Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 20, 1900, Image 9

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titt auf thbra blühen joll.
Schinückel brurn nach aller Sittt
Nik den dkulichen Wkihliochisdaum.
ttni dessen grün Zweigen
Ich geträumt mznch iiißkn Iraurn.
STitMicher eil ihrauchSwolkkN
tßnfel mir der tonn Tufi,
kr be Hause traut Raum
Füllt il kchikk ZVibnachISluit.
Gimhlt da,, dcs ('bfl,!t,iS Cchäff
In dem hellen rnschkin,
.ikhl in i ei mit wundersam,
Gci g WelhiiachlSslimmung in.
fOfim der Klang der ZSeihnachlSglocke
bld durch di i'üfi zieht.
iWnn aus holdem Äinbetmunb
l önl da lieb Weihnachiölied.
on dem Keil'ge llernpaar.
To3 in Bethlehem gewacht,
Von dm Aiinblfiu, da! geboren,
Tort in stiller, heil ger Nach,,
C, bann frag ich. nrnä ei EchSnrci
Noch hienicboi ge Jen mag,
I bai Fest der reichst ibt,
ZllS den f r h n W e i h n a ch I s I a g !
Die 2lmerikanerin.
in Z?eihachts Srziihlmig von Marie
L a n g n r.
Die junge Frau legte da Buch, in
dem sie soeben gelesen, gelangweilt bei
feite. Sie zieht daS kostbare Fell, das
hinabgleiten will, höher hinauf und
schmiegt sich nervös fröstelnd hinein.
Ellen von Wendhcim hat die Augen ge
schlössen und träumt. Sind sie licht,
diese Träume. Märchen von Liebe und
Glück?
Nein, denn um den kleinen Mund
vertieft sich immer mehr ein bitterer
Zug. der nicht hineinpaßt in dieses
schöne, junge Gesicht. In dem Kamin
knistert traulich ein Feuer, der Duft
von Parmaveilchen durchzieht den Sa
lon. das Lieblingsparfüm der schönen
Frau.
Frau Baronin von Wendheim ist ein
glückliches, bencidcnswerthes Wesen.
Sie ist schön, sehr schön sogar, die
Männerwelt liegt ihr hier zu Füßen,
wie es in Amerika, von wo sie gelom
men ist, die YankeeS gethan haben.
Sie ist reich, die einzige Tochter eines
amerikanischen Nabob, dessen Millionen
dem Töchterchen einen eleganten, hüb.
sehen Mann und eine Freiherrnkrone
gekauft haben.
Wie das gekommen? Jt nun, wie
tausend andere solcher Fälle ein lufti
ger. junger Offizier, mit sorglosem
Herzen und stets offener Tasche die
unerwartete Entdeckung, daß die Fami
lienverhältnisfe wesentlich anders sino,
als man geglaubt, Quittirung des
Dienstes. Auswanderung.
Erich von Wendheim hatte seinen
feudalen, alten Namen nicht durch den
Schmutz der New Yorker Straßen
schleppen brauchen; er war weder Kell
ner noch Hafenarbeiter gewesen, sondern
vierundzmanzig Stunden nach Ankunft,
infolge früherer Verbindungen seines
VaterS. wohlbcstaltcr Buchhalter bei
John Smith & Co. Und nach Ablauf
von zweimal zwölf Monaten war er der
Bräutigam der schönen Ellen, der ein
zigen Tochter seines Prinzipals. Ellen's
Mutter war eine Teutsche, und John
Smith hatte es sich in den Kopf gesetzt,
fein Kind müsse einen Deutschen hei
rathen und in Europa ihr Domizil auf.
schlagen. John Smith war äußerst
zufrieden mit der Lage der Dinge und
begünstigte das gegenseitige Gefallen
der Beiden außerordentlich. Gegen den
jungen Mann ließ sich absolut nichts
Anderes saaen. als daß er Schulden ge.
macht all right die konnten de
zahlt werden, seine Tochter wurde Ba
ronin und konnte sich drüben mit ihrem
Gatten ein warmes Neftchen bauen, n
das er dem jungen Paare nach einigen
Jahren solgen würde.
Es ging Alles wie am Schnürchen
Verlobung eine glänzende Hochzelt
Ueberfahrt nach Europa, ein halbes
abr auf Reisen und endliches Nieder.
Äffen in der Hauptstadt des Deutschen
Reiches. Gesellschaften, Theater. Bälle,
Ausfahren. Club, ein bischen Jeu. ein
bischen Flirt so lebte man eine sehr
moderne Ehe.
Und warum deute so bittere, quä.
lende Gedanken? Ellen springt un
muthig auf. Dieser sentimentale deut
sche Weihnachtsabend'. Hat er sie ange.
Kt mit seinem Zauber? Rächt er sich
für das völlige Jgnoriren einer lieben,
trauten Gebräuche? Kem Llchterbaum
strahlt in diesen weiten Mumen,
drunten im Souterrain feiert die ich.
beschenkte Dienerschaft Chriftaoend bei
einer prächtigen Bowle. , .
Die Einsamkeit legt sich wie em
quälender Bann auf die junge Frau.
Wo mochte ihr Gatte weilen? Im
Klub, bei Freunden, in luftiger Gesell
Ein bitterer Zug legt sich um den
kleinen Mund. Sie gemrten einander
gar nicht, o nein, jedes seinen Nei
Zungen folgend, gingen sie hierhin und
dorthin und sahen sich fast nur zum
Diner. Da drüben m Amerika hält
't'e heMMN'nn lemen. un:er oenrn , ron
' '
3i)cT Aprils (lß$Q(li
Jahrgang 21.
man nicht viel von Gcfühlsduseicien.
Sie hatte ti auch nie vermißt oder
doch in letzter Zeit vielleicht? Hatte
die deutsche Erde, das Geburtsland
ihrer Mutter, sentimentale Regungen
in ihr wachzcrufen. hatte das Beispiel
manch' eines verliebten Pärchens in
ihren SalonS anregend auf sie ge
wirkt?
Liebe? Brauchte sie denn die zu
suchen, wurde sie ihr nicht bald zart,
bald stürmisch entgegengebracht von
hundert liebenswürdigen Schwere
nöthern? Nein Liebe mußte etwas
Anderes sein, etwa; Großes. Wunder
bares so weit war ihre Studie ge
diehcn. Ihre Augen suchten wohl ost
dann den Gatten, dem gegenüber sie
doch im nächsten Augenblick die ruhige,
leidenschaftslose Weltdame spielte.
Und heute war sie wieder über sie ge
kommen, die große Scbusucht nach
dem Wunderbaren; der Geist der Liebe,
der heute die Welt durchflog, hatte auch
bei ihr angeklopft, doch hier nur Bitter
niß schaffend, nicht Freuden.
Sie trat hastig an's Fenster und zog
die seidenen Borhünge auseinander.
Ein breiter Lichtftrom floß auf die
Straße, in der es noch von eifrigen
Fußgängern wimmelte. Wie Alles vor
wärts hastete in fröhlicher Eile, mit
Palleten reich beladen, heim zur fröh
liehen Klause.
Da plötzlich entsteht auf der Straße
ein ängstliches Rufen und der Schrei
einer Kinderstimme. Sie hat blitz
schnell daS Feilster geöffnet und starrt
entsetzten BliacS hinunter. Da ist so
eben unter einem dahersausenden Ge
fährt die gestalt eines kleinen Mäd
chens verschwunden, während aufgeregte
Stimmen durcheinander klingen.
Die arme Kleine, wohin nur mit
ihr? Ist nicht ein Arzt zur Stelle?"
Ellen weiß selbst nicht, wie ihr ge
schicht, doch im nächsten Augenblick ist
sie unten und beugt sich über den leb
losen, kleinen Körper.
Die Leute weichen erstaunt zurück vor
der lichten Erscheinung, nur der Schutz
mann legt höflich grüßend die Hand an
den Helm und giebt ihr dienstbeflissen
Auskunft.
Der Krailkenwagen wird nicht lange
auf sich warten lassen, wir schaffen das
Kind gleich in'S Krankenhaus."
Unterdeß kann sich daS arme Kind
aber verbluten," sagte Ellen mitleidig;
.lassen Sie es in mein Haus schaffen,
der Arzt soll ihm bei mir die erste
Hilfe bringen."
Es geschieht.
Aus einer Wunde an der Stirn
sickert das Blut, da sich nicht stillen
lassen will, obgleich Frau Ellen mit ge
schickte? Hand bereits einen Nothverband
angelegt. Jetzt erhebt sie sich und be
deutet dem Mädchen, bei der Kleinen
zu bleiben. In ihres ManneS Haus
apotheke findet sich sicher ein blutstillen
deS Mittel. Dieselbe befindet sich aber
in seinem Zimmer. Wohl zögert ihr
Fuß einen Moment auf der Schwelle.
Noch nie hat sie diese Räume betreten;
aber gleichviel, er ist ja nicht da. Sie
schlügt die Portiere zurück und tritt
hastig ein.
Ein Ausruf des Erstaunens entfährt
ihren Livpen. Da sitzt ihr Gatte, den
sie im Club wädnt, in tiefeS Sinnen
versunken, am Schreibtisch und starrt
auf ein kleines Bildniß in seiner Hand.
Bergessen ist ihre Mission, sie muß wis
sen, wessen Bild dies ist. Leise tritt sie
näher. Ueber seine Schulter erkennt sie
eS es ist das seiner Mutter.
Er hat sie soeben erst bemerkt; er dreht
sich hastig um, und ein Blick grenzen
losen Erstaunens tritt in seine Augen,
der daS Ungeheuerliche dieses Vorgan
gcs genügend dokumentirt.
.Ellen, Du hier?"
Warum bist Du nicht im Club?"
fragte sie hastig.
Ich hatte nicht die Laune dazu und
treffe wohl heute auch Niemand dort.
Der Weihnachtsabend ist nun einmal
für uns Deutsche etwas Besonderes,
nenne eS Sentimentalität; aber es schien
mir profan, heute auszugehen. Nun
und da träumte ich ein bißchen zurück
zur Kindheit, wo Mutter unS den Weih,
nachtsbaum schmückte. Es war doch eine
schöne Zeit!"
Ellen sah wortlos an ihm vorüber zu
dem kleinen Bild. das. so treu gehütet,
des SohneS einzige Weihnachtsfreude
war. Zurück zur Todten mußte er
fliehen, sie die Lebende, hatte es. nicht
verstanden, ihm ein Weihnachten zu be
reiten. Es war ihr. als ob die Todte
drohend vor ihr stände: Wahrst Du
so meines SohneS Glück?"
Sie strich aufathmend mit der Hand
über die Augen.
Ich komme, um mir aui Deiner
Apotheke etwas zu holen. ES ist ein
Unglück geschehen."
Da bemerkt er die Blutspuren auf
ihrem hellen Kleide.
.Um Gott, was ist das? Du blu
teft?"
-lares Äiis ver ag) zzv?N'.
Beilage zum Nebraska
Das ist ehrliche, zärtliche Angst; sie
empfindet das wie eine süße Genug
thuung.
C, mir ist nichts geschehen." sagte
sie freundlich. Doch drüben in mci
nein Boudoir liegt ein kleines Mäd
chen. das auf der Straße verunglückt
ist. und da; ich herausschaffen ließ.
Gieb mir schnell etwas Heftpflaster, ich
weilte schon zu lange."
Erich verfällt in Verwunderung.
Ist das Ellen, die kalte, gefühlsarme,
die sich um ein Kind sorgt, und ein
von der Straße aufgelesenes Kind?
Und drüben im kleinen Salon bietet
sich ihm weiterer Stoff zu grenzenlosem
Erstaunen. Da kniet sein Weid an der
Seite der Kleinen und geht mit ge
schickt Hand dem soeben cingetroffenen
Arzt zu Hilfe. Nach langen Bemühun
gen schlägt die Kleine endlich die Augen
auf. Der Arzt hat die Stirnwunde
als unbedeutend erklärt und konstatirt,
daß wunderbarer Weise alle Glieder
heil und ganz und die Kleine mit dem
bloßen Schrecken davongekommen ist.
Die Augen des Kindes irren ängstlich
und befremdet von einem Gesicht zum
andern, um endlich an dem Ellen S ent
zückt hängen zu bleiben.
.Du bist wohl das Christkind?"
fragt sie leise, wie sich die lichte Gestalt
über sie beugt.
Ellen schüttelt lächelnd den Kopf
Noch nie hat ihr ein Kompliment mehr
Freude gemacht, als die fromme Tän
schung dieses Kindes. Wie heißest Du
denn, mein Kmd?"
Trudchen Weiß," berichtet diese und
richtet sich zetzt.auf.
Bald hat man den kurzen Bericht der
Kleinen empfangen. Die Mutter, eine
arme Wittwe, die sich und ihre drei
Kinder mühselig ernährt. Die zwei
ältesten, sie und ein älterer Bruder,
hatten den schmalen Verdienst durch
Handeln mit Christbaumschmuck und
Pflaumenmännern unterstützen wollen
Ach, meine Pflaumenmänner,'
jammerte die Kleine, die sind mir hin
gefallen, als die Pferde so schnell auf
mich zukamen. 0, was wird Mutter
sagen!"
Ellen beruhigte sie liebevoll. Die
bezahle ich Dir alle, Trudchen, jetzt
trinke von diesem Wein und dann veo
suche, ein wenig zu schlafen."
Ach bitte, nein, nicht schlafen." fleht
angstvoll das Kind. Ich muß nach
Hause. Mutter ängstigt sich gewiß schon
und Fritz auch. Wir wollten zusammen
heimkehren."
Ich werde die Kleine nach Hause
bringen." erbietet sich Erich, ich glaube
auch, daß es be er ist, wir bringen sie
der Mutter heil und gesund, als daß sie
die Schreckensnachricht von Jemand
Fremden erfährt."
Ellen hält die kleine Hand fest in der
ihren. Es ist ihr plötzlich, als sollte
ie etwas hergeben, was ihr eigen ge
worden, worauf sie ein Anrecht habe.
und blitzschnell war ein Entschluß in ihr
gereift. Wie. wenn sie die Kleine, die
ein reizendes Kind war, bei sich behielte,
es erziehen wollte?
Sie wendet sich hastig zu ihrem
Gatten. Erich," sagt sie, und in
ihren Augen schimmert es feucht, ich
mochte dies Kind für mich behalten dür
fen, es pflegen, groß ziehen, ihm Mut-
kt sent!"
Ein wundersames Gefühl beschleicht
sein Herz. ES ist ihm, als ob er heute
zum erstenmal sein junges Weib sähe
die schöne, elegante Weltdame, die
kokettirende, lächelnde Ellen ist m
schwunden, und vor ihm steht plötzlich
die Frau, wie sie ihm wohl borge
Ichwebt in längst vergessenen Räumen,
das deutsche Weib mit vollem, warmem
Empfinden und einem nach Liebe dur
ftenden Herzen.
Ellen!" ruft er freudig aus, ich
kenne Dich kaum wieder. Gern gebe ich
Vir dazu meine Einwilligung. Ob
aber des Kindes Mutter damit einver
standen sein wird?"
0 sicher." sagt Ellen froh und
fiegesgemiß. ich übernehme selbstredend
die Sorge für die ganze Familie. Ihr
oleiocn ja noch immer die beiden an
deren Kinder."
In Decken und Pelze warm einge
hüllt, sitzt Trudchen bald darauf in dem
eleganten Schlitten zwischen dem jungen
Paar.
Wir dürfen aber nicht mit leeren
Händen kommen," sagt Erich, und
dankbar nickt ihm Ellen zu. Eine halbe
Stunde später hielt der Schlitten vor
einem der großen, alten Miethshäuser
in der Vorstadt, und. von Trudchen ge
führt, klettern sie die steilen Stiegen
hinan, gefolgt von dem Diener, der
zwei Arme voll Packete trägt. '
Mutter!" ruft jubelnd die Kleine,
oben im vierten Stock in ein ärmliches
Stübchen stürmend. Mutter, das
Christkind kommt !"
Ein Freudenschrei ertönt.
Mein Kind, mein Kind, so ist eS
nicht wahr, das Schreckliche, das man
li'I j axiijauuie) -iiuuui(sii.
ii'n
Ztaats-Anzeigcr.
mir soeben gemeldet. Tu bist heil und
gesund."
Gute grau," wendet sich Ellen an
die Mutter, geben Sie mir das Kind.
daS ich erziehen möchte, wie mein
eigenes. Sie alle sollen frei und turn
nierlos von nun an leben."
In dem Gesicht der Frau geht eine
sichtliche Veränderung vor. Sie tritt
zu Ellen und zieht mit beinahe feind
seligem Blick die Kleine zu sich hin-
über.
0, Sie wollen mir mein Kind ab
kaufen, gnädige Frau? Ich bin arm.
sehr arm, das ist wahr, und manchmal
weiß ich nicht, wo ich ein Stückchen Brot
für meine Kleinen hernehmen soll.
EincS dieser meiner Lieben aber sortzu
geben, wenn auch in Glanz und LuxuZ,
das, gnädige Frau, vermag ein Mut
terherz nicht. Klopfen Sie an jede
Thür dieses Hauses, das nur von uns
Armen bewohnt ist, und keines wird
Ihnen eines von den Seinen hergeben
wollen, keines."
Ellen hatte sich erhoben. Ver
zeihen Sie. gute Frau," sagte sie mit
zuckenden Lippen, verzeihen Sie mein
unsinniges Begehren. Ich danke Ihnen
für die Lehre, die Sie mir gegeben."
Ellen war an daS kleine Fenster ge
treten und starrte mit brennenden Au
gen hinaus in die schweigende Nacht.
Ja, Allen brachte es seine Gaben,
nur ihr nicht.
Heute fühlte sie plötzlich, daß auch sie
eine Deutsche war, daß sie das Land
liebte, in dem ihre Mutter geboren, daS
ihres Gatten Heimath war und nun
auch die ihre. Was aber konnte diese
späte Erkenntniß ihr noch helfen? Sich
an feine Brust werfen und ihm sagen:
Liebe mich und versuchen wir ein an
deres Leben zu beginnen? Sie würde
das nie über ihre Lippen bringen. Und
er?
Da stand er neben ihr, und ihre
Blicke tauchten ineinander.
Ellen, Du weinst?" sagte er leise
und legte seinen Arm um sie. Lese ich
recht in Deiner Seele, empfindest Du
auch die Leere und Haltlosigkeit unseres
jetzigen Lebens. Ellen, Ellen, wollen
wir neu beginnen?"
Sie schlug die schönen Augen zu ihm
aus. O Erich, wenn eS noch nicht zu
spät ist !"
Zu spät zum Glück?" fragte er
innig.
Und jetzt putzen wir zu Hause noch
unseren Christbaum. Liebste," schlug
der junge Gatte vor, als sie eng nein
andergeschmiegt im Schlitten saßen.
Wie zwei ausgelassene Kinder jubelten
sie über diese glückliche Idee und mach
ten am Marktplatze Halt, um noch den
letzten Tannenbaum zu erstehen, der zu
haben war. Schmuck und Lichter waren
auch schnell beschafft, und so hielten sie
triumphirend ihren Einzug.
Aber laß die Dienerschaft," bat sie;
wir machen daS ganz allein."
In ihrem kleinen, lauschigen Salon
begann denn bald ein lebhaftes Trei
den. Da wurde Engelshaar und La
metta vertheilt, prächtig glitzernde Tan
nenzapfen und goldene Früchte an die
Zweige gehängt. Und jedesmal, wenn
die kleinen, eifrigen Hände dem Gatten
ein Stück hinauflangten, wurden sie er
griffen und heiß und feurig geküßt.
Wie reizend sie war. diese kleine
Frau!
Bis jetzt hatte er sie immer nur schön
gefunden, von einer Schönheit, die sein
Herz kalt gelassen. Wie reizend die
nußbraunen Löckcben auf der weißen
Stirn lagen, welch' ein eigenes Licht in
diesen dunklen Augen flammte, daß
ihm ganz wirr im Kopfe wurde. Und
wie heiß der kleine Mund, von dem der
Zug lässigen Hochmuths wie wegge
wischt war! So süß, so zum Küssen ge
schaffen. O, über diesen Weihnachts
zauber!
Und dann flammte Licht um Licht
auf. dann wurde es weihnachtlich auch
in diesen glänzenden, kalten Räumen.
Frau Ellen war an den Flügel getreten
und sang mit froher Andacht:
0 Du fröhliche, o Du selige,
Gnadendringende Weihnachtszeit!"
Ein Testament.
Von Lilli Lkhmann - Kalisch.
Die kleine Wohnung war hell er
leuchtet, die Thüren weit geöffnet, in
der guten Stube stand eine große,
junge Frau beim strahlenden Weih
nachtsbaum. ein junges Kind an der
Hand, ihm den Platz zeigend, wo die
Geschenke lagen. Das Kind nicht
ihr eigenes, sie hatte es nur liebevoll zu
sich genommen, eS gepflegt und erzogen
senkte erst scheu seine hellen Augen,
sprach ein kurzes Gebet, um nun erst
mit Augen, die eine ganze Welt von
Neugicr und Glückseligkeit wiederstrahl,
ten, zu betrachten, waS Christkindchen
bescheert hatte.
4jui0iuuvvt !
No. 31.
Diesem Bilde folgte eine kranke,
scchsunosiedzigiädrige Greisin, auf
einem Krankenstuhle liegend, den die
Tochter so gerückt hatte, daß sie die
Hlucht der Zimmer übersehen konnte
und alles, was sich unter dem Baume
abspielte. Die sonst so fleißigen Hände,
die bis vor ganz Kurzem noch alle? ge
arbeitet hatten, ruhten in ihrem
Schooße. Es war das erste Mal, daß
sie selbst nicht hatte Hand anlegen, sür
Tochter und Enkeltochter nichts hatte
vorbereiten können. Würde es das
letzte Mal fein? Diese bange Frage
wogte in beider Herzen hin und her
Das Kind, welches noch leine .Ahnung
von diesen bangen Vorgefühlen hatte.
besah noch immer glückstrahlend seine
Geschenke, brachte sie der Großmutter,
welche sie bewundern mußte.
Die Kleine hatte sich ein Lied einstu
dirt, ein Geschenk für die Großmutter.
welche so große Freude an Musik ge
habt, war aber in Verlegenheit, es an
zubringen; da mußte nun die Tochter
helfen und vermitteln. Ein Schubert,
sches Lied entquoll der kleinen, jugend
lichen Kehle, und mit Rührung hörten
es die beiden Frauen, die Großmutter
sich ihrer eigenen Jugendzeit und der
der Töchter erinnernd. Sie küßte daS
Kind, bedankte sich und fragte, ob es
nicht noch eins singen wolle. O, wie
gern, aber nur, wenn Tante Elisabeth
mitsinge, das schöne, zweistimmige Lied,
da? sie so gern habe.
Aller Berge Gipfel
Ruh'n in dunkler Nacht !"
hallte es durch das Zimmer. Nur mit
furchtbarer Anstrengung konnte die
große Frau das Liebchen zu Ende sin
gen; schwere, große Thränen rannen
ihr in den Schooß. Warte, Wand'
rer. balde, balde ruh st auch Du!"
Die Großmutter winkte mit der
Hand, den Gesang abzubrechen, sie war
tief ergriffen.
Nach einer Weile, während die Kleine
sich wieder ihren Spielfachen zuwandte,
die Tochter aber nicdcrgekniet war vor
der alten Mutter, ihr Muth zuspre
chcnd, auf Genesung vertrauend, legte
diese ihren Arm liebevoll.um den Hals
der Tochter und sprach:
Meine liebe Elisabeth, ich weiß, daß
es bald zu Ende ist mit mir. Laß mich
Dir heute, gerade heute, wo Dein Herz
weich gestimmt ist. noch einiges sagen,
wozu ich später vielleicht nicht mehr die
Zeit haben werde. Nimm Dich nach
meinem Tode meiner Armen an. Der
liebe Gott hat Dich mit Glücksgütern
gesegnet, bat Dir so viel gegeben, waS
Andern versagt ist. Wie viele Thränen,
wie viel Leid zu mildern wirft Du im
Stande fein. Vergiß nicht meine alte
Lina, ihre rechte Hand ist gelähmt, sie
kann nicht mehr arbeiten; gib ihr das.
was sie von mir immer hatte. Die alte
Julie Stein, die sich so kümmerlich
durchs Leben bringen muß, weil sie
nichts hat lernen können, bedenke auch
und schicke ihr die Miethe. Auch Ber
tha Röben vergiß nicht; wenn sie sich
auch sehr undankbar und häßlich gegen
Dich und mich benommen hat für all
das Gute, das wir im Leben für sie ge
than haben: sie hat Kinder und ist
hilfsbedürftig. Schlechtigkeit war's
wohl nicht, nur Dummheit, und mit
der muß man nicht rechten. Unsere alte
Aufwärtcrin, die uns so viele Jahre
treu und ehrlich gedient hat, bekommt
auch etwas, nicht wahr? Sie ist achtzig
Jahre und niemand wird sie mehr be
schäftigcn wollen."
Bei diesen Worten sprang ein brau
nes Hündchen auf den Schooß der alten
Frau, die es liebkosend schmeichelte,
während das Thier sie ansah, als wollte
es fragen, ob seine Beschützerin es wirk
lich schon verlassen wolle.
,Dann bitte ich Dich noch, nimm
Dich der armen Thiere an. Sorge für
die unsrigen. Du weißt, wie lieb sie mir
sind, und wie mich der Gedanke peinigt,
es könnte ihnen ein Leid zugefügt wer
den von rohen Menschen. Sie sind
uns treu gewesen lange Jahre, waren
unsere Freunde, laß sie im Alter nichts
empfinden von Undank, sorge für sie
so lange Du kannst, so lange sie leben;
auch die Vögel vergiß nicht zu füttern,
sie sind's gewöhnt gewesen, um die be
stimmte Stunde von mir ihr Theil zu
erhalten; verlaß Dich auf niemand
hierin, schärfe Deinen Leuten ein
wenn Du fort bist, sie mit Wasser
und Futter m verseben 111 rt&ier
wie es sich gehört, wenn man sich Thiere
im.
Wenige Tage nachher standen Töch
ter und Enkel an dem offenen fflrnhc
der alten, theuren ftran. 5i, w
j " " v UIVVI
des Geistlichen hörte Elisabeth nicht
aber mit ehernem Griffel schrieb sie die
Worte in ihr todtmundes Herz:
Wahrheit, Erbarmen. Treue. Mit
leid und unendliche Liede für Mensch
und Thier."
7tt Iol nd Pxkrl er
ZiSoUtt.
Die große Zragödin hatte in ihren
letzlen Lcdkiiöjahken zwei Lieblinge
einen kleinen weinen chu'ariattikcktcn
Dachs, ..leckusch" genannt, nd einen
grauen Papagei. Beide haben ihre
Herrin überlebt und führen nun. tyie
in der Fr. Pr." erzählt wird, ein
überaus behagliches Dasein im Hause
eincS der ergebensten Freunde der
kkünttlerin. der die Tbiere als liebe An
denken zu sich nahm. Den Tackl hatt,
Charlotte Wolter di-zum Tode in ihrer
nächsten Nähe, und als sie starb, ruhte
ihre eriauenoe tfcmd aus dem opse deS
anhänglichen Hundes.
Vabcrl" in aus Vraa und heanh
sich offenbar früher in einem tschechischen
Milieu, denn seine Umgangssprache ist
nur Tschechisch. Trobdem ist er ein
lebendes Memento seiner berühmten
ftrnin. Sie verabsäumte bis in die
Zage ihrer letzten jirankhcit nie, dem
Vavaaei frübmoraenS ein Douckiebad i
geben, indem sie ihn mehrere Male mit
einem Wacrzcruauoer aiivilks. Pa
perl geht heute noch jeden Morgen
herum und verlangt energisch sein Bad,
indem er genau so bläst, wie seinerzeit
die Wolter ihn anblies. Die zweite
Reminiscenz, die er verkörpert, stammt
aus Weißcndach. Tort saß er immer
am offenen Fenster der Villa und
tonnte die Ankunft und Abfahrt jedeZ
Dampfschiffes beobachten. Mehrere
Male im Tage gibt er nun eine Vor
ftcllung, indem er das Attcrsccr Dampf
schiff landen und abfahren läßt. Zuerst
hört man das Läuten des herannahm
den SchiffcS, dann die regelmäßige
Athmung der Maschine, die dann plötz
lich aufhört, es erschallt das starke Aus
klatschen der rückVärts gedrehten Räder,
dem ein Zischen folgt, das sich in kurzer
Unterbrechung wiederholt; die Abfahrt
markirt der Papagei, indem er zuerst
pfeift, dann die Töne der Ankunft lei
scr wiederholt, endlich aber den regel
mäßigen Ton der Maschine lange fort
setzt, bis er sich plötzlich mit dem Rufe:
Ruhig, Paperl !" unterbricht. Tiefe
zwei Worte hat ihm immer Charlotte
Wolter zugerufen, und der Papagei be
wahrt darin den Ton ihrer Stimme.'
Es ist der lebendige Phonograph!
Fleckusch", der Dackl. ist ein Näscher
und ein großer Zuckerfreund. Wenn
beim schwarzen Kaffee die Zuckerdose
auf der Tafel steht, wandert er schma
rotzend vom Hausherrn zu den Gästen
und kann nicht genug Zuckcrstücke be
kommen. Endlich hcißts: Fleckusch
hat für heute genug." worauf sich das
Dackl enttäuscht, aber folgsam nieder
legt. Jetzt rührt sich der Paperl. der
während des ganzen Essens am Tisch
rand gesessen Tt, ftolzirt gravitätisch bis
zur Zuckerdose, nimmt ein Stück Zucker
heraus und kehrt auf seinen Platz
zurück. Dort, wo ihm Fleckusch von
unten zusehen kann, schmaust er mit
großem Behagen seinen Zucker und
blinzelt dem kleinen Hund so lange zu.
bis es dieser nicht mehr aushalt, sich
erhebt und nun zum Gaudium aller
Anwesenden vor dem Papagei aufwar
tet und mit den Vorderpfoten bittet,
geradeso, wie er es vorher vor seinem
Herrn und den Gästen gethan. - Da
durch läßt sich Paperl" aber keineswegs
erweichen die devote Stellung Fleck
uschs erbost ihn imGegentheil. und er läßt
sich so weit hinreißen, daß er gegen den
Hund drohend mit dem Schnabel hackt.
Aber dabei entfällt ihm der Zucker,
Fleckusch erschnappt das Stück und der
schlingt die willkommene Beute. Schnell
gefaßt, schreitet Paperl wieder über den
Tisch und holt sich ein zweites Stück
Zucker, das nach kurzer Zeit das Schick
sal des ersten theilt. Im Interesse deS
Wohlbefindens der Thiere wird der
Sache gewöhnlich dadurch ein Ende ge
macht, daß Paperl in feinen Käfig,
wandern muß. Als man sie aber kürz
lich einmal gewähren ließ, setzten sie d5
Spiel so lange fort, bis die Zuckerdose
vollkommen geleert war.
Tröstliches Beispiel.
Ein junger Leutnant Namens Le
comte trat nach einer Parade, die Na
poleon I. kurz nach seiner Kaiserkrö
nung abhielt, mit einigen Bittstellern
aus der Linie.
Welche Beschwerde haben Sie vor
zubringen?" fragte ihn Napoleon.
Majestät, ich bin wiederholt im
Avancement übergangen worden." lau
tete die Antwort; schon fünf Jahre bin
ich Leutnant."
Beruhigen Sie sich. entgegnete
lächelnd Napoleon, ich bin sieben
Jahre Leutnant gewesen, ehe ich avan
cirte. und Sie sehen, daß mich das trotz
alledem nicht verhindert hat, mit der
Zeit noch etwas Ordentliches zu wer
den."
Alle lachten, und Itt also Belehrte
trat beschämt in die Linie zurück.
Die kzauxtsache.
Dichterin ldem Gatten hau g.
selbstgekochte Mahl vorsetzend): Ich
denke, Hugo, es wird Dir schmecken, ich
habe die Speisen mit Liebe gewürzt."
Gatte (die Suvve kostend !,
daS Salz haft Du vergessen, liebe
aurai
Schlagfertig.
Junae öauskrau (te mi h.r
Wäscherin zanktt: ..(Sie find !,
rohe, ungebildete Person!"
Waschfrau: Jh. wat Sienich AllenS
wissen! Je mehr Seefe Eener der
braucht, desto höher is feine Kultur,
verfteh'n Se?"
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