Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 13, 1900, Image 10

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    llo.
Eine ib'chs'lt w'Ai4lt. miizechkli
! t f 4 n c r.
.Wüten Morgen. Gevatter! Ta5
Neueste.. .."
.Nun?'
T alte mUn ist gestorben.
.Ist kr endlich gestorben?" mischt.
sich Die grau Gevatter zungenfertig ein
.Na. er kann abkommen. Ist ja un
lxrheiratbet geblieben."
.Ja, er lebte immer für fich "
-HU ob er keinen Menschen in der
Welt brauchte."
fiat wobl weiter nichts gethan, als
Geldjühlen.-
..Ja. und die Zinsen ?im Kapital zu
schlage,,: der Mann brauchte ja faft
gar nichts."
.Muß einen schönen Haufen eld
hinterlaffen."
.Ja. und am meisten wird's ihn ge
Srgert haben, das; er'S nicht hat mit.
nehmen können."
.War er denn wirklich so ein Geiz
kragen ?
.Nu natürlich! Wissen Sie denn was
davon, daß er Jemandem groß wohl
gethan hätte?"
.Bewahre!"
.3!u also! Ich auch nicht. Nur immer
mit seinem Pudel hab' ich ihn laufen
sehen grüßte kaum die Leute."
.Hm. hm!"
.Mich soll's wundern, wer den Man,,
mon erben wird, da er doch weder Kind
noch Kegel hatte."
.Vielleicht doch entfernte Verwandte.
Na, wir werden's ja sehen, wenn er be
graben wird. Ta werden sie schon zum
Vorschein kommen."
Groß trauern werden sie nicht."
.Behüte! Warum auch? Lachende
Erben werden's sein."
So und in ähnlicher Weise ging eS
in der Stadt über den Hingeschiedenen
alten Junggesellen Heinrich Mälzer her,
durch den die gesammte weibliche Be
völkerung derselben tödtlich verletzt
wurde, weil er Keine genommen"
hatte, und die gesammte männliche Be
völkerung, weil er immer gezeigt, daß
er ohne ihre Gesellschaft hatte auskom
men können. Toch in Einem täuschte
sich die Neugier: es kamen bei der Be
ftattung des alten Rentiers keine Ver
wandten zum Vorschein, weder trauernde
noch vergnügte; einsam, wie er gelebt,
wanderte er feinen letzten Weg.
Erst vier oder fünf Tage nach der
Bestattung fanden sich im Amtsgerichts
gebäude drei Personen zusammen, die
der Erbschaftsrichter zur Testaments
eröffnung vorgeladen hatte; es waren
Leute sehr verschiedener Art: ein ölt
liches Fräulein, Kunigunde Schmeer,
deren äußere Erscheinung nicht ihrem
Namen entsprach, denn sie sah recht
schlank aus; der Zweite ein Herr Jo
hann Veit, kleiner Kaufmann aus ei
nem preußischen Landstädtchen, etwas
verwimmert aussehend; er war der
Sohn einer verstorbenen Schwester
Heinrich Mälzer's. Ter Dritte war ein
noch junger Mensch mit offener Vhty
siognomie und langen gelockten Haaren;
er trug ein recht schäbiges Sammet-
röckchen und einen breiten sehr zerknüll
ten Hut, hatte ein flottes, künstlerhaf
tes Aussehen, nur nicht nach großen
Erfolgen, obwohl er gar nicht den Ein
druck eines unglücklichen Menschen
machte, denn er erschien mit heiter
lächelndem, etwas naiv verwundert
dreinschauenden Gesicht auf der Bild
fläche. Natürlich machten die Vorgeladenen
im Wartezimmer sich miteinander be
kannt. Fräulein Kunigunde und Herr
Johann Veit hatten schon von einan
der gehört" und begrüßten sich mit ver
wandtschaftlicher Sympathie.
Wer hatte gedacht, daß wir uns auf
solche Weise treffen würden," sagte der
Kaufmann, indem er den Ton dnm
pfer Trauer in feine Stimme zu legen
suchte.
Ja, zu einem solch traurigen
Zwecke," erwiderte das ältliche Früu
lein, indem sie die Augen auf ihre ge
falteten Hände senkte. Natürlich wäre
ich zum Begräbniß gekommen, wenn
ich nur eine Ähnung gehabt hätte. Wa
ren Sie da?"
Ach. behüte! Ich habe so wenig ba
von gewußt wie Sie, Fräulein. linsn
Onkel Gott habe ihn selig! war
immer ein Sonderimg "
Ein so lieber, stiller Mensch war
er.. .. flötete Kunigunde.
Hm, ja, das war er. Wann haben
Sie ihn denn zuletzt gesehen?"
Ich? Nun, das ist ein bißchen lange
her als ich noch ein kleines Kind war;
aber Mutter erwähnte ihn oftmals
Und Sie?"
Hm, ich ich hatte wenig Gelegen
beil...."
Der gute Kaufmann hielt es für
besser, von diesem Punkte etwas abzu
lenken.
Wer mag denn dieser junge Mann
sein?" bemerkte er, mit dem Ellen
bogen gegen deu dritten Geladenen
deutend.
O. wir wollen ihn doch fragen.
versetzte Fräulein Kunigunde. Und in
welchem Verwandtschaftsverhältniffe fte
hen Sie zu dem Entschlafenen, mein
Herr?" wendete sich die Dame an den
jungen Mann.
Ich?' antwortete dieser mit unbe
fangener Miene; in gar keinem. Mein
Name ist Ehrhardt Wilhelm Ehr
hardt, ich bin Maler; weiß aber eigent
lich nicht, wie ich zu der Ehre komme
Allerdings, meine Mutter hat der
fchiedene Male den Namen des Herrn I
rc
Mälzer genannt das war als mein
Bater schon lange todt war aber ich
war damals noch viel u jung, als daß
ich mir den rund gemerkt hatte. Na.
ich bin wirklich neugierig "
Die beiden Änderen wechselten der
ständnißvolle Blicke.
.Also gar nicht verwandt?" sagte der
Kaufmann, indem er seine schmalen
Lippen verzog. Ta bin ich wahrhaf
tig auch neugierig, warum ie mit zur
Teftamentseronnung vorgeladen sind.
Meinen Sie nicht, nebe Eousine?
.Allerdings, ja. gewiß." versetzte
diese, .ch bin eigentlich erstaunt
Vielleicht sind -ie in einer anderen
Sache geladen "
Der junge Mann zog ein Schriftstück
aus der Tasche und entfaltete es.
vier, sehen sie," tagte r. ein
wenig detuitigi: oa nein 3 jegDarz
aus weiß: werden zur .estaments-
eröiinung geladen."
Fräulein Kunigunde las die Vor-
ladung sorgfältig und Herr Veit schob
seine spitze Nase über ihre Schulter.
Beide sagten nichts, aber man sah es
ihnen an. daß sie sich ärgerten, wahrend
Ehrhardt fein Papier wieder zusammen
faltete.
Ich werde ja hören, was ich soll,'
meinte er ietDiom. Mir mami on
leine Kopfschmerzen."
Glaube ich Ihnen." versetzte der
Kaufmann, indem er seinen Blick an
der Gestalt des jungen Mannes herab
gleiten ließ und dann auf f.'ine Cousine
richtete.
Nach einer Weile winkte ihm diese
mit den Augen und beide traten etwas
abseits an ein Fenster.
Willen sie, was ich mir denke r
flüsterte sie ihm in's Ohr. Unser Onkel
selig hat mal in jungen Jahren eine
Liebschaft gehabt davon hat mein
Vater selig oft gesprochen die Lieb-
chaft hat ihn aber damals verlanen
und einen Anderen genommen. Schau-
pieler oder so etwas Aehnliches; na.
und dieser junge Schlucker wird wohl
ein Abkömmling von der MsemaMl
sein."
Ach so!" sagte der ausmann mit
langgezogenen Tönen. Ja. es ist aber
doch empörend, meine Liebe, daß so
ein ganz fremder Mcnicg vmtqeti an
unseren heiligen Rechten haben soll."
Das Fräulein nickte energisch mit dem
Kopfe.
Haben Sie wohl eine Idee, wie viel
der Onkel selig hinterlassen hat?" fragte
sie dann.
Genau weiß ichs nicht, meine
Liebe; man spricht von 100.000 Mark.
Na, und wenn's nur halb so viel
wäre aber daß es in drei Theile
gehen soll, ist mir doch sehr ärgerlich."
Nu eben, mir auch," erwiderte das
Fräulein. Wie kommt so ein her
geschneiter Mensch dazu, daß er uns das
Geld sozusagen vor der Nake wegnehmen
darf."
Man sieht's ja. wie er im ganzen
Gesicht lacht." zischelte der Kaufmann.
Dem ist's ein recht gefundenes Futter.
Da kann er sich doch einen neuen Rock
anschaffen."
..Hihihi hat's auch sehr nöthig!"
kicherte Fräulein Kunigunde boshaft,
und Beide schielten mit , spöttischen
Mienen auf den armen Burschen hin,
der zu merken schien, daß er der Gegen
stand dieser Unterhaltung war, und
dadurch etwas von seiner heiteren Un
befangenheit einbüßte.
Endlich wurden die Vorgeladenen
durch den aufwartenden Amtsdiener ge
rufen und betraten in erklärlicher
Spannung das Amtszimmer.
Der Erbschaftsrichter befragte sie nach
ihren Personalien und eröffnete dann
das Testament. Kaum hatte er einen
Blick in das Schriftstück gethan, so
machte er ein langes Gesicht und dann
lonnle er na) eines achelNZ nicht er
wehren.
Eine kleine Ueberraschung," sagte
er aufblickend. Das Testament enthalt
nur wenige Zeilen, und diese lauten wie
folgt:
r. Ti i i T r f. rvn u
OT, Goilvils memricy Malzer. er-
kläre hiermit, dem Gesetze gemäß, daß
meine letztwilligen Verfügungen bei
dem hiesigen Rechtsanwalt und Notar
Herrn Dr. Felix Börner, den ich zum
Testamentsvollstrecker ernenne, bereit
liegen."
Zu diesem müssen Sie sich also be
geben," fügte der Amtsrichter hinzu;
das Erbschaftsgericht hat fohin mit
der Sache nichts mehr zu thun."
Ja, aber wie so denn?" sagte der
Kaufmann verwundert und mlßver
gnügt. Das Testament muß doch, wenn
es gültig sein soll, gerichtlich deponirt
sein."
Sie sind im Irrthum," entgegnete
der Richter; im Königreich Sachsen
kann der Teftator seine letztwllllgen
Verfügungen hinterlegen wo er will.
wenn nur erweislich ist. daß er sie
eigenhändig unterschrieben hat. Zum
Ueberfluß hat der Erblasser die soeben
zur Verlesung gebrachte Erklärung per
sönlich im Amtsgericht deponirt."
blieb den drei Interessenten
nichts übrig, als sich in die Wohnung
des bezeichneten Rcchtsanwalis zu be
geben. Da die beiden verwandten See
len sich unterwegs um den jungen Ehr
hardt gar nicht kümmerten, so ging er
etwas hinter ihnen, die Hände in den
Taschen und eine luftige Melodie pfei-
send.
Ein sonderbarer Mensch, unser
Onkel!" brummte der Kaufmann im
Gehe.'
Ein sehr sonderbarer Mensch." be
räftigte Fräulein Kunigunde. Warum
mag er nur solch einen Schritt gethan
haben?"
.Hm eine Marotte:" erwiderte
der Kaufmann. Er hat ja Zeit seine
Leben! voller Sonderbarkeiten gesteckt
Hat er sich wohl jemals um uns ge
kümmert k Nein: ch war vor zwe,
Jahren einmal im Schwulitäten, wie
das so geht im Geschästsleben. Ta wen
bete ich mich an ihn wegen eines kleinen
Kapitals "
Und welche Antwort erhielten
Sie?"
Gar keine!" rief der Kaufmann
der ganz zu vergessen schien, wie günstig
er erst über den Verstorbenen gesprochen
hatte. Da ist S dvch sein Wunder,
daß man sich auch nicht weilet um ihn
kümmerte. Na, ich bin wirklich neu
gierig "
-ehr neugierig!" bestätigte Fräu
lein schmeer.
Toktor Börner empfing die drei An
kömmlinge mit angenehmer Höflichkeit
ersuchte sie Platz zu nehmen, und
blickte sie dann, wie um von ihrer
Außenfeite eine Ansicht über ihre innere
Beschaffenheit zu gewinne, der Reihe
nach an.
Ich habe Ihnen, meine geehrten
Herrschaften, jetzt die letziwilligen ler
fügungen des verstorbenen Herrn Gott
hilf Heinrich Mälzer bekannt zu mn
chcn," begann er. Ueber die Richtig,
keit und Gesetzlichkeit der Schriftstücke
ist keinerlei Zweifel zu erheben. Der
Erblasser bat sie eigenhändig gcschrie
den und in meiner Gegenwart unter
zeichnet. Ich werde Ihnen also das
Testament vorlesen, indem ich noch vor
aussende, daß ich als Vollstrecker mit
allen Vollmachten versehen bin. Ta
Testament lautet: Ich vermache mei
nem Neffen Johann Veit. Kaufmann
in Sellerstadt. die summe von ü000
Mark...."
Der Kaufmann fuhr förmlich von
feinem Stuhl in die Höhe.
s in die Möglichkeit:" rief er
äußerst enttäuscht.
Bitte mich nicht zu unterbrechen."
sagte der Rechtsanwult hö lieh, indem
er fortfuhr:
Meiner Stiefnichte Kunigunde
Schmeer vermache ich gleichfalls den
Baarbetraq von 51000 Mark, womit sie.
da sie ganz allein steht, sehr zufrieden
sein kann.
Füllt mir gar nicht ein! Ich und
zufrieden! rief Kunigunde empört, in
dcm sie ihren Sitz verließ, rasch durch
das Zimmer schritt und mit ihrem
Sonnenichirm in der Luft herumfocht,
Der Rechtsanwalt sah ihr über feine
Brille hinweg mit einem undefinirba
ren Blicke eine Weile zu. Gestatten
Sie, mein Fräulein, sagte er dann im
Geschäftstone, daß ich das Vorlesen
vollende. Dem Springinsfeld"
entschuldigen Sie, mein Herr, es steht
wörtlich so da dem Springinsfeld
Wilhelm Ehrhardt. der meinem Herzen
verwandt ist (Aha!" machte Rum
gunde spöttisch) vermache ich 000
Mark, damit er fleißig studirt, was er
hoffentlich thun wird. Ein Kapital
von 40,000 Mark bestimme ich zur Er
richiung einer wissenschaftlichen Biblia
thek, weil gute Bücher die besten Le
bensgefährten sind. Einen Statuten
entwurf füge ich meinem Testamente
bei. Mein Testamentsvollstrecker soll
dem vom Magistrat zu bestimmenden
Kuratorium angehören. Sollte aber
der Magistrat diese Stiftung ablehnen,
o bestimme ich die hier erwähnten
40.000 Mark für die deutsche Heiden
Mission." Hier machte der Vorleser eine Pause.
Nein. solcheUngerechtiqkeit!" stöhnte
der Kaufmann.
Solche Narrheit! Bücher Hei
den und uns Verwandten, denen
doch von Rechtswegen Alles zustand,
eine Lappalie! Es ist himmelschreiend!"
eiferte das ältliche Fräulein.
Ich kann nur sagen," bemerkte
der Testamentsvollstrecker die Achseln
zuckend, daß der Herr Testator voll
ständig zurechnungsfähig war, als er
mir dieses Testament übergab."
Zurechnungsfähig ! hm zurech
nungsfähig! Wie man das nimmt!"
sagte der Kaufmann. Dabei scheint
er aber nicht gemußt zu haben, daß
einem das Hemd näher ist als der
Rock.
Ich bin außerordentlich zufrieden,
sehr glücklich und sehr dankbar!" rief
Ehrhardt aufjubelnd.
Ja Sie !" entgegnete der Kauf
mann mit einem Wuthblicke auf den
jungen Mann. Ihnen hat er unge-
rechter Weise sogar 1000 Mark mehr
zugeschrieben."
Für nichts und wieder nichts !" er
gänzte Kunigunde. Nu, dafür kön-
nen Sie sich viele neue Röcke kaufen!"
Der zunge Mann wurde sehr roth
und sah vor Verlegenheit an seinem
verschabten Röckchen herab, wußte aber
itia vvri zu erivivcrii. ,en mecyis
anwalt schien feine Verlegenheit zu tv
barmen, er beendete rasch die Pause.
l i ... . ... v T . tn.is.io
Es ist hier noch em Nachsatz.'
sprach er, und dann rief er durch die
geöffnete Thür: Müller! Bringen
Sie mal den Bello her !"
In Zeit von wenigen Minuten führte
der gerufene Bureaudiener an einer
Schnur einen großen weißen Pudel
herein, der an die Anwesenden der
Reihe nach heranschnupperte, als wenn
er sie begrüßen oder sie kennen lernen
wollte; dann blieb er schweifwedelnd bei
dem Rechtsanwalt stehen.
Nun, alter Kerl." sagte der Letztere.
du bist hier sehr nöthig, und es soll
jetzt über dein Schicksal entschieden wer
den. Der Nachsatz, meine Hcrrschaf
ten. lautet: .Meinen treuen Bello
empfehle ich der Gutherzigkeit eines
meiner Verwandten und Erben. Ich
hoffe, das Eins von ihnen ch d'.cte
meines allen fahrten erbarmt und
ihn gern a::fnimmt, um ihn bis zu sei
nem iode zu pflegen."
Auch noch!" knurrte der Kaufmann
Ta könnte man la gleich die 5XJ
Mark als Pension für den Hund anle
gen. Mir paßt da? nicht ich habe
keine dazu geeigneten Verhältnisse.
.Ich noch weniger." verletzte Fräu-
lein Kunigunde schmeer. Ich bin
keine Hiindkfreundin und mag den
Köter nicht. Vielleicht ist dieser Herr
so freundlich," fügie sie mit einer
schulterdcwegung gegen Ehrhardt
hinzu.
,.a woi r riet oer Maier unter
aus. Ich wollte nur den Herrschaften
nicht vorgreife. Sehr gern nehme ich
ihn. ich bin ein großer Hundesrcund
lind das ist ja auch ein ganz netter
alter Bursche. Komm. Bcllo!" Er
legte dem Pudel die Hand auf den
Kopf, und dieser sah ihn an. so offen
und vertrauend es fehlte ihm nur
die Sprache, sonst hätte er dem jungen
Manne wohl etwa? ganz GcschndteZ
gesagt. Also, wenn -le gestatten,
Herr Toktor. so nehme ich diesen alten
Kamerad, und weiß Gott ! er soll'S gut
haben bei mir bei dem Springins-
feld !"
Er lachte gemüthlich über die Selbst-
bezeichnunq.
Ja wohl, geben sie ihn nur diesem
iiingen Manne, iierr Rechtsanmalt."
sagte der Kaufmann ; zu dem paßt
er."
Er hat s ia auch dazu eine reiche
Hundepcnsion." spöttelte Fräulein Ku-
nigunde.
Nun bitte." erwiderte Tr. Börner.
darüber habe ich. genau der mündlich
erhaltenen Instruktion des Erblassers
entsprechend, noch ein Eodicill zur Mit
theilirng zu bringen."
Tie beiden Verwandten machten arm;?
Augen und Herrn Johann Veit wuchsen
förmlich die lauschenden Ohren. Der
Rechtsanwalt las: Derjenigen Persön
lichkcit, welche sich freiwillig und aus
eigener Gutmuthialeit meines treuen
Bello annimmt und sich anheischig ge
macht hat, ihn treulich bis zum Tode
zu pflegen, vermache ich den Rest meines
Vermögens, das sind 50.000 Mark;
doch sollen die sämmtlichen Kosten des
Herrn Testamentsvollstreckers bis zum
Tage der Testamentscröffnung abgezo
gen werden."
Also dieses Kapital habe ich. wie
ich hiermit konstatire, Ihnen. Herr
Ehrhardt. nebst dcm Hunde Bello zu
überaeben."
Die Empörung der beiden Verwand-
ten über diese unerwartete Wendung
der Sache war grenzenlos.
I das sieht ia aus wie ne richtige
Falle!" sagte der Kaufmann. Dieser
junge Mann wußte wohl schon da
von ?"
Ter Rechtsanwalt schien einen Mo-
ment auffahren zu wollen, doch kämpfte
er seine Entrüstung nieder und hielt den
Gcschäftston fest.
Tiefer junge Mann, " entgegnete er,
die Worte stark betonend, wußte so
wenig wie sie. Nur mir war die
Festsetzung bekannt."
Aber warum sagten sie es denn
nicht gleich?" rief Kunigunde gereizt
und glühend roth vor Aerger, daß ihr
der Vortheil entgangen war.
Weil ich das. meiner Instruktion
gemäß, nicht durfte," versetzte Toktor
Börner. und der Eeblasser auch ganz
richtig kalkulirtc, daß das Schicksal des
Hundes nur auf solche Weise sicher ge-
,tcllt werden könnte. Ich will Ihnen
auch den Gedankengang des Erblassers
mittheilen; er meinte: Jemandem muß
ich natürlich mein Geld vermachen und
am liebsten Dem, der es am meisten
werth ist. Wie soll ich das aber ersah-
ren? Dazu reicht meine Menlckeniennt
niß nicht aus. Also mache ich ein Ex
perimcnt: ich denke, wenn Einer oder
der Andere sich uneigennützig meines
Hundes erbarmt, kann ich ihn in meinem
inne für den Besten halten, und so
ziehe ich mich mit guter Manier aus
der Schwierigkeit. Diese Methode
chien ihm große Freude zu machen,
und ich habe darnach zu handeln ge-
habt. Hiermit ist mein Auftrag erle
digt. Die Gelder liegen in meinem
Tresor bereit und können sofort ansge-
zahlt werden."
Ja wohl, seien Sie so gut!" der
setzte Johann Veit grimmig.
Also bin ich wirklich so reich aewor
den?" jubelte Wilhelm Ehrhardt; reich
geworden durch eine unverdiente Güte
Wer könnte da noch zweifeln, daß es
wahr ist: Unverhofft kommt oft?"
Erlauben Sie mir, Herr Toktor, daß
ich mich jetzt mit meinem Hunde
mit meinem Glllashunde erst eine
kurze Stunde entferne (der Rechtsan-
walt verbeugte sich); ich fühle mich ge
drängt, dem alten Herrn an seinem
Grabe ein stilles Gedenken zu weihen
Komm. Bello!"
Gefunden.
Von G. Froehlke.
Ein Nebelmeer weit und breit; kein
Weg. kein Steg. Erst wenn man dicht
vor ihnen steht, vermag man die Föh-
renstämme zu unterscheiden. Unhcim
lich still ist es; hin und wieder nur
braust ein Windstoß daher. Hast Tu
es schon einmal empfunden, Menschen
kind. das überwältigende Schweigen
im Walde, wie ein genialer Künstler es
unS so tief ergreifend dargestellt hat?
Ernst, fast düster wirkt der Föhren,
wald schon im Sonnenschein, aber noch
mehr am Spatderdstadend im eisigen
Nebel, wo die Formen der Baume in
einander verschwimmen und eS auS
sieht, als huschten Gespenster dazwischen
hindurch.
Ein Reh kommt langsam daher.
Horch, was ist das? TaZ Thier hebt
den feinen Kopf und lauscht. LeiS
raschelt eS auf dem Waldboden, als
schlüpfte ein Mauslein vorüber.
Und gerad' unter dem nächsten Baum
steht ein kleines Gefchöpflein von viel
leicht sechs Jahre. Ist'S ein kleiner
sZobols, ein Waldgeisilein oder ein
Engelchen, di?s vom Himmel gcsal
len ist ?
Es kaun doch gar nicht anders sein
denn wie käme es fönst in diele Zeit
uns bei dem Wetter in den Wald?
Aber nein! Auf dem Gesichtchen prägt
sich ganz echtes Menschcnleid aus. Wie
hangen dem Mägdlein die braunen
Locken in den Augen und über die blau-
gefrorenen Wangen rollen unaufhör
lieh schwere Thranentlopfen. Tie sei
neu Zuge sind ganz erstarrt vor Ent
setzen. Toch langsam, stetig rollen die
Thränen.
In namenloser Angst blickt daS Kind
in die grauschwarze Tümmcrung.
Kommt s da nicht herangeschlichen
mit großen schritten, das Furchtbare,
Unheimliche, und greift nach ihm mit
langen Armen, um es mitzunehmen
und mit ihm hinuntcriustcigen in den
grundlosen Sumpf, der sich dort hinter
dem Walde ausdehnt? Noch einen
Augenblick jetzt ist es da! In der
Kindsseele taucht blitzschnell der Ge
danke auf. daß es nun nie mehr nach
Hause kommen wird, nie mehr in sei
nem weichen Bettchen schlafen, nie mehr
im Sonnenschein, auf der Wiese spie
len, und all die Lieben, an denen sein
Herzchen hängt, nie mehr sehen wird.
Ist denn keines da, das ci be chützt. das
es rettet? Giebt' niemand, jemand auf
Erden, der ihm in dieser furchtbaren
Nacht zu Hilfe kommt?
Die Kleine rufst all ihren Muth zu-
sammen und will schreiet:, aber die
Kehle ist ihr wie zugeschnürt. Nur
ein leises Wimmern wird hörbar. An
gcstrengt schaut sie geradeaus. Ist der
böse Waldgeist vorübergegangen?
chon will sie erleichtert aufathmen.
Toch nein da, da ist er wieder
und da noch einer und noch einer
ein ganzes Heer von Gespenstern greift
nach dcm Kinde.
Nun ist es verloren. Tie Todes-
angst giebt ihm Kraft: ein letzter Ver-
uch
Mutterl!" und noch einmal Mut-
terl!" schreit es gellend auf.
Mutterl, komm doch!"
So schnell die vor Kälte erstarrten
Füßchen es tragen können, läuft es
weiter, vermeintlich verfolgt von den
Waldgciftern.
Manechen hat schließlich un eiligen
Lauf innehalten müssen. Seine Vein-
chen sind schwer wie Blei und das
Köpfchen auch. Es kann nicht weiter.
Ta. wo cs gerade stehen geblieben ist
kniet es nun nieder und faltet die
Hände.
Lieber Gott, laß mich nach Hause
sinden. ich will ja auch nie wieder unge
horsam sein und der Mutter fortlaufen
Nur diesmal laß 'mich heimkommen
Ich will's ja auch ganz gewiß nicht wie
der thun. Ach. Mütterchen. Mütter
chen. komm doch!"
Kummer und Müdigkeit übermäl
tigen das Kind. Es kauert sich nieder,
zieht die Beine unter das Röckchen und
wickelt die Arme in die Schürze. Noch
einmal wimmert es leise:
Miiitcri. am, liever Volt, mein
Mutterl," dann schließt es die Augen
so todtmüde, daß es plötzlich einschläft,
Ein Raunen geht durch den Wald
kommen da nicht liebliche blonde Engel
auf leisen Sohlen und breiten schützend
die Flügel über das schlummernde
Kind? Oder ist nur der Nebel, der
dichter und dichter mit feinen grauen
Schleiern das Kind zudeckt?
Unten im Torf am Waldrand steht
weinend ein junges Weib im Kreise
thellneymenberNachdannnen. Wo mag
nur das Kind hingekommen fein? Man
berathschlagt, was zu thun ist. Ein
paar Leute erbieten sich, den Wald zu
durchsuchen, und vier Männer ziehen
aus, mit aternen versehen. Des Km
des Mutter schleicht hinter ihnen her.
Kaum vermag sie Schritt zu halten; die
Angst lähmt ihr die Glieder.
Wenn ihr Kind in den Sumpf ge
raiuen tin yr ino. lyr einziges
Glück!
sioyneno greiji ne nacy einem
Halt. Mitleidig drehen die Männer
sich nach ihr um und sprechen ihr Trost
zu. Einer von ihnen, der Schmied
Andreas, stützt sie sorglich. Seine
Augen ruhen mit warmer Theilnahme
auf dem bleichen, angstverzerrten Ge
sicht. Er drückt leise den Arm des jun
gen Weibes.
Wir werden 's Mariele schon sin
den, laßt's man gut sein, Lies," tröstet
er.
O, Gott, wenn ich Euch glauben
könnt," flüsterte es mit thränenerfticktcr
Stimme.
Wenn's nur nicht in den Sumpf
gefallen ist !"
Ach was, in den Sumpf ! Einae-
schlafen wird's sein, weiter nix!"
brummte der Schmied barsch, um feine
Rührung zu verbergen. Ihm selbst
würde e! bitter wehe thun, wenn das
Kind verunglückt wäre. Er hat's in
fein Herz geschlossen, das sonnige, kleine
Ding, und noch viel mehr das Weib
seiner Seite. Ter Herrgott dreien
kann'S ihr ja nicht anthun und d,,?
Kind zu sich nehmen. wo LieS doch o:
so viel hat durchmachen müssen, (ist
der Eltern Zoo. daS Bauerngut er
pfändet, und dann der Tod i!mi
Mannes, der sie mittellos zuriickll'e
mußte.
Nein, nein! TaS Kind ihr ni!
auch noch zu nehmen. daS wäre ,u
viel !
Sie durchsuchten den Wald nach
allen Richtungen. Nirgend? eine 2 pur
von dem Kinde. Stundeulaiig .-!:.
verteil sie umher. Lies, allen vo:an.
rief des Kindes Namen in die st .ine
viiiaji, so oas, ivr zuiexi cue ctn:'::i;
versagte.
Ter Schmied hatte sich ein wenig i'!
seits gehalten und leuchtete aus dein
Waldbodcn umher.
Plötzlich sah er etwas TuukleS untei
einem Baum liegen. Mit ein ?.x
Schritten war er daneben. Tcrsä!i:i
feiner Laterne fiel aus das schlafende
Kind. Behutsam hob er es aus. s,t,r:!t
zu der Mutter und legte es ihr i di;
Arme.
Mein Kind, mein Kind! O, Herr,
gott im Himmel, wie danke ich Dir!"
stammelte sie.
Sie herzte und küßte die Kleine
glückselig und wickelte sie warm in jht
Tuch.
Dankesworte fand sie nicht, aber ein
Blick aus ihren leuchtenden Augen lt--lohntc
den Schmied, den er üimm?r
vergaß.
Leichtfüßig eilte Lies nun wieder
allen voran dem Torfe zu. TaS Kind
schlief noch immer.
Gebt'S mir doch her. ich werde es
tragen, für Euch ist's doch zu schwer,"
sagte der Schmied, der an ihrer Seite
gi"g.
Ach. bitte, laßt mir's. es ist ja so
leicht wie eine Feder, oder mir scheints
wenigstens so." erwiderte sie. wobei ihr
glückstrahlendes Gesicht sich ihm zuwen
bete. Dem Mariele gehört wohl Euer
ganzes Herz?" forschte Andre, für
jemand anders bleibt da nichts mehr
Übrig, gelt?"
Ach je, s ist auch niemand weiter
da. der verlangt, daß ich ihn liebhaben
soll " sagte Lies und drückte ihr Kind
zärtlich an sich.
Ja, das meint Ihr wohl." der
uiinev ipraeo mngiam und oedachiig
und legte auf jede Silbe einen beson-
deren Nachdruck. Wenn nun aber
einer käme und Euch fraato. ob br
ihn liebhaben wollt, weil er Euch näm-
lich auch sehr lieb hat. was würdet Ihr
da wohl antworten, hm?"
Jh, das glaube ich nicht mebr so
leicht, die Männer verstchen'S zu gut.
einem Raupen in den Kopf zu setzen!"
Aber der Schmied war nickt so leickt
abzuweisen. Na, und wenn ich's nun
wäre, der rechtschaffen zu Euch käme
und beim Herrn Pfarrer auch deich das
Aufgebot bestellte, würdet Jhr's mir
glauben, daß ich's ehrlich meine?"
Lies wurde roth und verlegen.
Und 's Mariele?" fragte sie bebend.
Das soll fein wie mein eigen Kind,
das schwör' ich Euch!"
In Gottes Namen denn. Andreas!"
Der Mann schloß feine starken Arme
um Weib und Kind.
Da erwachte Mariechen, streckte die
Aermchen aus und rieb sich die Augen.
Mutterl. bin ich nun daheim?"'
Das eingemauerte Kind.
Auf einem alten MauerÜberreft am
Krötenthor in Magdeburg war noch vor
kurzer Zeit ein seltsames, in Stein ge
meißeltcs Wahrzeichen zu erblicken,
nämlich zwei Kinderfüße. Sie er
inncrten an ein entsetzliche? Opfer des
finsteren Aberglaubens aus der Zeit des
Dreißigjährigen Krieges. Als man
nach der Zerstörung Magdeburgs durch
Tilly (Mai 1031) mit dem Wieder
aufbau der festen Stadt begann, spukte
in den Köpfen der Bürgerfchaft der
viclverbreitete unselige Wahn, daß die
Festung künftig unüberwindlich sein
werde, wenn man in einem der Thore
ein dreijähriges Kind lebendia ein-
mauere. Die Büraer kamen Uberein.
durch das Loos entscheiden zu lassen,
welche Familie ihre Kinder zur Ver
fügung zu stellen hätten. Sodann
wurde ein Tischchen, auf dem Gold
küqclchen und Brotstücke lagen, vor
dem Krötentbore ausgestellt und di?
Zehn durchs Loos bestimmten Kleinen
herangeführt. Dasjenige Kind, das
Zuerst das Brot unbeachtet ließ und
nach dem Golde ariff. war dem nmu,
samen Tode verfallen. Ein Kinder
skelett, das man beim Abbruch des alten
Thores an der gekennzeichneten Stelle
vorfand, bewies, daß man dem Wnlnrf,
Aberglauben wirklich ein junges Men-
ti)cnieoen opferte.
Mahnung.
Bewähr' sich jeder im Vertrau'n,
Doch jeder traue jedem mrfrt !
Nicht in die Brust laß jeden schau'n.
Doch jeden frei ins Angesicht.
Bald hat bei keinem rechten Werth
Ein Schad, der offen allerwärts.
Reich' jedem freundlich deine Hand.
oco Auserwayltcn gieb dein Herz!
E. Ritterhaus.
Galant.
Fräulein: ..Nickt wabr. SSerrTnUnr
ch rede da rechten Kohl zusammen?"
verr: Mit solchen Lippen könnten
v.'rehrtcS Fräulein höchstens Rosenkohl
reden!"