Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 03, 1901, Image 10

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    fufeubr Jtcn '.
vir.oifs!i von Karl i . S 1 r-1.
'ich war iü Bct'ud bei Vetter Gustav
eroesen.
Bkttkr Gustav ist Gutsbesitzer und
dewirthschastet fein großes Gut so recht
und schlecht, wie eS eben einer verlieht,
dn nur darum Landmirth geworden,
weil tx ju allen andern Geschäften zu
dumm gewesen wäre. Alle? Schreiben
' ar ihm ein Greuel, und darum war
die landmirthschastliche Buchführung
seine allerschwüchfte Seite. Eine Zeit
lang hatte ihm ein Volontär die Arbeit
aemackt. als ihn derselbe aber, weil er
ihm 'mal eine Ohrfeige applizirle.
stehenden SußeS verließ, da war Hol.
land in Noth. Unter solchen Umstün
den hatte er die Gnade, sich meiner wie
der zu erinnern, der ich in Berlin als
Bureauvorftcher eines jungen Rechts.
anwnlteS ein wenig beneidenswertes
Dasein fristete.
Mein Chef hat leider erst eine geringe
Praxis, und die wenigen Prozesse, die
ihm übertragen werden, sind entweder
wenig belangreich, oder sie pflegen einen
traurigen usgang zu nehmen, woran
er die Schuld der mangelhaften Gesetz
gebunq giebt. Aber ist das meine
Schuld? Gewiß nicht, und doch verliere
ich dabei meine Touceure. während
mein ßhcf wenigstens seine Sporteln
einstreicht. Tie Welt ist doch schlecht
und bedenkt nicht, daß wie es schon
mein breiter Trauring ankündigt ich
verheirathet und mit einer Familie gej
segnet bin, die aus meiner Gattin,
meiner Schwiegermutter und einer
Tochter von erst neunundzmanzig Iah
ren besteht.
Und wie einförmig ist mein Dasein!
Seit fast vierzig Jahren lebe ich vom
Morgen bis zum Abend im Aktenstaub
und athme Prozcßluft. Meine einzige
Erholung ist der abendliche Besuch mei
ner Stammkneipe, der ich treu gcblie.
den bin. so oft auch die Wirthe gewech.
seit haben. Doch ich verliere den Faden
meiner Erzählung was wollte ich
noch erwähnen? Ja richtig daß mein
Better Gustav mich einlud ihn zu be
suchen und man denke! mit ihm auf
die Hasenjagd zu gehen:
vionerno oak ich meinen Eyes um
Urlaub für einige Tage. Dr. Knauer
sah mich groß an.
Urlaub? Sie wollen Urlaub, Herr
Müller? Wie kommen Sie darauf?
Sind Sie denn krank?"
Nein, Herr Prinzipal aber mein
Cousin, ein Gutsbesitzer, hat mich zur
Hasenjagd eingeladen!"
.Wie? Was? Hasenjagd? Sie zur
Hasenjagd? Alter Herr, sind Sie denn
schon mal auf der Jagd gewesen?"
Ich schwieg; ich konnte doch nicht sa-
gen. daß die einzige Jagd, die ich öi
her ausgeübt, die auf Fliegen war.
enn es im Bureau nichts zu thun gab
Nun sehen Sie." fuhr Dr. Knauer
fort, am Ende haben Sie nicht 'mal
eine Ahnung davon, was überhaupt
eine Jagd ist! Der Hase springt auf, er
läuft wie der Wind, Sie reißen da
Gewehr an die Backe, geben Funken
und haben natürlich gefehlt. Natürlich!
Wie sollten Sie denn auch treffen kön
nen? Es ist sogar schon umgekehrt ge-
kommen, nämlich daß der Hase den
Jäger angenommen, auf ihn losge
sprungen und ihn mit seinem eigenen
Gewehr erschossen hat!"
Um Gotteswillcn!" rief ich entsetzt
und fühlte, wie meiste Haarsträhnen
.sich vom Schädel loszulösen und auf
zurichten strebten. Um Gotteswillcn!
Wer Hütte das dem harmlosen Thiere
zugetraut!"
Ja, hat sich was mit der Harm
lofigkeit! Ich weiß nicht, lieber Müller,
aber an Ihrer Stelle würde ich doch
vorziehen, nicht'aus die Jagd zu gehen!"
Wie Herr Doktor befehlen!" ont--mottete
ich mit entsagungsvollem LS
cheln. In mir erstarb eine liebliche
Hoffnung, und mir schien, als habe die
Sonne an Glanz und Helligkeit der
loren. Aber sonst," fuhr mein Chef fort,
fonft will ich Sie nicht abhalten, sich
zu amüsiren fahren Sie in Gottes,
namen auf acht Tage zu Ihrem Vetter
hinaus der Urlaub ist bewilligt!"
Die Sonne schien wieder hell und
glänzend und warf verlockenden Schim.
mer auf das vergilbte Laub der Stra
ßenbäume. Ich dankte meinem Chef
und verließ dann eilig das Bureau, bis
zum letzten Augenblick in der Furcht
eines Widerrufs schwebend.
2.
Nunmehr galt es. auch meine häus.
lichen Angelegenheiten zu bestellen.
Amanda war erst ganz sprachlos dar
über, daß Vetter Gustav mich zu einer
Hasenjagdeingeladenhatte. Siemcinte,
ich würde gut zehn Hasen schießen .müs.
sen. um wieder auf die Reisekosten zu
kommen, und das wuroe mir erst in
einem Jahre möglich sein. Dann kamen
ihr weitere Bedenken, unter anderm.
daß ich mich draußen erkälten könne,
und daß mir dann meine gewohnten
Bequemlichkeiten sehr fehlen würden.
Doch dem ließe sich abhelfen. Sie
wolle mir meine warmen Winterfilz
schuhe, meinen mattirten Schlafrock und
meine wärmsten Unterkleider, sowie
meine TheeS zum Schwitzen und Pur
anen mitaeben und einen Bricf an
Gustavs Frau aufsetzen, in welchem fr.'
es ausführlich darlegen werde, wie sie
es bisher mit mir gehalten habe; so
wüide ich meine gewohnten Bequem
lichkcüen möglichst wenig vermissen.
Ich ward tiesgerührt von so viel Sorg,
fält und Liede und sät) fleißig ;u. als
sie annng. einen großen Koffer zu
packen. Sie machte mich dabei aus
einen leeren Kartoffclsack aufmerksam.
Auf einem großen Gut. lieber
Karl," sprach sie. .da pflegt immer
diel abzufallen an Qdft und Gemüse
z. B. Gurten an eiern, uiicr. m
flüacl. Honia u. f. w. Denn das
wächst ia den Leuten alles nur so zu
während wir SISdIer es mit schwerem
Gelde bezahlen müssen. Wenn man
Dir daher bei der Abreise solche Gaben
mitaiedt. so kommt Dir der Sack dabei
vortrefflich zu statten."
Wenn man as aber nicht thut?
wars ich ein.
Das märe unerhört undenkbar
Ader Du kannst Gustavs Frau den
Sack gleich geben, wenn Du an
komm docb Halts tffl yave eine
Idee!"
Sie schrieb auf ein Stück Papier
.Für Geschenke".
Wenn Du angekommen bist, so bit
teft Tu Frau Martha. sie solle Dir den
Koffer auspacken da wird ihr der Sack
schon in die Hände fallen, und Sie
weiß baun, woran sie ist. UebrigenS
kommst Du auch nicht mit leeren Hän
den Ich werde nach Tisch mit Eulalie
zum nächsten Flinfzigpfennig Bazar
fahren und für Martha und die inder
ein paar Kleinigkeiten kaufen."
So wurde denn alles besorgt ; es
wurde einaekauft und eingepackt, und
wäbrenddeß machte ich Toilette; ich ließ
mich auch nochmals rasiren; als nun
alles sertia war. blickten wir unS an
Amanda. Eulalic und ich; und al
dann das Dienstmädchen mit knallen
den Pantoffeln ach einer Droschke eilte,
beschlich ein beklemmendes Gefühl mein
Herz.
Papa hat ja aber noch kein Gewehr
rief Eulalie.
Daran hatten wir wahrhaftig noch
nicht gedacht! Unmöglich, ohne Gewch
einen Hasen zu schießen!
Siehst Du," sprach ich endlich voller
Uederlegenheit zu meiner Gattin, es
ist Regel, daß man auf einer Reise im
mer eine Kleinigkeit mitzunehmen ver
qißt aber ein Gewehr das ist doch
stark!"
Aber wo bekommt Papa ein Gewehr
her?" fragte Eulalie.
Ich werde zum Buchbinder Schrö
der hinübergehen er muß eine vor
treffliche Flmte haben, denn am
Stammtische erzählt er es oft, daß er
auf allen Jagden mehr schießt als alle
anderen zusammengenommen. Ich
werde ihn darum bitten."
Während das Mädchen mit dem
Kutscher den Koffer hinunterschleppte
suchte ich Schröder auf. Die er war
augenblicklich bereit, mir den Gefallen
zu thun. Er holte die Büchse hinter
dem warmen Ofen hervor, infolgedessen
sie sich heiß anfühlte.
..Das bat nichts zu bedeuten es
ist nur wegen des Rostes wissen Sie!"
Ja rostig ist sie allerdings, sehr
rostig, worauf ich Sie vorher aufmerk-
sam gemacht haben möchte "
Beruhigen Sie sich, Mann des
Rechtes!" rief Schröder lachend. Was
Sie da sehen, ist kein Rost, sondern
Blut mein Onkel hat sie 187 erobert
und nachher noch elf Franzosen damit
todtgeschosscn."
Nach diesen Worten hätte ich mich
am liebsten geweigert, die furchtbare
Mordwaffe, an der das Blut so vieler
Menschen klebte, mitzunehmen, aber der
Buchbinder trug sie dienstfertig selbst
in die Troct)te. Jcy naym Avicyieo
von meinen Lieben und stieg in den
Wagen.
3.
Wie ich meinen Koffer aufgegeben.
wie ich m das richtige Wagenadtheil
gelangt, davon habe ich nur noch eine
undeutliche Erinnerung, so überwäl
tigte mich das Menschengebrause auf
dem Bahnhofe um mich her. Während
der zweistündigen Fahrt plagte mich
fortwährend die Sorge um den Koffer,
und nie werde ich meine eigene Bewun-
derung vergessen, mit der ich auf Stfr
tion Hohenfelde erst mich und dann
mein Gepück wiederfand. Unser Wie
versehen muß etwas rührendes gehabt
haben, die Gepäckträger lachten aber
nur laut auf. Was wußten die aber
auch davon, was der Koffer alles in sich
barg und wie nahe mir der Schmerz
der Trennung gegangen war! An der
gleichen denkt so ein Eiscnbahnmensch
freilich nicht: der hält nur Zuglataftro
phen und eingcdiückte Brustkasten für
ein unglückliches Erelgniß.
Plötzlich stand Vetter Gustav vor
mir und machte meinen stillen Betrach-
hingen ein Ende. Er reichte mir seine
ungeheure Tatze, in die ich aber vor
sichtig meinen leeren Wintcrhandschuh
legte und schüttelte diesen treuherzig
Viel Gepäck haft du doch nicht bei
Dir?" fragte er.
Nur diesen Koffer sonst nichts
Na, das ist auch gerade genug! Und
was haft Du da auf dem Rücken bau.
mein?"
Dabei nahm er auch schon laut lachend
die Flinte in seine Hfide. Gerechter
Himmel, was ist das für 'n Eisen?
Ein Chassepot, oder ich will nicht selig
werden! Wie kommst Du nur zu sö
'nem Unikum, und was willst Du da
mit ?"
Nun. Hasen schießen!" erklärte ich
stolz. Lache nur immerhin, wie Dir
beliebt, Gustav, aber ich versichere
Dich, dies alte Gewehr hat schon elf
Franzosen das Lebenslicht ausgcbla
sen." Na, dann sollte man ihm endlich
Ruhe gönnen. Weifet Tu waZ ich
kauf, S Dir ab!"
Ich muß bedauern. Sage mir lie
der. ob Tn Wagen auch hier ist '
Na ob! Meinst Tu. daß wir Beide
leinen Koffer eine Meile des Wegs
auf dem Rücken tchlel'pen könnten
Ter Wagen wartet hinter dem Bahn
hf."
o war eZ auch, und nach ein paar
Minuten fuhren wir durch die herbst
liche Landschaft dahin.
Wie geht eZ Tir?" fragte ich ihn
unterwegs.
Ich danke das Getreide hat keinen
schlechten Erdrusch gegeben, wenn auch
die Körner etwas klein geblieben sind.
gab er sorgenvollen Antlitzes zur Ant
wort. Schlimmer steht c- mit dem
Heu nur den ersten Schnitt haben wir
gut eingebracht, alles Ucbrige hat sehr
vom Regen gelitten."
Und wie geht's daheim?"
Ich danke: zwei Kühe uudein Pferd
nnd krcplrt. Tie Kühe waren versichert.
das Pferd leider nicht. Tie Wollschur
hat kein allzugünftigcS Resultat erge
den. und die Schafe waren öfter krank
als mir lieb ist."
Auf der Freitreppe erwarteten mich
Frau und Kinder. Tie Kinder waren
unbändig in die Höhe geschossen, Frau
Martha unbändig in die Brette gegan
gen. Wie ich nachher erfuhr, hatte
ersteres das gute Essen, letzteres die gute
Luft bewirkt.
Ich freue mich, die Kinder so wohl
zu seyen," sprach icy yosllch. Wie
geht es Dir. Martha?"
Ich danke leider wollen die Hüh
ner in diesem Herbste gar nicht wieder
ansangen zu legen. Ich weiß nicht.
woran das liegen mag."
Natürlich wußte ich auch keinen Rath
und fand die Sache sehr traurig. Unter
solchen Gesprächen führte man mich in
das Speisezimmer, und als wir Platz
genommen, setzte eine junge dicke Magd
mit knallrothblauen Armen und noch
blaueren Wangen eine Schüssel mit
r- Y. . . : , . w in . j.. nf t
qweincoraien uno aapnuumcn aus
den weißgedcckten Tisch.
Mir war eine solche Speise, zumal
nach einer Eiscnbahnfabrt eigentlich
etwas zu schwer, doch Gustavs liebens
würdiger Einladung war schwer zu wi-verstehen.
Immer feste eingehauen, alter
Junge, " ermunterte er mich. Schweine,
braten giebt es bei uns so ziemlich alle
Tage, und die Backpflaumen folgen
darauf so sicher wie das Amen auf die
Predigt."
Nach dem Enen öffnete Frau Martha
auf meine Bitte den Koffer, wobei sich
alle neugierig um denselben stellten.
Ich vertheilte darauf die Geschenke aus
dem billigen Bazar. muß aber gestehen,
daß Niemand davon sonderlich erbaut
war. Für Lenchen war eine Puppen-
chaukcl bestimmt, das Stühlchen war
aber zu klein selbst für die kleinste
Puppe, die darin immer hintenüber
kippte. Für Gleichen hatte ich ein
Täschchen aus Strohgeflecht mitgebracht,
doch im Koffer war es trotz der beiden
hölzernen Seitenwänden platt gequetscht
worden wie ein Pfannkuchen. Der
Frau Martha verehrte ich einen Par-fum-Glasballon;
leider zeigte sich nach-
tr, daß die Spritze absolut nicht funk.
tionirte. Mit ironischer Miene bedank
ten sich die beiden Gatten, und im Hin
ausgehen hörte ich Frau Martha mur-
mein: Ich glaube, er hält uns für!
dumm!" worauf Gustav die geistreiche
Bemerkung fallen ließ: So sind die
Berliner!"
4.
sep?t gegeben aber an die Patronen
hatte keiner von uns Beiden gedacht.
WaZ nun thun' Sollte ich umkch
ren? Man würde mich auslachen und
verspotten. Nein, lieber blieb icd
blieb um so lieber, als ich nun bald
von rechts und links die Schüsse knallen
hörte. Wollte ich mich nicht den Schro
ten aussetzen, so war es am gerathen
ftcn meinen Stand dr Beendigung dcS
Treibens nicht zu verlassen.
Da mit einem Male erschien auf dem
Rande dcS Abhangs, unter dem ich
stand, ein Haie, ein feistes, ausgewach
seneS Thier. In diesem Augenblicke
schien sich das Gcwehrfeuer zu verdop
pcln; der Hase machte einen Satz und
sprang den Abhang hinunter, gerade
Wegs auf mich zu. Weiß der Himmel,
wofür er mich angesehen haben mochte,
aber wahr und unbestritten bleibt: Er
sprang mir direkt auf den Hals.
Darauf war ich nicht gefaßt gewesen;
die Flinte siel mir aus den Händen,
und nun strampelte ich mit Händen
und Füßen, das abscheuliche Thier, das
mich mit so dummen Augen anglotzte,
von mir abzuwehren. Mir siel ein.
was mir mein Chef über die Courage
der Hasen gesagt, und das steigerte noch
meinen Schrecken.
Aber je mehr ich strampelte, um so
fester drückte sich der Hase an mich; da
bei kroch er zwischen dcn wollenen Shawl
und meinen Hals und würgte mich,
daß mir die Lust anfing auszugeben
Ich schrie um Hilfe.
Nun eilten die Jäger von den näch
ften Ständen herbei, darunter auch
Gustav. Gustav packte den Hafen und
rnate Hin av, wahrend ein anderer mir
den Shawl lockerte.
Tie Kunde des Geschehnisses vcrdrei-
tcte sich schnell, und bald war die ganze
Gesellschaft um mich versammelt. Aber
ob man mich gleich mit großen Lob
sprüchen überhäufte und mich ausfor
dertc, die Jagd in derselben Art wie ich
sie begonnen, fortzusetzen, so ließ ich
mich doch dadurch nicht abhalten, sofort
heimzukehren. Ich begab mich in mein
Zwirne: hinauf, und da ich besorgte.
daß mir der Schreck geschadet haben
könne, so ließ ich mir Kamillenthee
kochen.
Ich schweige davon, wie viel spöttische
Bemerkungen ich am Abend zu hören
bekam, als ich im Schlafrock und mit
den Filzschuhen, in der Hand die Thee
kanne, zum Abendessen erschien. Ich
erklärte meinen Entschluß, am andern
Tage abzureisen. Frau Martha packte
mir den Koffer wieder voll und füllte
mir auch den Kartoffclsack mit v?rsch!r
denen Herrlichkeiten aus dem Obst
und Gemüsegarten an. Gustav schenkte
mir den Hasen und versuchte es noch
mals, mir die Flinte abzuhandeln.
Als er sah, daß es vergeblich sei, .ließ
er mich endlich in Frieden ziehen, zn
meinen Füßen den Hasen und hinter
mir Flinte, Koffer und Kartoffelsack.
Die nächsten Tage brachten mir viel
Arbeit. Vetter Gustav legte mir seine
Notizbücher hm, und ich begann danach
die Eintragungen zu machen. Meine
einzige Erholung war dabei, aus den
Hof hinunterzugehen und das Geflügel
zu bewundern. Namentlich die Gänse
waren großartig, und ich sagte mehr
als einmal zu Frau Martba, daß ich
ein großer Liebhaber von Gänsebraten
wäre. Aber sie schien den Wink nicht
zu verstehen, es gab stets nur Schweine-
braten.
Am fünften Tage plante Vetter Gu-
ftav endlich eine Treibiagd auf Hasen.
Leider war es ein recht rauher und
windiger Tag, und ich hätte mich nun
gerne gedrückt: Aber mein Sträuben
half nichts, Gustav sagte, einmal we
nigftens müßte ily doch mit dabei ge
Wesen sein. So hüllte ich mich denn in
den Schlafrock, zog die Filzschuhe an
und band mir einen dicken wollenen
Shawl um den Hals. Dann ergriff ich
mein Chassepot und verfügte mich zu
den Jägern, die mich mit großem Ver
gnügen als einen der ihrigen begrüß-
ten. Emcr meinte sogar, die Hasen
ollten sich nur vor mir in Acht nehmen.
..II..V. . o : . rx ' rrv .
wuroe es iqnen icyou zeigen. Ä,'as
war mir vollständig aus der Seele ge-
prochen.
Wir begaben uns nun hinaus auf
die Feldmark, und ich crbielt meinen
Stand unterhalb eines Abhangs ange-
wiesen. dessenRand dicht mit Buschwerk
bewachsen war und mir jede Aussicht
benahm.
Hier stehst Tu und paßt scharf
auf." sprach Gustav, daß nichts durch-
bricht. Dieser Fleck ist geradezu Kapi
tal und wie für Dich geschaffen."
Ich war s zufrieden, und die Jagd-
gcsellschaft entfernte sich mit heiteren
Mienen. Ich blieb zurück und legte
das Gewehr schußbereit in den Arm.
Und nun erst machte ich die Ent-
deckung, daß ich überhaupt keine Patro-
ncn bei mir hatte.
-.chröder hatte mir wohl sein Chas-
Ich schweige von der Freude, die
meine Familie über meine Heimkehr
empfand. Sie war groß und berech,
tigt. denn ich kam ja nicht mit leeren
Händen. Namentlich der Hase wurde
angestaunt und bewundert, und wäb-
rcnd wir zu Abend speisten, mußte ich
erzählen, wie es mir bei Better Gustav
ergangen. Tann wurde dem Mädchen
besohlen, den Hafen vor dem Küchen-
fcnftcr aufzuhängen.
Werden wir ihn zu sonntaq essen,
Madame?" fragte sie.
Wir lachten, und endlich ließ Amanda
sich herbei, zu antworten: Was Du
Dir nicht denkst ein Hase muß min-
bestens drei Wochen hängen, bevor er
den feinsten Geschmack angenommen
hat."
Aber nicht wahr, Papa," wandte
Eulalie jetzt ein, ausgenommen muß
er doch werden?"
Ich blickte auf Amanda und diese auf
mich.
Na versteht sich." entschied ich end-
lich. Bevor er gebraten wird, muß er
natürlich ausgenommen werden."
Die Frauen kreischten laut aus vor
Vergnügen, am lautesten Anna, die den
Versuch machte, sich die Faust in den
Mund zu stopfen.
In heiterer Stimmung begaben wir
uns zur Ruhe: doch in der Nacht wurde
ich von bösen Träumen gequält, die sich
um den Hasen drehten. Mir träumte.
er mache sich, mit dem Strick um den
Hals, höhnisch auf und davon. Mein
erstes Geschäft am andern Morgen war
daher auch, mich in die Küche zu be-
geben. Eulalie, Anna und Amanda
folgten mir und guckten gleich mir durch
das Fenster. Gott sei Tank, der Hase
hing noch da. Tas gewährte mir eine
unendliche Beruhigung. Ich nahm das
Chassepot, damit es Anna zu Schröder
zurücktrage, aber vorher legte ich es an
die Backe und zielte lange und sorg
fältig auf meine kostbare Jagdtrophäe.
Als ich sah, mit welcher Bewunderung
die Frauen mein Thun betrachteten,
legte ich von neuem auf den Hasen an,
spannte den Hahn und, drückte ab. Au-
gcnblicklich gab's Funken, ein Schutz
dröhnte durch die Küche, daß der Kalk
von der Decke siel, und eine Wolke von
Pulvcrdampf füllte den Raum. Wel-
cheS Entsetzen für mich, für uns Alle!
Amanda siel in Ohnmacht, und die bei
den Andern starrten mich entsetzt an.
Ich war förmlich vernichtet. Wo war
die Kugel hingeflogen? An wem war ich
vielleicht soeben zum Mörder geworden?
Der Schuß hatte die ganze Haus-
bewohncrschaft aufgeschreckt: bald öff
ncten sich überall die Hoffenster, be
stürzte Gesichter erschienen an denselben
und steckten d:e Nase in die Lust. i
.Tort drüben ist eS gewesen!" be
daüptctc endlich eine Stimme, und ein
Zeigefinger deutete aus unser Fenster,
o.ch taumelte zurück wir waren ent
deckt! Geknickt sank ich auf einen Küchen
scheinet und titlet die Augen. Eulalie.
da? gute Kind, kniete an meine Seite
und barg ihr Antlitz an meiner Brust,
während Aura beim Anblick dieser
rührenden i'iruppe in Zhrünen aus
brach. Plötzlich klingelte es. Zitternd fuhr
ich in die Höhe. Anna aber ergriff
einen Knüppel und rief resolut: Ich
lasse Keinen rein und die Polizei erst
recht nicht!"
So feien Sie doch vernünsiig!" cr
tönte draußen die Stimme unseres
HauSwirths. Machen Sie nur aus
....von Polizei ist überhaupt keine
Rede."
Auf meine Weisung öffnete Anna,
und sogleich schob sich die Säbelfpitze
eines Polizisten herein, der bald dieser
selbst und dann der Hauswirth folgte.
Während Amanda von neuem in Ohn
macht siel und Eulalie sich mit lautem
Aufschrei an mich klammerte, stürzte der
Wirth auf mich zu.
Also Sie leben noch?" rief er, Sie
haben sich nicht erschossen e"
Grn'ifc nicht, wie Gleichen. . . .eie
können es mir glauben, ich lüge nicht!"
betheuerte ich sehr erschrocken.
Aber der Knall ist doch gehört wor
den," begann nun der Polizist, ah, da
ist ja auch die Büchse. ., .heiliger
Brahma, das ist ja ein Chassepot. Wie
kommen Sie denn zu einem solchen
Ding ?"
AtX) erklärte ihm, datz e meinem
Nachbar Schröder gehöre. Dieser wurde
geholt weit war cr auch nicht
erkannte das Gewehr als sein Eigen
thum an. bezeugte aber seine Unkcnnt-
nitz darüber, ob es geladen gewesen sei
Aber ich hatte ja noch keinen Schuß
daraus gethan," warf ich ein.
Tann weig es der Kuckuck, wie es
zugeht," rief der Buchbinder, geknallt
hat es i und zwar ordentlich da
müßte die Patrone ja feit dem Kriege
drin gewesen sein oder es ist eine
Flinte, die nur ein einziges Mal gela
den zu werden braucht, um hundert
Schüsse abzugeben. Ich habe sie von
meinem Onkel, der sie 1870 eroberte
und dann noch elf Franzosen damit
todtschoß."
Ter Wachtmeister wandte sich wieder
an mich. Geben Sie zu, hiermit ge-
schössen zu habin?"
Mir schwindelte. Sollte ich leug
nen? Aber meine Ucberlegung sagte mir
sofort, daß das unnütz sei und die Sache
nur verschlimmern könnte.
Ich gebe es zu. ich habe geschossen
aber ich habe nicht gewußt, daß die
Waffe geladen sei."
Worauf haben Sie die Büchse an
gelegt?"
Hierauf, durch das offene Fenster
auf den Hasen."
Bringen Sie ihn mal her. gebot er
dem Mädchen. Anna holte den Hasen
herein, und wir erblickten seinen bluti
gen. zerschmetterten Kopf. Jubelnd
sprang ich auf.
Sehen ie, Herr Wachtmeister, die
Wunde ist noch ganz frisch, sie blutet
noch;.... die Kugel ist vielleicht noch
drin."
Kopfschüttelnd betrachtete der Polizist
meine Jagdbeute Es ist so. wie Sie
sagen. .. .aber ich sehe überhaupt nur
eine Wunde wo ist denn die an-
dere?
Eine andere Wunde ist gar nicht
daran.
Sie behaupten doch nicht etwa, daß
das Thier vorher Noch gelebt habe?"
Nein aoer ich yave es mit mei-
ncn Händen gefangen, und mein Vetter
bat es dann abgeknickt. Hier scben Sie
die Schnittstelle."
Herr das ist ja Jagdfrevel, Wild
dieberei: Vergehen gegen 8 289!"
Bitte S 293," wagte ich zu deiner
ken. Aber damit kam ich schön an.
Ter Beamte nahm mir die Berichtigung
übel, denn wüthend schnauzte er: Das
wird sich schon finden! Es werden schon
noch mehr Paragraphen dabei heraus-kommen!"
Aber Herr Wachtmeister, ich habe
Zeugen dafür, daß der Hase angefan
gen hat, daß er auf mich zugesprungen
ist, und daß er mich erstickt hätte, wenn
nicht mein Vetter mir zu Hilfe geeilt
wäre!"
Ein schöner Vetter das! Und eine
schöne Geschichte, die Sie mir da aufzu-
tischen wagen! Nun' man wird ja Ihre
Zeugen vernehmen bis dahin muß
ich das Chassevot und den Hasen be-
chlagnahmcn!"
Damit wandte er sich mit kurzem
Gruße zum Gehen.
Nanu meine Flinte!" rief chrö-
der ihm nach.
Die können Sie sich vom Polizci.
Präsidium bolen. wenn die Sache aus
ist. So lange bleibt sie bei den
Akten!"
Aber der Haie!" rief ich verzwcif-
lungsvoll.
Bleibt auch so lange bei den
Akten!" Tamit polterte er die Treppen
hinunter.
Gott sei Tank, daß er fort rft!"
prach Eulalic, das gute Kind, endlich.
Aber dcr schonc Haie!" jammerte
Amanda.
Madame." ließ Anna sich vcrnch-
inen, ver verr sagie oocy, nacy orei
Wochen kann der Hase noch gegessen
werden so lange kann die Geschichte
doch nicht dauern!"
Wie weinerlich uns auch zu Muthe
war, dc: dic'er Bemcrlung mußten wir
doch lachen sie war auch gar zu
naiv!
Merken Sie es sich, Anna." svrach
ich würdevoll, der Prozeß um den Ha
sen w:rd länger leben als der Hase e?
selbst aushalten kann. Und nun geben
Sie mir den Ucdcrzichcr ich muß
aufs Bureau und der Henker soll
mich holen, wenn ich wieder auf die
Hafc.iiagd gehe."
Amen!" bekräsiigte Amanda.
Bon einem B,t,r,, der rmee
Friedrich des roken
erzählt die N. St. Ztg.": Tiefer alte
Nriegcr lebte noch 1820 in Stettin.
wurde aber bald darauf zu Grade ae
tragen. Er stand allein und war arm,
doch alle Zeit fröhlich und guter Tinge.
Wunderlich hatte das Schicksal den ar
men Teufe! durch die Welt gewirbelt,
denn dieser ehemalige Husar Friedrichs
des Großen war ein Türke.
In Adrianopel geboren, gerieth er
als junger Mann auf dcr See in Ge
sangenschaft und wurde nach Lissabon
gebracht. Bon dort kam er nach Ma
drid, nahm in Spanien und später in
Frankreich Kriegsdienste, focht im östcr
reichischen ErbfolgeKricge in den Nie-
verlanden mit, ward aber ach dcr Ein
nähme von Mastrich fahncuflüchiig und
gedachte, durch Deutschland und Ungarn
wandernd, wicdcr in seine Heimuth zu
gelangen. Schon hatte er glücklich
Schlesien erreicht, als cr dort unter
preußische Werder gerieth, die ihn in
ihre Netze zogen und mit ihn, zechten.
Als cr dabei auf die Gesundheit des
Königs getrunkcn hatte, ward ihm an
gekündigt, daß cr nunmehr preußischer
Soldat sei.
Er trat in das Werncr'schc Regiment
der braunen Husaren und machte in
ihm den ganzen siebenjährigen Krieg
mit. In der Schlacht bei Torgnü
wurde ihm das Pferd unter dem Leide
erschossen: cr stürzte und beschädigte sich
schwer den Fuß. Hierauf wurde er
in ein Tragoner - Regiment versetzt,
das nach dem Friedensschluß in Lands
bcrg a. W. sein Standquartier hatte.
Hier wurde er auf Veranlassung seines
Majors im christlichen Glauben
unterrichtet und 1764 getauft, wobei
er die Namen Christian Ludwig Ernst
erhielt.
Nach seiner Verabschiedung wohnte
er in Stettin. Hier sand dcr alte tapfere
Soldat manche wohlwollende Beschützer,
die ihm sein Alter zu erleichtern such
ten. Mit Begeisterung hing er bis zu
seinem Tode an seinem ehemaligen
löniglichen Feldherrn, mit dem er
mehrmals auch in persönliche Berüh
rung gekommen war.
Das erste Mal, als einst Friedrich in
Böhmen die Vorposten persönlich revi
dirte, drohte der Husar, der den König
damals noch nicht kannte, ans diesen zu
schießen, wenn er nicht mache und die
Parole gebe. Ter König nannte sie
und gab sich zu erkennen, indem er be
merkte, Jener werde doch auf seinen
König nicht schießen! Der aber bemerkte ,
trocken in seinem gebrochenen Deutsch:
Wenn Du auch bist König, mußt doch
stehen." Als später der König den die
Vorposten befehligenden Offizier traf,
fragte er diesen: Was hat er denn da
für einen tollen Kerl: der hätte mich ja
beinahe erschossen?"
Das ist ein Türke." versetzte der
Offizier, aber ich wünschte, daß Ew.
Majestät lauter so tüchtige Soldaten
hätten."
Hierauf zog der König seine. Börse
und übergab dem Offizier einen Fried
richsdor für den Husaren, der diesem
gleich nach dcr Ablösung eingehändigt
wurde.
Ein anderes Mal kam der König an
das Wachtfeuer der Husaren und fragte,
wo er hier sei. Ta der dort befchli
gende Cornet, ein blutjunges Bürsch
chen von 10 Jahren, mit der Antwort
zauderte, erwiderte an feiner Stelle
un er Hu ar: Ihr Majestät, bei Ihr
Kinder, bei die braune Husar!"
Nun gut, Kinder." versckte dcr
König, ich werde mich anderthalb
Stunden hier ausruhen; länger aber
laßt mich nicht schlafen." Als sich der
König, in feinen Mantel gehüllt nie
dergclegt hatte, drehte ihm der Husar
blitzschnell nach türkischer Art ein Kissen
von Stroh und schob es dem König un
ter den Kopf, indem er sagte: ..da hast
du Kiß."
Nach seiner eigenen Angabe war der
alte Krieger 1703 geboren, er wäre
also, wenn diese genau. 112 Jahre alt
geworden. Er erhielt als Greis monat
lich einen Jnvalidenthaler und als
königliche Zulage drei Thaler.
Stcttiner Bürger sorgten dafür, daß er
in seinen alten Tagen nicht Noth litt.
Schlagfertig.
Ter französische Marschall Canrobert
inspizirte eines Tages .einige Jnfante
rieregimcntcr seines Armeekorps und
unterzog die dem Mannschaften ge
lieferten neuen Gamaschen einer ein
gehenden Betrachtung. Plötzlich be
merkte er einen Soldaten, dcr seine
Gamaschen schlecht geknöpft hatte, und
rief ihm zu: Ich werde Ihnen meine
Köchin schicken, damit die Ihnen die
Gamaschen ordentlich zuknöpft."
Tas ist nicht nöthig, Herr Mar
schall." vcrsctztc dcr Soldvt, mit der
komme ich so wie so jeden Tag zufam- A
men."
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Nie ist die wcidliche Stimme schöner,
s im Trösten.
T.if MnirtttV Klmae fi.si hieben f.ifc
Sei nicht hart, nur fest.