Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 27, 1900, Image 9

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    3ur 3a!:rfsiren
In- koiha,,, 'ülll !!? heb! itvoit 'ich
w.vfcer.
Ia Siii-i i't ou gleich icngt t n adr
an ;
yiiaitt n eigen out und tauchen nieder.
Und andre, neue tittttt ant. den 'l;lan.
.if alt da Lpiel. och ist ei nicht veraltet,
Wkil ftine WaKldeil mimet neu eittehk.
Ji'cil feint Rown. lausknd'ach entfaltet.
im ewig srischcr Ingrndiei; umweht.
A!S lolch ein 2pul von Jtomrnrn und von
Tchndkn
Vrfclieint da Jahr, da flücht gk ind der
Zeit,
04 C;ean von Freuden nd von beiden,
(sin Irop'en nur im Meer der lZmigkeit ;
(?in leiser !on im feren TphSrenllange.
Und dennoch tine niachl ge Symphonie;
An feine, Taner scheinbar ttidlo-5 lange,
Zulck ein Traum, entfloh', du echt nicht
wie.
('s weckt im l'en; da Lied der Nachtigallen
Und schmückt die lunienflur mit Pracht und
la,.
? läht im Herbst es welke Blätter fallen
Und wandelt all die Pracht um lodtenlran;.
?ln einer Hand fühlt'S Generationen
Zur Pilgerfahrt dem Vrdendasein zu,
Und mit der andern winkt e Millionen :
Steigt nieder in die (ruft, ux em'gen Ruh' !
Toch nein, es laßt da; alte Jahr beim
Tcheiden
Uns resj're noch als Todteiikraiiik nur;
)!icht niederwärts (ii düstern Irauerroeiden,
Nein, vorwärts, aufwärts leitet seine 2or.
Rolgr doch dem alten Jahre siel das neue,
lern inieigrabe FrühlingSauserflehn!
Um (Saatfeld ist die Zeit, und 0'otte Treue
Licht uiiS dereinst die reiche Ernte sehn !
Heinrich Tut er.
Clara.
Eine NeujahrSgeschichte von G. v. chim
inelpfennig v. d. Cne.
Karo schlug an. eS kam Jemand.
Die kleine Thür neben der großen Ein
fahrt öffnete sich, und der Land.Bricf.
träger betrat den GutShof.
Ter Ostwind brauste über die Felder
und jagte Millionen leichter Schnee
flocken vor sich her. DaS Anschlagen
deS Hundes war nicht unbemerkt ge
blieben. In der Pforte des Wohn
hauseS erschien die wohlbeleibte Gestalt
der Frau Amtsräthin Müller. Sie rief
dem Briefträger zu: .Na. Repke. was
bringen Sie in diesem Unwetter? Kom
men Sie herein, Mann! Eine Tasse
vom Nachmittags-Kaffee wird wohl
noch vorhanden sein. Das ist ja beute
'ein Sturm, wie in Rußland!" Der
Postbote war näher getreten und über
reichte der alten Dame einen Brief mit
ausländischer Marke. , ,
.Gott, ein Schreiben vom Komteß
chen!" rief Frau Müller. Sie wird
doch nicht trank sein, das gute Kind?
Ja, eS ist ihre Ha'Mrift. Gehen
Sie in die Küche ', tt, die Jette soll
Ihnen einschenken. Nun will ich
doch lesen, was Clara schreibt!" Mit
diesen Worten beaab sich die Frau
Amtsräthin in ihre Wohnstube, holte
die Brille vom Nähttlch. ruckte einen
Stuhl dicht an die becisten Fenster und
begann, das kleine, blaue Bricflein zu
ftudiren. welches vor wenigen Tagen
am Fuße der Alpen abgesendet, halb
Europa durchmessen hatte, um nun auf
einem altmärkischcn Edelsitz seiner Be
stimmung zu entsprechen. Komtesse
Clara schrieb:
.Meine liebe, gute Mama Müller!
Ich halte eS hier nicht länger aus in
Chamounix. Die Leute sind ja alle so
lieb und freundlich, wie ich eS gar nicht
verdiene. Vielleicht ist es nur Mit
leid, weil sie wissen, daß ich nun. nach
dem Tod? von Papa, gauz allein stehe
und Niemanden habe! Aber eben das
bedrückt mich, und ich wünsche nichts
sehnsüchtiger, als das Weihnachtsfest
dieses Mal im Elternhause zu verleben.
Warum soll ich mir diesen Wunsch nicht
erfüllen? Ich komme also und treffe
am 23. Dezember. AdendS 9 Uhr, auf
unserer Nachbar-Station Eichholz ein.
Schickt Wagen oder Schliiten dorthin!
Nun sehe ich schon die Mama Mül
ler: Gott, dieses Kind!" sagt sie. In
der Eiseskülte die weite Fahrt!" Und
dann geht das Backen und Kochen und
Putzen und Reinmachen los! Also auf
Wiedersehen in acht Tagen! Ich grüße
den Herrn Amtsrath und Pfarrer
Friedberg und küsse meine liebe Mama
als ihre tolle Clara."
Die Komtesse kannte die Amtsräthin
yut. Frau Müller nickte mit dem
Kopfe und sagte wirklich: Gott, dieses
Kind!" und .Die weite Fahrt!" Vor
ihrem Geiste tauchte daS Bild des vier
zehnjährigen MädchenS auf. das vor
vier Jahren daS Vaterhaus verlaffen
hatte, um in einer Schweizer Pension
ihre Erziehung zu vollenden. Das waren
trübe Tage gewesen damals Anno
'9 t. Der Stammhalter des alten
Grafengeschlechts stand als Leutnant
bei den GardeDragonern; eines Mor
genS war er fröhlich zur Jagd geritten,
und die finkende Sonne hatte ihn auf
der Todendahre gefunden. Ein un
glücklicher Sturz beraubte den alten
Grafen des einzigen Sohnes. Die
Gräfin ruhte schon lange in der ffami
liengruft, drüben hinter der Kirche.
WaS sollte da freilich daS junge, weiche
Kindergemüth in dem verdüsterten
Hause! So gab denn der Graf sein letz
teS Kind, wenn auch blutenden Her
zenS. in die Fremde, um Clara unter
frShlichkN Menschen in heiterer Um
Ml
Jahrgang 21.
gebung aufwachsen zu lassen und sie
dereinst als vollendete Dame heimkehren
,u sehen. Er hatte eS nicht mehr er
lebt; ein Schlaganfall, dem bald darauf
ein zweiter folgte, hatte ihn in den
Januartagcn des letzten Jahres an die
Seite der Vorfahren gebettet. Clara
war nicht zum BegrSdniß gekommen.
So hatte der ausdrückliche Befehl deS
alten Herrn, der sein Ende nahen
fühlte, gelautet. Und nun sollte sie
wieder heimkehren!
.Wie sie aussehen mag? Gewiß groß
und schlank!" dachte die Frau Amts
räthin und ihre Gedanken flogen der
jungen Gebieterin entgegen, die sie wie
ein eiaencS Kind liebte. Aber wir
verlaffen die gute Dame in ihren tau
send häuslichen Sorgen und Nöthen
und begeben unS mit einem kühnen
Sprung über Zeit und Raum nach
Berlin.
ES ist am Abend deS 23. Dezember
1808. Auf dem Potsdamer Bahnhof
wog eine bunte Menge, denn der
Schnellzug in der Richtung Stendal
Hannover wird in einigen Minuten
abfahren. In einem Coupee erster
Klaffe, lehnt eine dicht verschleierte
Dame m eleganter Rctsctracht. Es ist
Comtesse Clara, die einer Freundin zu
Liebe die Heimreise auf einige Etun
den in Berlin unterbrochen hat. Noch
ist sie die einzige In affin deS Wagen
adtheilS und sie wünscht, es auch zu
bleiben.
.Bitte, lassen Sie Niemanden herein,
wenn eS geht!" sagt ste zu dem Schaff
tut; der aber zuckt die Achseln und er
widert:
.Wird schwer halten bei die Zeit; et
iS allenS dick voll, dat können Sie mir
ilooben, Fräuleinkin! Sehn Sie woll.
da kommen fo'n Paar, die feh'n mir
jrade so aus, als ob sie erfchter Jüte
mitwollten!"
Ter Mann hatte ein geübtes Auge
Die zwei Herren, deren wettergebrüunte
Gesichter auf den ersten Blick den Ossi
zier" verriethen, blieben vor dem Coupee
stehen.
Nun Adieu, mein Lieber, thut mir
leid, daß ich die Weihnachtstage nicht
hier verbringen kann, aber ich habe
meinen Urlaub hinter mir, und die
Kameraden wollen auch 'mal aus der
Garnison weg."
Adieu, alter Junge! Steige ein!
es ist Zelt, der Zugführer pfeift schon.
Gruße alle Bekannten drüben, und ge
sundes Fest!" entgegnete der Zurück-
bleibende, und mit leiserer Stimme
setzte er hinzu: Du fährst in Gesell
schüft, und wie eS scheint, in nicht
übler, ich möchte wohl mit Dir tau
schen!"
Der Zug setzte sich langsam in Be
wegung; die beiden Herren schüttelten
sich noch einmal die Hände; der Eine
schwenkte den Hut, der Andere winkte
mit der Krücke des Schirmes, und dann
verschwindet die erleuchtete Halle, und
der Zug braust hinaus in die Winter
nacht. Der neue Passagier ist der
Leutnant Egon v. Hosse von den blauen
Ulanen und nach Kavalleriftenart stets
zur Attacke fertig. Das ist ja ein ganz
charmanter, kleiner Käfer!" denkt er bei
sich nach kurzer Musterung des ihm
gegenüber fitzenden Mädchens, und so
fort eröffnete er auch die Conversation
mit der Entschuldigung, vielleicht durch
sein Eindringen in das Coupee gestört
zu haben. Aber der Angriff mißlingt.
Das Fräulein erwidert sehr kühl einige
nichtssagende Worte und läßt deutlich
erkennen, daß ihr an einer Fortsetzung
des angeknüpften Gespräches Nichts ge
legen fei. Der Leutnant fühlt sich ein
wenig in seiner Eitelkeit gekränkt, denn
er war eine schöne, elastische Erscheinung
und hatte ein frisches, offenes Gesicht.
einrs jener länglichen Ovale mit blon-
dem Ächnurrbartchen und graublauen
Augen, wie sie für den preußischen Adel
charakteristisch sind. Aber was konnte
er machen? Kleine Katze?" brummte
er vor sich hin: dann fetzte er sich refig
nirt in die andere Wagenecke und schlief
den Schlaf des Gerechten, bis nian in
den Bahnhof Stendal einfuhr. Hier
mußte er umsteigen, denn die Garnison
der blauen Ulanen liegt an einer klei
nen Zweigbahn. Herr v. Hoffe begab
sich zunächst in den Wartesaal, um ein
GlaS Grog zu genehmigen, dann man
delte er langsam auf den bereitftehen
den Zug zu, welcher nur aus zwei
Waggons bestand und dem die Ulanen
Offiziere den Spottnamen Klingel
droschke" gegeben hatten.
'Wie erstaunte aber der Leutnant, als
er in dem einzigen Waggon zweiter
Klaffe feine Partnerin von vorhin an
traf. Also auch sie wollte vermuthlich
nach seiner Garnisonftadt. Wer konnte
sie sein? Er kannte doch Krethi und
Plethi und wußte nicht, wo er sie unter
dringen sollte.
.Gnädiges Fräulein fahren auch
nach HerSdorf?"
.Nein, ich steige bereits in Eichholz
aus."
fr
301
Beilage zum Nebrasla Staats-Anzeiger.
.Ah. gnädiges Fräulein werden per
Wagen abgeholt? Vermuthlich von
Lütlfelde aus? Oder von Tiepom?"
Weder daS Eine, noch das Andere.
Von Senzke."
Ah. von Senzke!"
Herr v. Hoffe schwieg. .Wag tarn,
dieses Mädchen in Senzke wollen?"
dachte er. Im Herrenhause refivirt
Niemand mehr seit dem Tode deS alten
Grafen das kann eS nicht fein
bleibt nur der Pfarrer und der
Amtsrath, der daS Gut verwaltet.
Alle ZSetter. hat der Müller nicht kürz
lich nach einer Bonne für fein kleines
Töchterchen inserirt? Wie war doch
Das? Erzieherin gesucht, musikalisch,
französische Conversation richtig, so
war eS. Ja. das wird sie sein, natür
lich wollen 'mal auf den Zahn füh
len! Aber sie fuhr doch erster Klaffe?
Bah, bei dieser Menfchenfülle vor den
Festtagen!"
.Sie kommen auch aus Berlin? Ja?
ES ist reizend da, Theater. Musik!
Sind Sie musikalisch, meine Gnä
dige?" Ich spiele sehr viel Klavier und
finge ein wenig!"
Na ja. stimmt," dachte der Leut
nant, sie klavizimbelt!"
Ja. ja, wie vielseitig die Damen
heute sind!" fuhr er fort. Klavier,
Gesang. Malerei, Sprachen. Sie
sprechen doch gewiß Französisch, mein
Fräulein?"
Ich war Jahre lang nur in fran
zöfischer Umgebung und beherrsche diese
Sprache leidlich!"
Da haben wir'?, eS ist die Gouver
nante!" dachte Herr v. Hosse. Und sei
es, daß ihn die Ueberzeugung kühn
machte, einer Erzieherin gegenüber un
widerstehlich zu sein, sei es ein anderer
Umstand, der Ulanen-Leutuant wurde
immer gesprächiger und rebhafter, er
zählte Anekdoten und Jagdgeschichten,
Abenteuer und Schwanke, und als er
den Amtsrath Müller nebst Frau, zwei
in Hersdorf stadtbekannte Erscheinun
gen. copirte,, da erlebte er die Genug
thuung. daß das junge Mädchen hell
auflachte und den Schleier aufschlug.
Wie schön sie ist !" Beinahe hatte der
Leutnant diese Worte laut gesprochen.
Jetzt begann ihn seine Gesprächigkeit zu
reuen. Was mußte dieses schöne Mäd
chen mit den verständigen, großen, dun
lelbraunen Augen von ihm denken?
Zeugte nicht diese leise Falte um den
kirschrothen Mund von Spottluft und
versteckter Ironie? Sie machte sich wohl
innerlich über ihn lustig. Dieses Ge
fühl ließ Herrn v. Hoffe, wenn auch
nicht verstummen, so doch ernster wer
den, und bald waren die beiden ein
samen Reisenden in ein ruhiges Ge
spräch mit gleichem Interesse vertieft.
Kurz, ehe der Zug anhielt, beschloß
Herr v. Hosse, direkt zu fragen.
Nicht wahr, Sie gehen zu Müllers
in Senzke als Gouvernante in Stel
lung, mein Fräulein? Darf ich Sie
dort aufsuchen? Der Herr Amtsrath ist
ein alter, lieber Bekannter von mir,
wir haben manchen Hasen zusammen
geschossen!"
Clara lachte laut auf. Hatte sie doch
so etwas, wie eine Verwechslung, der
muthet. Dieser Irrthum war zu so
misch. Der Leutnant aber nahm den
Heiterkeitsausbruch als Zustimmung
und versprach, am ersten Feiertag be
stimmt nach Senzke hinaus zu kommen.
Als ob sie alte Bekannte wären, trenn
ten sich die jungen Leute mit herzlichem
Händedruck.
Die Wirthin des Leutnants v. Hoffe
wunderte sich, denn er war, ohne Kaffee
zu trinken, am 24. früh in den Dienst
gegangen; der Bursche wunderte sich,
denn sein Herr hatte die dünnen
Lackstiefel trotz 16 Reaumur" an
gezogen; die melruten wunderten
sich, denn ihr Reitlehrer stand
in sich versunken, wortlos, in der Bahn,
und die Kameraden wunderten sich, als
der lebenslustige Hosse am Abend un
ter'm Tannenbaum im Kasino plötzlich
sagte: .Das ist ja Alles ganz hübsch,
aber ein eigener Herd ist Goldes werth!"
Er hatte sich sterblich verliebt in die
dunklen Augen, die ihn in der Er
innerung so verlockend ansahen, als ob
sie sagen wollten: Du gefällst mir
auch, wir können ein Paar werden!"
So konnte er kaum den Nachmittag deS
ersten Feiertages erwarten, und Schlag
vier Uhr hielt sein Schlitten auf dem
Gutshofe in Senzke.
DaS ist Recht, daß Sie uns be
suchen. Herr von Hosse!" sagte Frau
Müller. Kommen Sie nur öfter,
wir haben auch etwas Jugend im
Hause unser neue Bonne. Hier ist
sie. ich werde die Herrschaften bekannt
machen!"
.Herr Leutnant von Hosse Fräu
lein Clara"
Clärchen trug ein einfaches Wollkleid
und eme blaue Schürze; sie sah reizend
auS in ihrem schlichten Hausanzug,
und dem .Leutnant wurde eS imitier
zlaqslzast
J J I
schwüler um'S Herz, namentlich nach
dem das Ehepaar Müller sich etwas zu
rückgezogen hatte, um in der Wirth
schaft nachzusehen." wie der Amtsrath
sagte. Warum der alte Herr wohl so
malitiös lächelte? Die Stunden flogen.'
und ehe man eS gedacht, war es später
Abend. Wann besuchen Sie uns wie
der, Herr Leutnant?" fragte Frau
Müller. .Ich denke. Sie kommen bald
wieder, in dieser Woche noch, es ist hier
so einsam."
Und waS sagen Sie dazu. Fräu
lein Clara?" erwiderte Herr von
Hoffe. .Darf ich kommen?" Sie er
röthete, machte einen tiefen Knix und
sagte: Ich habe hier nichts zu er
lauben!"
Herr von Hosse kam; er kam jeden
Nachmittag trotz Sturm und Schnee,
um einige Stunden in der Nähe der
Geliebten zutubringen. So war der
Sylvester Abend herangenaht Im
Kasino zündete man noch einmal den
Tannendaum an und braute würzigen
Punsch unter fröhlichen Gesprächen.
Aber Hosse fehlte; er war wieder
draußen in Senzke und wandelte an
Clara's Seite durch den hohen Ahnen
faal, der heute zur Feier des Jahres
Wechsels geöffnet, gelüftet und geheizt
worden war. und von dessen Wänden
Ritter im Panzer und Kavaliere in
Rococotracht verwundert auf die Enkelin
im Wollenkleidchen herniederschauten.
Der Leutnant sagte eben:
Ich habe zu Hause auch eine
Ahnengallerie; sie ist freilich nicht so
schön und so groß, wie diese; sie ist todt
und kalt, bis dereinst ein fröhlicher
Geist in die stummen Räume einzieht.
Wollen Sie daS nicht sein, Fräulein
Clara? Wollen Sie mit mir einziehen
in mein Elternhaus? Es kann Ihnen
nicht entgangen sein, Clara, daß ich
Sie liebe innig liebe! Wenden Sie
nicht ein, daß wir uns erst acht Tage
kennen! Mir ist es, als ob es Jahre
wären. Wollen Sie Willst Du mein
Weid mein kleines, geliebtes Weib
werden?"
Sie stand vor ihm, die langen Wim
pern niedergeschlagen, unter denen es
wie eine Thräne blinkte.
Aber, Herr von Hosse ich ich
ich bin nur em emsaches Mädchen
Sie in Ihrer Stellung ich die
Welt!"
Was frage ich nach Stellung und
Welt! Ich will Dich und nichts Ande
res. Sage, willst Du mein fein?"
Sie lag in seinen Armen, und er
kuhte sie aus den frischen, rothen
Mund.
Und nun schweige, mein Lieb! Wir
werden die guten Mullers um Zwölf
überraschen, mit dem Jahreswechsel!
Wie werden sie sich wundern, daß ich
ihnen die Gouvernante entführe!
Die Frau Amtsrath erschien in der
Thür und rief zu Punsch und Pfann
kuchen. In der Küche wurde alsdann
Blei gegossen, Mehlschneiden, Pantof
felwerfen und anderer Sylvesterspuk
gespielt. So nahte die Mitternachts-
stunde.
Dumpf hallten, die zwölf Schläge
der großen Thurmuhr Über den stillen
So .
Prosit Neujahr 1899!" sagte Frau
Müller.
Wir. haben eine kleine Ueber
raschuna." entgegnete der Leutnant
Meine Herrschaften, ich stelle Ihnen
meine Braut vor. Fräulein Clara!
Wir haben auch eine kleine Ueber
raschung," versetzte darauf der Amts
rath. Und indem er auf feine junge
Gebieterin zuschritt und ihr die Hand
küßte, sagte er: Ich gratulire herzlich
zum Jahreswechsel und zur Verlobung,
gnädigste Comtesse!"
Die Schildner zum Schneggen.
Aus Zürich, Schweiz, wird gemeldet:
Zu den Seltenheiten darf man es im
inerbin rechnen, wenn eine private Ver
einigung durch ein halbes Jahrtausend
fich erhält wie die hiesige Gesellschaft der
Schildner zum Schneggen, die die Feier
ihres 50jährigen Bestehens beging.
Keine Zunft und nie in den staatlichen
Organismus des alten Zürich einge
fügt, war die Schildmrschaft zum
Schneggen" gleichwohl nicht ohne Ein
flutz im zürcherischen Staatsleben, fan
den fich doch in ihr die Mitglieder der
ältesten und regimentsfähigen Familien
der Escher. Meyer v. Knonau, Grebel.
Scdwend. Edlibach, Meiß. später der
Holzhelb. Brüm, Hirzel. Muralt
u. v. a. zusammen, gehörten doch
viele Ratsherren, Zunftmeister und
Bürgermeister der Stadt der Gesell
schaft an, unter letzteren die thatkräfti-,
gen Bürgermeister des 15. Jahrhun
dertS, der 1443 im Kampfe für Zürich
bei St. Jakos an der Sihl gefallene
Rudolph Stüfsi und der (1490) ent
hauptete Hans Waldmann.
Die bevorzugte Stellung, welche die
Schildner zum Schneggen thatsächlich
Ro. 32.
einnahmen, erhellt aus manchen Ehren
Vergünstigungen, die der Gesellschaft
und ihren Mitglieder zukamen. Eo
nahm die Schildnerschast zum Tckueg
gen den Rang neben der Konftoffcl (die
Junter vom Rüden) ein und ging den
übrigen Zunsten voran, an den Neu
jahrsmahljkiten der Gesellschaft mußte
einer der Bürgermeister thcilnehmen,
die Frauen der Schildner vom Schnez
gen durften sich kleiden wie die der
Junker vom Rüden (Konftoffelj und
erhielten dieselben Ehrenrechte, wie die
auS den Geschlechtern der Konltoffct.
Eine besondere Rolle spielte die Schild
nerschaft zum Schneggen als Repräsen
taiitin der Obrigkeit, wenn es galt,
fremde, vornehme Gäste zu bewirthen,
sei es, daß die Stadt nachher die Kosten
deckte, sei :s, daß die Gesellschaft die
Gäste freihielt, wie es namentlich im
1(5. und 17. Jahrhundert geschah. Die
Gäste vergalten die Bewirthung ge
wöhnlich durch Geschenke und so ent
stand der reiche Silberschatz der Gesell
schüft, der heute noch ihren Stolz bil
dct. Gar manches prächtige Stück.
Becher in allerlei Form und Prunkge
schirr ist darunter, so ein 1608 von dem
venezianischen Gesandten Joh. Baptist
Padavino gestifteter Humpen (Zürcher
Arbeit), zwei Schneckenbecher, ein gol
dcner aus dem Jahre 1564, einer von
Perlmutter in Gold gefaßt, aus dem
Jahre 1621, zwei prächtig getriebene
Humpen, welche der Gesandte Karls 1,
von England, Jakob Hay, Vicegraf
von Toucester und Gras von Carlisle,
anno 1629 der Gesellschaft verehrt,
zwei reichverzierte Becher von 1583. ein
Geschenk der Stadt Genf, wie auch
zwei Becher, welche auS dem Glücks
Hafen des Stratzdurger Frcischicßens
vom 21. Juni 1576 von Gesellschafts
Mitgliedern Heimgedracht wurden, wo
hin die Zürcher damals mit dem war
men Hirsbrei für ihre Straßburger
Freunde gefahren waren, ein Ercigniß.
das Fischart in seinem Gluckhafft
Schiff von Zürich" für die Jahrhun
derte festgehalten.
Wie rege der Gastverkehr war und
wie die Gäste zu lohnen wußten, ersieht
man aus dem im Gesellschaftsarchive
aufbewahrten Silberbüchlein, das auS
der Zeit von 1558 bis 1781 als Ge
schenke von 323 Personen 317 Ehren
geschirre im Gewichte von 5852$ Loth
verzeichnet. Die Kosten für die Gast
freihaltungen waren oft sehr groß, so
erforderte die Bewirthung des'franzö
'Ischen Botschafters Caftille im Jahre
1614 die Summe von 766 Pfund,
während zwei Jahre vorher aus Anlaß
eines Bündnißschlusses mit Markgraf
Georg Friedrich von Baden 1031
Pfund daraufgingen, wobei auf das
Apothckerconto für Spezereien allein
200 Pfund entfielen. Manchtnal gin
gen die Gastereien über das landes
übliche Maß hinaus und die Obrigkeit
suchte durch Vorschriften vor finanziel
lem Schaden fich zu sichern. Beispiels
weise wurde 1573 den Stubenmeistern
der Gesellschaft vorgeschrieben, sobald
der Käse herumgegangen sei der also
wohl schon damals der Mahlzeit Ende
bezeichnete die von den Räthen ange
legte Uerte" (Rechnung) rufen zu las
sen, womit die Täfelung auf Stadt-
kosten aufhörte.
Die Gastereien fanden jeweilen im
Gesellschaftshause der Schildner statt,
das den Namen Zum Schneggen" (der
Schnegg die Schnecke) trüg. Hier
waren zum Zeichen des Miteigenthums
und der Mitgliedschaft die Wappen-
schilder der einzelnen Gescllschaftsgenos
sen. der sogenannten Schildner, äufge
hängt, daher der Name Schildner zum
scyneggcn" o. y. ver 'l'citglieder der
Gemeinderschaft zum Schneggen. Das
Schild, das Symbol des Eigenthum-
Antheils, wurde als Bezeichnung des
Antheils selbst gebraucht, der veräußer
lich unter gewissen Bedingungen wie
auch vererblich war, aus welch letzterem
Grunde es vorkam, daß auch Minder
jährige Mitglieder der Schildnerschast
wurden.
In der jetzt herausgegebenen Fest
schrift, in welcher auf Grund des von
dem verstorbenen Historiker Professor
Georg v. Wyß, dem ehemaligen Ob
mann der Gesellschaft, hinterlassenen
Materials Wilhelm ToblerMener die
Geschichte der Schilde zum Schneggen
herausgegeben hat, macht Dr. Zeller
Berdmüller in einer kurzen Einleitung
darauf aufmerksam, daß die von einem
Chronisten überlieferte Entftehungsge
chlchte der Ge eil chast wonach fich
des Kriege? wegen 65 redliche Edle von
alten Bürgergeschlechtern, die man die
Schwertler" nennt, auf dem alten
cyneggen zuiammengeiyan yatien
im Wesentlichen annehmbar wäre,
wenn man die Entstehung in die
KriegZzeit von 135156 verlege, statt
in die deS alten ZürichkriegeS (1437
46). Aber wie dem auch fei, sicher ist.
daß die Schildnerschaft zum Schneggen
im Jahre 1400 bestand, denn in diesem
.dre zog ne in den n.::."t -chnezzm.
er lcicl.'chü's:-aus. Im 3i-;U' und
'-'iiiibnch von i:' in:o rc:i )-:, Wt
i.'He:t zum -üv.etw f.-j.nt clä von
n::a bekjiiatfii (Wt-2fch.:f: crfproettn.
lS lnt n.::t v;,l i'jabrütcir.ii.tfdt für
sich, daß die Besucher dc? in d'M ft.dti
fini Hause um alte:: Schneggen" de
f'.ttdlichen Trir.kilude. seiche gkinäß
Rathsdefchluß nur dem Rathe, den
Ein gewinne: ii und Sücklcrn" offen
stand, sich zusammenthatkn u::d aus
ihre Kosten dem im Jahre I4f vollen
dcten Ralhdause den neuen Schneggen
anbauten. Wir haben hicr alsg nichts
Anderes vor uns cli den Bau fintS
CludhauseS im Mtlclaltc: durch eine
gesellige Vereinigung, d.e vermöge id
rer Mitglieder allerdings nicht nur eine .
gesellschaftliche Rolle im Züricher
Stagisleden spielte.
Von Interesse ist, d.ß die Zahl der
Mitglieder auf 65 beschränkt ist. Man
hat nun vermuthet, daß die Zahlen
somdolik hier eine Rolle spiele. Ein
Schildrodel von 1559 führt nämlich
die Gesellschaft in 5 Theilen zu je 13
Mitgliedern auf und es wäre nicht UN'
denkbar, daß wir eS hier mit der Zahl
13 der Tafelrunde zu thun haben, wie
sie sich beim AdcndmahIe Jesu, bei Karl
dem Großen und seinen Paladinen, bei
König ArthuS und seiner Tafelrunde
findet. Bei der Aufnahme in die Ge
sell'cdast fanden auch, wenigstens ist
dies für die letzten Jahrhunderte be
zeugt, gewisse Ceremonien statt, die sich,
allerdings verändert, bis heute erhiel
ten. Die Organisation der Gesellschaft
ist im SLcsentlichen die geblieben, wie
seit Jahrhunderten. Das Haupt ist
der Obmann, dem sechs Rechenhcrren
zur Seite stehen, welche die Rechnungen
des Stubenmeisters, des ökonomischen
Verwalters des Hauses und der Gesell
schüft abzunehmen haben. Unter den
Schildnern des letzten Jahrhunderts
finden sich auch zwei Poeten, ein
kleinerer, Johann Martin Usteri, der
uns das Freut Euch des Lebens" ge
sungen, und ein großer, Konrad Fer
dinand Meyer, dem der Schild seines
Schwiegervaters. deS Obersten Ziegler,
zufiel. .
XU Snstltdtk.PastkttN.
Der edelste Beruf der Gans, die zu
Weihnachten ihre klassische Zeit hat, ist
unzweifelhaft ihre menschenersreuende
Eigenschaft, zur GänscleberPastete zu
dienen. Die Geschichte dieses Lecker
bissens ist recht interessant. Bis in'S
letzte Viertel deS 18. Jahrhunderts
stopften die Straßburger Hausfrauen
die Gänse nur zu dem Zweck, mehr Fett
von ihnen zu erhalten, denn das Gänse
seit kam billiger zu stehen als die But
ter. Die bis dahin als Nebensache an
gesehene Leber ward erst durch den Koch
des Marschalls v. Contadeö, welch' letz,
terer seit 1763 als Gouverneur deS
Elsaß in Straßburg lebte ihrer höheren
Bestimmung zugeführt.
Der Marschall traute der Kochkunst der
Elsässer wenig zu und hatte deshalb
seinen angeblich aus Sachsen stammen
den Koch Namens Close. mit nach
Straßburg genommen. Dieser, ein
Künstler in seinem Beruf, erkannte
bald, daß sich aus den schönen Gänse
ledern, die er in Straßburg fand,
etwas" machen laffen könne. Schon
nach einigen Versuchen kam er denn
auch dahinter, daß sich mit Hilse der
Trüffeln von Perigord eine treffliche
Pastete daraus herstellen ließe. In der
That fand eine solche Pastete so sehr den
Beifall des Marschalls und seiner Gäste,
daß ersterer seinem Koche befahl, das
Geheimniß der Zubereitung streng für
sich zu behalten. Infolge deffen kamen
die Close'schen Gänseleberpasteten nicht
weiter als auf die Tafel des Gouver
neurs. Doch als dieser im Jahre 1783
Straßburg wieder verließ, blieb sein
Koch dort zurück und fing nun an,
Pasteten zum Verkauf zu bereiten. Er
verheirathete sich mit der Wittwe eines
französischen Kuchenbäckers und richtete
einen bescheidenen Laden ein.
Von hier aus begannen dann die
Gänseleberpasteten ihren Triumphzug
durch die Welt. Seitdem erst ward in
Straßburg das Gänscstopfen ein förm
liches Gewerbe. Durch das Gänsestopfen
erhält die Frau eines Arbeiters, der im
Winter unbeschäftigt ist, ihre Familie.
Andere Frauen, die ein kleines Kapital
bcutzen, betreiben dieses Gewerbe im
großen: sie haben 50 bis 2000 Gänse
in der Mast. Diese werfen einen schö
nen Gewinn ab. Welche Arbeit und
Mühe gehört aber auch dazu! Die
Gänsestopferin schläft niemals fest; sie
muß eine Zeit lang zwei bis dreimal
in der Nacht aufstehen und in ihren
Ställen die Runde machen, denn in der
letzten Periode der Mästung find die
Gänse Schlagflüssen ausgesetzt; daher
nimmt sie auf ihren Rundgang ein
scharfes Meffer mit, um der ersten besten
Gans, welche Miene macht zu wanken,
den Hals durchzuschneiden. Jede Gans,
die außer der Regel und Zeit, d. h.
durch 'einen Unfall stirbt, verursacht
ihrem Eigenthümer einen Verlust von
51.25 bis 1.50. ohne die verlorene
Zeit und Arbeit zu rechnen. Das
Stopfen der Gänse hat eine Menge von
Enten" hervorgebracht. Man spricht
von allen möglichen Quälereien. Aber
das ist abgeschmackt. Eine mißhandelte
oder blos schlecht verpflegte GanS ge
deiht nicht. Schon der geringste Druck
mährend deS Stopfens würde eine Ge
schwulst an der Leber erzeugen, und
dann gute Nücht, Pastete.
Fortuna ist ein echtes Weib. Sie
läßt immer warten.