Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 06, 1900, Image 10

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    Der langweilig? Zeuge.
VliminalhumoreZke. i-on Ä. Stuitntr.
.Sie heißen." sagte der Präsident.
.Christoph Ächlmann. find zu Wien
geboren, 05 Jahre alt. katholisch, ver
heirathct und Tischlermeister ?"
Der neue Zeuge hatte zu jeder dieser
Bestimmungen, welche der Vorstände
leiernd auS dem UnterfuchungS'Proto.
koll verlas lebhaft mit dem Kopse ge
nickt. Zwei oder dreimal machte er
einen Ansaß, als Hütte er dieser amt
lichen Biographie noch EtwaS beizn,
fügen, aber der Präsident liefe ihn nicht
zu Worte kommen. Ter graubärtige
Richter auf dem mittleren Polsterftuhl
hatte in jahrelanger Erfahrung und
Uebung nicht nur den richtigen Blick
dafür gewonnen, welche Zeugen durch
wichtigthuerische Umständlichkeit seiner
prozcssualen Logik Schwierigkeiten be
reiten, sondern sich auch seine eigene
Methode zurecht gelegt, wie er der
gleichen Redseligen das Sachliche abzu
hören habe.
Kurz, schneidig. Frage und Antwort
in einem Saß begriffen, so erledigte
er. ohne überflüssige Wiederholungen.
Alles, was Formsache. waS selbstver
ftändlich. oder was schon einmal da
war.
.Sie wohnen." fuhr der Präsident
foU. achten Bezirk. Lerchenfelder.
Straße 135...."
.Ich bitte, hoher Gerichtshof." warf
der Zeuge ein, ich wohne im siebenten
Bezirk. Lerchenfelderftraße "
.Richtig, richtig!" sagte der Präfi
dent und machte eine BleistiftCorrcktur
im Akt. Aber der Zeuge hatte nun
einmal iaö Wort erhalten und sprach
auch weiter.
.Bei jenen Hauptstraßen, die vom
Ring hinaus führen in die neuen Be
zirke, Herr Präsident, zum Beispiel bei
der Biariahilferstrcsze, Lerchenfelder.
ftraße, Alserftraße, gehört jede Gassen,
Hälfte zu einem anderen Gemeindebe
zirk. Tie ungeraden Nummern auf der
linken Seite, die gehören
.Ja. Das ist uns bekannt!" unter
brach ihn der Borsitzende, es war nur
em Schreibfehler." Er zwiaerte ncr
dös mit den Augen und fuhr mit bei
den Händen an seinem dütenförmigen
Knebelbart herab, von der Wurzel am
Kinn bis zur letzten Haarspitze. Das
war immer ein Zeichen seines Un
muthes über Redeverschleppung und
Zeitvcrtrödelung. Aber an Selbstbe
herrschung gewöhnt, sagte er nur ernst
und sanft: Wollen Sie sich möglichst
kurz halten, Herr Zeuge "
Es war ein dunstig.schwüler Juni
Nachmittag, der hier die Richter noch
spät im Prozekfaale versammelt hielt.
Auf der Anklagebank saß ein bekannter
Juwclendieb. allein weder seine crimi-
neu bemerkenswerthe Persönlichkeit,
noch der große, aufsehenerregende
Schaukastenraub, der ihm zur Last ge
legt wurde, machte die Sache interes
sant.
Hitze und Langweile lagerten über
dem dumpfen Raum. Im Auditorium
wurde gegähnt. Die Beisitzer schienen
zu schlummern. Ter Schriftführer fuhr
aus seinen Träumen empor, wenn er
EtwaS zu verlesen hatte. In der Ge
schworenenbank rechnete Einer etwas
Geschäftliches aus. ein Anderer zeichn
nete das charakteristische Profil des Präst
denten ab. ein Dritter putzte mit einem
Taschentuch sein Messer aus, und meh
rere sehr behäbige Herren beschäftigten
den Saaldiener, den sie beständig zur
Wasserleitung sandten, um sich mit
ladendkühlem Hochquell aufzumuntern.
Man sah es den nüchternen Schlem
mern an, daß es nicht wider ihr Ge
lübde war, Wein zu trinken, weil aber
wie Götzen's Bruder Martin so schön
unterscheidet der Wein wider ihr Ee
lübde war, schwemmten sie die achtund
zwanzig Reaumur (im Schatten) mit
klarem Schncebergnaß hinab. Auch
dem Angeklagten schien die ganze Ver
Handlung sehr wenig Spaß zu machen.
Es war ihm Nichts, aber gar Nichts
nachzuweisen.
Den einen Ring mit Saphiren und
Brillanten, bei dessen Verpfändung er
erwischt worden war. hatte er bekannt-
lich gefunden und weiter war in der
ganzen sechsmonatlichen Untersuchung
nichts Neues dazu gekommen ....
Sie wissen, um was es sich handelt,
Herr Zeuge," begann der Präsident.
also erzählen Sie uns Ihre Wahr
nehmungen an jenem kritischen Dezem
ber-Abend."
Christoph Mehlmann trat näher,
schöpfte tief Athem, schneuzte sich vev
nehmlich, stopfte das Nastuch sehr ge,
wiffenhaft in den Taschenspalt seines
alten, langen, schwarzen Rockes, reckte
die Schultern zurück, baumelte mit den
Händen, um die rechte Positur zu
finden, und verkündete mit einleitendem
Räuspern, daß er bald zu beginnen ge,
denke.
.Also, ich bitte!" sagte' nervös der
Vorsitzende, und es gmg wie em Er
wachen durch die schmunzelnden Reihen
der Geschworenen.
.Ja, gleich, hoher Gerichtshof! TaS
war also am 14. Dezember des vorigen
Jahres, am 14. deS letzten Monats
1896, Abends um halb acht Uhr, und
Das weiß ich ganz genau, und kann
mich nicht irren, und ein Zweifel ist
ganz ausgeschlossen. Meine Tochter
hat sich damals jede Stund' erwartet,
und zu Mittag bei'm Essen sag' ich zu
meiner Frau: Du, Leri," sag' ich,
.nach dem Essen geh' ich zur Minna
und schau', waS los ist, 's die Zeit,
sag' ich, und wir haben schon drei Tage
Nichts v?n ihr gehört." Richtig geh'
ich also zu meiner Tochter auf die Wie.
den, und wie ich hinaas komm', war
ein Bub' da. mein fünftes Ei'.kerl.
hoher iierichtshof. aber von der Minna
der Erste, die anderen find von meinem
Buben; mein Sohn ist Ingenieur bei
der TtaatZbahn. Meine Tochter ist
Hausbesitzerin und mein Schwieger
söhn-"
Ter Vorsitzende, der in Gefahr war.
sich den ganzen schönen Knebelbart
auszuraufen, wurde unwirsch und
sagte:
.Ja. ja. es sind lauter recht brave
Leute. Ihr Sohn. Ihre Tochter und
Ihr Schwiegersohn '
.Wahr, wahr!" setzte der Alte betrübt
hinzu und grub sein Taschentuch aus.
Ter Arme ist gestorben, noch ehe sein
Kind kam. Ach. Du lieber Gott, es
war eine so glückliche Ehe "
Wollen Sie uns nur kurz erzählen,
was Sie damals, als Sie Abends
von Ihrer Tochter gingen, in der
Kärntner Straße bei'm Juwelenladen
von Goldmann und. Steiner gesehen
haben ?"
Ich habe einen Mann gesehen."
.Schön! Und dieser Mann ist Ihnen
aufgefallen, weil "
Weil er an der Auslage herum ge
arbeitet und, wie er mich bemerkt, sofort
aufgehört hat und weggegangen ist."
In der That," sagte der Präsident
zu den Geschworenen, wurde damals
schon daZ Schaufenster geöffnet borge,
funden." Er wandte sich wieder zum
Zeugen: Würden Sie den Mann wie
der erkennen ?"
Ich glaube."
Ist es dieser da ?"
Nein, hoher Gerichtshof! Der ist es
nicht."
Sie können auch den Mann nicht
näher beschreiben ?"
Nein."
Ich danke, Herr Zeuge! Hat Je
manh eine Frage? Sie sind ent
lassen! Sie können sich entfernen oder
auch dort auf der Zeugenbank Platz
nehmen.
Ter Tischlermeister Christoph Mehl-
mand stand unschlüsng und hub mehr,
mals zu reden an. Er erklärte, daß
er bei dem großen Wagenverkehr und
bei der starken Passage, die es damals
zur Weihnachtszeit in der innersten
Stadt gab, bei der Raschheit, mit wel
cher der Dieb verschwand, nicht in der
Lage gewesen sei, ,hn genau anzusehen
Mit sanftem Gemurmel ihn abweh-
rend. blätterte der Richter in den Pa,
Pieren; aber der Zeuge sprach unter
dem Lächeln der Geschworenen unev
müdlich weiter, selbst dann noch, als
ihn der Saaldiener zu seinem Sitze hin
geleitet hatte. . . .
Plötzlich entfuhr ein Donnerwetter!"
oem Prafloenien, ver oen btov er
hoben hatte. Ingrimmig schlug er
mit der Faust auf einen Akt, daß der
Staub herausflog, und dann wetterte
er, mit dem Zeigefinger der erhobenen
Rechten vor sich hinaus deutend: Jetzt
hab ich s aber satt; jetzt wird s mir zu
viel!"
Mehlmann schrak zusammen und be
gann zu zittern.
Da hinten." rief der Präsident.
sitzt ein Mann im Auditorium, ein
Mann, dessen Betragen höchst ungezie
mend ist. Ich beobachte ihn schon den
ganzen Tag. aber er läßt sich durch
meinen Blick nicht stören. Er grinst mich
immer so höhnisch an, verspottet die
Zeugen und lächelt dem Angeklagten zu.
Saaldiener! Führen Sie mir diesen
Mann vor! Ja, diesen! Den Dritten
dort in der vorletzten Reihe!"
Es war Bewegung in die Vermin
melten gekommen, und alle Anwesenden
wandten sich dem Bezeichneten zu.
Christoph Mehlmann hatte eilige
sehen, daß sein Schreck unbegründet
war, er hatte sich erhoben und sah mit
zornflammenden Augen nach dem Ruch
losen, der ihn zu verspotten wagte. Er
gab mit Zeige und Mittelfinger das
Zeichen, daß er zu sprechen wünsche,
aber der Präsident schüttelte unwillkür
lich den Kopf und meinte: Ihr Verhör
ist beendet!"
Da brachte man den störenden Zu,
Hörer in's Barreau.
Sie heißen?" fragte der Präsident.
Joseph Knie." sagte der Jnquisit
lächelnd.
Wie alt?"
Dreißig Jahre."
Was find Sie?"
Ziegeldecker," erwiderte er mit
Schmunzeln.
Und da haben Sie Zeit, ,nden Ge
richtssaal zu gehen?"
Ich hab' letzt keine Arbeit," meinte
der Bursche und schien wieder zu lä
cheln. .
Was kommt Ihnen denn hier Alles
so heiter vor? Sie befinden sich an einer
ernsten Stätte."
,,'tschuldigen schon, Herr Präsident.
ich hab' gar nicht g'lacht. Ich hab' nur
so a dumm s G ficht, daß die Leut im
mer glauben, ich lach'."
Er wandte fein dummes Geficht, des.
sen schielende Augen beständig vor Hei
terkeit der Nase zuftrahlten, nach der
Geschworenenbank hin. Ein schallen
deS Gelächter kam von dem dicken Eck.
mann, der daS Wasserglas absetzen
mußte, nachdem er seinen Nachbar an
gespritzt hatte. DaS, Lachen, welches
von dem unschuldig Verdächtigen aus.
ging, ergriff den ganzen Saal; auch
der Angeklagte lächelte, selbst der ge.
strenge Präsident, und nur Christoph
Mehlmann saß ernst und finster da und
versuchte von Zeit zu Zeit, sich zu er.
heben und daS Wort zu erhalten. Der
Präsident aber sagte mit einer encr
gisch abwehrenden Handbewegung:
.Ruhig!" So setzte sich der Zeuge wie
der nieder.
.Ich wollte Ihnen einen Verweis
ertheilen." sagte der Präsident zu dem
Herrn aus dem Auditorium, da aber
ein dumme? Gesicht nicht strafbar ist'
neue? Gelächter im Saale .ent
lasse ich Sie. Nur. bitte, entfernen Sie
sich aus dem Haufe und stören Siewci
ter nicht die Verhandlung!"
Ter ewig Lachende verneigte sich und
ging unter Heiterkeit des Barreaus und
der Hörerschaft davon. Mehl mann saß
da, ohne eine Miene zu verziehen. Noch
wirkt unter den Versammelten das
heitere Intermezzo nach, als der Präfi
dent plötzlich ein sehr ernstes Gesicht
machte. Ter Zeuge, der eben wieder
hatte reden wollen, bezog den drohenden
Wandel der Physiognomik auf sich und
setzte sich schleunigst nieder. Es ging
ihn aber wieder Nichts an.
Ter Vorsitzende hatte durch den Saal
diener einen Zettel erhalten, den er mit
fichtlicher Aufmerksamkeit mehr als ein
mal durchlaZ. Er murmelte seinem
richterlichen Nachbarn rechtcrseitS Etwas
zu, reichte daS Blatt Papier dem alten
Herrn zur Linken, der überrascht den
Inhalt las, und bald sah man die
Herren deS Collegiums mit einander
flüsternd Etwas besprechen. Tiefe Stille
trat ein, man erwartete etwas Beson
dcres.. ..
Ter Präsident begann: Eine Mit
theilung, die ich soeben erhalten habe,
wird uns nöthigen, die Verhandlung zu
vertagen. Ein im Auditorium anwe
sender Detektive schreibt mir, daß der
lächelnde Mann, den ich soeben entlas
sen habe, ein falsches Nationale abge
geben hat, daß er ein berüchtigter Ver
brecher und seit Jahren als regelmäßi
ger Diebsgenosse des heutigen Ange
klagten bekannt ist."
Es ging Bewegung durch's Publi
Ihm, Rufe des Erstaunens und der Hei
terkeit, vermengt mit Ruhezischen,
waren zu hören, und in der vorletzten
Bank begab sich plötzlich ein allgemeiner
Aufstand. Alles, was neben dem so
eben verrathenen, lächelnden Herrn ge
scssen war, hatte gleichzeitig das Be
dürfniß nach frischer Luft. Tie hasti
gen Tritte dieser dem Ausgange zu
drängenden Gesellschaft von Männern
und Frauen vermehrten den Lärm.
Energisch forderte der Präsident Ruhe
im Auditorium, und zu Mehlmann ge
wendet, der sich abermals erhoben hatte,
rief er:
Herr Zeuge! Sie haben jetzt gar
Nichts zu sprechen. Wenn Sie nicht
stille sein können, so müssen Sie den
Saal verlassen."
Trostlos ließ der Mundtodte seine
Blicke nach der Geschworenenbank, zum
Staatsanwalt und zum Vertheidiger
herumschweifen, dann als hätte er
sich plötzlich entschlossen, der Amts,
gewalt zu weichen, schritt er dem Aus
gang zu, blieb aber bei'm Thürhüter
stehen und raunte diesem einige Worte
zu. die er mit lebhaften Gesten beglei
tete. Darauf nickte der alte Diener zu.
stimmend mit dem Kopfe und begab sich
zum Präsidenten, welcher mittlerweile
weiter gesprochen hatte:
Der Polizei Agent seiner Auf.
merksamkeit gebührt alle Anerkennung
theilt mir ferner mit, daß er dem
Verdächtigen folgen und ihn festnehmen
werde, falls ich ihn entlasse. Denn
zum Mindesten falle ihm Falschmel
dung, beziehungsweise falsche Zeugen,
aus age vor Gericht zur Last. Unter
solchen Umständen wird es " (der
Präsident hörte nun den Thürhüter an)
Herr Zeuge Mehlmann wünscht
das Wort zu einer wichtigen Mitthel
lung!"
Christoph Mehlmann erhob sich, trat
näher und machte all die umständlichen
Vorbereitungen, die zur äußeren Er
scheinung eines wirkungsvollen Redners
gehören. Rings herum erwartete man
mit Schmunzeln den Beginn seiner
Rede.
ouer wencylsvos: cy yaoe m,r
das Wort erbeten, weil ich glaube, daß
ich Etwas zu sagen habe, waS für die
heutige Verhandlung recht wesentlich
tem könnte. Als ich damals am 14.
Dezember Abends von dem Besuche bei
memer Tochter, die "
Herr Zeuge! Ich bitte, wollen Sie
uns nicht nochmals erzählen, was wir
schon wissen. Sagen Sie daS Wich.
ligr, das &te uns angekündigt haben.
und zwar kurz und knapp!"
Mehlmann blickte wieder verloren
drein.
Das Wichtige?" fragte er zweifelnd.
Kurz und knapp?"
Jawohl, Herr Zeuge!"
Na. alsdann, wenn ich's aam kun
agen ou, Damit sie s gleich wmen.
hoher Gerichtshof," sprudelte er hervor
der Mann, den Sie jetzt wegge
schickt haben wegen unbefugten Lachens,
das war der Mann, der damals die
Auslage geöffnet hat "
und wieder gab es Heiterkeit und
Erstaunen im Publikum. Der Vertbei
diger, der eben aufgestanden war, um
gegen die Vertagung des Prozesses zu
precyen, etzte ich aus Gründen der
Prozeß-Ordnung wieder nieder. Da.
gegen erhob sich der Präsident, strich
einen langen Knebelbart, arm nach
einem Aktenstoß, den er unter den Arm
schob, -und sagte feierlich: .Die Ver
Handlung ist geschlossen."
Zeuge Mchlmann aber wandte sich
dem lauten Auditorium zu und ließ sich
anstaunen, bis ihn der Thürhüter er.
uchte, den Saal zu verlassen.
Der :iltjr.
('int nicht aüläqlickk '"k,ch,chlt von
C ilax f 1 i n f r.
1.
Mitten im Walde, ring? umschlossen
hrtri nfim fl.-nihnnfi Irti m
W. M4l III M . f l' . ...
Weit und breit dehnte er sich aus
ff
und
stellenweise hatte er eine gar bedeutende
Tiefe. Dem Ufer fern erhob sich im
Tee eine bewaldete Jnel. Sie hatte
aus den ersten Blick nichts Anziehendes,
und doch ließ mancher Tourist, der hier
her kam, sich mit dem Kahn hinüber
rudern. Unten im Dort hatte man
ihm erzahlt, daß sich auf der Insel
vom Lande aus nicht zu icyen. ein
kleines Lustschloß befinde, daS wie das
ganze Territorium in meilenweiter
Runde einem Grafen von Hohenstcin
gehöre. Vor, vielen, vielen Jahren
als er eben noch jung. Majoratshcrr
geworden, hatte er eS erbaut.
Der Graf hatte damals diese? Para
dies nicht allein bewohnt im Gegen
theil. Er liebte die Geselligkeit mit
Seinesgleichen und mit Angehörigen
der Kunst. Künstler der Bühne fanden
sich bei ihm ein, man spielte Komödie
im leicht gezimmerten Saaltheater,
Musik erklang und oft sah man die In
sel mit bunten Papierlaternen um
säumt, die bei anbrechender Nacht an
gezündet wurden und sich im See spie
gelten. Die vornehme Welt zuckte frei
lich mit den Achseln über den Grafen
der unbedingt einen Sparren" haben
mußte, aber ihm war das gleich
Bald raunte man sich auf den be
nachbarten Schlössern zu, der Gra
habe sich in eine der Schauspielerinnen
verliebt und dann war plötzlich aber
die Herrlichkeit auf der Insel er,
loschen. Ter Graf hatte das roman
tische Eiland bei Nacht und Nebel ver
lasen.
Darüber waren Jahre dahingegan
gen. Von Zeit zu Zeit erschien aus
den Gütern eine von dem Grafen be
voumächtigte ommltlion mit einem
Notar an der Spitze und revidirte.
Das war das einzige Lebenszeichen, da
er gab.
Eines Tages jedoch erschienen ganz
unerwartet Maurer, Zimmerer, Tisch
lcr und Tapezierer am See. Eine
ganze Flotille von Kähnen brachte sie
hinüber zur Insel und dort begannen
sie. das ruinenhafte Schlößchen zu
restaurlren. Der Graf hatte es ange,
ordnet und einen ganz bestimmten
Plan mitqefandt, nach dem die Wieder
Herstellung erfolgen sollte. Er selbst
würde nach Beendigung der Arbeiten
auS der Ferne heimkehren und fortan
dauernd auf der Insel Wohnung neh
men.
Dauernd?" hieß eS auf den benach
barten Schlössern. Hm, der Graf ist
zwar ölter geworden, aber immer noch
verrückt."
Das letztere wiederholte man mit
noch größerer Bestimmtheit, als man
hörte, der Graf habe die spezielle An
ordnung getroffen, daß in dem Insel
Schlößchen neben seinem Schlafzimmer
eine Kapelle eingerichtet werden sollte
Endlich war alles fertig. Gerade
als die Wipfel im Walde sich gelb und
roth färbten, der frische Herbstwind die
Wasser des Sees kräuselte und der
Himmel in molkenloser Bläue strahlte.
kam der Graf an ein ernster Mann
mit tiefen Augen, hoch gewachsen, vor,
nehm gemessen in Haltung und Sprache.
Er hatte viel erlebt, das sah man ihm
an. Davon wollte er ausruhen auf der
stillen Insel, die seine stürmische Ju
gend gesehen.
Kisten und Kasten kamen in Menge
mit ihm, darunter eine besonders auf.
fallende, ziemlich lange und hohe Truhe
elegant ausgestattet, wohl zu elegant
für einen einfachen Behälter, denn
etwas anderes als eine Hülle für einen
anderen Gegenstand war sie nicht.
Darin befand sich nämlich wie sclt
sam! ein Altar! Der Graf hatte
ausdrücklich geschrieben, einen Altar
solle man für seine Hauskapelle nicht be
sorgen den bringe er selbst mit. Der
Graf überwachte den Transport nach
der Insel und die Ausstellung in der
Kapelle mit größter Aufmerksamkeit
persönlich. Der Altar unterschied sich
m der Form nicht von anderen derav
tigen Knchengerüthen. er war von
Eichenholz und auf allen Seiten mit
reichen Figurenschnitzereien Scenen
aus der Bibel geschmückt.
'Im übrigen war der Graf mit der
Reftaurirung deS Schlößchens zufrieden.
Sie entsprach seinen Intentionen beson
derS auch in Bezug auf die Kapelle, die
einen durchaus weihevollen Eindruck
machte und den Hausherrn augenschein
lich von allen Räumen am meisten an,
zog. Stundenlang verweilte er oft
dann ganz allein. Der Zutritt war
keinem der wenigen Hausgenoffen ge
stattet, die als Bediente die Einsamkeit
des Grafen theilten. Er trug die
Schlüssel zur Kapellenthür in seinem
Schlafzimmer stets bei sich.
s ging recht still zu im Hause.
Dann und wann kam wohl ein Guts
nachbar zum Besuch, blieb aber nicht
allzu lange.
Eines Tages hatte der Graf fich in
der Kapelle eingeschlossen. Von unge.
fähr strich die junge Frau deS Kochs,
die als Zimmermädchen fungirte, durch
die Wohnränme, hier und da leise han.
tirend. So kam sie auch in des Herrn
Schlafgemach und näherte sich, von un
widerftehlicher Neugier getrieben, der
Kapellenthür. Was in aller Welt ging
dahinter vor? ob man durch das!
Schlüsselloch.. . . ? Tie gängige Gele
genheit kehrte wohl sobald nicht wieder.
Also lautlos heran! Ter Schlüssel
steckte von innen im Schloß, war aber
z'.ir Seite gedreht, sodass ein schmaler
Durchblick möglich war. Und die junge
vrau 'ah hinein nur einen Moment
und voll Entsetzen taumelte sie zu
rück. Tann eilte sie in wilder Haft von
bannen
Am Nachmittag bat der Koch den
Grafen um kurzes Gehör. waZ dieser
verwundert gewährte.
Nun. Christian. waS soll'S?
.Herr Graf wollen die Gnade haben
meiner Frau und mir den Abschied zu
geben."
.Den Abschied? Weshalb)"
Meiner Frau bekommt daS Klima
auf der Insel nicht. Sie liegt seit
heute Vormiitaq im Fieber zu Bett
und da ich auch schon Anfalle von
Sumpfncber hatte
Nun. ich halte niemand gegen sei
nen Willen bei mir fest. Fahre in die
Kreisstadt und ersuche meinen Kom
mi,tär. für Euch Ersatz zu schaffen
sobald er da ist, könnt Ihr ziehen.
Zwei Tage später hatte das Paar
die Insel verlassen. Tie junge Frau
athmete tief auf. als sie an'S Festland
gestiegen. Auf dem Wege zur KreiS
ftadt redete sie eifrig auf den Gatten
ein. dem dieser stellungswechsel gar
nicht zusagte.
Das muß doch die Behörde erfahren
Nein, so etwas! Mir schaudert noch
letzt die Haut
Aber die Sache geht uns doch
eigentlich nichts an. Der Graf kann
doch
Nein, sag' ich, daS kann er nicht
und wenn Du die Sache nicht dem
Herrn Landrath mittheilen willst, so
werde ich es thun."
Gut. aber Tu mußt mitkommen
als Zeugin.
Selbstverständlich."
Ter Graf war nicht wenig verwun
dert. als er ein Schreiben des Herrn
Kreislandraths erhielt, worin dieser
seinen Besuch auf der Insel behufs
einer wichtigen Besprechung" ankün
digte.
Ter Landrath war ssnst ein jovialer
Mann. Diesmal hatte er indeß eine
bedeutende Amtsmiene aufgesetzt. Ter
Graf empfing ihn sehr höflich, und ge
leitete ihn in den kleinen, sehr behag
lichen Salon. Als Beide Platz ge,
nommen, begann der Gast ohne Um
schweife:
Mein werther Herr Graf, Sie
sehen mich hier in amtlicher Eigen
schaft "
Der Graf sah ihn fragend an.
Ich hätte die Sache ja durch einen
Polizeibeamten untersuchen lassen kön
nen, aber die Rückficht aus Ihre Stel
lung bei uns und auch mein freund,
schaftliches Empfinden für Sie veran
laßt mich, selbst zu kommen."
Der Graf verneigte sich leicht. Sie
haben zu befehlen, Herr Landrath,"
sagte er einfach.
Nun denn es gehen höchst seltsame
Gerüchte über dieses Haus um es soll
ein Geheimniß enthalten"
Bitte, sprechen Sie weiter."
Ein Geheimniß also und zwar in
der Hauskapelle."
Ach so!
Ich glaube ja nicht an das Ge
rücht. aber meine Beamtenpflicht ist
es, ihm näher auf den Grund zu
gehen "
Sie sind vollkommen im Recht.
Herr Landrath. Meine Kapelle birgt
rn der That ein Geyelmniß.
Wie. Herr Graf?"
Doch, nur für die große Menge.
nicht für Sie und noch andere, die ich
für urthellsfähig halte. Ich bitte, mir
zu folgen.
Der Graf geleitete seinen Gast in die
Kapelle. Heller Sonnenschein fiel durch
die hohen, buntfarbigen Fenster und
umspielte den prachtvollen Altar, vor
dem ein Lehnftuhl in rothem Sammet
stand. Der Graf lud den Landrath
ein. Nch daraus nieoerzusetzen und
drückte dann auf einen an der einen
Schmalseite deS Altars verborgenen
Knopf Langsam und geräuschlos
schob die geschnitzte Front des Altars
sich nach rechts und links auseinander
hinter einer starken Glaswand sah man
auf weißseidenen Kissen die Leiche einer
schönen Frau. Das Antlitz war unent
stellt tiefster Friede lag darauf. Im
Lichte deS Tages schimmerte das goldige
Haar.
Der Landrath war aufgesprungen
Er sah den Grafen fragend an.
Die Sache lft sehr einfach," sagte
dieser ernst. Tie hier für immer
schläft, war meine rechtmäßige Gattin.
Sie gehörte nur kurze Zeit der Kunst
an und wollte ihr noch ihr ganzes Leben
lang angehören als reine, hohe
Pnesterrn. Da lernten wir uns ken,
nen und lieben ich begehrte sie zur
Frau und widerstrebend nahm fte Ab
schied von ihren Kunstidealen und
wurde mein Das geschah in Paris.
wohin wir uns begeben hatten, als
meine Verwandten mir dort mit guten
Rathschlägen" lästig wurden. Iah,
lang zogen wir dann durch die Welt
uns gefiel das sorgenlose Wandern.
An ihrer Seite wurde ich ein besserer
Mensch. Wir waren zuletzt nach Nord
Amerika gegangen und wollten über
Portugal nach Teutschland zurück. Auf
der Rückfahrt erkrankte meine Frau.
Wir befanden uns in der Nähe von
Madeira und machten nothgedrungen
dort Rast. Das Leiden verschlimmerte ,
r,M ki, siibl da! Ende naben. Ti
rief sie mich eines Abend an ihr Lager
und nahm mir das V'rspreSi tib,
ihre Leiche niit nach Deutschland iiüii.f.
zunehmen und sie auf der Insel im n
zu begraben, wo wir zuerst itisummen
glücklich waren. Tann, meinte sie,
werde sie mir wenigstens noch im Jode
nahe fein
Ich habe der Sterbenden das V,r
forschen gegeben und es so erfüllt, nne
mein Herz eS mir gebot. Aus dem
Zimmer. daS meine Gattin hier einst
bewohnt hat. ist. wie Sie seilen, eine
Kapelle geworden, der Altar ist der
Sarg Hier weile ich oft im 91:iMnf
ihrer mir unvergeßlichen Züge !
halte Zwiesprache mit ihrem Sch,i?l.
Mancher mag daS ja etrv soiidcrd.n
oder schrullenhaft finden cS giebl in
deß auch noch in unserer realistischen
Zeit einen KultuS deS Herzens. Habe
ich damit irgend ein Unrecht begangen?
Kann man mich bindern, auf meinem
Grund und Boden ein Mausoleum zu
errichten? Gefahren entstehen daraus
für niemand die Leiche meiner Gattin
ist durch Einbalsamirung unverweslich.
Bedarf eS aber bei der Eigenart der
Umstände einer behördlichen Erlaub
niß, so bin ich gern bereit, sie nachzu.
suchen."
Der Laudrath hatte ergriffen die
Erzählung deS Grafen mit angehört.
Jetzt drückte er ihm kräftig die Hand.
Machen Sie fich darüber keine Sor
gen." sagte er. waS etwa erforderlich
sein sollte, wird durch mich bewirkt
werden."
Ich dank,, Ihnen von Herzen." er
widerte der Graf. Wenigstens gönnen
Sie mir die TodteV bis ich selbst todt
sein werde. Dann so2 man sie und
mich ich habe eS bereiij. testamen
tarisch verfügt drüben am Xäntst in
der Gruft meiner Väter gknlesnsambc
statten." Der verkannte Tiger.
Ein schauerliches Abenteuer erlebte
vor weniacn Taaen ein iunaer ran-
zose Namens Leroux. Er hatte den
Abend bei einem Freunde in der Rue
Lantonnet in Paris angenehm ver
bracht und kehrte erst gegen zwei Uhr
Morgens nach Hause zurück. In der
Rue Bochard-dc.Saron, nahe beim
Boulevard Rockebouart. bemerkte er
dicht vor sich einen großen Vierfüßler,
der mit der Schnauze in einem Müll
,.4. .i.!... o.j. (.:::... t..j.i.
iuicn nuiy entmistn ccu(iuicu iuyitr.
..Welche vracbtvollk hänifA Dnnn?!"
murmelte M. Leroux vor sich hin. Nie
habe ich ein Exemplar von der Größe
aeseben!" Und im Aorüberoeben konnte
er sich nicht enthalten, dem herrlichen
Thier einen sreundschastllchen laps zu
geben, der jedoch keine Beachtung fand.
Ter vermeintlicke fmnd war , fpftr in
seine angenehme Beschäftigung vertieft.
aum yaire der Mann einige Schritte
weiter gethan, als er vier Männer im
Schatten der Däuser mit der Narfft
eines Apachen auf dem Kriegspfade ent
lang schleichen sah. Durch daS Beneh
men der Leute in Unrube verkekt und
auf das Schlimmste gesaßt, bereitete
sich M. Leroux zur Vertheidigung vor.
Zu seiner Ucberraschung aber machten
ihm die Männer allerlei sonderbare
Zeichen, und als sie ihm nahe genug
waren, flüsterten sie ihm zu: Still,
machen Sie kein Geräusch!" Da ist er
,a! Und das mysteriöse Vierblatt
streckte vier Arme aus, um auf den
Unratbkastcn m deuten, in dem da k.
wunderte Tbier noch Immer ifri
wühlte. Einer der Männer schritt nun
mir grosjicr Vorsicht fo nahe wie mög-
lich heran und warf dem vierbeinigen
Naturforscher" geschickt ein Netz über
den Kopf. Das Thier, das sich in den
Maschen verwickelt fand, stieß ein furcht
bares Geheul aus. Es mar ?in srin
der aus einer am Boulevard Rochehou
au vor urzem elablirten Menagerie
entwichen war. Einen Augenblick später
war der Ausreißer gebunden und wurde
von den vier Wärtern tnrimmna.
tirt. Leroux aber denkt noch mit Ent
setzen daran, wie verhängnitzvoll die
Liebkosung, die er der dänischen
Dogge" erwiesen, für ihn hätte werden
tonnen.
Roch ine rurr'Akdote.
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der Freund und begeisterte Interpret
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Philharmonischen Orchesters in Wien)
hatte dem Miff?r k. a
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einer seiner Symphonien zu liefern.
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Aund vorlag. kurz eS vergingen
Wochen. Monate, weder Löwe, noch der
Klavier-Auszug kam. Bruckner wüthete:
Löwe, der diesen Zustand gut kannte,
hatte ihm nun eines TageS eine Mit
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ab nicht, selbst Hinzugehen. So
schickte er denn seine beiden Schwe-
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büblcki in Lns T; rv c.n...; 7.
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den Aufkag aus und betraten das.
Zimmer Bruckner'S, als dieser gerade
am Schreibtlsch saß. Er drehte sich
um nahm die Botschaft entgegen nnd
taate dann tan inhont ,
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und Ingrimm zugleich . anbringeil
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Wer sich langweilt. U'innnU .
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