Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 24, 1901, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    baUm lllanjaur.
H;ä!i;;i:i3 vZü
e 1 1 1 ? '
1 ü.
1.
Zur Zeit Der Schreckensherrschaft in
Frankreich waren viele Guillotinen in
rastlose Thätigkeit sowohl in Pari
wie in den Provinzen, So auch im
Departement der Gironde und dessen
5,auvtstadt Bordeaux.
mz TallienS Nachfolger war dort
der BolkZrevrüsentant Garner eingczo
gen. ausgerüstet vom Konvent mit den
schrecklich sten Vollmachten, feern wur
diger Kumpan war Lacomde, Präsident
des RkvolutionstnblinalZ. es teste
rtn Schwiegersohn. BrutuS Jadin.
vormalZ Winkeladvokat, fungirte alZ
öffentlicher Ankläger. Eigentlich hieß
dieser Mensch Toussaint (Allerheiligen!,
aber einen solchen Namen hatte er als
eifriger blutrothcr Rcpublikancr nicht
langer führen wollen und sich deshalb
Brutus genannt. Dergleichen Namens
Umänderungen waren damals in Frank
reich etwa? (Gewöhnliches.
Innerhalb weniger Monate ließ dies
fürchterliche Triumvirat auf dem vor
maligen Königsplatze, der jetzt Frei
heitsplatz hieß, weil man da einen un
geheuren großen Freihcitsbaum aufgc
pflanzt hatte, sechshundert Menschen
guillotiniren. darunter viele reiche Kauf
leute und Grundbesitzer. Zu diesen
unglücklichen Opfern gehörte auch Louis
de Fumel, der Besitzer des berühmten
Weingutes Ehateau Margaux im be
nachbartcn Weinländchcn Medoc an der
ironde. ein paar Meilen nördlich von
Bordeaur. Tie Anklage gegen ihn
hatte gelautet, daß er ein heimlicher
Royalist sei. Das erschien allerdings
sehr möglich. Ferner, daß er Berbin
düngen mit England unterhalte oder
doch' unterhalten habe. Freilich hatte
er solche aus früherer Zeit her noch mit
dortigen Geschäftsfreunden, denn die
besten und edelsten seiner Weine waren
ftetS nach England verkauft worden,
weil die reichen Engländer damals den
Ehateau Margaux allen anderen Me
docmeinen vorzogen. Tann beschul
digte man ihn. er habe große Kapita
lien. um sie in Sicherheit zu bringen,
nach England geschafft und ebenso sei
nen jungen Sohn Armand, der sich eit
längerer Zeit dort befinde. Ter drin
gende Verdacht gegen ihn lag vor, daß
er selbst, nachdem er seine Angele
genheitcn möglichst geordnet, sein
Gut im Stiche lassen würde, um zu
flüchten.
Leider hatte er zu lange gezögert,
diese Absicht in's Werk zu setzen. So
war er dann verhaftet, vom Revolv.
tionstribunal verurtheilt und auf dem
Freiheitsplatze guillotinirt worden.
Nach vollbrachter unheimlicher bluti
ger Tagesarbeit saßen die drei Schreckens
männer und derzeitigen unumschränkten
Gemalthader von Bordeaur eines
Abends beisammen in der Wohnung
Garniers in einem prächtig ausgeftat
teten Zimmer an der reichgedeckten Ta
fel und thaten sich gütlich an leckeren
Speisen und edelsten Weinen. Längst
schon hatten sie Brüderschaft geschlossen,
sie waren sozusagen ein Herz und eine
Seele.
Lacombe entkorkte eine Flasche, füllte
die Gläser, hob dann das seinige und
rief: Auf euer Wohlsein, Brüder!"
Auf das demlgc. wackerer Patriot!"
antworteten die zwei.
Sie stießen an und thaten ein jeder
einen langen, durstigen Zug.
.Das ist ja ein wahres Prachtwein
djen!" rief, mit den Lippen schmatzend,
der dicke Bolksreprüsentant.
..i&in famoser Tropfen ist's." bcstä-
tigte der hagere Lacombe.
Chateau Margaux. Jahrgang1777,
Schlokabzua." bemerkte mit Kenner
miene Brutus Jadin, indem er die Eti-
kette der Flasche musterte. ..Der diesen
herrlichen Wein hat keltern lasten, wird
freilich nicht mehr davon trinken. Ich
meine nämlich den Fumel, den wir
neulich auf die Guillotine expedirten
Wie sich doch die Zeiten geändert
haben!" sprach Lacombe. Früher
mußte ich mit dem schlechtesten billigsten
Krätzer vorlieb nehmen, jetzt aber kann
rch solchen auserle enen Wein chiunen,
der sonst für unsereins gar nicht zu er
schmingen war. Das ist der Segen der
Freiheit!"
Hast recht. Schwiegersöhnchen,"
agte Jadin. In Bezug auf das große
Weingut Ehateau Margaux habe ich
übrigens einen Plan."
Heraus damit, Brutus! Du hast
einen seinen Kopf, einen gewandten
Geist, das beweisest du alle Tage als
öffentlicher Ankläger im Tribunal."
So höre! Dieser Fumel war Witt
wer. Sein Sohn Armand, der einzige
Erbberechtigte, beftndet sich in England,
ii also als Emigrant anzusehen. Ver-
muthe, er wird sich wohl hüten, hierher
zu kommen, um sein Erdthell zu rella
miren."
.Bin ganz deiner Meinung! Solch'
dreistes Unterfangen würde dem jungen
Menschen sicherlich den Kopf kosten.
Hat er sich doch unsern Erbfeinden, den
Engländern, zugesellt!"
, Chateau Margaux ist also nach den
Bestimmungen des Gesetzes zu dehan
deln. welches in Bezug auf den Grund
bentz der Emigranten vom Konvent er.
lassen worden ist: das heißt, dies Pracht-
volle Weingut wird als Nationaleigen
thu, erklärt und dann öffentlich zum
Besten des Staatssäckels an den Meist
bittenden versteigert."
Ganz richtig. Brutus! Wahrhaftig.
chon deinen Plan, denn
ich hade eine feine
.Ich bekennn,
aus und taufen 6:
?Uu
wir beide bieten dar
s Gut. Spottbillig
werden wir 5 erlangen. Unier rcund
Garnier und der ihm und uns ergebene
Kommissar, welcher hier den Verkauf
der kon'iszirten Güter zu besorgen hat,
werden gewiß die Augen ein wenig da.
bei zudrücken und unserem Gebot den
Zuschlag ertheilen. Sicherlich wird'S
keiner in Bordeaux und Umgegend wa
gen. un? zu überbieten. Den möchte
ich doch ivirllich sehen, der sich dessen er
kühnen wollte! Solche Frechheit ist ja
gar nicht denkbar. WaS sagst du dazu,
Freund Garnier? Hoffentlich hast du
nichts dagegen einzuwenden."
Durchaus nichts, mein Lieder! Ihr
seid ja beide die wackersten und ent
schlossenstcn Patrioten, die ich kenne,
seid meine treucsten Freunde und Ec
noffen." sprach gefühlsvoll der Volks
repräscnlant. Das will ich mit gutem
Gewissen verantworten vor dein Kon
vent. falls man in den Pariser Jako
binerklubs. wo sie ja alle? erfahren,
was in den Provinzen vorgeht, deshalb
über uns herfallen sollten. Sehr gerne
gönne ich euch den Portheil. Kauft
immerhin das Weingut Ehateau Mar
gaux! Vielleicht mache ich selbst einmal
bei passender Geleaenheit ein solches
Geschäftchen. Es ist unsere Pflicht,
für's allgemeine Beste zu sorgen, also
auch für uns selbst."
Tu sprichst mir aus der Seele,
edler Freund!" schrie Lacombe.
Auch Brutus Jadin ankerte ähnliche
überschwengliche Tanlbarkeit und Be-
geisterunz. Tann schenkte er wieder den
köstlichen rubinsarbigcn Wein ein, und
sie stießen an und tranken aus da ije-
singen des guten Geschäftes.
Schon am folgenden Vormittag setz-
ten Lacombe und Jadin nch mit dem
Kommissar in Verbindung. Ter Mann
hieß Lctellier. Er hörte den Vorschlag
und verstand sogleich die Absicht der
beiden.
Sehr gern will ich Ihnen gefällig
sein. Bürger." sagte er. Zweifellos
werden Sie das Gut erlangen. Besse
ren Patrioten könnte es ja nicht zu
Theil werden, das ist meine Ueberzeu
gung. Ter Form wezen ist die An
setzung eines Perstcigerungstermins
nothwendig, den ich möglichst beschleu
nigen werde, Ihren Wünschen zuliebe,
Wir richten es so ein. daß Sie die ein
zigcn Bieter sind, daß andere, die etwa
Kaufgelüste haben sollten, sogleich da
von abgeschreckt werden."
Wie denken Sie über den Preis,
Bürger Kommiffar?"
Der mäßigste Schätzungswerth ist
eine Million Livres."
Sind Hypotheken darauf einge-
tragen?"
Gar keine. Der schmerreiche Fumel
hatte sein Weingut gänzlich schulden-
frei."
Nun, angenommen Brutus und ich
bieten hunderttausend Livres sur Eha
teau Margaur "
So schlage ich Ihnen das Gut zu."
Wir bezahlen die Hälfte der Kauf-
summe m Assignaten und lassen die
andere Hälfte vorläufig als erste Hypo-
thek eintragen."
,So möge es geschehen, ic er-
halten dafür das Gut mit allem Zu
behör "
Auch mit den etwa noch vorräthlgen
Weinen?"
Ja. Wie Michot mir sagte, lagern
da noch einige Vorräthe in den zwei
Kellern, edle Mcdocs nämlich die noch
nicht ganz flaschenrcif sind."
Drei bis vier Jahre müssen Medocs
edelster Sorte, sogcnanute Grand-Vins.
in den Fässern lagern und reifen, bis
sie ihre volle Güte erreichen, das ist mir
wohl bekannt." bemerkte Brutus Jadin.
Wer ist dieser Michot, Bürger Kom
miss?" Pierre Michot ist der Kellermeister
und jetzige Verwalter des Gutes. Er
ist noch immer geblieben, obgleich er zur
Zeit keinen Lohn erhält."
War er lange bei Fumel im
Dienst?"
Seit zwanzig Jahren."
Hm ist er ein guter Patriot?"
fragte Lacombe.
,Fin sehr eifriger sogar; das zu be
obachten hatte ich mehrfache Gelegen
heit." Wohl, uin so besser! Dann werden
wir uns mit dem braven Manne ja
leicht verständigen können. Und die
übrigen Arbeiter und Winzer des
Gutes?"
Soviel ich weiß, haben sie, bis auf
einen jungen Menschen, der bei Michot
geblieben ist. daS Gut verlassen, um
hier in der Stadt an den Ereig
nisten sich zu betheiligen. Einige haben
sich bei der Nationalgarde einreihen
lallen."
Es ist ja auch noch nicht die Zeit
der Lese."
Ganz richtig. Doch müssen bald
wieder Leute zur Arbeit angenommen
werden, wenn mein Schwiegersohn und
ich erst die Besitzer des Gutes sind."
Ich will mit Michot darüber spre-
chen. Nach einer Stunde nehme ich ein
Boot und fahre mit meinem Schreiber
nach dem Gute, eines genauen Jnvcn-
tariums wegen für die Versteigerung. j
Nur Formsache! Apropos, Sie könn-
ten mir ja die Ehre erweisen, mich zu
begleiten, um bei dieser Gelegenheit
alles dort zu besehen!"
Dazu haben wir jetzt keine Zeit.
Nach einer Halden Stunde beginnt die
Tribunalsitzung, und sie wird voraus
sichtlich heute ziemlich lange währen.
ich tristere n::n
Tie Pflicht geh: allem r?r! Um fünf
Uhr heute Nachmittag erst wär's uns
mZglich."
,.co rathe ich Ihnen, fahren Sie
nach! Tie kurze Bootsahrt ans dem
Flusse ist äußerst anmuthig und erfri
schend. Im Schlosse können Sie über
nachten und am nächsten Tage zurück
fahren." Ter Vorschlag gefüllt mir." sagte
Brutus Jadin.
Mir auch," sprach Lacombe mit
höchst zufriedenem Schmunzeln. Ja.
wir wollen unsere zukünftige Besitzung
heute Abend und morgen früh besichti
gen. Eine solche angenehme Erholung
nach so vieler aufregender und ange
ftrengter Thätigkeit dürfen wir rcolil
mit gutem Gewissen uns gönnen. Mein
lieber Kommissar, rechnen Sie auf
unsere stete Erkenntlichkeit! Wenn wir
Ihnen einmal nützlich fein können,
wenn Sie etwas brauchen, und es in
unserer Macht steht Sie wissen ja:
eine Hand wascht die andere!"
Tie drei Biedermänner schüttelten
sich höchst freundschaftlich die Hände.
Darauf schieden die beiden Besucher
von dem Kommissar Lctellier. um il)
rcn anderweitigen Verrichtungen nach-zugehen.
Ehateau Margaur. auf einem sanft
ansteigenden Hügel am User der Gi
ronde gelegen, war ein alter solider
Ban übrigens wie die meisten dieser
durch ihre Weine so wcltbcrühmtci
vualcaux im l'eeöociai'.de, mehr einem
einfachen Herrenhaufe als einem Prunk
vollen Schlosse gleichend. Einige h:in
dcrt Hektar des besten Weingeländc
gehörten dazu.
Pierre Michot, der Kellermeister und
derzeitige Verwalter, war ein Manu
von etwa fünfzig Jahren und von die
dercin Aussehen. Auf seinem Kops
prankte die rothe Ireihcitsmütze der
Jacobincr. Danach mußte man also
annehmen, daß er ein eifriger.republi
kanischer Patriot sei. Doch der Schein
trügt zuweilen.
ES war an einem schönen Tage zu
Anfang des Septembers, als der Kom
milsar Lctellier ihn besuchte, der mit
Beihilfe des ihn begleitenden Schrei
bcrS rasch ein Inventar aufnahm
Dann sagte der Beamte zu dem Keller
mcistcr. daß nächstens das schöne Gut
in den Besitz des Tribunalpräfidenten
Lacombe und seines Schwiegersohnes
Jadin übergehen würde. Es sei die
Absicht der beiden großen Revolutions
männer, gegen sieben Uhr Abends im
Schlosse zn einer Besichtigung desselben
zu erscheinen und darin die Nacht über
bis zum folgenden Vormittag gegen
zehn Uhr zu verweilen. Michot mög
in seinem eigenen Interesse äußerst
aufmerksam und zuvorkommend gegen
sie sein, sie möglichst gut bewirthen und
loqiren.
Der Kellermeister verneigte sich und
erklärte, daß er sein Bestes thun wolle,
der Aufforderung gerecht zu werden
Er besaß so viel Selbstbeherrschung, das
Erstaunen, die Aufregung, wovon
sich erfaßt fühlte, zu verbergen.
Darf ich hoffen, daß die neuen Be
sitzcr mich in ihrem Dienste behalten
werden? fragte er dann.
Das glaube ich sicher," versetzte der
Kommissar. Ich habe mit den Beiden
bereits gesprochen. Sie wissen, daß Jh
ein guter Patriot seid."
Danach ging der Kommissar mit sei
uem Schreiber zu dem Boote, welches
an einer Anlegestelle unten am Ufer
aus ihn wartete.
Fünf Minuten nachher kam ein büb-
scher, dunkellockiger Jüngling zum Vor
schein aus einem Nebengebäude, dem
Keltcrhause. Einfach war er gekleidet,
wie ein armer Winzer, fein Haupt abe
auch geschmückt mit einer rothen Frei-
yeitsmütze.
..Nun. Michot. was wollte der Eom
miffar?" fragte er.
er euermeiner zog vcn mngen
Menschen in eine Ecke und flüsterte lün
gere Zeit geheimnlßvoll mit ihm. In
hohe Erregung gerieth dabei der Jüng
ling; fein blasses Antlitz erglühte wie
tnumphirend und er murmelte: Ja,
acye, acye: Jie wird uns nun
durch eine Schicksalsfügung ermög-
licht. Vas Berhängniß naht, ihr Blut
Hunde!"
Unten im Flusse ankerte in der Nähe
des Weingutes ein kleines Fahrzeug,
eine Fischcrbarke. Tressan. der Fischer.
und seine zwei herangewachsenen Söhne
bilden die Besatzung. Tie beiden jun-
gen Leute wurden nach dem Schlosse
gerufen und halfen emsig beim Zusam-
mcntragen von meingbündeln und dem
Zurechtstellen von leeren Fässern in dem
großen hallenühnlichcn hölzernen Vor-
räum zum Kellereingang. Michot sprach
mit seiner Frau Louison Kinder hatte
das Paar nicht; sie bezeigte sich zuerst
etwas sngsttich bei seinen Worten, doch
gelang es ihm. ihre Unruhe zu be
schwichtigen. Nachher beschäftigte die
gute Frau sich damit Kleider und son-
stige kleine Habseligkemn in Bündel
zu packen und diese nach der Barke
zu tragen, wo Tressan die Bündel in
Empfang nahm und sie unter Deck
brachte.
Der blasse Jüngling und Michot
schoben kurze Brettstücke und schaufel
ten kleine Sandhaufen vor die mitftar
ken Elsenfläben vergitterten Kellerfen
ster. Nur drei davon, in der entfrnte
sten Hintermauer, ließen sie frei. Oeff
nete man nunmehr die Kellerthür, dann
entstand gewaltige Zugluft in den Kel
lerräumen. Abends gegen sieben Uhr kam ein
Boot von Bordeaux und legte an dci
?hatean Margaur. Lacombe und
Jadin stiegen au?. Ter Erstere sagte
z.i dem B?ctZfi:!irer: Morgen Vor
mittag um zehn Uhr mußt Ihr wieder
hier fein, um unZ abzuholen."
Tauach fudr daS Boot sogleich nach
der Stadt zurück. Tie beiden An
kömmlinge aber schritten gemächlich den
breiten Weg Hügelauf. dem Schloß zu.
Tienftsertig eilte der Kellermeister
ihnen entgegen.
Braver Mann!" sagte Brutus
Jadin gnädig. Ihr erwartet uns.
wie es scheint? Ter Kommissar Letcllier
hat Euch Bescheid gesagt über den
Grund und Zreck unseres Kommens?"
So ist'S. Bürger Ja)in. Ich weiß,
daß ich die Ehre habe, die lünsligen
Besitzer dieses berühmten Weingutes zu
begrüßen."
Wir wünschen dasselbe zu besichti
gen heute Abend das Schloß und die
Keller und morgen früh das Wein
gelände." Ich stehe zur Verfügung."
Kann die Lese gut werden dieses
Jahr?"
Ganz vortrefflich soaar. Nach mci
ner Ansicht wird es ein fast ebenso ctuic
'Wcinjahr wie 1781."
Tas ist mir lieb, zu hören."
Was ist das sür ein Fahrzeug da
am Ufer?" fragte Lacombe.
Es ist die kleine Barke eines Fi
schcrs von Oleron, der in der Giroude
seine Netze auswerfen will. Jetzt darf
der arme Teufel das ja, da die frühe
reu' anderweitigen Fischcrcigcrecht'amc
erloschen sind.. Tas ist auch ein Segen
unserer neuen Freiheit."
Ganz richtig, mein Braver."
Unter solchem Gespräch langten sie
beim Schlosse an. Am Portal stand
der blasse junge Mensch. Er öffnete
weit die Flügelthüren. Tie beiden
Schreckensmänncr schritten achtlos an
ihm vorbei, ohne den furchtbaren, haß
erfüllten Blick, welchen er ihnen nach
sandte, zu bemerken.
Noch war cs Heller Tag. Toch die
Sonne näherte sich am dunstigen, wcst
lichen Horizonte blutroth dem Unter
gange. Michot führte die Gäste in ein
Gemach, in welchem sich ein gedeckter
Tisch befand.
..Ich habe für einen kleinen Imbiß
gesorgt," sagte er.
Sehr gut!" rief Lacombe zufrieden
Aber jetzt noch nicht, mein Bester.
Wir haben nämlich schon in Bordeaux
genug gespeist. Zuerst wollen wir das
Schloß besehen."
Ter Weisung gehorchend, führte
Michot sie zunächst unten umher, dann
oben und dort auf einen Balkon hin
aus.
Tie beiden waren höchlich entzückt
über die wundervolle Aussicht, die sich
ihren Blicken bot. Besonders im Süd
ostcn zeigte sich die Landschaft sehr
reizvoll, wo die Garonne, indem sie sich
mit der Tordognc vereinigt, die Gironde
bildet. Sie verweilten auf dem Bal
kon. bis die Dämmerung immer mehr
sich ausbreitete.
Jetzt die Keller!" rief Jadin. ,
Dann brauchen wir aber Licht."
meinte Lacombe.
Das versteht sich." sagte Michot.
Lagert da noch viel Wein?"
Nur wenig. Fumel eilte zuletzt gar
sehr mit dem Verkauf und schlug das
meiste billig los."
Haha, das läßt sich denken!"
Im zweiten Keller lagern aber doch
noch fünf Füsser erstklassiger Weine seit
bald vier I ahnen. Fumel wollte sie
weit unterm Werth losschlagen, kam
aber nicht mehr dazu."
lim so besser für uns!"
isic stiegen die Treppe hinab.
Heda, Gaspad!" schrie Michot ge
bieterisch. Ter junge blasse Mensch- lief herbei.
Was soll's. Meister Michot?"
Bring zwei Laternen! Geschwind?
Hörst du?"
Sogleich. Meister!"
Ter Jüngling eilte davon und kam
nach einer kleinen Weile zurück mit zwei
Laternen, deren Lichter er angezündet
hatte. Michot nahm die eine und ging
voraus bis zu dem hallen- oder fchup
peilähnlichen großen Vorbau. Er
schloß die Pforte auf, und die Vier
traten ein. Es waren da viele leere
Fässer und Reisigbündel aufgestapelt.
Ist daS nicht scucrgeführlich?"
fragte Brutus Jadin. auf die letzteren
hindeutend.
O nein," versetzte gleichmüthia der
Kellermeister. Wir müssen dergleichen
hier unter sicherem Verschluß aufbewah-
ren, denn liefen wir s draußen, würde
es nächtlicher Weile bald gestohlen wer-
den."
Er schloß eine zweite, mit starken
eisernen Platten und Bünden . be
scylagene yure aus. Nun ay man
die Kellertreppe.
Tie Vier stiegen hinab in den ersten
Keller, einen großen gewölbten Raum.
Derselbe war von dem zweiten, etwa
kleineren Keller durch eine massive
Mauer und ein starkes Eisengitter ge-
chicden, das sich in Angeln wie eine
Thüre bewegen ließ.
Warum ist das so?" fragte
Lacombe.
Das ist der Keller der allcrkostbar-
sten Weine."
Dort lagern also die fünf Füsser
noch, von welchen Ihr spracht?"
Jawohl."
Michot steckte einen Schlüssel in das
Schloß des Gitters und schob dann
etztercs auf. Bitte, treten eie
ühcr!"
Alle begaben sich i". den zweiten
Keller.
Da fallt mir ein. Sie werden riet'
leicht gerne die icit vier Jahren d'cr
lagernden und aührenden. tast reise:!
We.ne kosten wollen." meinte der Kel
lermcister. Schnell. Gaspard. laus
und hol einige Gläser!"
Ter junge Mensch entfernte sich. Tie
Laterne, welche er trug, setzte er im
ersten Keller auf ein leere? Faß. Michot
blieb mit Lacomde und Jadin im untc
ren Keller. Indem er mit seiner Laterne
umherleuchtctc. zeigte und erklärte er
den beiden allerlei.
Nach drei Minuten offenbarte er einige
Ungeduld.
Wo bleibt denn der faule Bursche?'
murmelte er. als od er zornig werden
würde. Er fetzte die Laterne aus den
Fußboden, ging zur Gittcrtbüre und
schrie: Gaspord! He. Gaspard!"
Keine Antwort.
Ter Rasende trat in den Keller.
Blitzschnell erfaßte er da Ei'engittcr.
schob es zu und drehte dann den Schlüs
sei um. den er darauf abzog und in die
Tasche steckte.
Tie beiden Schreckensmänncr Hrtcn
das Geräu'ch.
Was soll daS bedeuten?" rief
Jadin. ..Weshalb schließt Ihr a
hier ein?"
Pierre Michot lachte grimmig. 1is
werdet ihr Unholde sogleich erfahren
Mein Gebieter hat ein Wortchen mit
euch zu sprechen."
tfumel, der IVatlloiuiiner schrie
Laccm'jf. Wie was meint dieser tolle
Mensch? Ist er wahnsinnig?"
Michot verschwand vom Gitter, aber
dort erschien nun der blasse Jüngling,
der seine rothe Jakobinermütze treggc
worsen hatte.
;j) rin Armand de ivumcl, der
Sohn des Guillotinirten" sagte er.
Von innerer Unruh? und Angst ge-
trieben, kam ich von England her über
San Sebastian, um meinen Vater zur
Beschleunigung seiner flucht zu ver
anlassen. Zu spät aber war's. Toch
nicht zu svüt zur Rache! Ihr Mörder
meines Vaters, ihr Räuder meines
Gutes, ihr blutigen Henker so vieler
Unschuldigen, eure letzte Stunde ist ge
kommen! Mein Schloß sollen nun die
Flammen verzehren und euch mit."
Er verschwand.
Lacombe und Jadin stießen ein Ge
schrei des Entsetzens aus. Vergeblich
rüttelten sie an dem festen Eiscngitter.
Es war kein Entrinnen möglich.
Armand de Fumel und Michot war
fcn Reisigbündel und andere Brenn
flösse, auch Pech und Schwefel, die
Kellertreppe hinab, worauf sie nun mit
Fackeln Feuer anlegten. Tann be
gaben sie sich auf Tressans Fischerbarke,
wo Michots Frau sich bereits befand.
Sogleich ging das kleine Fahrzeug
unter Segel nach dem nächsten spani
schen Hafen San Sebastian, wo ein
kleiner englischer Schooner die Flücht
linge erwartete, um sie nach England
zu bringen.
Eine halbe Stunde nach ihrer Ab
fahrt stand Ehateau Margaux in lich
ten Flammen. Von weit her aus der
Umgegend liefen die Menschen zusam
men. doch zu löschen und zu retten war
nicht mehr möglich.. Das Geschrei der
beiden Schreckensmänner im Keller war
längst verstummt. Ter eindringende
Qualm hatte sie erstickt. Und bald
stürzte, nachdem das Gcbälk und die
Sparren verbrannt waren, das Tach
zusammen, die Kellergewölde zerstörend,
so daß alles einen rauchenden Schutt
hausen bildete.
Ta nun Lacombe und Brutus Jadin
verschwunden waren der Sachverhalt
wurde erst später genauer bekannt,
brauchte man in Bordeaux einen ande
ren Revolutioiispräsideutcn und einen
andern öffentlichen Ankläger. Glück
licherweise wurden solche ernannt, die
weniger blutdürstig zu Werke gingen
Ehateau Margaux wurde als Na-
tionaleigenthum erklärt und verkauft
an einen holländischen Spekulanten,
der zunächst die Ländereicn verpachtete,
später aber mit großem Vortheil das
schöne Weingut an eine Kapitalisten
gesellschaft verlauste, in deren Besitz es
sich lange Jahre befand.
Tie Lini kommt nicht.
In der Thcatcr-Ehronik des Wiener
Fremdenblatts wird über die Geistes
gcgcnwart einer Schauspielerin wie folgt
berichtet:
Bahrs Wienerinnen" sind den Dar
stcllcrn des Teutschen Volksthcatcrs in
Wien geläufig; nichtsdestoweniger gab
es bei einer der letzten Aufführungen
eine kleine Entgleisung, die aber, dank
der Geistesgegenwart der Frau Odilon,
vom Publikum nicht bemerkt wurde.
Tie Künstlerin wurde gleichsam auf
Kommando witzig, was keine kleine
Leistung ist. Man denke nur, was ihr
pasfirtc: Im zweiten Akte hat Frau
Odilon-Taisy ihrem Stubenmädchen
zu schellen. Lini, der dienstbare Geist,
hat hieraus sofort zu erscheinen. Aber
Lini kam nicht. Die betreffende kleine
Schauspielerin, der diese Rolle ander
traut war, hatte das Auftrittszeichcn
überhört, und Frau Odilon war nun
auf offener Szene sich allein überlassen.
Ader eine situalionsbewußte Schau
spielerin kommt nicht so leicht in Ver-
legenheit.
Nun, was ist s denn eigentlich mit
der Lini? Kommt sie. oder kommt sie
nicht? Ich habe ihr doch geschellt!" rief
Frau Odilon zur Salonthüre gegen die
Hintcrlhüre hinaus, als ob diese Worte
in ihrer Rolle stünden.
Aber Lini k.'.m trotz dieses Alarm
r::se? nicht. Frau Obn ärgerte sich,
und li.ß nun ihrer wirklichen Mißtt m.
mung freien Lauf, indem sie über die
Unpünktlickileit der Dienstmädchen zn
schimpfen begann.
ES ist doch unglaublich." rief die
Künstlerin auS. was man sich hcutzu
tage mit den Mädchen aussteht! Jetzt
habe ich doch geschellt und der Lini so
gar zur Thüre hinaus nachgerufen.
Ader wer nicht kommt, ist die Lini.
Natürlich, wenn ich sie rufe, da ist sie
nicht pünktlich, aber wenn sie ihren
..Ausgang" hat. da wird sie gewiß
pünktlich sein."
Heiterkeit im Publikum. Frau Odi
lon merkt, daß sie soeben eine Pointe
losgelassen hat: und sie hat eingesla
gen! Die Schauspielerin fühlt plötzlich
Autorenstolz. Sie ist jetzt gar nicht
mehr so döse, daß Lini noch im, ner
nicht ersheint. obgleich ec- eigentlich
dringend nothwendig wäre, denn Frau
Odilon hat gar keinen Tienstboten
Einsall mehr auf Lager. Toch halt!
Ta füllt ihr ein Ercigniß ein. das vor
drei Tagen in dem Tienstpersonale ih
res eigenen Hauses vorgefallen war.
Mit dieser Lini wird e? doch nicht
weiter gehen." suhr Frau Odilon in
plötzlicher Eingebung soat. als sich die
Thüre noch immer richt rührte, durch
die das Stubenmädchen eintreten sollte.
Was hat mir diese Lini heute auch
außerdem angethan, daß sie jetzt richt
kommt! Ich bestelle mir heute Morgen
in einem Konfektionsgeschäft eine ganz
gewöhnliche Hausblouse. für die sie
dcrt im Geschäft zwölf Gulden vulan
gen. Tie schicken mir Nachmittag? die
Blouse in meine Wohnung; der Tiener
aber verlangt 12 sl. 50 kr.
Geben Sie dem Mann nur seine
12 fl. die ausgemacht waren."
Aber, gna' Frau." sagt mir die
kecke Person, wer wird sich dann
w.'gcn einer Krone herstellen? Ta werd'
ich selber auS meiner Tasche für Ihre
Blousen die fünfzig Kreuzer drauf
zahlen!" Abermals schallendes Gelächter im
Publikum. In Frau Odilon e. 'wacht
wieder Autorcnstolz. Sie hatte die
Geschichte um so fließender erzählen
können, als sie dieselbe oft, zuletzt ihrer
Kollegin Glöckner, mit der ganzen Ent
rüstüiig der sparsamen Hausfrau mit
getheilt hatte. Tie geistesgegenwärtige
Schauspielerin benutzte die Momente,
da das Publikum lachte, um über eine
andere Geschichte aus dem Kapitel
Dienstbotenärger" nachzudenken; doch
endlich öffnete sich die Thüre und Lini
kam.
Am liebsten würde ich Ihnen kün
digen!" rief Frau Odilon der erstaun
ten kleinen Schauspielerin zu. denn
ich habe mich über Sie genug geär
gert!" Nun konnte das Stück feinen
Fortgang nehmen.
Wie Shinkstn sterben".
Unlängst brachte unS der Telegraph
die Kunde, daß verschiedene der intelek
tuellen Urheber des Aufstandes in Ehina
sich um's Leben gebracht hätten, oder
doch wenigstens beabsichtigten, Selbst
mord zu begehen. Inwieweit diese
Herren mit ihrem Vorhaben Ernst ge
macht haben, wird wohl jetzt noch nicht
zu konstatiren sein, aber interessant
dürsten angesichts dieser Vorkommnisse
die Mittheilungen sich anhören, die der
chreiber dieser Zeilen von einem lange
auf Mauritius thätig gewesenen Mün
chener Großkaufmann 'empfangen hat.
Ter Betreffende, der dort als Planta
gendesitzer thätig war. lernte dabei auch
die Chinesen näher kennen. Tie Söhne
des Reiches der Mitte" etabliren sich
dort vielfach als Kaufleute. Krämer
und Händler. Sie sind überaus
fleißig, pünktliche Zahler und wissen
dadurch sich oft einen ansehnlichen Kre
dit zu erwerben. Wenn sie diesen dann
haben, erlebt man es nicht selten, daß
man eines Tages den Laden geschlossen
findet, mit einer Aufschrift, der Besitzer
sei gestorben. In Wirklichkeit ist der
Besitzer nur verschwunden und hat den
trauernden Gläubigern das Nachsehen
hinterlassen. Ja. eö ist gar nicht noth
wendig, daß der Betreffende von der
Insel verschwindet, denn durch die
Gleichmäßigkeit der Kleidung und der
bartlosen Gesichter sehen die Chinesen
einander so ähnlich, daß cs dem Euro
päcr oft schwer wird, bestimmt zn be
Häupten, das ist der .V. oder der U..
auch wenn er schon so und so oft mit
ihm verkehrt hat. Wenn also der
Gestorbene" wieder auftaucht und man
ihn bezichtigt, er sei der Bankrotteur,
so wird er ungestraft eine Verwechslung
mit irgend einem Nachbarn vorschützen
können. Nach diesem charakteristischen
Zug wird man wohl kaum fehl gehen.
wenn man annimmt, daß die chincsi
schen Staats-Verräthcr sich nicht in's
bessere Jenseits begaben, sondern sich
einstweilen in eine entferntere Provinz
auf französisch" oder, bester aei'aat.
aus cyinesiscy empsohlcn haben.
Sin Scherz Uhkand's.
Neue Wortbildungen mochte Uhland
wenig leiden. Eines Tages kam beim
Wein die Rede auf diesen Gegenstand.
Einer der Kneipgenofsen erwähnte, in
einein Platen'schcn Gedicht komme
bediadcmt" vor. A ganz wüescht's
Wort." meinte Uhland dem Freunde
gegenüber, der eS vertheidigte. AIs
auf dem Nachhausewege derselbe Freund
mehrere Male stolperte, saatc Ubland
gemüthlich: Tu bischt wohl bcdia-duselt?"