Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 10, 1901, Image 10

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    Der gckimmyrolle remJc.
Eine unhil:che "cichichic ton H, Äöatt;
Am Honorativrentüche der Gel
denen Krone" saß Herr Spoihcker Bis
bemann in Erwartung der Tinge
d. b. der Stammgäste, die da kommen
sollten. TaS Herrenzimmer der .Krone
tvar in Anbetracht der frühen Stunde
es battk eben Acht geschlagen noch
s leer wie die blitzblanken Stamm
seidel. die auf dem Honoratiorentische
an den altgewohnten Platzen ihrer 2k
fitier harrten nur an dem in nächster
?ictbe der für W Stammgäste rejervir
ten Tafel benndllchen Tischchen tatz ein
sam ein elegant und modern gekleideter
Fremder, ein Herr von sympathischem
AeuKern. mit wohlfrikrten, dunklem
Haar, schwarzen, blitzenden Augen, ge
boaener Nase, blassem, distinguirtem
Ge ficht, weißen Zähnen und martiali
schern Schnurrdart. Herr Apotheker
Biedermann informirte sich über alle
diese Qualitäten bei fremden mit der
Sorgfalt eines Kleinstädters, obgleich
er sich den Anschein gab, als bemerke er
ihn gar nicht, denn eS vertrug sich nicht
mit seiner Würde als Großdürger deS
Städtchens und Mitglied der Gemeinde
regierung, von der Existenz jedes xbclie
bigen Sterblichen Notiz zu nehmen.
obgleich er innerlich vor Reagier ver-
ging und gar zu gern gewußt hätte,
wer der Fremde sei, woher er komme,
und was er am Orte zu schaffen hvbe.
Gelangweilt tchaute der Fremde zu
ihm hinüber, endlich sagte er, auf sein
Glas deutend, das er sich soeben wieder
frisch hatte füllen lassen, mit bewun
dernder Miene:
Ein köstlicher Stoff, wie? Hiesiges
VjjT
"Der Apotheker machte sich steif, sah
mit hochfahrender Miene den Tisch an
uud schien nichts zu hören und zu
sehen.
Ueber die Züge des Fremden glitt
ein spöttisches Lächeln. Eine Weile saß
er ruhig da,' als sei kein Laut aus fei-
nem Munde gekommen. Plötzlich schien
er emen tznl cyluk getakt zu haben, er
wandte sich nochmals zu dem Apotheker
am Honoratiorentische, verbeugte sich
lächelnd, hob das Glas achtungsvoll
gegen ihn auf und rief:
Auf Ihr Spezielles. Herr Apothe-
ker! Darf ich fragen, wie sich Ihr Fräu-
, lein Tochter befindet?"
Der Apotheker, eben im Begriffe, sich
entrüstet zur Seite zu kehren, stutzte,
drehte sich halb nach dem unbekannten
Gaste um, blickte ihn verdutzt an und
fragte erstaunt:
Woher kennen Sie mich denn?"
vei gremoe zeigte lym von neuem
sein überlegenes, ironisches Lächeln.
j, ich renne i&ie ganz gut," er
widerte er freundlich.
Sind wir einander vielleicht schon
begegnet r
Meines Wissens sehen wir uns zum
ersten Male.'
Oder haben wir etwa korrespon
dirt?" Auch nicht."
Hm so sind Sie hier bekannt?"
Durchaus nicht ich komme direkt
von Berlin, bin vor eine? halben
Stunde erst eingetroffen und weile zum
ersten Male innerhalb Ihrer verehrten
Mauern.'
Der Apotheker zog eine Grimasse der
Ueberraschung.
Aber Sie fragten mich doch mich
meiner Tochter?" sprach er neugierig,
als der Fremde, ohne das Gespräch
fortzusetzen, sich wieder seinem Glafe
zuwandte.
Ach ja, nach Fräulein Amalia
wie geht es ihr?"
Danke." knurrte der Apotheker.
Kennen Sie denn meine Tochter?"
Bedaure. habe nicht die Ehre."
Dann begreife ich aber doch nicht,
-woher Sie die Kenntniß ," der Apo
theker starrte befremdet auf den Unbe
kannten. 0, ich könnte Ihnen noch viel mehr
sagen."
Aber Sie kennen mich doch nicht."
Ich kenne alle Menschen. Wollen
Sie mir einmal Ihre Hand erlauben?"
Biedermann reichte sie ihm voll ge
gespannter Erwartung. Der Fremde
hielt sie einige Augenblicke stumm in
der feinen, dann nahm er in halblau
tem Tone das Wort: j
Ihre Frau Gemahlin ist krank
schon lange Jahre das ist beklagens
werth. Ihr ältester Sohn ist In.
genieur. der jüngere Kaufmann Ihr
Fräulein Tochter hat sich verlobt o,
sie ist eine gute Partie". Kriegt zwan
zigtausend Mark auf einem Brette mit
haha."
Der Apotheker sperrte in wahrem
Sinne deS Wortes Mund und Nase
aus.
Mein Herr, wer sind Sie denn?"
Da näherte sich ihm der Fremde noch
mehr und flüsterte ihm ins Ohr: Ich
bin Spiritist und Gedankenleser
haben Sie noch nie von Kleeberg aus
Berlin gehört?"
Nein. Ich glaube überhaupt nicht
an derlei Unsinn."
So, so thut aber nichts ich
weiß, was ich weiß, und was meine
Wissenschaft vermag."
Damit zog sich Herr Klceberg auf
feinen Platz zurUck, den Apotheker in
unbeschreiblicher Perplerität zurücklas
send. Nicht lange, so stand Bieder
mann auf. ging' hinaus, trat zu dem
im Ncdengastzimmer bcsindlichen Wirth
und zog bei ihm Auskunft über den
fremden ein. Der Wirth zuckte die
iseln.
Der Herr ist mir vollständig unbe
Sannt," berichtete er. er ist vorhin erst
vom Lahnhof eingetroffen und vom
Haslnecht in meinem Hotelmagen
mitgebracht worden. Ich weiß nur.
daß er Klecderg heißt und auS Berlin
ist."
Nachdenklich begab sich der Apotheker
auf seinen Platz zurück. Gleich darauf
erschienen Fabrikbesitzer Schneider und
Kommerzienrath Merkenthien. Sofort
raunte ihnen der Apotheker, auf den
Fremden deutend, etwas zu, worauf
unter den Stammgästen ein geheimniß-
volles Flügern und Tuicheln begann.
das immer lebhafter wurde, je mehr
der Herren auf dem Schauplatze erfchic
nen. Mit dem Bürgermeister war die
Tafelrunde um neun vollzählig noch
immer dauerte aber das Tuscheln und
Geftikuliren fort, ohne daß Herr Klee
berg sich scheinbar im lindesten darum
bekümmerte.
xit TlSku non gestaltete sieg immer
enegter. immer lauter plötzlich schlug
einer der Herren herausfordernd mit
seinem Glase auf den Tisch und rief
trotzig:
Ach was. Gedankenleser S ist 1a
Larifari wer weiß, woher der Mann
Euch zufällig kannte. Apotheker, wenn
er von mir auch nur den Namen er
räth, bezahle ich heute Abend die ganze
Zeche!"
Dieses Bcr'prechen hätten sie sich
besser überlegen sollen. Herr Bankier
Weber, denn man wird nicht säumen,
Sie beim Wort zu halten," rief da der
Fremde lächelnd von seinem Tische her
über, indem er wiederum sein Glas
grüßend gegen den Angeredeten auf-hab.
Der , Bankier erschrak auch die
anderen sahen sich erstaunt an nur
die Aussicht auf das versprochene
Traktament erhielt sie einigermaßen bei
guter Stimmung.
Wenn Sie alles wissen," hub letzt
ärgerlich der Kommerzienrath an, so
agen Sie mir jetzt einmal wer ich
bin."
Der Fremde verbeugte sich höflich.
Sie wollen mich auf die Probe stellen.
Herr Kommerzienrath Heinrich Merken
thien. Es wird Ihnen nicht gelingen.
elbst wenn Sie die '.0,000 Mark dran-
wenden wollen, die Sie in preußischen
Confols bei der Leipziger Bank depo
nirt haben."
Der Kommerzienrath sprang bctrof
en von seinem Stuhle auf.
Herr, sind Sie denn mit dem Teu
el im Bunde?"
Nein, mein Herr ich bin einfacher
Gedankenleser, weiter nichts."
Ist denn das wahr, haben Sie
wirklich 50,000 Mark in öonsols bei
der Leipziger Bank deponirt?" fragte
der Bürgermeister ungläubig.
Allerdings." gestand der Kommcr-
zienrath. Ich begreife nur nicht ,"
der Rest blieb ihm sozusagen im
Munde stecken.
Wieder begann das Getuschel. dies-
mal mit dem Resultat, daß die Hono-
ratioren den Fremden höflich einluden,
an ihrem Tische Platz zu nehmen. Der
Bankier fügte erklärend hinzu, der
Herr müsse doch an der Spende mit'
thcilnehmen, zu der er den Stammgästen
durch seine Allwissenheit verholfen
habe. . Herr Klceberg nahm die Ein-
ladung mit Vergnügen" an und ließ
sich sofort auf den ihm bezeichneten
tuhl nieder. Man stieß mit einander
an mit solchem Wundermann lonn-
ten sich die stolzen Würden- und Geld
beutciträgcr des Städtchens schon ein
mal eine huldvolle Ausnahme gestatten
dann erkundigte sich der Bürgermei-
er neugierig, ob der Herr Gedanken-
leser denn auch die Namen der übrigen
Herren zu lesen im stände sei.
Zu dienen. Herr Bürgermeister."
Ah. Sie wissen "
Ich weiß und beuge mein Haupt
vor der Macht der Bürgcrkrone."
Oh," der Gestrenge lächelte qe-
chmeichclt. Können Sie mir noch
mehr sagen?"
Gern bitte Ihre Hand."
Wieder ergriff der Gast die ihm dar
gebotene Hand, sodann legte er seine
Rechte einige Momente auf die rothe
Stirn des Gewaltigen.
Haben Sie das Gut schon gekauft.
Herr Bürgermeister, um das Sie sich so
angelegentlich bemühen?"
Das Gut noch nicht." versetzte der
Regent deS Oertchens verwirrt.
Ah Ihre Frau Gemahlin hat also
ein entschiedenes Veto eingelegt?" be
merkte der Gedankenleser leicht ironisch.
Die ganze Tafelrunde brach in Lachen
aus. denn eS war allgemein bekannt,
daß der Bürgermeister unter dem Pan
toffel stand der Gestrenge selber aber
warf dem Gedankenleser einen wüthen
den Blick zu und trank verlegen aus
seinem Glase.
Wünschen Sie noch mehr Beweise
meiner Kunst zu erhalten?"
Danke, habe genug davon,"
brummte der Stadtregent verdrießlich.
So gestatten Sie mir, daß ich vor
allen Dingen einmal die anderen Her
ren begrüße," fuhr der Fremde licbens
würdig fort. Herr Fabrikant Schnei
der habe die Ehre," wobei er ihm
zutrank. Sie haben Ihre Fabrik um
gebaut? Hat gewiß ein schönes Sümm
chen gekostet, nicht wahr? Ich schätze die
Baukosten auf mindestens hundert
zwanzigtaufend Mark oder habe ich
unrecht?"
.Wahrhaftig, das stimmt," mur
melte der Kaufmann Wildenbrandt,
mährend der Fabrikant nicht wußte,
was er von der Sache denken sollte und
seine wasscrblauen Augen bestürzt im
Kreise umherschwcfien ließ.
Natürlich stimmt es. Herr Wilden
brandt," rief der Fremde.
Und war verwünscht unvorsichtig,
so viel Geld in den Bau zu stecken."
fetzte Wildenbrandt hinzu, der den
Fabrikbesitzer nicht leiden mochte
Der Gedankenleser nickte.
.Allerdings war e unvorsichtig
Sie würden es nicht gethan haben.
Herr Wildenbrandt, denn Sie sind ein
eminent vorsichtiger Mann."
Wieso?"
Oder ist es nicht ein Akt weiser Vor
sicht und vorsichtiger Weisheit, wen
man sich erst genau nach den pekuniären
Verhältnissen des Herrn Schwieger
vaterS in sim erkundigt, bevor man
den entscheidenden Schritt unter
nimmt?" Das ist stark." grollte Wilden
brandt. indeß die andern sich über die
Abfertigung freuten.
Aber wahr," meinte Herr Kleeberg
lakonisch.
Sie sind ein Cagliostro ein zwei-
ter Doktor Faust." rief Wildenbrandt
wüthend.
Ganz nach Belieben."
Warum bekümmern Sie sich um
mich und nicht auch um meinen Nach-bar?"
Weil Herr Doktor Nußpickcr mich
noch nicht gefragt hat."
Sagen sie ihm doch auch etwas
Unangenehmes."
Ich möchte nicht an Dinge rühren,
die zwanzig Jahre her sind."
Der Doktor verfärbte sich ein wenig.
Was meinen Sie damit?"
Soll ich es Ihnen hier in Gegen-
fvart aller sagen?"
Immerhin mcineu Freunden
hier ist mein damaliges Mißgeschick be-
lannt."
Nun wohl Sie besaßen eine Heil-
anstatt und mußten Bankerott machen."
Allgemeine Erregung, die sich noch
steigerte, als der Fremde fortfuhr:
Das Schicksal hat Sie entschädigt
eine Frau mit 200.000 M. ist eine gute
Gabe. Gottes. Außerdem wirst Ihr
Sanatorium eine glänzende Rente ab."
Die guten Herren warfen sich scheue
Blicke zu. Der Mann erschien ihnen
förmlich unheimlich. Sie waren froh,
als er sich bald darauf empfahl, weil
er müde sei und morgen zeitig auf
stehen wolle. Vor feinem Aufbruch
fragte ihn der Bürgermeister nochmals,
ob er denn wirklich Gedanken zu lesen
verstehe. '
Sie haben es ja gesehen."
,.Hm ja es grenzt allerdings an
Zauberei, was wir erlebt haben aber
es giebt doch nun einmal keine Wun
der. alles geht doch natürlich zu."
Das Gedankenlesen geht auch sehr
natürlich zu."
Wie machen Sie es denn?"
Ganz einfach, ich gucke durch die
Stirnhaut und lese im Gehirn."
Thorheit." brummte der Gestrenge.
Wollen Sie uns," fügte er vertraulich
hinzu, denn wirklich verlassen, ohne
uns eine natürliche Erklärung Ihres
Unheimlichen Wissens zu geben?"
Wie kann ich erklären, was uner-
klärlich ist?"
Aber Sie sagten selbst, es gehe
natürlich zu."
Der Fremde besann sich einen Augen
blick, ehe er antwortete: Nun wohl,
aus Dankbarkeit für Ihre freundliche
Einladung will ich Sie mein Geheim
niß einweihen. Ich will Ihnen einen
Kursus in der Kunst des Zauberns oder
richtiger Gedankenlesens geben. Aber
heute ist es zu spät morgen Abend
um neun Uhr soll Ihnen alle Auf
klärung werden, die Sie nur wünschen
mögen."
Damit entfernte er sich. In unge
wöhnlicher Aufregung blieben die
Honoratioren des Städtchens zurück.
Bis nach Mitternacht konferirten sie
über die seltsamen Ereignisse des
Abends, der alte Hamlctspruch: Es
giebt mehr Dinge im Himmel und auf
Erden, als Eure Schulweisheit sich
träumt," wurde in allen Tonarten
citirt, der skeptische Doktor bestand
darauf, daß alles Schwindel sei, der
abergläubische Bankier verzweifelte an
der Möglichkeit einer natürlichen Er
klärung. Am anderen Tage sprach der ganze
Ort von der Sache, und Abends um
acht Ubr faßen die Getreuen der Golde
nen Krone" pünktlich vor ihren Stamm
feideln, um ja den großen Moment
nicht zu verfehlen. Schon halb nenn
schlug es. und der Fremde war noch
nicht da; man befragte den Wirth und
erfuhr, daß Herr Kleeberg bereits mit
dem Mittagszuge wieder abgereift fei.
Ein allgemeines Ah" der Ent
täuschung ertönte da zog der Wirth
einen Brief aus der Tasche, den er mit
bedeutungsvollem Grinsen dem Bür
germeister überreichte.
Dieses Schreiben hat Herr Kleeberg
für die Herren zurückgelassen es soll
aber nicht eher als Schlag neun Uhr
eröffnet werden."
Man kann sich die Ungeduld der
guten Stammgäste ausmalen; der
Brief ging von Hand zu Hand, man
betrachtete ihn von allen Seiten, alle
halbe Minute sah man nach der Uhr.
Endlich war es neun Uhr, der Bürger
meister schnitt das Kouvcrt auf. entfall
tcte das Blatt und las unter Todtenftille
der Anwesenden was folgt:
Sehr geehrte Herren! Da ich nicht
die Ursache werden will, daß so aufge
klärte und erleuchtete Geister dem Aber
glauben in die Häiide fallen, so ver
nehmen Sie hierdurch, die Erklärung
meiner Allwissenheit. Ich war bis vor
vierzehn Taacn erster Buchhalter dc?
großen Auskunftsbureaus von Hubert
Moosdach in Berlin, als welcher ich
mir in zehn Tienftjahrcn eine erstau
nenswcrthe Kenntniß der Verhältnisse
nisie einer großen Anzahl Personen er
warb. Jetzt ist cS - meine Absicht.
irgendwo ein Geschäft zu kaufen oder
zu etabliren. ich habe mir einige
Städte, die meinem Zweck zu ent-
sprechen scheinen, vornotirt und statte
diesen gegenwärtig Besuche ad. um
mich durch den Augenschein von ihrer
Zweckmäßigkeit oder Unzmeckmäßigkcit
sür mich zu überzeugen. Um einiger
maßen informirt zu sein, habe ich von
den Auskünften, die wir über Bewoh-
ncr dieser Städte in den letzten Jahre
zu erstatten hatten. Abschrift genom
men. Tarunter war auch Ihr liebes
Plätzchen, und halten wir zu dieser be
tricbsamen Industriestadt besonder,
lebhafte Beziehungen. Da ich nun eine
halbe Stunde eher da war, als der erste
on Ihnen, so hatte ich die auf den
Stammseideln eingravirten Namen
ftudirt. ich fand, daß mehr als die
Hälfte in meinen Auskünften genannt
und gewürdigt seien, und als der Herr
Apotheker mich später so von oben herab
behandelte, beschloß ich, mir einen
Scherz mit den Herren zu gestatten.
Daß jeder von Ihnen da seinen Platz
hatte, wo sein Stammseidel prangte,
war nicht schwer zu errathen, und da
auf den Deckeln nach kleinstädtischer
Sitte gewissenhaft der Stand neben
dem Nam.'tt angegeben, war. so merkte.
! f ' II ' ' . W M ....... . . .. V
H mir inuji einige u?i mww uu
Plöt'.e. während ich die übrigen au
Ihrer eigenen Unterhaltung heraus
hörte. Dies, meine Herren, ist das
Geheimniß meiner Kunst, das ich
Ihnen leider nicht persönlich enthüllen
kann, weil ich Ihre Stadt, als für
mich nicht geeignet, bereits wieder zu
verlassen gedenke. Indem ich Sie.
Herr Bürgermeister, bitte, mich Ihrer
Frau Gemahlin zu empfehlen, und
Sie. Herr Apotheker. Ihr Fräulein
Tochter von mir zu grüßen, empfehle
ich mich Ihnen
Mit ganz besonderer Hochachtung
Franz Klee berg."
An diesem Abend sollen die Herren
Honoratioren recht kleinlaut gewesen
sein . .
Die schreckliche Stimme.
Kriininalgcschichtc von Bodo (5oiueliiiä
Rechtsanwalt Berthold Take in P
aebörte zu denjenigen Menschen, die
trotz ihrer großen' Befähigung, Geld
zu erwerben, doch immer in Verlegen-
he,t stecken. Er hatte noble Pasio
nen und auLcrocm eine im eigenr
sieben Sinne des Wortes kostbare Frau
Seme Gattin war eine ehemalige
Kunstreiterin, deren Schönheit sie be-
rühmt gemacht hatte, und im Geldaus
geben außerordentlich verwöhnt.
So kam es, daß Take, trotz guter
Geldeinnahmen, von Gläubigern im
mcr bedrängt war, und eines Tages
stand er, wegen eines groben Ver
trauensbruches, direkt am Abgrunde
des Verderbens. Da kam ihm ein
teuflischer Zufall zu Hilfe: er war
Zeuge, wie ein alter geiziger Wucherer
in einer Bank ein Kapital von 30.000
Mark abhob.
Diesen Menschen, dessen Gewobn
heiten er genau kannte, beschloß Take
zu berauben, indem er sich selbst vor
spiegelte, daß es ja keine Sünde sei.
einem solch abgefeimten Hallunken"
das Geld abzunehmen. Mit aller
Ruhe traf er feine Vorbereitungen,
steckte einen schwarzen Schnurrbart, den
er von einer Redoute her besaß, und
eine hell-karrirte Reisemütze, sowie eine
schwarze Seidenmaske zu sich, svazierte
zur Stadt hinaus und legte sich da. wo
die einsame Landstraße an einem Wald
vorbeiführte, auf die Lauer, da er
wußte, daß der Alte, der seinen schäbi
gen Einspänner selbst kutschirte, auf der
Fahrt nach Hause hier vorüberkommen
werde.
Der Rechtsanwalt knöpfte den Ueber
rock bis zum Halse zu. schlug den Kra
gen in die Höhe, maskirte sich mit
Schnurrbart. Mütze und Maske und
wartete, einer Knüttel in der Hand, auf
das Nahen des Wucherers.
Sobald dieser, fast im Schritte, fei
nem Versteck näher kam, sprang er her
vor, rief dem alten Manne mit verstell
ter Stimme Halt!" zu und schlug ohne
Weiteres auf ihn ein. Von Schreck und
Schlägen betäubt, war der Aermste so.
fort wehrlos.
Blitzschnell schwang Take sich auf den
Wagen, durchsuchte rasch die Taschen
des Wucherers, fand ohne Mühe dessen
Portefeuille, und nahm auch die Geld
börse an sich.
Dann versetzte er der alten Mähre,
die sich immer nur einer gleichmäßigen
Gangart befleißigte, einen Schlag und
sie trabte von bannen.
Take war in eine furchtbare Auf
regung gerathen. Rasch schleuderte er
den Knüppel und die anderen machen
weg, nahm seinen Hut und eilte, wie
ein gehetztes Wild, auf einem großen
Umwege nach der ladl zurück.
Als er in seiner Bcyautung ange
langt war. vermißte er die geraubte
Börse, er hatte keine Ahnung, wo er
sie verloren haben konnte, es war ihm
auch so ziemlich einerlei, denn das in
Sicherheit gebrachte Portefeuille ent
hielt ein Vermögen in guten Kassen
scheinen. Das Pferd des Wucherers hatte den
Weg ohne Leitung nach Hause gcfun-
den. Hier hielt cS. Der alte Haus
bcsorgcr war verwundert, daß der Herr
nicht vom Wagen stieg: er fand um
noch bewußtlos. Im Laufe der Nacht
aab der Wucherer Lebenszeichen, aber
er war unfähig, zu sprechen. Erst am
anderen Vormittag kam er zu sich und
nun aab es allerdings Lärm.
Inzwischen hatte schon am frühen
Moraen Gustav Herst. ein Knecht, der
im Gasthofe eines benachbarten Tor
fes gedient und gerade zu jener Zeit
den Dienst verlassen hatte im Vor
beiwandern die Reisemütze und die
Geldbörse gefunden. Er steckte beides
ein, ohne sich ein Gewifsen daraus zu
machen.
Ader der Fund wurde, wie leicht be
reiflich, vcrhüngnißvoll für ihn. Denn
der Beraubte hatte nur anzugeben ge
wußt, daß der Räuber eine hellkarrirte
Mütze und einen Schnurrdart getragen
habe.
Und da der Knecht die Mütze in Ge
brauch nahm, außerdem auch ein Gold
stück wechseln ließ, wurde er alZ der
That verdächtig verhaftet.
Ter Gendarm fand die gestickte Börse
des Wucherers in seiner Tasche. Herst's
Angabe, daß er diese Sachen gefunden
habe, ward nicht geglaubt.
Bei der Konfrontation rief der Be-
raubte, der seine Mütze, seine Börse
und den Schnurrdart des Knechtes
sah. ohne Weiteres: Natürlich, da?
ist er!"
Die Voruntersuchung wurde zu
Ungunsten des Verhafteten abge-
schlössen.
Nun ereignete sich etwas Unge-
niöhnliches. das dem Falle einen tragi-
schen Zug verlieh der alte Vater des
Angeklagten kam zum Rechtsanwalt
Take und flehte ihn an, die Verthcidi-
gung seines Sohnes zu übernehmen.
Take fuhr zusammen und verlor
auf einige Augenblicke die Farbe, aber
er faßte sich schnell und erklärte sich
bereit, die Vertheidigung zu über
nehmen.
Der Raubanfall kam vor das Ge
schworencngcricht, und in diesem sagte
der Wucherer, der wieder völlig herge
stellt war, genau wie in der Vorunter
suchung aus; er behauptete steif und
fest, in dem Angeklagten, der die helle
Mütze aufsetzen und seinen Rockkragen
emporschlagen mußte, die Person des
Räubers vor sich zu haben.
Der Staatsanwalt hielt natürlich
eine fulminante Rede, bezeichnete die
Dummpfiffigkeit des Angeklagten als
einen frechen Zug in dessen Charakter,
um so mehr, als er beharrlich ver
weigere, das Versteck zu nennen, wo er
die geraubten Kassenscheine verborgen
habe.
Nun kam der Vertheidiger an die
Reihe. Er erhob sich mit großer Ge
lassenheit. ein diabolisches Lächeln um-
spielte seinen Mund.
Ich halte meinen Klienten für
schuldlos an dem Verbrechen." sprach
er. Tag er die 'MUtze und die V0re
gefunden hat, leugnet er keinen Augen
blick. Aber wie will der Zeuge be
Häupten können, daß er im abend-
lichen Dunkel die Person des
genau erkannt habe? Hier
mit gutem Recht das allbekannte
Sprichwort anwenden: Bei der Nacht
sind alle Katzen grau". Man legt so
großes Gewicht auf diese bunte Mütze,
aber sie paßt ja wohl Vielen.
Er legte seinen Klemmer weg, setzte
sich die Mütze auf, knöpfte seinen Rock
bis zum Halse zu und schlug den Kra
gen empor.
Dann nahm er mit vollster Ruhe
emen talichen chnurroari aus leinen
Akten und machte ihn in seinem Ge-
sichte fest. So starrte er den Wucherer
an und ichne ploßiich paur
genau in demselben Tone, den er am
Abend des Raubanfalles gebraucht
hatte.
Der Wucherer zitterte wie Elpenlaub.
Sein Gesicht wurde aschfarben.
Ich ich weiß Nicht," stammelte
er, mir saui s wie cnuppen von
den Augen. Sie Sie selbst haben
mich angefallen!" stieß er plötzlich heftig
hervor. Ich erkenne Sie jetzt ganz
genau! Sie Sie haben mir mein
Geld abgenommen."
Take lächelte überlegen und wendete
sich an die Geschworenen. Eine große
Bewegung ging jetzt durch den ganzen
Saal.
Ich wollte Sie nur überzeugen,
meine Herren," sagte der Vertheidiger,
..daß der Zeuge überhaupt nicht weiß.
wer ihn angefallen hat. Jetzt beschul
diqt er mich, und ich würde mich gar
nicht wundern, wenn er nicht auch den
Herrn Staatsanwalt deS gleichen Ver
brechen? anklagen würde, falls dieser
nur die !vcue aui cie uno emen
chnurrbart vorsteckte. Ich glaube den
Beweis für die schuldloligkeit meines
Klienten geführt zu haben."
Und das war ihm in der That ge-
lungen; die Berathung der Gcschwore-
nen dauerte kaum fünf Minuten: ihr
Wahrsprnch lautete einstimmig nicht
schuldig".
Der Angeklagte wurde sofort freige
lassen. Nach einen, Jahre wurden dem
Wucherer aus einer entfernten Stadt
30.000 Mark in einer Postanweisung
zugesandt: Als Erinnerung an den
10. Mai 18.."
Take hinterließ bei feinem Ableben
ein Schriftstück an den Gerichtsprasidcn
ten, der ehemals Staatsanwalt und in
der Anklagcsache gegen Gustav Herst
öst'cntlicher Ankläger gewesen war.
In dic'cm Schriftstück hat er die Be
Räubers
läßt
gebnisse an jenem verhZngnißvolle:,
Zag genau geschildert
Englands kostspieligst, Paläst,.
Man darf eS durchaus ich! für
Uebertreibung halten, wenn der stolze
Sohn Albions behauptet, daß unter
den prunkvollen Heimstätten der Bor
nehmen seines Landes eine große An
zahl Paläste zu finden seien, die nicht
für so viele Goldstücke gekauft werde:,
könnten, wie nöthig wären, um den
Platz, uf dem sie erbaut sind, ganz
dicht damit zu pflastern.
Einige der schönsten dieser Pleasure
HouseS" rcpräsentiren in der That ein
Kapital, dessen Zinsen allein genügen
würden, die gesammtcn Kosten des eng
lischen Ministeriums für ein ganzes
Jahr zu bestreiken. So hat zum Bei
spiel Mount Stewart bei Rotbciau.
eins der sechs Prachtpalais des Multi
Millionärs Marquis of Bute, mehr
Fünfpfundnoten der Bank von Eng
land gekostet, als ausreichend fein wü'r
den. um die enorme Fläche von H000
Quadratmetern zwei und ein Kalbes
Mal damit zu bedecken. Die Einrich
tung jedes der 150 Zimmer dieses
Wunderwerkes der Baukunst wird im
Durchschnitt auf 13.000 Pfd. Sterling
geschätzt, eine Summe, für die man
schon ein Dutzend hübscher Porstidthäu
ser bei London erstehen könnte.
Einer der größten englischen Land
sitze ist Lord Fitzwilliams' Aorkshirc
house. Dieses kolossale Gebäude hat
eine Länge von 200 Meter; die Vor
Halle ist 40 Fuß hoch und weist einen
Flächcnraum von 3000 Ouadralfuß
auf, in dem bequem sechs kleine Villen
Platz fänden. Die Anzahl der Ge
mächer ist so groß, daß der glückliche
Besitzer dieses Riesenpalastes ein halbes
Jahr darin verbringen könnte, ohne
auch nur zwei Tage in ein und demsel
ben Zimmer zu wohnen.
Außer Wentworth-Woodhouse nennt
Lord Fitzwilliam ein Palais am Gros-venor-Square
in London und einen
kleinen Landsitz in County Wicklow fein
eigen. Da das Einkommen dieses
britischen Edelmannes sich auf mehr
als 2000 Mark pro Tag beläuft, kann
er sich einen solchen Luxus schon gestat
ten. Blenheim-Palace, der Wohnsitz des
Herzogs von Marlborough, gehört
ebenfalls zu den schönsten und kostspie
ligsten Bauwerken in England. Mit
seinen zahllosen Zimmern, Korridoren
lind Treppen bietet dieser Monstre
Palast zwei sich hassenden Menschen die
beste Gelegenheit, unter einem Dache zu
leben und sich doch während eines gan
zen Menschenalters nicht zu begegnen.
Um sich eine Vorstellung von der hör
renden Summe zu machen, die das Ei
bauen des auf Staatskosten für den
Soldatenherzog" errichteten Blenheim
Palastes einst verschlungen hat, ist es
nur nöthig, eine einzige Rechnung in
Betracht zu ziehen, die unlängst fürRe
paraturen beglichen wurde und die
nicht weniger als 300.000 Pfd. Stcr
ling betrug, gleichbedeutend mit der
Kleinigkeit von 6 Millionen Mark. Tic
jährliche Glaserrcchnung allein belauft
sich nicht selten auf 1000 Pfd. Sterling
und mehr.
Zu diesen Bauten von fabelhaftem
Werth gehört merkwürdigerweise auch
eins der häßlichsten Häuser des ganzen
britischen Reiches. Es ist der in seinen!
einfachen, unansehnlichen Aeußern fast
an die Grenzen des Lächerlichen ftrci
sende Londoner Wohnsitz des Herzogs
von Tevonshire. Von Picadilly aus
gesehen, könnte man den Werth des
Palais" höchstens auf 10.000 Pfd.
Sterling schätzen, und doch dürfte es
mindestens einen solchen von 12 Millio
nen Mark rcpräsentiren. Vor seiner
Verheiratung waren die von dem Her
zog bewohnten Räume und vor allen
Dingen fein Schlafgcmach in diesem
unscheinbaren Gebäude ebenso an-
spruchslos wie unschön möblirt; die
komplete Einrichtung hätte man bei je
dem Trödler für 100 Mark erstehen
können.
Geistesgegenwart.
Napoleon I. stellte oftmals plötzlich
ganz unvermittelte Fragen an seine
Umgebung. So fragte er. als er ein
mal durch ein Departement reiste, mit
ten in einem großen Walde den ihn
begleitenden Ober Ingenieur des
Straßenbaues, wie viele Meilen von
hier aus nach der nächsten Stadt zu
rechnen wären. Siedzehn. Sire."
Nun sagen Sie mir.' fragte Napoleon
weiter, wie viele Steine würde man
brauchen, um von hier aus eine gute,
fahrbare Straße nach der Stadt zu
bauen?"
Zwei Millionen vicrhundcrtsicben-
undneunzig." war die schnell gegebene
Antwort.
Napoleon stutzte zwar, sah aber ein.
daß er einen Mann vor sich habe,' der
nicht so leicht aus der Faung zu brin
gen war. Er brauchte einen Beamten,
der ein wichtige?, große Umsicht erfor
dcrndes Amt verwalten sollte, und dc-
rief hierzu eben jenen Begleiter.
Der Kaiser hatte sich nicht getauscht:
der Mann wußte das ihm geschenkte
Vertrauen zu rechtfertigen, und sein
Scharfsinn, gepaart mit äußerster Ge
wisscnhaftigkeit. hoben ihn rasch von
Stufe zu Stufe.
l?crschzxxt.
Bräutigam (zum Juwelier): Daß
Sie mir aber so einen ungeschickten
Ebering anfertigten!. Mit den, zerreiße
ich mir ja die ganzen Westentaschen! '