Grand Island Anzeiger. (Grand Island, Nebraska) 1889-1893, October 02, 1891, Image 7

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    L s .——
".Ylaneferzeiner Hoheit:
non-an von stahl- nii Diener-.
(3. Fortfetzung.)
Der da draußen stand, war weder des
Schornsteinfeger noch der Milch-nann
Es war ein fürstlicher Latai in goldiger
Livree. Nicht gerade, daß man feiner
Erscheinung zum ersten Mal im Bereiche
dieses Hauses gewahr wurde.
Nur die Frühe der Stunde und der
Gegensatz zu der eigenen Toilette hatte
die kleine Zofe zu dem kleinen Schrei
und zu dem großen Satz hinter die Thiir
veranlatzL
Herr Siegftied, Kankmerlakai bei Ili
sret Hoheit der-Priniefsin Therefe, war
ein ernster Mann, zu keinerlei Schäterei
sgeneigL Hafen außerhalb der Hof
atrnofpbäre waren ihm eben nur »Fo
1en«, nnd nachdem er den Brief durch
ie Thiiripaite geschoben und sofortige
Abgabe empfohlen, sobald Frau Gräan
ausgestanden, stelzte er steifbeinig die
Treppe herunter-.
Minnckö Kopf steckte sich trotz desr
Pupille-ten durch die Thür:
,Schlagen Sie doch nur kein Rad,
err Pfaut Unsere Hausthür ist ein
ischen enge!«
Wer den Kammer-laden schmeichelt, isi
ihr Freund-wer ihnen grob kommt,
imponirtihnen, Kamtnerlatzen ignorireii,
heißt, sie zu Todfeinden habe-.
Minna betrachtete das auf dem Brief
vorsichtig angebrachte Siegel mit anmu
thiger « erniunderung, raisonnirte im
Stillen über die jedem Einblick wehrende
Dicke des Papierei und gab dann, ganz
dein Besen und idem Staubtuche hinge
eben, ferneres Forschen aus. Der Brief
aTneben der Kasseetasse der Gebieterin
un harrte seiner Eröffnung durch be
rechtigte Hand.
Die Grasen "’-«·«ti!off hatte eine
ehlaslose Nacht geht«-i und in Folge des
en wurden die Vorhänge ihres Schlaf
zitnmerd früher als gewöhnlich herauf
Eezogem behufs Jnscenirung der großen
oilettenarbeit.
Diese Toilette siets ohne jede hilfe zu
besorgen, wer der Stolz der Gräsin und
das zltesultat ihrer strengen Erziehung
im Baterhatise. Die Morgensonne be
leuchtete feine Züge und viel Neste einsti
er Schönheit. Als das Nachthiiubchen
gel, zeigte »sich jedoch eine dedenlliche
ede, und heimische, unzarte Gemüther
hatten vielleicht das unschöne Wort
a,Gleitze« nicht umgangen. Die Ober
lippe hing etwas saltig herab, weil die
Perlenreihe außerhalb ihres Bestim
mungsorteg allnächtlich im Wasserglase
nach ihrer Muschel suchte. Die Haut
war fahl, die Stirn zu hoch, die Büsie
etwas flach. —- -—- So die Dame in der
indisereteti Morgensonne ihres einsamen
Gemacher .
Bald darauf finden wir in dem ele
anten Satan — vielleicht mehr elegant
urch geschickt drapirte Wandeeller, un
eheure Maiartboiiquets, anmuthig
gingewoesene PlüsJ ftücke, als durch altes
SövresxPorzellan und gute Oelgetnälde
—- eine reizende Frau in tierlichem Ne
gligee; aschblonde Stirnlöckchen in
lustiger-i Geträusel gaben dem Gesicht
etsas ländliches-der Teint hatte, dank
der runtelsüllenden Paste, die das
ängstlich bewahrte Geheiinniß deg Hauses
Tröcort Fee-res- in-Paris. bildete — jme
rosige Findung die den Fleischton der
ersten Jugend über Häuie wirst, die sonst
In jenen dauerhaften Stoff erinnern
würden, auf dem unsere Altaordern ihre
Urkunden zu verzeichnen pflegten. s
Daß in der Vergangenheit der Grösin «
irgend etwas unklar war, fühlte Jeder
mann heraus, trotz der Stellung, die sie
sich bei Hofe zu erringen verstanden .
hatte. »
Der Stamanme schüttelte bedenk- s
lich den Kopf, vergeblich bemüht, den«
Aufwand der Gräsin mit der spärlichen
Witwenpension in Einklang zu bringen.
Einzelne Widersprüche über ihre Ver-;
Bangenheit warfen seichte Trübun en
ber das Spiegelbild der Gräsiii, obsesan
dasselbe zur Zeit ein durchaus reines
var — und doch hatte Prinzessin Therese
sofort herauf-gefühlt, daß sie sich, auf
der Suche nach der Dritten im Bunde, «
bei der Gräsin auf der-richtigen Fährte i
befand. ;
Nun hielt Zoraide Bentilosf den dicken I
Brief der Pringessin in der hand und»
der Morgenkassee blieb darüber gänzlich
unberührt, denn in dein Briefe stand ge
.schrieben: i
»Viel-sie Gräsinl s
Der gestrige Abend war der schreit-«
«1ichste, den ich je erlebt! Was er aus
.sffener Scene bracht — wissen Sie ja.
sWas sich aber Inter den Coulissen ab
spielte, als alle Gäste fort waren und!
der Fürst mich zu einer Besprechung in
sein Arbeitsziinmer beschl, war wirklich
geeignet, mich von allen ferneren Ertra
vasnnzen zu ruriren. ;
Wie der Fürst hinter die Geschichte
gekommen ist bleibt sich glei . Jch
möchte Ihnen nur den guten Nat geben,
sich bei Hase nicht werter bemerklich zu
machen und die Diseretion um jeden
Preis zu wahren, sowohl um meinet-,
sie um Jhretrsillem J wollte Ihnen
dies schon gestern Abend agen, uber Sie
satte-i Ihren Rückzug in so un laublicher
ile angetreten, daß mir däu t, etwas,
Its eine-n nicht san reinen Gewissen
setz-seiten zhaiich siksy hän- hei diesm
schnellen Rückzuge die Hand iru Spiele
ist«-m
Nun, mit geschehenen Dingen ist nicht
mehr zu rechtenl Vielleicht danken wit,
Seil-nd und ich, es der Persönlichkeit,
die uns zu einein Aussprechen unserer
Gesiihle verhelfen-vielleicht auch riin
der Erfolg gibt eben den Ausschlag r
that; denn diese kleine Liaison mit
Gerhard war in un und für sich reizend,
ich ätte aber nie sedncht, daß sie einen
Jst en Sturm von Leidenschaft in seinem
sen entsesseln wurde. Denken Sie
« ch nur, daß er sich ernstlich eingebildet
» t, könnteihn heirathent Dei-gute,
sit-e ensch, der gerade wegen dieses
W iche Däman ein-Ih. sie Mit-Its
n eiz k nii t zu
ins Gegensatz das düsterechFeuer seinee
brennenden Augen. Nach einigen be
ängsiigenden Worten, die er mir gestern
Abend noch zuraunte, bin ich in bestän
diger Sorge, daß er irgend etwas mich
Comproniittirendes losläßt. Sollte et
nicht zu Jhnen kommen,· Gräsin, so
fahren Sie zu ihm; bringen Sie ihn zur
Ruhe, um jedenPreiSl Fassen Sie ihn,
derartigen Naturen entsprechend, bei der
Hochherzigkeit. Jedenfalls würde Ihnen
dieses mehr als alle-Z Vorhergegangene
danken Ihre
wohlassectionirte Prinzeß.
P. A. Eigentlich hat die Echtersham
sen doch einen unglaublicheuDusel, nicht
weht-W
Die Grafen hatte den ganzen Apparat
ihrer Selbstbeherrschung in’S Feld zu
sühren, um äußerlich die Ruhe zu wah
ren, die bei so mühsam nngelegter Schön
heit das Hauptersorderniß ihrer Erhal
tung ist. Sich in die Haare fahren ging
nicht; ebenso gefährlich war Zähneknir
schen. Es blieb ihr also nur noch
Augenrollen übrig, dein nichts entgegen
stand.
Fürstengunst-—ist eitel Dunst.
Nach Dank oou Fürsten — kannst langi
dürsten!
Die Zose Minna hatte heute einen
unglücklichen Tag. Als die Glocke wie
der ertönte und sie in niedlichster Toilette
an die Thür eilte, machte es der Eintre
tende noch schlimmer, als der hochnäsige
Lakai von vorhin. Er fragte nichts, er
sagte nichts; er schob die ganze Minna
bei Seite und betrat unangemeldet den
Salon der Gräsim
Dieser rücksichtslose Mann rrar der
Lieutenant von Herhnt.
Der so patent gekleidete Ossieier konnte
von Glück sagen, daß keines Vorgesetzten
Auge aus ihm ruhte. Kaum sich vor der
Gräsin verneigend,· wars er die Mühe
achtlos aus den Teppich und sich selbst in
ein Fauteuii.
»Ich muß die Prinzessin sprechen,«
sagte er ohne Einleitung. »Hier oder
anderswo, ist mir-e al! Jch bitte um
Jhre Vermittlung, (., räsin!«
Vielleicht wäre Zoraide trotz der ge
rechtfertigten Erbitterung über das, was
ihr die Prinieß angethan, weniger grau
sam in der Wahl des Mittels gewesen,
das Gerhard zur Ruhe brin en sollte,
hätte nicht sein Benehmen sie gereizt
Auch seinerseits diese gänzliche Nichtach
tungl
Ohne ein Wort zu erwidern, zog sie
den Brief der Prinzeß aus seiner hülle,
legte ihn schweigend in Gerhards Hand
—- ging dann hinaus und überließ ihn
der Pein.
Es blieb eine Weile ganz still in dein
Gemach-. Dann hörte man plötzlich ein
heftiges Klirren, von dem Säbel herrüh
rend, der der Hand des Lieutenant von
erhnt entglitten war-, als der eiserne
ruck, mit dem ihn diese Hand umklam
mert hatte, sich löste und ei« rasselud zu
Boden schmetterte.
Die Gräsin hörte das heftigc Qessnen
der Thür —- sie hörte einen Schritt die
Treppe hinuntergehen——den Schritt eines
Mannes, der sich schwer aus das Gelän
der stützt, um unter der Wucht einer
Bürde das Gleichgewicht zu behalten.
Ja später Mittagsstunde ging derselbe
Mann init demselben schwankenden
Schritte durch den Bart dem Schlosse zu,
und die Leute, die ihn gehen sahen, mein
teu, der junge Ossicier sei trunken. Der
Seelenkenner aber, der den seltsam ab
wesende-i Blick des matten Auges aus
sing, schüttelte den Kopf und meinte:
Dieser Mensch hat einen Schlag aufs
Herz bekommen.
Die Birken des Parles schautelten ihr
liebliches Dan —— Gerhard sah es nicht.
Der Fink schmetterte sein lustiges Lied-—
Gerhard hörte es nicht.
Er sah nur die Gestalt, die silr ihn die
reinste, heiligste gewesen-herabgesunken
en einer gewöhnlichen Kotette, und aus
as Wort Liebe, wie es in seiner Brust
erklungen, als ein Ruf aus einer bessern
Welt, tönte die Antwort: Die kleine
Liaison mit dem naiven, heißblütigen
Jungen-.
Nun ging-Gerhard Herhut aus, um
seiner Braut den ersten Besuch zu
machen.
Walpurgis bewohnte ein paar nach der
Gartenseite des Schlosses gelegene Zim
mer. Eine ältere Erzieherin aus dem
Stift, in dem Walpurgis ihre Kindheit
verledt, war ihr nach der Residenz ge
folgt und vereinigte in ihrer anspruchs
lvsen Persönlichkeit die Eigenschaft einer
damo (1’tionnour, inütterlichen Freun
din und Gardervbendanie.
Fräulein von Meerscheidt hatte die
vorzügliche Eigenschaft, nur da zu sein,
wenn sie da sein sollte, nur zu hören,
Denn sie hören sollte, und auch der Sinn
des Sehenc wurde in gleich löblicher
Weise regulirt.
Nachdem Gerhard ihr vvrgestegt wor
deei und er ihre Glückivünsche schweigend
end-e engenvmmen hatte, verzog sich
Frlu ein von Meerscheidt und ließ das
Brautpaar diskreter Weise allein.
Durch das Fenster klang das Rauschen
der Bauinrvipsel, die Tische waren voll
Blumen, die Atmosphäre voll Dust —
der ganze Nonne trug die Frische und
Poesie eines Mädchenheitu4, und doch —
Was ain den Mann da das Kind mit
den großen chönen Augen an; weis küm
merten ihn die Grüdchen in den runden
Wangen, Denn sie lächelte. Sie lächelte
ader nicht und das Gefühl, mit dem sie«
das klirren seiner Sporen im Lorridvr
vernommen hatte, ivar nur das einer
dumpfen Resignativn. Nun saß er ihr
esenüber, starrte nach den Wänden, und
ie hand, die den Heim hielt, bebte.
Das junge Antliy schien uni Jahre ge
altert. ,
Mit weiblicheni Instinkt fühlte das
Mädchen: «Dieser Mann hat viel mehr
gelitten, als ich.«-—Sie kannte die Prin
isisim , , »
·Daden Sie irqend ivelche Wunsche,
— —
7 betreffend den Zeitpunkt unserer Verm-äh
liins, Fräulein von Echtergbsasen?«
»Ich nicht. Ich spreche nur im aus
dritcklichen Au rag des ürsten. Die
Hochzeit soll ehe bald tattsinden, in
sechs Wochen (Walpurga sprach sehr leise
und wandte das Köpfchen ab) —noch ehe
die Prinzessin sich verheirathet.«
»Und bevor Prinz Erioin zurückkehrt
. Ha, ha, ha, Seine Hoheit hat einen
. diplomatischen Coup gemacht, ans den er
stolz sein kann-wirklich stolz. Ob auch
über Leichen sein Weg geht, er kommt
zum Ziele. Moralische Morde sind ja
an unserem Hofe privilegirt. Uebrigens
ist es die erste Bitte, die ich Jhnen vor
tragen möchte, die, den Namen der Dame,
die Sie vorhin nannten, thunlichst zu
vermeiden; aus die Frage: War-um's will
ich Ahnen die Antwort im Voraus geben.
Dis Dame zählt unter die herzlosesien
ihre-« Geschlechtes, und Gott möge ihr
verzeihen, was sie inir gethan-ich kann
es nicht. Weitere Besprechungen werden
sich, wenn Sie sonst keine Befehle für
mich haben, schriftlich erledigen lassen,
denn ich denke, es wird Jhnen recht sein,
daß ich mich Si la suite des Regiments
habe stellen lassen, um die Zeit bis zur
Hochzeit zunächst bei meinem Onkel zu
verbringen. Jch nehme an, Jhren Wün
schen damit entgegenzukommen. Leben
Sie wohl ! «
,,Adien!« klang es ebenso kalt von
Walpurga’g Lippen.
Gerhaids Sporen klirrten an einan
der-er küßte ihr die Hand und die Thür
schloß sich hinter ihm.
Es gab einen Mann aus alter Zeit,
der in«Beziehung aus die Tugend der
Gaftsreundschast nachstehende Hypothese
auszustellen liebte:
»Gäsie bringen doppelte Freude in’o
Haus, einmal wenn sie kommen, und
zweitens, wenn sie wieder gehen.«
Der Mann war Pessimist und doch
hatte er in gewisser Beziehung recht, denn
wie Alles iin Leben, hat auch die Gast
sreundschast ihre helle und ihre dunkle
Seite.
Aus ber dunklen Seite stehen sordernde
ältere Damen, die mit musterhaster Con
sequenz auf Ehre und Eierbier halten.
Dunkel sind serner jene ausartenden
Quartaner, die dem Wort »unser« eine
beängstigende Ausdehnung geben; Kna
ben, die die Romantant-Rosen zu Peit
Lehenstielen verwenden, mit Vorliebe
ur Treibhaussenster schießen, junge
Bir en anzapsen, und durch Herausziehen
der Teichsehleusen Fisch- und Gutsbesitzer
kränken. Da diese Sorte von Gästen
sich selbst aber so unendlich wohl dabei
siihlt, erträgt der Gasisreund von Ko
rinth die Knaben, die ihm theuer sind.
Die schlimmste Sorte von Gästen aber
sind erwachsene Söhne in dem Stadium
intensiver Verliebtheit; denn diese sehen
das Vaterhaus nur sür eine schwer zu
umgehende Durchganggslation in jener
Zeit an. Fällt ihr Urlaub mit dein
schönen Weihnachtgsest zusammen, so
reisen besagte Söhne allerdings nach
Hause, aber nur weil es so sein muß
Sie kommen am heiligen Abend an und
behaupten, am zweiten Feiertage wieder
in der Garnison sein zu müssen. Daß
dann ein Ball stattfinden zu dessen Co
tillon »Sie-« engagirt ist, verschweigen
sie wohlweißlich, wie überhaupt Schwei
en der Zweck ihres Besuches zu sein
scheint; denn alle Berichte über kleine
Vorkommnisse des Hauses werden nur
Init einem zerstreuten Lächeln entgegen
genommen.
Die Hoffnung der Schwestern, mit
dem großen Bruder Visiten zu machen,
um ihn den Freundinnen zu zeigen, er
weist sich als schöner Traum. ..
Aus dem Lande werden nur die Pferde
ställe flüchtig inspicirt, Kühe und andere
nüyliche Thiere sallen gänzlich ab, und
der sich vertrauensooll nahende Teckel,
wird abgewehrt, weil er angeblich
,haart«, obschon es tieser Winter ist.
Diese Art von Söhnen sitzt stundenlang
in der Sosaeeke, raucht unendlich viel
Cigarren, antwortet selten und wird erst
lustig, wenn der Moment der Abreise
kommt.
Nun aber erst der Besuch des Sohnes,
unmittelbar nachdem ihm klar geworden,
daß aus diesem oder jenem Grunde »et
nicht sein kann l«
Zolcher Sohn sucht das Vaterhaus,
unt mit seinein Kummer irgendwo unter
zuschlnpsenz aber der Grundzug des
ganzen Seins ist bsolute Rücksichts
lasigieit. Weil da Aufstehen ja doch
nicht lohnt, erscheint man erst in der
elsten Stunde atn Frühstückstisch, rührt
in dem kalten sei-sieh steckt die Hände in
die hosentaschen und sieht zum Fenster
hinaus-» wendet überhaupt die Nachtseite
des Körpers mit Vorliebe der Umgebung
us
Z Zeitungen werden flüchtig durchgesehen,
der Cigarrenverbrauch nimmt zu und das
Antwortgeben nimmt ab; der Teckel, ob
« er haart oder nicht, bekommt einen Fuß
tritt, in günstiger-en Momenten wird ihm
.in’s Gesicht getaucht. Kommen uner
. wartet Gäste, so wird die eigenthümliche
Lage auf dem Saft-, Beine hoch, Kopf
niedrig, flugs aufgegeben und sporn
streichs aus der Stube gerannt. Hat
das Zimmer zufällig nur eine Thür, so
ist der Weg durch’5 Fenster nicht ausge
schlossen.
Sanfte Mütter, liebliche Schwestern
erfinden unterdessen hübsche Märchen
über die Abwesenheit des Betreffenden,
in harmloser Vergessenheit des Und-ius
flur hängenden, Alles oerrathenden Aus
gehapparate6·
Dem Sünder alter ist dies, wie über
haupt alles Andere, setzt vollständig
.ichimppe«. ,
Solcher Art waren die Erfahrungen,
die der Baron Herhut an verschiedenen
Mitgliedern der Familie emacht; —
liebende Brüder hatten in seine Jugend
störend eingegrifsen; ein liebender Bet
ter, ein findirter Kerl, der auf dem Gaul
saß, wie die Wäs ellammer auf der
Beine, hatte ihm im uitaben seiner Ge
fühle ein paar gerittene Pferde »ver
fchamxirtc In tiefer Befugniß sah er »
i
i
demgemäß dem Besuch seines Neffen est
ge en. Gerhard aber machte eine Aus
na me; im Gegensatz zu der oben
erwähnten Nücksichtsiosigkeit wirkte das
Eingehen in die Wünsche des alten Herrn
geradezu beingstigend; er jagte, er ritt,
er machte Besuche, eg ging Alles seinen
» eilten Weg bis auf eins: Aus dem
s lebenssrischen Jungen war ein stiller
, Mann geworden.
, Der Onkel spürte es an dem resignir
ten Lächeln, mit bem der Nesse die Klage
der renitenten Bauern zu Protokoll
brachte, ebenso die gegen den Dorsschul-«
en, der sich eine Pfändung der herr
schaftlichen Gänse herausgenommen,
während zu anderer Zeit Gerbard diesen
Streitigkeiten mit dem Wunsche zu be
gegnen pflegte, daß der Fuchs oder der
Deubec sie zum Austrag bringen möchte,
er sich dazu aber nicht berufen fühle.
Thusnetde spürte den stillen Mann in
anderer Weise. Eine ideale Krebssuppe,
eine beriickende Cumberlandsauce wurde
mit demselben freundlichen Gesichten-ts
druck hingenommen, wie bie verpönten
rauen Erbsen mit Speck, bei bereit Er
scheinen ihrGerhard sonst durch’sSprach
rohr hinunterzurusen pflegte, daß sie die-;
sein Gericft dereinst in der Hölle wieder
begegnen olle,sund zwar jeder Etbse ein
sein.
Friedrich hatte aufgewartet, Friedrich
hatte beobachtet und Friedrich hatte eL
Thusnelde rapportirt.
Eine Thräne voll Rührung fiel zischend
auf das Bügeleisen, das auf dem schneei
gen Grunde des Plätthemdeö seine glän
zenden Bahnen zog.
So beobachteten die drei alten Augen
paare, und er, dem die Beobachtung galt,
er schritt ruhelos durch Wald und Flur;
was er sich von fernen Knabenzeiten an
gewünscht, aber den Prinzipien des On
kelg zum Opfer gebracht hatte, das er
wachte nun auch zu einem heißen Verlan
gen: er wollte reisen — reisen — reisen,
immer neue Eindrücke, immer mehr Mei
len, die sich aufsummten zwischen ihm
und »ihr«, an die zu denken ihm zur na
menlosen Qual gew-orden.-—
Und dann, dann spürte er das Bleige
wicht an seinen Füßen-, in sechs Wochen
sollte, mußte er sich verheirathen!
»Gieb mir Arbeit, Onlel«, hatte er
eines Morgens gerufen, »keine die mit
Dinte und Feder zu schaffen hat; Arbeit,
die den Geist und Körper zugleich müde
macht, und die mit dem Schlafe das Ver
gessen bringt.«
Diese Art von Arbeit hatte der Onkel
gerade bereit.
Eine halbe Stunde von Herhntswalde
lag das Gut Nischwitz, das man dereinst
in der Subhastation erstanden, um das
eingetragene Kapital nicht zu verlieren,
und das unter schweren Sorgen bewirth
schastet war, bis es schließlich noch zum
Freudenkinde geworden. — CI hatte im
mer in den Gedanken des Baronsz gele
gen, fiir den Fall, daß der Nesfe des Sä
belrasselns eher müde wurde, als der On
kel deH Säan und Erntens, dort ein
hübsches Haus zu bauen, in dem ,,er«,
»sie« und etwaige kleine »es« Platz sin
den könnten, ohne daß die Ruhe des al
ten Herrn beeinträchtigt würde. Der
s. Bauplan des Hause-; lag fertig; der
Plan, in romantisch-sanfter Abdachung
nach dem Flusse zu, war gewählt. Ein
Boskett lichter Birken und dunkler Ei
chen war als Grundlage des einstigen
Parkes vorhanden, und der Wunsch des
Onkelg hieß : Ausnutzung des Materials-.
Im Anschluß an die vorhin erwähnte
Fügsamkeit ließ Gerhard den zerstreuten
Blick über Bauplatz, Birken und Fluß
renze schweifen. Als ihm aber die
taurer und Zimmerleute gerade aufden
Hals riickten, Kostenanschlag und Ziegel
beschaffung in Angriff genommen werden
mußte, trat der Ernst der Sache an ihn
heran, rnitsammt den Aeger über offen
kundi e Dummheit nnd versteckte Retti
tenz er Ausführenden; —- außerdem
wünschte der Förster schon jetzt die Ausö
i wahl der zu verpflanzenden Bäume, deren
Gruben dafür bei Zeiten gegraben, die
Arbeiter in Akkord genommen werden
mußten.
Dazivischen war ein Tag gekommen,
auf den die Sonne auf Mensche-us wie
auf Pferdehäupter glühenden Brand
herabsandte, und was unter diesen Letzte
ren auf Koller angelegt war, zeigte sich
groß in dessen Entfaltung. —- Gerhard
war es nach einem lebensgefiihrlichen
Nitte vorbehalten, den Onkel von der
Thatsache zu überzeugen, daß ihm jener
gesällige Pferdejude einen Gaul von so
auggesprocheuem Koller angeschwindelt,
daß nur die un ewöhnliche Kühle des
Sommers die S urkerei bisher zu be
mänteln vermocht hatte. Jn Folge des
sen hatte Gerhard den Juden auf diplo
matischem Wege zur Rücknahme des Pfer
des bewogen, welcher Erfolg im Pferde
handel vereinzelt dastand und große in
nere Befriedigung hervorrief, die im
Verein mit der Arbeit zur heilsamen
Salbe silr Wunden mancherlei Art hätte
werden können; jede Heilung aber be
s darf der Heit.
Jn dem Garten von Herhntgwalde wir
eine Allee von mächtigen Linden, der
, Stolz des jeweiligen Besitzers; ein Her
) hat hatte sie gepflanzt und Generationen »
der Herhuts waren im Schatten der »
iBäume groß geworden; sie waren als»
ikleine weiße Bündel darin umhergetra: -
gen worden, hatten mit strampelnden ;
!Beinchen Oel-versuche gemacht, waren in
Yvollet Mannes-kraft einhcrgefchritten und »
iwaren dann wieder durch dcn Schatten
ider Bäume getragen worden, hinaus
znach der sanften Anhöhe, deren Gipfel
Itsas Fainiliengewölde trug.
) Inmitten der Herhnts-Allee stand ein
besonders schöner Baum, aus dessen
Stamm, von der überquellenden Rinde
wie mit einein Rahmen umgeben, eine
weiße Tafel; die Tafel trug die Ins
schrift:
»Weß’ Herz ist trüb, weß’ Herz ist bang,
Der gehe diejen Weg entlang,
Dieweil die Vöglein sizigeiii
Und in die wunde, kralkke Brust,
Ob auch gestvrben Lieb’ und Lust,
Da wird der Friede dringen.
Ein poetisch angelegier Urahn hatte
dereinst die Tafel einbringen lassen; ob
als Beruhigung für des eigenen Der en
Stürme oder als desänftigendeg el,
wenn die Wogen im Herzen der Nach
töinmlinge hoch gingen, wissen wir nicht;
sobald aber die Linde ihr Sommergewand
anlegte, erstand auch die Tafel in jugend
licher Schöne. Dank den zwei Farben
iöpfchen des Schnimeisters lichtete sich
der Grund und dunkelte sich die Jnschrift,
die Gerhard im Schlaf her-sagen konnte.
Gerade darum hatte er sich den Sinn
E der Worte niemals klar gemacht; als er
dann in jenen Tagen, wo seine Seele
E unter dem Sturm des ersten Schmerzes
erbebte, durch die Allee geschritten war,
Ihatte er sich von der Inschrift abgewen
s;det — sollte ihn auch der alte Baum
s noch mit feinem Hohn verfolgen? Wie
i der nach einer kleinen Zeit, als es etwas
E Istiller geworden, hatte er vor der Tafel
Halt gemacht; zum ersten Mal darüber
Inachdenkend, wie das Schicksal wohl
I Dem, der sie angebracht, mitgespielt ha
ben mochte.
Dann war er am Abend vor seiner
Abreise zur Hochzeit wieder· durch die
Allee gegangen und hatte nach dem Frie
Edcn gefragt, den die Jnschrift verhieß,
E als Ersatz für gestorbene Liede und Lust;
E lange, lange hatte er unter dem Baume
gesessen und dem Rauschen in den mäch
tigen Zweigen gelauscht —--von Oben
mußte der Friede kommen, das fühlte er;
) ob aber zu ihm? Nein —-—xnein-—noch
lange, lange nicht.
Der Onkel fuhr nicht mit zur Hoch
zeit; die ganzen Verhältnisse waren ihm
widerwärtig, und die Residenz hatte ihre
Erfahrungen in Gestalt des kollerigen
Pferdeg und verschiedener aus dem Leim
gehender Möbel sichtbarlich zurück
gelassen. Außerdem hatte sein Knopfloch
keinerlei Bändchen aufzuweisen; ,,er
müsse sich denn gerade die silberne Me
daille für höhere Obstcultur an die Brust
Hängen.«
5.
Gerhard Herhut an Baron umher
· ut
,So habe ich denn nun die Hochzeits
reise mit der mir von Sr. Hoheit anbe
sohlenen Frau eingetreten; nachdem die
Trauung im engen Kreise stattgefunden,
nahmen wir in den Gemächern der Für
stin ein Frühstück ein, dem sich jedoch Se.
Hoheit der Fürst wegen Armeebesichti
gung und Ihre Hoheit die ,,Prinzessin
Therese« wegen Migräne —- entzogen.
Ich hatte die kleine Echtershausen ge
ssagt, ob ihr »Italien« recht wäre,
denn, obgleich ich Italien längst kenne
und mir Ochotsk und Tobolsk ebenso
lieb gewesen wäre, schien mir Italien
das übliche Land, mit dem auch sie ein
verstanden war. Im Gegensatz zu an
deren Leuten in unseren Verhältnissen
war die junge Dame bemüht, sich in ein
recht besetztes Sonch zu stürzen, in das
ich ihr gehorsam nachftieg. Beim Sou
per in München kam mir der Gedanke,
daß ich ihr noch niemals einen Kuß ge
geben hätte, und daß der Moment des
»Gesegnete Mahlzeit-Sagens« sich wohl
flir den Versuch eignen könnte. Ei der
Tausend, wie wurde ich abgeblitztt
»Bitte, lassen Sie das für die kurze
Zeit, die die Komödie dieser Ehe dauert;
außerdem bin ich sehr müde und möchte
mein Zimmer aufsuchen. Gute Nachtl«
Sie ging; der Riegel wurde vorge
schoben, und da ich es in dem einsamen
Gemach gerade nicht freundlich sand, be
gab ich mich in den unteren Salon und
trank mit wildsremden Leuten Sect bis
nach Mitternacht.
i In Italien machten wir nun streng
I nach Bädecker die Touran von Museum
zu Museum, von Kirche zu Kirche, deren
Inhalt an Bildern und Auggegrabenem
so ziemlich unser einziges Gespräckgd
thema bildete. Allenfalls einte uns er
Gedankenaustausch über unzufagende
Nahrungsoerhältnisse, über schlechte
Küche im Allgemeinen und ranzigez Oel
im Besonderen; und wenn uns der Nak
sken wegen pflichttreuer Deckenbesichti
i gung mehr oder weniger schmerzte, war
Fdies die einzige Gesühlsäußerung, mit
» der wir uns besaßten.
s Du weißt, Onkel, wie passionirt ich
s von jeher aus’s Reisen gewesen, und nun
’grade jetzt, wo ich Bild aus Bild auf
:mich wirken lassen möchte, hinein in’s
Leben und Treiben des Volkes, zu Fuß
in Schluchten und Berge, im Sturm
über die See — und nun so das rothe
Buch in der Hand, eine mir ganz
gleichgiltiqe Frau an der Seite, immer
emalte Leinwand, vertrocknete Heilige
und ausgegrabene Göttergliederl
Neulich lbends saßen wir eingeregnet
in unserem Hotel, und ich hatte Deinen
Brief, lieber Onkel, zwei- oder dreimal
gelesen.
Walpurga hobz das herabgefallene
Couoett auf.
»Ist das die Handschrift des Onkels ?«
sragte sie und sah zum ersten Mal ein
bischen lustig aus, ,bei meiner Schwär
merei für originelle alte Herren möchte
ich Niemand lieber kennen lernen, als
diesen Onkel.«
" »Aber da hätten wir ja ebenso gut nach
Hethutswalde reisen können! Jch meinte
nur, daß Jtalien Dir zur besonderm
Freude gereichen würde.«
»Jtalien kenne ich längst,« platzte sie
los, »ich habe nur nichts gesagt. um Dir
den Genuß nicht zu verkürzen.«
Da haben wir zum ersten Mal von
Herzen gelacht, und die Kleine hat mich
dann weiter nach erhntgwalde gefragt;
nach Wäldern, iesen, Pferden und
banden.
Als ich selbst sür unsere schöne Hei
math warm geworden, singen ihre Au
gen, mit deren Betrachtung ich mich ei
gentlich noch niemals abzegeben hatte,
förmlich an zu strahlen, und sie erzählte
mir, wie iehnsuchtsvoll es sie von Kind
heit aus in die Freiheit des Landlebens
gezogen, trotzdem sie ihr ganzes Leben in
der Residenz und bei Hefe ugebrncht,
mit gelegentlichen Reisen im - efolge der
Fürstin.
. Jch faßte meinen Entschluß: «Dn
sollst diese Sehnsucht W, Walpur az
Du sollst Kerhutswalde ohne jede
engende Fe ,el kennen lernen und ge
nießen, wenn der Onkel meine Bitte,
Dich bei sich aufzunehmen, erfüllt. Sei
ehrclhich Kind, Du gehst lieber ohne
Mk r«
»Ja,« hat sie gesagt und hat mir zum
ersten Mal iin Leben die Hand gereicht;
dann hat sie einen kleinen Rundtanz
durchs Zimmer gemacht, darauf den
Kopf auf den Tisch gelegt und plötzlich
zu weinen angefangen; ich weiß nicht,
ob vor Freude oder vor Weh, und meine,
daß wohl beides im Spiel war. «
So bitte ich Dich denn, lieber Onkel,
um Mittheilung Deiner Ansicht; ich
möchte, wenn Du Walpurgis Dein Hans
öffnen willst, sie bis zur Hälfte des We
ges- geleiten, und von dort schickst Du
Friedrich, sie abzuholenz ich aber werde
die Sehnsucht stillen, die mich Zeit mei
nes Lebens verfolgt hat; ich will hinaus
in ungekannte Fernen; ich werde von der
Spitze der Kordilleren den Regenbogen
zu meinen Füßen sehen, die Mitternachts
sonne begrüßen, und durch Afrikas Wü
sten ziehen; meine Lesung ist: »un! die
Welt«, das Vergessen zu lernen und —
das Vergeben!
»Aber was werden die Leute dazu sa
gen?« wirst Du kopfschüttelnd eintret
sen, Onkel, und ich kann Dir daran
nnr antworten: »Laß sie reden.« J
kenne den Klatsch nnd Tratsch unserer
Residenz aus dem FI. Da wirbel . «
paar Tage Staubwolken umher, M
man meint, die Sonne könnte keine an
deren Interessen mehr bescheinen; es ist
aber nicht so schlimm damit; in einer
halben Woche ungefähr hat man sich
über das Thema ausgesprochen, und ein
neues steht aus der Tagesordnung, um
somehr, wenn die betreffenden Leute auf
und davon sind; denn nichts versinkt im
Strudel der Gesellschaft schneller, als
die Erinnerung an einen Menschen!
Für uns Beide aber, für Walpurga
nnd für mich, deren Seelenfrieden doch
schließlich die Hauptsache ist, ist die Tren
nung geradezu eine innere Nothwendig
reit, wenn wir es versuchen wollen, der
einst mit gutem Willen neben einander
herzugehen. — Nur jetzt nicht Onkel, nur
jetzt nicht; laß mir Zeit, bis Alles sich
gesetzt hat, was in mir arbeitet und nagt,
ohne Rast und ohne Ruh!«
Die Tage zwischen dem Entschluß und
der Abreise waren die angenehmsten aus
der ganzen Zeit für das junge Paar.
Zunächst steckte man die Mufeen auf,
umging die Dome mit Scheu, nahm statt
dessen ein höchst spaßiges Bauernrennen
mit, und da Gerhard sportliche Anlagen
in der Kleinen entdeckte, beschäftigte ihn
die Frage, welch-er Gaul sich wohl in
Herhutswalde zum Damenpferd eignen
mochte, angelegentlich.
Außerdem hatte es einen unbewußten
Rei für Gerhard, sich um ein anderes
Weizen zu sorgen, und schneller, als man
es beiderseitig geglaubt, war der tren
nende Bahnhof erreicht.
Der getreue Friedrich wartete schon des
Zuges, und neben dem gutmüthigen
Ausdruck seiner runden Hundeaugen fiel
Walpurga die aufstrebende Richtung
seines sorgsam gebürsteten Haarschopfes
auf.
»Für meinen Herrn Baron durch’s
Feuer,« hatte Friedrich sich als Mott
erwäblt und ,,wenn’s nicht zu sehr
brennt,« pflegte besagter Baron spöt
telnd hinzuzufügen.
Einen Schreibebrief seines Herk,
dreimal in Papier gewickelt, trug Fr -
rich auf dem Herzen, und der Inhalt die
ses Briefes lautete:
»Mein Sohn!
Jeder, der den Namen Herhut in Eh
ren trägt, sei es ein Männlein oder
Weiblein, ist mir willkommen; also
felbstverftändlich auch Deine junge Frau.
Jch hoffe, wir werden einander nicht un
bequern werden, denn fernab von meiner
Höhle, in der es manchmal etwas stür
misch zugeht, liegt das Zimmer, das die
Merzhager »Frölens« auf dem Gewissen
haben, wegen Annäherung zur blauen
Grotte; das ist für sie hergerichtet;——
gefällt es ihr bei mich, werd’ ich’s schon
merken; —gefällt es ihr nicht, mag sie
osfenherzig raisonnirenz stilles Dulden
bitte ich auszuschließen, denn stilles Dul
den fällt mir auf die Nattern-Lieb
wäre es mir überhaupt, wenn Jhr bei
derseitig Eure Jnelination für fürstliche
Häupter hinuntergewürgt hättet für alle
Zeit; (nicht5 für ungut, mein Sohn;
nichts für ungnt, meine Tochter). Daß
Du, Gerhard, die ganze Dicke der Erde
zwischen Dich und Deinen Vater-Ohm
legen willst, gefällt mir gar nicht; —
der Mensch ist wie eine Blume; alte
Onkel-s auch; weniger wegen des Duf
tes, als wegen des leichten Geknickt
seins und der Bergän lichkeit;—wäre
mir nicht lieb, zur grogen Armee altbe
rufen zu werden, ohne Deine mir immer
angenehme Gegenwart. —Borläufig ist’s
aber noch nicht so weit, und ich will mich
von allen trüben Gedanken ab- und dem
Wunsche zuwenden, den ich Dir auf den
Weg mitgebe; er heißt: «Ende gut,
Alles gut,« und kann auf die Reife,
rgrer was DuJonst willst, bezogen wer
n.
Mit festem Druck an’s alte Vaterberg
Dein getreuer
Ohm.
Nachschristk Uebrigens isi mir Den
got-r sur jene Volkerschasten ohne blasse
Ahnung von ein höheres Wesen nnd
menschenwürdigen Anzug geradezu unbe
greiflich;——und was den Genuß be
ttisst, den Negenbogen zu seinen Füßen
u haben, so ist das Mumpitz, mein
Boden— Oben denken wir Menschen
uns unsern alten Herrgott, und Alles,
was zum Göttlichen hinübersiihtt, geht
auch nach oben, sowohl in der Natur wie
in der Gesinnung; damit Basta. Noch
eins: sollte Deine Frau mir mal ’nen
hübschen Walzer oder sonst ’ne muntere
Arie vorspielen wollen, wär’g mir nicht
unlieb; der alte Klavier-stimmen der
sonst nur alle Vierteljahr die Mäuse aus
dem Klavier jagen kommt, ist eknde in
Sichtt« (Forts. isolgtJ