Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 17, 1901, Image 9

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Z-
05cfitncu.
'JioOfUtUf ooii VUuit X'ti-Mt ?';oot.
.(Huf frohe Nachricht. Mein? Frau,
tief der Regierunqs und sbamatt)
Hiiitzk. ins Zimmer tretend, seiner ihn
schon sednsüchlia erwartenden (Gattin
zu. .Ich bin nach P. versetzt, an die
Oberrechnungskammer. Was" sagst du
denn dazu. Schad?
Die kleine ffrau erhob sich langsam
von ihrm Fensterplatz und trat auf
hren Mann zu. aus dessen IKienen
snudigste Erregung sprach. Ich weiß
nicht. lieber Ernst." entaeanete ie bc
klommen, .mir ist nicht sroh zu Muth
dabei. Wir sind so glücklich hier in .,
mir ist. als könnte eS andersten.) nie
- mehr so schön und so traulich sein, als
ließen wir das ganze große Glück hier
zurück.-
.Kleines Schäfchen," schult der Bau
rath jetzt scherzend. Wer wird so
thöricht sein. Hängt denn das (lück
an einem bestimmten Ort oder ists
etwa nur in diesen Wänden heimisch f
Dann würS nicht weit damit her. Unser
Glück, mein Lorchen, tragen wir im
feenen, Acukcrlichkeiten können dem
gottlob nichts anhaben. Und gilt dir
die Beförderung eines Mannes denn
nichts: rau Te'partcmcntöröthin klingt
doch recht gut."
Du darfst mir nicht zürnen, Ernst."
bat die kleine, kaum neunzehnjährige
$rau. Ich bin nun einmal fern scsz
Hasser Natur und muß mich an das
häufige Persctztwerden erst gewöhnen.
Vcwiß freut mich deine Beförderung
sehr, aber erzähle doch, wie iftS damit
nd was wolltest du mit der Teparte
entsrüthin?"
Setze dich her, Lore, und laß dir
erzählen," begann der Baurath vcr
nügt. Heute früh, als ich mich eben
nschickte, an meine Arbeit zu gehen,
läßt mich der Präsident rufen und
zeigt mir an, daß man mich auscrsehcn
bade, eine Rcvisorstclle in P. zu beklei
den, das heißt vorläufig probeweise.
Die spätere definitive Anstellung er
folgt nach Jahresfrist. Gehalt bedeu
tend höher wie hier, Titel: Dcparte
mcntsrath und so weiter. Bist du nun
endlich froh?
Bon Herzen lieber Ernst." versicherte
die Baurähin eifrig. Wann mußt du
in P. eintreffen."
Sofort, das heißt in etwa acht
Tagen muß ich dort sein," war die
Antwort.
Wag soll denn aber aus unserem
Hänschen werden?" fragte die kleine
Fraa erschreckt. Bedenke doch, er ist
kaum sechs Monate alt und wird sich
bei der Ucbcrsirdlung mitten im Winter
erkälten."
So bleib mit dem Jungen hier
lind warte den Frühling ab," entschied
der Baurath nun mit verfinstertem
Gesicht.
Er stand auf und ging mit großen
Schritten im Zimmer auf und nieder.
Du gefüllst mir heute nicht, Lore,"
sagte er nach einer langen Pause. So
überdenklich kenne ich dich noch gar
nicht. Du solltest dich doch freuen und
größeren Antheil zeigen an dem Vor
wärtskommen. Statt dessen vergällst
du mir die ganze Freude."
DaS wollte ich nicht, Schatz," ant
wartete sie, von seinem Vorwurf be
troffen. Bcrzeihe nur, eS war die erste
Ucberrafchung, du wirft gewiß kein un
frohes Wort mehr von mir hören.
Warte einen Augenblick." Damit ent
eilte sie, ihm einen liebevollen Blick zu
sendend. Sieh dir deinen Jungen an."
nahm sie zurückkehrend das Wort, den
kleinen Buben vorsichtig von ihren
Armen in die des Vaters hinüberglei
ten lassend. Der Hans hat heute zum
ersten Male gelacht, als ob er wüßte,
welch' glücklichen Tag sein lieber Vater
hat. Lache wieder, mein Herzens
sind." Besänftigt und gerührt zog der Bau
rath sein Weibchen an sich. Bist doch
ein herziger Schatz, Lore, und das mit
dem Hierbleiben vorhin war nicht mein
Ernst. Was finge ich wohl in P. an,
ohne dich und dem Hanfe! Den packen
wir bis an die kleine Stulpsnase in
Watte ein und dann müßt'S doch mit
dem Kuckuck zugehen wenn ihn dann
noch ein Lüftchen treffen sollte."
Die Uebcrsiedlung des jungen Ehe
paares verlief programmgemäß. Hintze
arbeitete sich schnell und gewandt in
sein verantwortliches Amt ein und auch
Frau Lore i fand, daß eS sich in P.
wohl leben lasse, zumal die Wohnung,
welche der Baurath gemiethet hatte,
ihre weitgehendsten Erwartungen noch
übertraf.
Der Winter war dem Frühling ge
wichen, die schöne Umgebung der Refi
denz deS Königshauses lud zu nahen
und weiten Ausflügen ein und Hintzes
hatten, nachdem ein halbes Jahr der
gangen, die frühere Heimath fast der
gessen und sehnten sich in keiner Weife
fort.
Nur ein3 bekümmerte die junge Frau
und ließ sie zuweilen zurückdenken, das
war der Umstand, daß sie so wenig von
ihrem Gatten hatte. Ernst Hintze war
wirklich stark beschäftigt. Sein neuer
Dienst brachte eS mit sich, daß er ver
fchiedene Kassen zu revidiren hatte, eine
ihm bis dahin neue und fremde Be
fchäftigung. Mit ihm zugleich nahm
einer seiner Vorgesetzten an dieser
Arbeit theil. Für gewöhnlich fand die
Revision in bestimmten Zwischenräumen
statt.
Eines schönen TageS kehrte Hintze
ärftimmt und müde nach Hause.
Ml
Jahrgang 21.
Ein ärgerlicher Zwischenfall." sagte
er zu seiner Frau. Läßt da heute
unser Kasscnrendant. der einen höchst
verantwortlichen Posten inne hat, sich
lrank melden und um Vertretung bit
ten. Dabei vergißt der schlaue Patron
natürlich die Schlüssel und für heute
ist's nichts mit der Vertretung. Mor
gen ist Sonntag und ich habe am
Montag früh da? Vergnügen einer
außerordentlichen Revision. Als ob
man nicht ohnedies genug zu schaffen
hatte."
Tröste dich. Schatz." redete Iran
Lore zu. die Ürlaubszeit steht vor der
Thür, dann kannst du endlich aus
ruhen. Ich sehne mich auch danach,
wieder mehr meinen Ernst zu haben;
den Hanscmann siehst du kaum noch."
Haft Recht. Frauchen." bestätigte
Hintze. .Aller Anfang ist schwer, das
habe ich auch hier wieder erfahren. Die
besseren Zage kommen und du wirft
mich in Zukunft nicht mehr so oft ent
kehren müssen."
Am Montag wartete die junge Frau
vergeblich auf ihren Gatten. Stunde
um Stunde verging, die Mittagszeit
war langst vorüber und Lore faß in
banger Angst am Fenster. Was mochte
vorgefallen fein? Endlich, der Abend
dämmerte fast und ihre Angst erreichte
den Höhepunkt, da sah sie ihren Gatten
um die Ecke biegen. Er ging langsam,
wie ein tief Ermüdetcrund wie er näher
kam gewahrte sie, daß sein Gesicht bleich
und verfallen aussah. Kaum noch tru
gen die bebenden Füße die junge Frau,
die wankend dem lang Ersehnten ent-
gegenschritt.
WaS ist geschehen, wie siehst du
denn aus, Ernst?" entrang es sich von
ihren Lippen.
Der Rath antwortete nicht. Müde
sank er in seinen Stuhl und trocknete
die heiße Stirn.
Was ist dir. Ernst, sag mir's, ich
bitte dich." flehte Lore.
Die Kasse ist bestohlen, und Lud
berg, so heißt der elende Schuft, ist auf
und davon," berichtete Hintz mit dum-
pfer Stimme.
Ist eS nur das." rief Lore wie er-
löst, das ist ein Unglück, was nicht fo
schwer' zu ertragen ist. Ich kann ver
stehen, daß es dich ergreift und ärgert.
allein damit ist's auch genug. Dich
trifft doch keine Schuld."
Das denkst du, mem armes Weib."
antwortete er trübe. Ich kenne Leute,
die eine andere Auffassung haben und
ich fürchte." fuhr er fort, sie werden
einen Sündenbock suchen und leider
auch zu finden wissen."
Was willst du damit sagen?" ent-
gegnete sie erbleichend.
Daß inan bereits beginnt, mir
Vorwürfe zu machen. Ich hätte am
Sonnabend nicht ruhen, nicht rasten
sollen, die Schlüssel herbeizuschaffen.
die sofortige Revision vorzunehmen
und was weiß ich. Es ist zum Toll
werden." .Und dein direkter Vorgesetzter, der
Oberbaurath?" fragte Frau Lore er
staunt. Warum macht man ihm nicht
den gleichen Vorwurf?"
Das verstehst du a mcht," entgeg-
nete er. Ein Sündenbock muß da
sein, vorläufig hält man sich an mich.
Wenn nur der Schuft, der Lundberg,
noch einzuholen ist. Er war nicht mehr
zu fassen. . Den Vorsprung von zwei
Tagen hat er zu gut benutzt. Es stellte
sich heraus, daß in der Kasse die statt
liche Summe von 60.000 Mark fehlte.
ein Umstand, der großes Aufsehen, aber
noch größere Entrüstung hervorrief.
Der Kassenrendant, bisher gut beleum-
det und lange Jahre in seiner Stel
lung. war von niemand beargwöhnt
worden und hatte noch nie zu außer-
ordentlichen Revisionen Veranlassung
gegeben. Im Gegentheil befanden sich
seine Bücher m fo musterhafter Ord-
nung, daß ein Verdacht als höchst ab
surd erschienen wäre. Die Recherchen
brachten wenrq neues. Der Flüchtling
war und blieb verschwunden. Natürlich
war die Sache sofort höheren Orts an
hängig gemacht, und wie der Baurath,
dem sein neuer Titel erst nach besinnt
ver Anstellung zukam, vorausgesehen,
nahm die Sache für ihn einen ungün
stigen Verlauf. Er wurde in eine
Disziplinarvoruntersuchung verwickelt
und vorläufig vom Amt suspendirl.
Grübelnd verbrachte er unthätig die
Tage, immer noch hoffend, der De
fraudant werde sich noch finden lassen.
Eitle Hostnung, nicht einmal eine Spur
ließ sich verfolgen. Endlich entschied
man im Finanminifterium folgender
maßen: Da anzunehmen, daß bei
größerem Pflichteifer der Herren Revi
soren die Tfraudat!on. wenn auch
vielleicht nicht ungeschehen, so doch
durch Jnhaftirung des Thäters in
ihren Folgen für die Staatskasse n-
Niger, ooer woyt gar lem chaoen
erwachsen wäre, so seien die beiden
genannten Herren zum Ersatz anzu-idton."
Sonntagsgast.
Beilage zum Ncbraska Staats-Anzeiger.
Das war eine Hiobspost. Was half
es dem armen Baurath, daß er nicht
der alleinige Sundenbock, daß sein Ge
schick auch das seines Vorgesetzten war.
Die arme Lore litt schwer unter der
Gemüthsftimmuiig ihres Gatten, die
sich von Zag zu Tag steigerte. Auch
der Umstand, daß er vereint mit dem
Oderbaurath gegen das harte Urtheil
Berufung einlegte und, da die einfache
Vorstellung erfolglos blieb, einen Pro
zeß gegen den Fiscu? anstrengte, der
Aussicht auf günstige Lösung bot.
stimmte ihn nicht milder gegen sein
Geschick. Er hielt sich allen Ernstes
für einen, vom Schicksal mit ungerech
ter Härte Behandelten und vergaß
darüber alles, was er sonst noch befaß,
sein holdes Weib, den blühenden Kna
den und seine gesunde, frische Arbeit--kraft.
Ter Prozeß zog sich in die Länge,
bei der Oberrechnungkammer konnte er
keine weitere Verwendung finden, seine
frühere Stelle war lange besetzt und so
mußte der unglückliche Mann zu den
Aufregungen des schwebenden Prozesses
noch die gezwungene Unthütigkeit mit
in den Kauf nehmen. Endlich kam ein
Vergleich zu stände. Der Fiskus er
klärte sich zufrieden, wenn beide Herren
die Summe von zehntausend Mark der
Staatskasse zum Ersatz überweisen und
alle weiteren Schritte unterlassen wMU
ten. Da die Anwälte dringend riethen,
den Vorschlag anzunehmen, so erklärten
sich Beide einverstanden, das Geld
wurde bezahlt und über die ganze hüß
liche Affüre konnte nun ungestört das
GraS wachsen.
Allein der Baurath ging aus dieser
Angelegenheit als ein gebrochener Mann
hervor. Vergebens beschwor ihn seine
Frau, die traurige Zeit zu vergessen,
vergebens bat sie ihn, die wegen seiner
Neüanstellung nöthigen Schritte zu
thun. Er wollte nichts hören und
nichts sehen, schloß sich von allen Mcn
schen ab und lebte fast wie ein Einsied
ler. Hätte nicht schließlich die Noth
gedrängt, von selber hätte er keinen
Schritt zur Aenderung seiner Lage un
ternommen. Gedrängt von seiner Frau, die in
dieser Zeit ihre edelsten Eigenschaften
entfaltete, bemühte er sich schließlich
um eine städtische Stellung, als Kreis
dauinspektor, die er erhielt. Froh, P..
welches er mit so großen Hoffnnngen
betreten, verlassen zu können, bereitete
er den Umzug vor, still, in sich gekehrt,
lebensmüde. Die arme Frau hoffte,
in dem neuen Wohnort werde ihr
Mann die alte Arbeitsfreudigkeit wie
der finden und mit ihr die Fähigkeit,
sein häusliches Glück, das ihm' doch
ungeschmälert blieb, auf's Neue zu ge
nicßen. Sie hoffte umsonst. Nur
ein Gedanke lebte in der Seele ihres
Gatten, nur ein Wunsch beherrschte
ihn. Der Wunsch nach Rache, Rache
zu nehmen an dem Elenden, der ihm
sein Glück gestohlen, das hielt ihn allein
aufrecht.
Die Jahre vergingen für den Kreis
dauinspektor in steter Arbeit und
trübem, in sich zurückgezogenen Leben.
Sein Trübsinn hatte sich so gesteigert,
daß er kaum noch ein Wort, einen Blick
für seine ihn treu umsorgende Frau
übrig hatte, die an seiner Seite dahin
siechte in nie endendem Herzweh um ihr
verlorenes Glück.
Auch für den Sohn, der sich geistig
wie körperlich gleich günstig entwickelte,
zeigte der Vater wenig Interesse; der
Rachedurft allein blieb stets derselbe in
ihm. Alljährlich reifte er nach Ham
bürg, stets von derselben Hoffnung be
seelt. Er durchforschte die Schiffs
listen, trieb sich am Hafen umher,
machte die Bekanntschaft mit Kapitänen
und Steuerleuten, immer in dem einen
Gedanken, auf diese Weise eine Spur
de? verschollenen Lundberg zu finden.
An Leib und, Seele matt und enttäuscht
kehrte er dann nach wenigen Wochen
heim. HanS wuchs indessen heran,
ftudirte Medizin und stand als wohl
bestallter Doktor eineS Tages vor der
Frage, wohin er übersiedeln solle. Die
kleine Stadt, in der die Eltern lebten,
lockte ihn nicht, gegen die Großstadt
äußerte der Vater gerechte Bedenken, da
entschloß er sich kurz, nahm eine Stelle
als Schiffsarzt an, die sich ihm bot und
kam nach Japan: Dort winkte ihm das
Glück. In Yokohama, woselbst sich
eine deutsche Kolonie gebildet, ließ er
sich nieder und hatte bald Beschäftigung
vollauf. Nach Hause zog es ihn nicht,
die arme Mutter endete bald nach sei
ner Abreise ihr freudearmes Leben, der
Vater brauchte ihn nicht, folglich be
fand er sich recht wohl im fremden
Lande, wo man ihm allerorten freund
lich entgegenkam. Er lernte in der
Familie eines Deutschen die Tochter
kennen, ein Mädchen von großer, fast
berückender Schönheit. Die Mutter
sollte wie man ihm erzählte, eine
Spanierin gewesen sein. Woher der
Vater kam, erfuhr er nicht, daß er ein
Deutscher, verrieth ihm die Tochter, er
selbst schien ungern daran erinnert zu
werden. Nur anfangs schien er sich
für den iiingen Arzt zu intcressiren, er
fragte, wie es Hans später schien, mit
sonderbarer Hast nach seinem Vater.
Die Antwort befriedigte ihn äugen
fcheinlich. Ter Kreisinspcktor aus H..
der dort ein Menschenalter zugebracht,
intercssiite ihn scheinbar nicht im Min
Besten. Hans, der als Geburtsort B.
und Wohnort X. angab, vergaß die
Zwischeiistation in P. vollständig, ob
mit. ob ohne Absicht, hätte er selbst
nicht sagen können.
Seine Bekanntschaft mit Mercedes
Hillberg, so hieß das schöne Mädchen,
wurde immer inniger, sein Hcrz er
glühte bald sür die Schöne in heißer
Liede und auch da ihrige neigte sich
ihm zu. Bald stand ein junges Paar
vor dem erstaunten Vater, der seinen
Segen zwar nicht eben gern, aber doch
schließlich nothgedrungcn gab, da er
dem einzigen Kinde nichts abzuschlagen
vermochte. Der Hcirath stand nichts
Ernstliches im Wege, da auch der Kreis
dauinspektor seine Zustimmung er
theilte. Es schien dem jungen Doktor,
als athme der Brief feines Vaters
zum ersten Mal eine leise Sehnsucht
aus und schnell war sein Entschluß ge
faßt. Mit seiner jungen Frau wollte
er hinüber, den einsam gewordenen
Vater an seinem Glück theilnchmcn
lassen. Mercedes war erfreut; das
Land zu sehen, dem ihr Vater ent
stammte, war längst schon ihr Wunsch,
der einzige, der dem verwöhnten Kinde
des Reichthums bis jetzt vom Vater
hartnäckig versagt worden war. Hill
berg zeigte sich zuerst ungehalten und
schließlich kam er mit dem Entschluß
heraus, die Reise mitzumachen. Un
verweilt wurde sie ins Werk gesetzt und
nach der festgesetzten Zeit landeten
unsere Reisenden in Deutschland, den
alten Hillberg hatte die Seefahrt ange
griffen, krank und elend betrat er den
Boden seines alten Vaterlandes. Wider
alles Erwarten verschlimmerte sich sein
Zustand, so daß Hans in große Sorge
gerieth. Er konnte sich die drohende
Gefahr nicht länger verhehlen. An eine
Weiterreise konnte unter diesen Um
ständen nicht gedacht werden, nicht für
eine Stunde mochte Mercedes den Kran
ken verlassen.
Der Baurath, den die Sehnsucht nach
seinem Einzigen ernstlich erfaßt, ent
schloß sich, dem jungen Ehepaare bis
Hamburg entgegen zu fahren, da eine
längere Dauer des Aufenthaltes dort
für dasselbe unvermeidlich schien. Das
Widersehen zwischen Vater und Sohn
war ein ergreifendes, mit Schmerz er
füllte es den ersteren, Hans bis hierher
nur wenig Vaterliebe entgegengebracht
zu haben, wenn möglich wollte er dies
noch jetzt in elfter Stunde nachholen.
Die schöne Mercedes gewann im Sturm
sein altes Herz. Mit Hellberg stand es
schlimmer; die zugezogenen Aerzte er-
klärten, nur tagelang könne der schwer
Erkrankte noch leben. Trotzdem wollte
Hintze den Vater seines Töchterchens
noch sehen.
Von Mercedes geführt betrat er das
Krankenzimmer. Ein Blick auf das
Bett und mit dem Aufschrei Lund-
berg" sank er vor demselben nieder.
Mühsam schlug Hillberg seine Augen
auf. Der Baurath," stammelte er
Verzeihung. Die Rache ist mein
dann sank er todt zurück.
Xin erster Karpfen.
Ich war eben siebzehn Jahre alt und
seit fünf Monaten Ehefrau, man
kann nicht verlangen, daß ich in dieser
kurzen Zeit schon eine perfekte Köchin
und Hausfrau geworden; denn ich hatte
meinen Mann fortwährend auf seinen
Kunftreisen begleitet und war noch nicht
dazu gekommen, eine ordentliche Tasse
Thee .kochen" zu lernen.
Zum neuen Jahr wollten wir die
alten Eltern im Mecklenburger Land
ftüdtchen besuchen; ein wirbelnder
Schneefturm, der uns von Holland bis
Hamburg begleitete, hielt unsere Reise
auf. In Hamburg machten wir Halt
und beschlossen, trotz des morgigen
Neujahrsfestes, uns einen Rasttag zu
gönnen, da der Verkehr zwischen dem
Heimathsftädtchen und dem weit ent
fcrnt liegenden Bahnhof durch den
Schneefturm doch jedenfalls unterbro
chen war.
Ein lieber Zufall führte in unserem
Hotel einen Jugendfreund mit uns zu
sammen, der ebenfalls durch des Wet
ters Tücke hier zu unfreiwilliger Raft
genöthigt war. Einsam in der fremden
Stadt, bat er. sich uns anschließen zu
dürfen, und ihm zu Liebe gaben wir
unsere holde Zweisamkeit" für den
Abend auf.
Am Nachmittag sagte mein Mann:
Jahre find vergangen, seit ich am
Sylvestcrabend Karpfen gegessen habe;
schade, daß es hier unmöglich ift!"
Unmöglich? . Was dünkt einer sied. I
No.
zehnjährigen Ehefrau unmöglich! Wir
wohnten in keinem Prachthotel, sondern
in einem kleinen bürgerlichen Gasthaus,
in welchem mein Gatte schon seit seiner
Jugendzeit Stammgast war; ich ver
fländigte mich mit dem Wirth und der
netten Wirthin und kam triumphircnd
zu meinem Mann zurück. -
Viktoria! Heut' Abend bekommst
Tu Karpfen, die ich gekocht bade!
In Bier?" fragte mein Mann.
Natürlich: ich kaufe sie selbst, koche
sie selbst...."
Sttß'sauer. versteht sich, und eine
Bowle gibt eS auch!"
Küsse, Bewunderung und Echmei-
chelworte regnete cS förmlich auf mich
herab: aber es wurde spät, fast fünf
Uhr; ich steckte Geld zu mir, ließ die
beiden Herren bei einer Partie Schach
zurück, und Hanncs. den Laufburschen
des Hotels, an meiner Seite, machte ich
mich, trotz Schnee und Eis. vergnügt
auf den Weg.
Bald war Mes eingekauft. Fröhlich
und flockenbedeckt kam ich im Hotel an.
Ich eilte sofort in die Küche, setzte meine
Kostbarkeiten in eine Ecke, zog den Pelz
aus, band die Riesenküchenschürze der
dicken holsteinischen Küchenmagd vor
und begann Wasser in einer Kasserole
aufzusetzen. Die Hamburger Köchin
des Hotels, Fräulein" Miunchcn. der
ich in der Küche mit meiner Karpfen
kocherei sehr im Weg zu sein schien,
fragte so über die Schulter hin:
Wozu will Madame denn das heiße
Wasser haben? Unsere Töpfe find rein,
die braucht Madame nicht erst auszu
kochen." Ach nein, Fräulein, ich will ja nur
die Karpfen waschen!"
Aber mit heißem Wasser! Sie sind
wohl Man wäscht sie überhaupt,
wenn sie ausgenommen sind, nur unter
lausendem Wasser, das Beste geht ja
sonst verloren."
Ich schwieg, legte den größten Kar-
pfen auf den Block und begann ibn ab-
zuschuppcn.
Fräulein Minnchen schrie laut auf:
Aber, um Gotteswillen den leben
digen Fisch."
Ich war entfetzt, er war wirklich le-
bend! Bei uns kamen nur ttfdte Fische
auf den Markt, und ich hatte doch aus
der Naturgeschichte gelernt, daß die
Mische sogleich sterben, wenn sie aus dem
Wasser genommen würden; dieser war
mindestens schon 20 Minuten draußen
und zappelte noch! O, die dumme Na
turgeschichte! Nun versuchte ich. ihn
durch Schläge mit dem breiten Messer
aus den Kopf zu tödten und würgte an
ihm herum umsonst, er war nicht
umzubringen!
Fräulein MinnchcnS Gutmüthigkeit
siegte endlich doch über ihre Schaden
freude, und sie rief mir zu: Sie mfif.
sen ihm im Schwanz einen Schnitt
machen!
Ich machte den Schnitt gottlob, er
hauchte sein junges Leben aus! Sein
Leidensgefährte hatte sZ nach dieser
Hinrichtung bedeutend besser; ich fühlte
mein Selbstbewußtsein wieder erwachen,
und als die Köchin hochmüthia sagte:
Karpfen werden nicht geschuppt!" ent
gegnete ich ebenso hochmüthig: Bei mir
werden sie geschuppt!" Und ich Un
glückliche schuppte sie! O, diese Riesen
arbeit! Endlich waren sie uusgenom
men, gewaschen, auf Peterfilienwurzel
in dem Topf geordnet, Essig. Bier und
Gewürze daran gegeben; eS ging Alles
gut. Fräulein Minnchen mochte beim
Anblick meiner blutenden Finger wohl
denken, ich hätte genug gelitten, und
nahm sich der Mischung an; sie schäumte
sie, als ,ch es vergaß, und hob die
Fische vom Feuer, ehe sie zerfielen. Ich
ordnete sie auf einer Schüssel mein
malerisches Talent wenigstens kam da
bei zur Geltung. der Kellner hatte
inzwischen gedeckt, brachte die Kartoffeln
und Preißel beeren, und ich kam trium
phirend mit meinen hin- und Hergerich
teten Karpfen zur Tafel, die mit einer
Flasche Rheinwein der Fische harrte.
Die Karpfen waren gut. ausaeich-
net! Mein Gatte schwelgte und lobte
besonders mem großartiges Verständ-
niß, weil ich die Thiere geschuppt hatte;
er konnte beim Essen kein Hinderniß
leiden, und wenn es möglich gewesen
wäre. Fische ohne Gräten zu bereiten,
so hätte ihm das noch besser gefallen.
Hingegen regle es mich aus, daß er so
viel in der Sauce hcrumlöffelte ein
unangenehmer alter Hausfreund, der
m sommer immer nach Fliegen in sei-
ner Suppe fahndete, fiel mir dabei ein
ich fragte endlich: Suchst Du was.
mein Herz?"
Ja. mein Herz, ich suche denRogen."
Aber mein Herz, er hatte keinen
Rogen."
so. mein Herz, wo ist denn der
Milchner?"
Aber er hatte auch keinen Milchner.
mein Herz."
Ader, IicbeZ Kind, er muß doch
entweder ;Sra.en rder Milchner aeh.'.dt
hiden!"
Und ich faae Tu. liid'ies Herz, er
hatte nicht?. Tu scheinst z glauben,
i jeder Fi'etj muß so et:ra5 haben "
l Min Gatte fimiea. unser brennn
sagte beruhigend: Vielleicht halten sie
gerade gelaicht!"
Wahrscheinlich!" rief ich erlöst.
Mein Mann lächelte heimlich: Im
Dezember!"
Eine unheimliche Pause folgte, da
öffnete sich die Thür und Fräulein
Minnchen kam mit einer kleinen dam
pfenden Schüssel herein, die sie kokett
auf den Zisch setzte.
Madame hatte den Rogen und den
Milchner vergessen: ich fand ihn noch
rechtzeitig, ehe die Katze ihn holte, und
bade ihn nur in Ealzwafser abgekocht.
Sie haben ja Sauce dazu!"
Sprach's und verschwand. Ich brach
in Zhränen aus. Nun ivar es gar ein
Rogener und ein Milchner gewesen.
.Ich habe das für Eingeweide gehal
ten." stammelte ich schluchzend.
Ach, mein Mann war ja so gut: er
bat mich ob meiner Dummheit förmlich
m Entschuldigung.
Na. natürlich, mein Hcrz, wie konn
test Tu das wisse,,!"
Tie dummen Karpfen! Noch im Tode
blamiren sie mich.
Und ich will es nur gestehen, mein
ersten Karpfen find bis auf den heuti
gen Tag auch meine letzten gewesen.
Rur einmal im Vtttu steig man i
die roth, Sänfte.
Die chinesischen Madchen aus guter
Familie, so lesen wir in der Allgemei
nen Zeitung", werden, wie bekannt,
schon in zarter Jugend verlobt. Dabei
spielen Familienrücksichten und Peru
niüre Erwägungen die Hauptrolle, ja
die ausschließliche Rolle die Liebe hat
gar kein Wort mitzureden. Auch ift
die Braut für den Lräutigam bis zum
Hochzeitstage geradezu unnahbar. Erst
wenn sie das Elternhaus mit dem deS
künftigen Gatten vertauscht, tritt sie
ans ihrer Abgeschlossenheit heraus, und
die junge Frau zieht die Aufmerksam
leit Aller auf sich. Es ift für sie ein
Tag des Triumphs: In einer Sänfte,
die mit Purpur ausgcschlagen und mit
rothen Guirlanden geschmückt ist, em
pfängt sie die Huldigung der Vorüber
gehenden, die bei ihrem Erscheinen
stehen bleiben und sich vor ihr vernei
gen. Sie hat an ihrem Ehrentage den
Vortritt vor den Mandarinen unm
höchsten Rang, selbst vor den Mandari-
nen mit dem vryftallknopse. Aber nie
mehr im Leben wird der jungen Frau
solche Huldiauna daraebrackt: man
unterläßt sie Wittwen gegenüber, die
sich wieder verheirathen; sie sind in den
Augen der Chinesen solcher Ehrung
unwürdig. Daher lautet ein ckineft-
sches Sprichwort: Nur einmal im-
Leben steigt man in die rothe Sänfte."
Ter groke Reisend" Mamb,.
Eine Ncaer-Keschickte er,ttllt Rn-
mann in seinen Afrikanischen Skiz-
zen". vle Geschichte von dem großen
Reisenden" Mambo. der. nickt w?it
vom Gestade des Victoria-Nyanza ge
boren, in unbezähmter Abenteuerluft
bis Zanzibar wandert, dort in die
Sklaverei geräth, endlich seine Freiheit
und seine Heimath wiederfindet und
nun den ganzen Stamm durch die Er
Zahlung seiner Abenteuer in athemlose
Aufregung versetzt. Als sprechenden
Beleg für das Großartige. Wunder
bare, das er erlebt hat, hat er einen
höchst merkwürdigen, hohen, glänzenden
Hut mitgebracht, den man ganz in sich
selbst verschwinden und mit einem
Knall wieder erscheinen lassen kann,
natürlich einen alten Chapeau-Clague.
Diesen Hut hat Mambo, wie er behaup
tet, von dem Admiral der Flotte des
großen Salzwasser-Nyanzas so nen
nen die Neger das Meer zum Lohn
für seine erschrecklich großen Dienste er
halten und auf den Grund des Zauber
Hutes hat der Admiral sein heiliges
Siegel in goldenen Schriftzügen ge
drückt. Dieses Siegel blieb lange Zeit
ein als ehrwürdig angestauntes Räth
sel, bis es einem zufällig nach Usumda
gerathenen Zögling der benachbarten
Mission gelang, die Inschrift zu entzif
fern. Sie lautete: Faon de Paris".
Anno 15i0.
Die älteste Besuchskarte, von welcher
die Welt Kenntniß hat, befindet sich,
wie aus Venedig mitgetheilt wird, in
dem dortigen Staatsarchiv. Vor mehr
ajä drei Jahrhunderten wurde sie, so
lösen wir in der Nordd. Allg. Zeitung,
von dem damaligen Professor an der
Universität Padua. Giacomo Eonta-
rini als Kuriosität an einen venetiani-
schen Nobile gesandt. In dem sie be-
gleitenden Schreiben erklärte der Ge
lehrte, daß die deutschen Studenten,
deren Wissensdurft sie in Schaaren die
Alpen übersteigen ließe, die lobens
werthe und noble Gewohnheit besäßen,
diese mit ihrem Namen und Wohnorte
versehenen neuartigen Pergamentblatt
chen in den Wohnungen ihrer Freunde,
falls sie selbige nicht anträten u hin
terlassen. Die fragliche Visitenkarte
weist ein Wappenschild mit dem Motto
auf: .Die Hoffnung erhält mich auf
recht." Als ihr Besitzer legitimirt sich
der im März des JahreS 1560 zu
Paoua oem stuoium der Rechte ob
liegende Johannes Wefterhof aus West
falen. Sich nicht rächen, kann auch ei
Rache fein.
mm