 9« fragte der Amtsrichter lächelnd f »Na,« brummte der streitbare Pfar-· rer, »Engel sind meine Bauern iust nicht. Es giebt viel Hader um Mein· und Dein, gelegentlich auch eine Wirths hansprügelei. Aber freitich, mit einer Ausnahme sind sie noch immer besser als die Städter, nnd diese Ausnahme war früher nach Rosenhain eingepfarrt.«j »So- ios « Der Amtsrichter war bei Erwähnung des Dorfes Nosenhain unruhig geioor den. Er stand auf und trat an dass Fenster der Studirstnbe. »Der Regen scheint nachzulassen-, ich muß mich wohl aus den Weg machen »Was willst Du denn eigentlich bei dem alten Einsiedler?« fragte Pastor Hartmann nnwirsch. «Geht unsere Uni versitatefretlndfchaft nicht einer Form vor, für deren Erfüllung Dir niemand Dank weiss? Denn glaub nur ja nicht, daß mein treuer Amtebruder Bade fon-; derlich erfreut fein wird, wenn Tit ihn in später Abendstnnde von feinen Bii chern aufschenchst, ganz abgesehen davon, daß-« Der Sprechende hielt plus-lich inne und machte ein fehr tlugee Gesicht. Dann fuhr er hinterlistig fort: »in-r ’mal, Alter, hattest Du nicht Anesichlems in Berlin angestellt zu werden P« ,,Allerdinge,« entgegnete Amterichter Stein scheinbar unbefangen. »Bist Du an maßgebende-r Stelle in Ungnade gefallen ?« »Daß ich nicht wußte-- l »Und nun Deine Anstellung in Ha genburg, diesem Philisteiuest mit drei-· tausend fogenannten Seelen ?« »Geschah auf meinen ausdrücklichen Wunsch-« I »Du hattest wohl wenig Verlehr in Berlin ?« forschte der unerbittliche Pfar rer weiter. »Ich meine natürlich Fa milienoerlehr. «« s »Mir bei einer Frau Regierungs rötbin Weber,« erwiderte Stein zo gerad. »Der Schwester des Pfarrers Bade in Nosenhain, einer Wittwe-. Freilich ein sehr anregender Verkehr für junge, lebenslnstige Assesforen —- war nicht fdaåjhlibfehe Aennehen auch dort zum Be u s Stein blielte noch einmal unschltisfig auf die Uhr und in s Wetter, dann nahm er eine frische Eigarre und erwiderte lächelnd: . ; »Du hattest unternictntngerianer wer den sollen, Harttnanty ich sehe ein, daß meine Verschwiegenheit DirnichtStano hält. Und warum sollteichineiuem besten Freunde gegenüber verschlossen sein? Ja, ich habe das herzige Piarrlind in Berlin bei der Taute leunen und lieben gelernt. « Im verflossenen Winter haben wir uns init einander verloht, und ich hosste in dir Residenz ein Heim zu künden. Aber Du weißt, mit welchen nnderlichleiten der alte Pfarrer Bude behaftet ist. Er schrieb mir kurz und biindig, daß er als einsamer Witicuer sein einziges Kind wenigstens in der Nähe behalten wolle und seine Zustim-1 mung zur Verklobung erst dann ertheilt-n werde, wenn es mir gelungen ware, iu der Nähe von Nosenhain eine Stellung zu finden. Zugleich rief er seine Tochter aus Berlin zurück. Was blieb mir schließlich übrig? Jch mußte es als eiu Glück tetrachten, daß die Richterstelle in Dagenburg ausging nnd meine Meldung, wenn aneh mit Kopssehütielm angewac men wurde. Begreisit Du ietzt meine Eile, von hier fortzukommen ?« Der Pfarrer erhob sich statt aller Ant wort und zog seinen Rock an. « ! ,,Natilrlich,« sagte er lopsnickend, »Amt« erwartet Dich und ich vors stolz sein, daß Du unter diesen Umständen überhaupt bei mir eingekehrt bist. Ich wünsche Dir Glück, mein Junge, Du belonnnst eine brave Frau, und schließ lich läßt sich’s in Hagenburg auch leben. Es ist ja das Eldorado für uns Pfar rersleutr. Aber unrecht ist es doch vom alten Bode, daß er die Sache so geheim gehalten nat.« Stein nickte. »Als ich mein Dekret hatte, bat ich um Veröffentlichung der Verlobung, aber mein Schwiegervater schrieb in seiner bündigen Weise: »Nicht vor dem ersten Ottober.« »Also noch zwei Wochen. Sonder bar!« ,,Freilich sonderbar genug. Er gab keinen Grund an nnd Anna schwieg aus meine briefliche Ansrage über diesen Punkt. Ja, mai wollte mir nicht ein mal einen Besuch vor dem ersten Otto ber gestatten, und erst aus meine dring liche Vorstellung hin wurde mir gestern in einem versiegelten, persönlich zu ubergebenden Brit-se die Erlaubniß er: theilt, mich heute in vorgeküctter Abend stunde empfinden-« »Das ist mehr als Laune,« sagte Hartmann bestimmt, »dahinter steckt et was-« »Gott mag’g wissen. Willst Du mich begleiten ?« »Weuigsten«s bisz durch den Wald. Der Regen hat aufgehört, aber die Dun s lelheit wird Dich schon im Walde itber raschen. Später, ans der Heide, wird es schon besser gehen. Hast Du einen Stock bei Dir?« »Nein, die Gegend ist ja sicher.« · Hatt-traun antwortete nicht, sondern holte einen schweren Etchenstoet mit eis"r ner Spitze aus der Ecke. »Da esz ist doch besser. Du kannst ihn gelegentlich einem Bauern mitge ben.«« Dann blieb er einen Augenblick vor dem Zchreibtisch stehen und nah-n einen dort liegenden offenen Brief nach denklich in die Hand. »Sieh doch, das hätte ich beinahe vergessen. Also mit dem Lump werden wir auch wieder be nai. Ich hatte nicht geglaubt, dakz seine Zeit schon abgelaufeii wäre-« Der Amtsrichter warf einen Blick iiber die Schulter des Freundes aiif dae Papier;· der Brief war aus dein Zuchthaufe der Provinz datirt. »Ein räudiges Schafe-« fragte er. »Gott sei’e geklagt; und ein Donat-r gefchenk obendrein· Hin-uni, ich erzähle Dir die Sache unterwegs-« Sie verließen das Pfarrhaus nnd gingen langsam durchs Dorf. Der Re gen hatte aufgelibri, aber die Wolleni hingen tief uiid es stüriiite. ! Das iiiigaslliche Wetter und das! Daniuierlicht waren nicht geeignet, der Gegend ein freundliches Gepräge zu verleihen, aber auch im hellsten Son i iieiifchein hatte sie einen diiftereii Cur-; druel iiiatheii iiiiiffeii· Die Hiitteii des kleinen Dorfe-J waren ärmlich und zuiu Theil verioiihrlosl, niaii fah überall daez Unoeriuogeu, dem rauhen Boden hin-l reicheiide Nahrung abzuringeiu l Eine halbe JEiiiude hinter den letzten voigeschobeiieii Hijiiierii begann der4 Wald; er fiillte ein breite-Z Thal und dehnte sieh nach rechts uiid linke iiieileti l weit aus; bis iu ieiiieiii Runde fiihrte’ der Fußpfad durch liartoffelfelder iiiid inagere Wiesen. Der Pfarrer deutete iiarh vorne. »Jn deni Walde tauii iuaii stiiiiden l lang iiinheriireii, ohne auf eine iiieuich . liche Wohnung zu treffe-in und der EBng welcher iiiier hindurch auf die Rosen bainer Heide fiitsri, spaltet sich an fiiufi oder sechs Stellest nach rechts iind liiils. Wir wollen tin-Z beeilen, denn unter den Baums-u wird ed bald finster seiii.« »Und hinter deiu Walde ?« »Ist es nicht viel besser; da toninisti Du aiif eine Landstraße-, die linke ab nach Hageiibiirg führt« Seit dem Bau der Eieiibahii ioirtt iie fiift iiiir noch von Holifiihrleuieu iiiid Handwerksbur schen beiiiidt iiiid ist zum Theil grün be wachsen· Du mußt quer hiiiiiber itiid kommst daiiii bergiiiifieigeiid aus die Heide. Dort liiun ich Dir iiiir eiii einziges Merkmal bezeichnen, die soge nannte Heide-bunte Der alte, ziiiii Theil ausgehöhlte Baum ragt weit hi-, naiis über die oerflreuten Wachholder büiche und Zwerglieferii, bei etwas Mondschein lami man ihn eine halbe Stunde weit sehen. Den Baum niiiszt Du zur linleii Vand liegen lassen und dann gelangst Du auf einen Fußpfad, welcher Dich in etwa einer Stunde nach Rofenhain führt« , Eine schöne Aueiicht,« brninintes Stein. »Und nii der Landstraße liegtl keine iitenscliliche Wohnung, wo inun sich iiit Falle des Veiirrenö zurecht fragen könnte ?« Die beiden Freunde betreten iii die sein Augenblick den Wald; ee war iii zwischen s.ist finster gewoiden. «iirtiiiiiiiii naht-i deii Ariii seines Be gleiiere und entgegnete auf die letzte Frage sichtlich zogernd: ,,Eine menschliche Wohnung? Ja, doch, die Gruiidniiihle.« »Die Grnndmiith »Mir ist, als hätte ich den Namen schon gelitten-« »Er wird aus dein Gerichte mehr ge nnnnt als von den Bauern. Sie liegt an der Landstraße, eine Viertelstunde nach rechte von der Stelle entfernt, wo Du die Heide betreten mußt. Bis vor einigen Jahren war sie nach Nosenliain eingepfarrt aber weil sie etwas näher bei Schönborn liegt, ist sie mir ni niei nein Leidwesen von der Regierung zu gewiesen worden« »Hu Deiiieni Leidwesen ?« »Ja. Der Gruiidnsliller Merteii — Was war due ?« — Die beiden Männer blieben stehen und lauschten in den dunklen, schweigen den Wald hinein. »Mich dünkt, es war ein Schuß,«; sagte der Amtsrichter nach einer Pause.v »Wird hier gemildert? « »Selten; es könnte wohl der Revier-i forster Selling gewesen sein, aber der Ton kam von rechte, und seine Woh nung und sein Revier liegen viel weiter nach links in der Richtung von Hagen butg.« Sie gingen weiter. »Also der Gruudmüller Merteu?« knüpfte Stein wieder an. »Hat einen einzigen Sohn Klaus,«z fuhr Hartmann fort. »Das hängt mit dem Brief zusammen, den ich vorhin in der Hand hatte. Vater und Sohn vertragen sich schlecht, der Bursche war ein Tagedieb und Wilderer. Da ist es» denn zu den schrecklichsten Scenen zwi-« schen Beiden gikommen und schließlich zu Thätlichkeiteu. Der Junge ist auf seinen Vater mit der Axt losgegangen und hat ihm den Schädel spalten wollen,l der Hieb safi aber nicht richtig, und es hat dem alten Grundniiiller nur drei Finger der rechten Hand gekostet, dem« Jungen aber zwei Jahre Zuchthaiis. eingebracht· Nun ist die Zeit herumi und die Zuchthaugdireltiou schrieb mirT heute, daß er entlassen und in seinel Heitnath verwiesen sei. Das Zeugniß, welches von dem Anstaltsgeistlirhen bei- i gefügt war, lautete nicht zum besten, nnd nun habe ich die Bescheerung auf dem Halse. Zuchthäusler sind schlecht zu bekehren nnd obendrein ein böses Beispiel siir die Gemeinde.« Hartmanu. blieb stehen und sah auf seine Uhr. Erl mußte das Zifferblatt dicht vor die Augen bringen, um bei der Dunkelheit die Zahlen zu erkennen, und dennoch die brennende Cigarre zu Hilfe nehmen. »Halb neuu,« sagte er endlich, »ich dachte nicht, daß eø so spät geworden« sei. Ich würde gerne weiter niitgehen, aber meine Frau äugstigt sich. Es lauft hier in der Gegend allerlei Zigeu nergesindel herum nnd Du weißt ja, wie die Weiber sind Uebrigens iit es von hier aus nicht mehr schwer, sich zu-" rechtzusindem der Wald wird lichter, und wenn Du diese Schneuse versolgst, kommst Du gerade bei der Stelle her aus, wo man die Landstraße überschrei ten muß. In anderthalb Stunden kannst Du bei Deinem Schatz sein, der alte Bode will Dich ja erst bei Nacht und Nebel haben. Leb’ wohl und grüsz mir die Rose von Rosenhain. « Da stand der junge Amtsrichter allein mitten in detn unbekannten Wald und· kratzte sich etwas mißmnthig hinter den Ohren. »Das ist ja recht hiibsch,« brummte er. »Erst laßt mich der gute Freund nicht fort, dann erzählt er mir allerlei Ge schichten von unfindbaren Wegen nnd lichticheuem Gesindel und schließlich läßt er mich allein in dieser reizeudenE ode. Also die sogenannte Schneuse soll ich entlang gehen. « Wenn ich nur wüßte-, was eine Zchneuse ist -« Er schritt langsam und vorsichtig weiter. Der Wald wurde allerdings lichter, aber er hörte nicht plötzlich ans, sondern verlief sich allmählich in Unterholz und Busclnoert. Von einer Landstraße war vorläufig keine Spur zu finden. »Sie soll ja grün bewachsen sein « dachte Stein, am Ende stehe ich schon daraus« Er stiesz die eiserne Spitze seines Stockes ans den Boden, sie sand feinen Widerstand und erklang beim Zurück ziehen, als wenn zwei sich küssen. «Sutnps,« brummte der sehnsüchtige Bräutigam, »das wird ja recht nett.« Er ging in schriiger Richtung nach rechte vorwärts und gewahrte endlich ein ntattes Licht, welcheo ties aues einem mit Bäumen uinstandenen Grunde herausschien. »Das muß wohl die Gruudmiihle fein, die soll ja ganz einsam liegen; ich bin also zu weit nach recht-Z abgetom men; aber es wird wohl am besten sein, dort Rath zu holeit.«---Gedacht, gethan. Es war sicherlich die Grundtniilsle, denn Stein gelangte tlmtsäilslich ans die beschriebene Landstraße — -- sogar eine Cl)attssee, wie ed sti,ien. Die Wolken tnitten sich etwa-Z verzogen nnd split lichess, sltichtiges Mondltcht erhellte die Umgebung. Eis leuchtete ans weiße Metersteine, aber itn übrigen machte der Weg den Eindruck trostloser Verlassen heit, evenio wie die dumpf und seucht zwischen Weiden nnd Erlengebiisch ver steckte niedrige Mitl)le. Das Rad stand still, vielleicht man gelte es itnn an Wasser, denn das Bach lein-— es war ja wolsl der Gtiindbach stosz langsam und trttbe einher. »Hier tnnsz der Tod wohnen,« sagte Stein leise sröstelnd, aber da schtng schon ein Laut des Lebens an sein Ohr; ein sonderbarer, unheimlicher Laut· Er llang wie langgezogene Klagetöne die atn häuslgsten von einer Fran, zus weilen auch von einem Mann one-ge-l stoßen wutden, dazwischen vernahm manl ein heller-es Jammerv, welches von einem I Kinde oder einein sehr jungen Mädchen herzurilhren schien. Dann trat plötzlich Stille ein. Der Amtsrichter packte seinen schwe« ren Stock fester; er hatte den französi schen Feldng mitgemacht, hatte sich nie tnals gefürchtet, aber diese unheinilichen Laute in der verrufenen Gegend flößtenl ihtn Entsetzen ein. s Man vernahm jetzt nichts mehr, aber, dieses Schweigen war bedeutungsvoll,« es tonnte wenigsteno in der fürchterlich « sten Weise gedeutet werden. Stein war entschlossen, nachzuwe schen, und näherte sich der Mühle aus zwanzig bis dreißig Schritte. Da sprang — plötzlich ein großer Wolfzhund ans dein Gehiift auf den Weg nnd stellte sich mit heiserem Gebell dem Fremden entg gen. Er hielt die eine Borderpsote hoch, aber nicht nach Art der Vorstehhunde —- sie schien verletztzu sein, denn das Thier hinlie. Dennoch war es offen barer Wahnsinn, mit dem kräftigen und sichtbar wüthenden Thier anzubinden, der Amtsrichter blieb daher stehen und rief laut: »Schafst den Hund fort !« Keine Antwort. Er rief nochmals und nochmals. Die Bestie legte sich» knurreud nieder, aber sie wich nicht vom Platze. Stein machte endlich Kehrt, er dachte an seine Braut. Wie mochte das arme Mädchen sehnsüchtig warten und er be faßte sich indessen mit einem unvernünf tigen Vieh. Was socht ihn denn auch an? Aus alledem war nur Hartmann mit seinen verrückten Erzählungen schuld· Wahr scheinlich hatten sich die Leute in der; Mahle nur gezankt und lagen setzt ins den Betten, und der Hund? Num Hunde treten sich manchmal einen Dorn in den Fuß, und ein königlicher Amts richter ist doch nicht berufen, den Vieh doktor zu spielen. Stein lachte bei dein Gedanken und er nahm sich vor, seiner Braut die Ge schichte recht humoristisch zu schildern; dabei ging er immer rascher. Sein alter Unterofsizier hätte es vielleicht Laufschritt genannt, aber ein königlicher Amtgrichter läuft nicht da von, am wenigsten vor einem alten, einsamen, unheinilichenHause. i Da war auch schon die Heide. DerH Nachtwind sauste jetzt, wie es sich für eine Wanderung über die Heide ziemt,f aber es- hatte sein Gutes, die Wollen jagten alte-einander und der Mond schien’ immer klarer. Stein bog sich zur Erde nieder und lugte scharf gegen den Nacht hinnnel. Hob sich da nicht vom Heide rücken die lHeidebuche ab? Nach der Beschreibung mußte sie es wohl sein, und da ging der Fußweg recht-Z vorbei. i Ja, aber iie war es nicht allein;« nicht der einsame Baum wie Hartmann ihn geschildert hatte und tvie es sich fiir einen alten Baum ziemte. Da bewegte sich etwas an seinem Stamm, ging um denselben herum und schaute sich nut. Ein Mensch. Das ist ein sonderbares Gefühl bei Nacht ans dcr weiten, einsamen Heide. er Mensch, oer uns entgegenkommt, auf dein gehörigen Wege, in ruhigem, zielbewnszten Schritt, etwa mit einem Bauernkittel angethan, das ist schon ein tröstlicher Anblick. »Man sagt ,,Guten Abend« und streicht aneinander voriiber — sieht sich wohl auch noch ’nial unt. Aber so -—— nsas hatte das Subjekt bei dem Baume zu schaffen? Just bei dem Baume, an welchem der Weg vors beiführte? Stein wog seinen Stock in der Hand; der Stock war ziih und gut, aber ein Revolver wäre schon besser gewesen. Als er etwa hundert Schritte von der Heidebuche entfernt war, schien der Fremde, welcher sich bis dahin am Stamm zu schaffen gemacht hatte, ihn zu bemerken. Er fchral sichtbar zusammen, ging langsam quer iiber den Platz und blieb in einer kleinen Entfernung von demsel ben stehen. Das war ja recht tröstlich. Der Mensch hatte nicht-J in der Hand, nicht einmal einen Stock, aber gerade dieser Umstand schien am bedenklichsten; fein Verweilen an dieser Stelle mußte doch einen Zweck haben uud schwerlich einen harmlosen; wo aber die offenkun dige Waffe mangelt, wird sie meisten theils durch eine heunliche, umso ge fahrlichere erseht. Diese Gedanken flogen blitzschnell durch den Sinn des Llciitsrictfters; er dachte auch daran, wie mancher Strolch von ihm bestraft worden war und wie manche verbifsene Drohung er auf den Lippen der Verurtheilten gelesen hatte. Freilich, wer kannte ihn in diesem weltentlegenen Winkel ? Nun befand er sich mit dem Fremden Seite an Seite; er ging langsam vorbei und heftete feine Augen fest auf das Ge sicht des tlnbelannteu. Ein unheimliche-z, gezeichnetes Ge fichtl Der Mann konnte noch nicht alt sein, vielleicht war er sogar sehr jung im Berhältnisz zu den scharfen Falten, wel che die bartlofen Züge durchfurchten. Es lag um den großen Mund und den start entwickelten Kiefer etwas Thie risches, dazu die fchlafse fahle Haut und das ausfallend kurz gefchorene Haar. » Stein kannte den Stempel, welcher unbarmherzig das menschliche Antlitz in ein feiger-, lauerndes Raubthierge sieht umprägt, es fehlte nur noch die graue leinene Jacke. Der Mann trug nicht den in der Ge gend üblichen blauen Bauerntittel, seine Kleidung war weder städtifch noch stromerhast; sie bestand aus einer brau nen Hose nnd Jacke und der Stoss schien neu zu sein, Trödlerwaare, mit welcher die Zuchthiiuser ihre entlassenen Sträslinge tieiden, wenn sie in Gefan genentracht eingeliesert worden sind. Der unheimliche Fremde regte sich nicht, als Stein ohne Gruß vorüber ging; er machte auch nicht den Versuch, sein vom Munde scharf beleuchteteø Gesicht abzuwenden, nnd so vermochte jener das Bild seinem Geständniß un attelöschlieh einzuprägen. i Etwa hundert Schritte weiter senkte sich die Jeide und eine dichte Gruppe Zwergkiåfem verdeckte den Fußpfad in seinem weiteren Vertaus. i Als der Amtsrichter diese Schonung1 zwischen sich und dem Manne hatte, blieb er stehen und lngte durch die Zweige rückwärts. Etwas abseits von der Heidebuche be fand sich eine Art Wiese; kümmerliche, I verspätete, vom Regen halb geschwärzte Heuhaufen lagen dort verstreut, jeder einzelne maß kaum einige Fuß ini Qua drat. « Ueber diese traurigen, vielleicht ver gessenen Sommerreste strich der begin nende Herbitwind feucht und kalt dahin; schon der Gedanke, daß hier ein Mensch übernachten wollte, machte die Glieder frösteln. Und dennoch schien der ansgestoßene Mann diese Absicht zu hegen. Er ging zwischen den kleinen Henhau sen umher und trug sie sorgsam zusam men; ers schichtete sie ku.·- strecht zu einem Schober und begann dann wie ein Hund sich einzuwühlen So macht sich der Stromer sein Bett. Wenigstens hegte der Amtsrichter nunmehr diesen Gedanken und er schritt hastig vortvart6. Das soeben beobachtete Nachtstiick aus dem menschlichen Dasein hatte ein entgegengesetzteg freundliches Bild in ihm wachgerufen; er dachte an ein be haglicheg erleuchtetes Psarrstiibchen, an einen hübsh gedeckten Theetisch und an die warmen rothen Lippen seines Liebchens-. Da flog ein Laut über die Heide. Das war das Nachtwächterhorn von Rosenhain nnd er blies zehn Uhr. »So spiit kommst Du, böser Mann ?« sagte Anna Bode und legte zärtlich beide Arme um den Nacken des Gelieb ten. »Ich habe schon eine ganze Stunde vor der Thür gestanden und gefroren; weißt, Du auch, daß esz auf elf geht «.-« ,,War es mir nicht befohlen, Schatz, bei Nacht und Nebel einzutresfen?« ent gegnete er scherzend. Das Mädchen seufzte leise. ,,Freilich, Du hast ja recht. Komm nur herein, Vater erwartet Dich.« Noch auf dem Hausflur küßte er sie und fragte leise: ,,Bin ich nicht willkommen, Liebling ?« ,,Getoiß,« entgegnete Anna hastig; »nur noch einige Wochen, dann wird sich alles a:ifklären.« Jn der Wohnstube, deren Läden sorg fältig geschlossen waren, saß ein alter Mann rauchend hinter dem gedeckten Theetisch Sein gelbes, .faltenreiches Gesicht war nicht gerade unfreundlich, aber tief ernst und sorgenvoll. Er stand auf, reichte dem jungen Richter die Hand, küßte ihn auf die Backe und sagte: ,,Willkommen, lieber Sohn!« Dann fuhr er mit einem scharfen, angst lichenTon in der Stimme fort: »Ver:» riegle die Hausthür, Anna. Thne es gleich, hörst Du ?« Stein blickte dem Mädchen erstaunt nach. Der Pfarrer schritt von einein Fen, ster »zum andern und prüste den Ver schluß der hölzernen Laden, dann sagte er: »D! hast also meinen Brief erhalten und hast zu Niemand in Hagenbnrg da von gesprochen ?« »Ist Hagenburg? Nein! Aber wa rnm?« »Es ist gut.« Bode klopfte etwas ungeduldig mit dem Fuße auf die Erde, als ob er das Gesprach abzubrechen wünsche, und nahm mit einer einladenden Handbewe gung an dem Theetisch Platz· Dann kam auch Anna und setzte sich neben ih ren Bräutigam, ihm heimlich unter dem Tische die lHand drückend. Das war alles so sonderbar; es war auch aussallend, daf; Anna die Speisen selbst aus der Küche herbeiholte und oasz Vater und Tochter überhaupt die einti gen Bewohner des Hauses zu sein schienen. »Beiorgst Du den Haushalt ganz allein?« fragte Stein mit einem un gliiubigen Blick auf die weißen Hände seiner hübschen Braut. »Wir haben das Mädchen zu Ver-· wandten geschickt, « fiel Bode rasch ein, «es kommt erst morgen, im Laufe des Vormittags zurück « Stein schwieg Er hatte ein deutli ches Gefühl, daß nicht alles in Ordnung sein müsse, daß ein Geheimniß auf der Familie laste, welches man ihm, dem nächsten Angehörigen, vorenthalte; aber er mochte seinen zukünftigen Schwieger vater nicht durch neugierige Fragen be lästigen; der alte Mann schien ohnehin schon gedrückt genug. Uebrigens thauce der Pastor während der Mahlzeit etwas auf; allein kaum hatte er Messer und Gabel hingelegt, so blickte er auf die Uhr, griff nachs einer Pfeife und sagte: »Ihr werdet euch noch mancherlei zu sagen haben, Kinder; ich gehe jeht in meine Stube Es ist halb zwölf; Anna, vergiß nicht daß Dein Bräutigam uior gen in der Frühe wieder fort niuß. Das war denn doch zu argl Kaum hatte der Hanstyrann das Zimmer verlassen, so brach bei dem Annzrichter der unninth los-. »Ich werde von Deinem Vater wie ein Mensch behandelt, dessen man sich schämt,« sagte er erregt. »Nicht allein, daß ich mich wie ein Dieb b.i euch ein schleichen nian will man mich auch wie einen Verbrecher znr Hinterthiir hinan-Z schieben. Sogar die Magd wird fort-— geschickt, damit ja kein Mensch erfährt, daß ich meine Braut ehrbar besuche, wie es einem Christennnsnschen zusteht. Anna bot alle snszen Schmeichelworte ans, um den Ziirnenden zu besänftigt-E Sie sehn-. sich neben ihn ans das Sosa und nahm seinen Kopf in ihre Arme. (Fortsehnng solgt.) voll und san-. ,,Det find vorne herin drei Theile, n· die ick meinen Standpunkt berufe. Dei sind mein jutes Jewissen, meine stra freien Pandakten, der Parasras so wie so —- ick jloobe, er heißt Nummer 193 von’t königlich preußische Jesetzbnch —, Grund dessen ich mir voll un janz in die berechtigte Wahrnehmung meiner Jn teressen befunden habe un schließlich det Jerechtigleitsjefühl von den hohen Herrn Jerichtshof.« So der Töpfer V» der sich wegen Haus-findend brncth nnd Sachbeschädigung vor dem Schöffengericht in Berlin zu verantwor ten hatte. Vorf. (feufzend): Das kann ja nett werden« Angellagter, das sind ia vier Theile, .ch denke aber, Sie verlassen sich einfach auf das Ergebnisz der Beweis auinahiue, Gerechtigkeit wird Ihnen werden. Wir werden die Sache, die an sich ja einfach ist, ruhig und ohne Um schweife mit einander besprechen, ich frage und Sie antivvrten,damit kommen wir am weitesten. Angekl.: Na, Herr Präsident, die Sache ist doch ein apartiger anmel mit en jeioissen Don-en wie die Herren Juristen sagen, ick maß doch voll und janz uf meine Freiheit plaidiren. Vors: Also Sie bestreiten Jhre Schuld? Angekl.: Voll un janz. Vors.: Am ZU. September v. Jahres befanden Sie sieh iu dem Lokale des Schaulwirthss M. in der Prinzenftraße7 » Angeli Voll tin-nee, war iet sagen wollte, ick war da, aber blos als Jast. Vot·s.: Natürlich Sie geriethen mit den übrigen Gasteu in Streit? Angeli So war et nu doch nich, aber wenn ick det nich erzählen deri, denn kann mir der Parajraph 193 ja jarnischt nützen. Vors.: Nun denn, meinetwegen, aber machen Sieg .urz. Angekl.: Am :3(). September treffe ick nach längerer Zeit mit meinen alten Freund, den Singenbohrer S., zusam men. Wir klagen uns jejenseitig über die schlechten Zeitverhältnisse wat vor nn sehen so weiter, bie- wir an die »Stil le Liede« sind. Vors: Stille Liebe? Was- soll das heißen? Angeli Det is en KellerlokaL Wat mein Freund is, der meent: »Komm mit runter, wir wollen uns siir’n Iro schen andere Jedanlen koofen.« »Js jut, sage ick, da bin ick voll un janz mit jnverstanden.« Wir denn runter, wo wo wir tin-J jeder en jroszen »Liebe mit Jefiiht« inseheiiten ließen. Dei is en sehr schöner Schiiaps, den den derWirth selbst nfsetzen dhut, det is aber ooch det eenzige, ioorin er voll un janz meine Beipstichtiiiig besitze-d.hut«»sp Meiner Ag- . Hsicht nach is da en bieten ville Kalinus ’tiiang, aber-· Vors» sioniinen Sie zur Sache selbst. Aiigell.: An eeneii jroßen runden Disch saßen en Stücken«-r fünf, sechs Jäsie uii et war ·iie sehr heftige Unter haltung, eeiier hatte den Mordprozeß i Heiiitze oorgeleseii, un nit konnten sie nich «dadrieber einig ioerd’ii, ob Heintze et jeweieii war oder nich. Einige nieeiiten, det er niiiettbar verloren wäre nnd die Anderen sagten wieder, er könnte jar nich oeriitöbelt mer’n, indem det keen i hinreichender Jiidisinin jejen ihn vorhan iden wäre Dei sing so riiber uii’ .iiiber, Iuiid eeii Jeder blieb bei seine Meinung, sbis ick iiiir ooch an die Unterhaltung sbetheilige »Meine Herreii!« sage ich -,,nich weil der Heini-se jewisserinaßen en istollege von mir ig, denn ick bin ooch lTöppen aber ick habe dadrieber eene saiidere Ansicht. Sehen Sie, znin Bei sspiel er isZ jet jeiiieseii nnd et kann ihm siiiih bewiesen wer’n, denn wird er nich sboll nnd iaiii freigesprochen, nee, durch Iaiisz nnd durchimi nich, denn wenn et Iihin bewiesen wird, det er eeiien kennen dhnt, der wieder eeneii kannte, dei je )sagt hat, det er dabei jeweseii wäre, als »sie den Braun nin die Ecke brachten, ideiin kann er wegen Theilnahme rin J schtiddern. Aber liinjerieht wird er nich, indem die Saihe iiieh hinreichend ufje klärt i—:«.« Nu sigen sie selbst, Herr (s)e1sid)i«zl)of, hatt ick Recht, soder hatten d i e Unrech? -- - Vors: Aus dieser Unterhaltung eiitspaiin sich nun ein Streit, der Wirth wies Sie hinan-J nnd Sie gingen nicht ? « Angekl» Ale- ick die Diissels det in veriiiiiistijer Weise angeinandersetzt hatte, iriesen sie Alle: Wat ie- det sor’n ’Qiiatschtobp? wodrns ick ruhig sagte: »Meine Hei-ren, ohne Sie zn schmeicheln, ’aber jejen Dummheit kämpfen Töppet selbst oerjebeiie.« Nu wolltest sie. mir s oerhanen, der Wirth trat aber zwischen liiiid wies inir raus. Jck sagte ihm nn, dett er weder Liebe noch Jesühl hätte, det wollte ick ihm voll und janz schriftlich sehen, un so gab een Wort det andere, bis sie denn Alle über inir her i salleii dhaten nn inir ransschinissem i Vors.: Sie sollen dabei ans Wuth eine der Thiirsctzeiben eingestoßoit ha ben. » Angli Nich aus Wuch, sondern am Ver-sehen mit Wahrnehmung be rechtigter Interesse-m Wenn zehn Mann an einem rinnzerren und ick will nich niit’u Wustrich un mit Vehemenenz us bist Straßonostustcr hinschlageu, denn muß ict nur rückwärts jcjenstemmen un tabri cisaq et denn iooll jetommen sind, dkst der Wirth seine »He-be und jeftihls votlc Vistmudtunq« mit ’ne zerbrochen Feiiftisrsit1cibe belotmt jetriegt hat. Jct oor meinen Theil muß dabei blei ben, det iit ootl im Innz unschuldig bin. Der LI!igc-klogte«ioitd nur wegen Haiiøfiiedenøtmich mit einer Geldstrafe von suuf Mart belegt.