Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 29, 1900, Image 9

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    Kauf-C icsdvrt ,
i o n S n 0 n i t Hubt ta.
Ich Namen hatt? sie bekommen, als
sie noch in die Schult ging, im Tom
mer barfuß, mit flickenden Möpsen,
eine kattunene HZncschürze über den
kurzen Varprock. im Winter da? NäS
chcn sroftgeröthct, eine alte gestrickte
Kappe über die Obren gezogen, mit
den ausgetretenen. Cchnürftitseln im
Echnee stapfend, wie eine alte. Je
beschwerlicher der Weg war. desto mehr
Cpak machte es ihr. Sie fand ein
eigenes Vergnügen daran, sich obzu.
mühen und in heimlichen Aengstcn zu
erschauern.
Dar allem liebte sie den Kampf.
Mit ihren langen, sehnigen Armen
bläute sie die Echuljuna.cn der Reihe
nach durch, und mit ihren strammen
Beinen konnte sie laufen, dasz selbst
Ludwig, deö Försters Sohn, sie nicht
einholte.
Sie stand deshalb bei der Torfjugend
in hohem Ansehen. .Heb' 'mal!" sagte
sie und hielt dem großen Ludwig ihre
Lüchermappe hin.
Tonnerschlag! Was hast drin?
Triumphirend holte sie einen großen
Backstein heraus, der daS natürliche
Gewicht um daS Doppelte erhöhte.
Zu Hause schleppte sie sich mit ihrem
Pflegeschwestcrchen herum, der schwäch
lichen. unartigen Mieze, die mit ihren
fünf Jahren daS Angstkind ihrer El.
tcrn. der Pachtersleute auf dem Vor
werk, war.
Mieze besaß ihr Herz. Sie ließ sich
alles von ihr gefallen. An ihrer Hüls,
losigkeit und Ungezogenheit erprobte
der zwölfjährige kleine Kraftmensch,
Luise Erdmann. warS ,tt konnte und
aushielt.
Einmal hatte sie dem Gutsverwalter
eine Bestellung von ihrem Vater aus
zurichten. Mit Mieze auf dem Rücken
kam sie schweißtriefend in's Dorf. Vor
der Schmiede kagbalgten sich der große
Ludwig und Schmieds Otto, die immer
zusammenhielten, wenn eS über einen
Dritten herging. Mit johlendem Halloh
fielen sie das Miezchen an, daS so stolz
auf der Liese geritten kam.
Nu paßt 'mal aus! sagt Liese,
setzte ihr Miezchen in's GraS und lie
ferte eine Schlacht, von der Ludwig
eine zerrissene Jacke und Schmied's
Otto eine zerkratzte Nase davontrug,
während sie unverletzt als Siegerin her
vorging. Den nächsten Morgen, als der Lehrer
Otto's schimpsirte Nase sah, ließ er sich
den Vorgang der Schlägerei erzählen,
und ein Schmunzeln unterdrückend,
sagte er zu Luise Erdmann: Du bist
ja daZ wahre Rauf-Lieschen!"
Der Name blieb an ihr hängen, ob
gleich sie inzwischen achtzehn Jahre
wurde und das größte Müdchen in der
Umaeaend. da,u bübsch mit ihrem
geraden, geschmeidigen Wuchs, ihrem
frischen, bräunlichen Genqk uno oen
glänzenden dunkeln Augen, die das
Leben zum Kampf zu fordern schienen.
Försters Ludwig kam vom Militär
zurück. Er hatte bei den Jägern ge
dient und that sich durch Schneidigkcit
hervor. Als er das Rauf-Lieschen wie
der sah. sagte er: Donnerwetter!" und
starrte sie an. DaS thaten gelegentlich
auch der WirthschaftsEleve auf dem
Gut. der Gärtner und Schmieds Otto,
der den Ambos feines Vaters bereits
auf eigene Hand bearbeitete.
Nur einer starrte sie nie an. Der
schaute immer in die Weite, als fuche
er dort etwas Schönes, Wunderbares:
es war der junge Lehrer, ein blonder,
schmächtiger Mensch, direct vom Se
minar hergeschickt, weil der alte eines
Tages ohne viel Aufsehen gestorben
war.
Die goldene Dorfjugend, mit dem
Jäger Ludwig an der Spitze, lud ihn
zur Feier seines Antrittes zu einem
.Achtel in die Dorfschenke. Er lehnte
freundlich dankend ab:
.Ich habe eine schlechte Gesundheit
und muß solide leben.
.So'n Jammerkerl! sagten die an
deren verächtlich unter sich. Sie konnten
alle einen .Stiefel vertragen.
Den nächsten Sonntag in der Kirche
aber, als der junge Lehrer zum ersten
Mal die Orgel spielte, spitzten sie die
Ohren. So 'was hatten sie in ihrem
Leben nicht gehört! War es wirklich
feine dünne, schwächliche Hand, die
dem großen, schwerfälligen Instrument
diese gewaltigen, rauschenden Klänge
entriß?
Auf der Bank des Pächters, unweit
der Kanzel, saß Luise Erdmann, den
Kopf gesenkt, das Gesangbuch im Schooß
und hörte zu. ES war. als tbäte eine
weite, goldene Pforte sich vor ihr auf.
und sie schaute eine neue Welt, in der
alles schön, feierlich und erhaben war,
wie jetzt, in der Kirche
Seitdem die Leute den jungen Lehrer
Orgel spielen hörten, ließen sie ihn als
etwas Besonderes gelten. Die jungen
Mädchen schmachteten ihm eine Zeit lang
nach: als sie aber merkten, daß er weder
rechts noch links sah, sondern immer
gerade aus in'S, Weite, sagten sie: Der
taugt nicht zum Heirathen, bei dem ist
'ne Schraube los!
In der Schule war er indeß auf dem
Posten. Er kannte jeden Buben an sei
nen Streichen, jedes Mädchen an seiner
kleinen Eigenart.
Den Kindern bringt er 'was bei.
daS muß man ihm lassen, sagten die
Eltern. . .
Am liebsten hörten die Kleinen ihn
zählen. Es däuchte ihnen alles wun
verschön, was er sagte; nur wenn er
Ml
Jahrgang 21.
in Eifer gcrieth und seine Stimme an
strengte, dann hustete er; daS war nicht
schön.
Eii.eS TageS im Herbst. bemerkte der
Lehrer bei der Morgenanbacht ein der
weinte SchmoUgcfichtchen, von farb
losen, ungekämmten Haarsträhnen um
geben. Mieze Erdmann. sagte er. das
kleine Mädchen hervorrufend, warum
siehst Tu so döse aus?
Liese hat mir da? Haar nicht machen
wollen.
Konnte eS nicht jemand anders
thun?
Ne. Die ziepen mich Mutter
am döllsten. Bloß Liese ziept nicht.
Aber heut' früh ist sie nach der alten
ekligen Stadt gegangen. Und
Mieze brach in ein wahres Geheul der
Entrüstung aus. Es war auch nichts
mit ihr anzufangen. Ter Lehrer kannte
daS kleine, unartige Ding und überließ
es seinen Groll.
Als die Schule aus war, trat der
Lehrer vor die Hausthür und sah zu.
wie die Kinder lärmend und sich bal
gend abzogen.
Da bemerkte er hinter dem Hause sei
neS GartenS ein geducktes, struppiges
Wcißköpfchen.
Mieze, was machst Du da? Warum
gehst Du nicht nach Hause?"
Will nicht!" lautete die prompte
Antwort.
Aber Deine Mutter wird sich äng
ftigen! Ne. Ich lauf auf die Schassee.
Da kommt unsre Liese. Mutter sagt,
ich soll nicht; nu aber gerade!"
Und wie eine wilde Katze sprang sie
auf und davon.
Der Lehrer setzte seinen Hut auf und
ging dem Kinde nach.
Es war ein rauher Herbsttag, der
Himmel leicht bewölkt. Ueber dem
Antlitz der Natur lag ein Schleier.
Sie verhüllt ihr Sterben," dachte
der Lehrer, als er auf die Chaussee hin
austrat.
In den Pappeln zu beiden Seiten
rauschte und raschelte das trockene
Laub. Ein Sonnenstrahl blitzte am
Himmel auf und verklärte die Ferne,
in der der suchende Blick des jungen
Lehrers sich verlor. Da, eine eue.
kreischende Kinderstimme. Mieze hatte
die heimkehrende Schwester getroffen.
Was für ein großes, kräftiges
Mädchen!" dachte der Lehrer, und, wie
jäh von der Wirklichkeit überrascht.
stand er still. Liese bückte sich und
nahm lachend die Mieze auf den Arm,
als wäre diese nicht mehr, als eine
Puppe.
Sie werden sich verheben, Fräu
lein!" sagte er.
Mieze strampelte bereits, um wieder
auf ihre eigenen Beinchen zu kommen
Liese fetzte sie nieder. Ihre Wangen
glühten und ihre Augen blitzten.
Das war Schönheit, gesunde. ur
sprüngliche Schönheit, wie die Natur
sie braucht zu ihrer Verilingung.
Nehmen Sie es nicht übel, Herr
Lehrer, daß unsere Mieze so liederlich
in die Schule gekommen ist," sagte
Liese.
Er lächelte. Sein Blick suchte nicht
mehr; verklärt ruhte er auf dem großen
Mädchen.
DaS ist Ihre Schuld," entgegnete
er. Warum haben Sie eine solche
weiche Hand, daß Mieze von einer an
deren sich nicht kämmen lassen will !"
Weich. die?" Bermundert zeigte
Liese ihre große Hand, die alle harte,
grobe Arbeit nicht um ihre klassische
Form hatte bringen können. Ne. Herr
Lehrer! es kommt bloß darauf an. wie
ich anfasse. So 'n kleines, schwäch
liches Ding wie meine Mieze, das thät'
einer am liebsten mit dem Herzen an
fassen. Bin kein Ding", olle Rauf-Liese!
erklärte Mieze in ihrer eigenen Weise.
Liese's große, glänzende Augen glit
ten an dem jungen schmächtigen Men
schen herunter.,
Einer von den Stärksten scheinen
Sie auch nicht zu sein. Herr Lehrer!
sagte sie mitleidig.
Nein. Ich hab' aber auch Niemand,
der mich mit dem Herzen anfaßt, wenn
mir etwas weh thut."
Der olle, eklige Husten?'- meinte
Mieze.
Er schüttelte den Kopf: Nein, etwas
ganz anderes!"
AuS diesem letzten Unternehmen ging
die unartige schwächliche Mieze wirtlich
mit der verhängnißvollen Erkältung
hervor, die z verhüten ihre Eltern
beständig ängstlich bemüht gewesen
waren.
Nu bleib' ich aber todt! sagte sie
grimmig zu der armen Mutter, nur um
sie zu ärgern, weil sie zu Bette liegen
mußte. Im übrigen verlangte sie fort
während die Pflegeschm'ester.
Wo ist die alte, eklige Liese? Wenn
sie nicht gleich kommt, dann bleib ich
ganz gewiß todt !
SmüagögH
Beilage zum Ncbraska
Sie bekam ein Fieber, als wollte sie
sofort mit ihrer Trohung Ernst machen.
Lieft saß den ganzen Zag und die fol
gende Nacht an ihrem iktte.
Liebe, gute, weiche Liese! wim
merte das Kind in seinen Phantasien.
Gegen Morgen wurde eS ruhiger. Als
eS nach einem kurzen Schlaf erwachte.
sagte es gequält:
Liese, lauf schnell nach der Schule
und sag s dem Herrn Lehrer! Sonst
komme ich 'runter weil ich gefehlt
habe.
Liese brauchte aber nicht zu gehen.
denn der Lehrer kam selbst, weil er ge
hört hatte, daß Mieze krank sei.
Frau Erdmann klagte ihm ihre
Noth: Das liebe Kind wollte durchaus
nichts einnehmen und die Liese müßte
seinetwegen alle Arbeit stehen und lie-
gen lassen.
Mieze, die zu schlafen schien, riß
plötzlich die Auger auf. Nu sag's ihm
man. Liese!" wimmerte sie. Ich will
nich 'runterkommen. sonst bleib ich auf
der Stelle todt !"
Das große Mädchen streichelte dem
Kinde die Bäckchcn: Der Herr Lehrer
sieht ja. daß unser liebes Miezchen
krank ist!" Da begegnete ihr Blick dem
des jungen Mannes, und beiden stockte
der Athem.
Der Lehrer aber legte die Hand auf
das Trotzköpfchen des Kindes. Aeng
stifte Dich nicht, Miezchen! Ich setze Dich
nicht herunter.
Will einen 'rauf kommen, 'ne
ganze Bank!"
Sollst Du!"
Die Oberste will ich sein!"
Ein schönes Lächeln glitt über das
Antlitz des Lehrers, als er über das
Kind hinwegschaute; als wäre die
Wand, an dem sein Bettchen stand, eine
sonnige Ferne.
Sollst die Alleroberste sitzen."
Er hatte nicht zu viel versprochen;
nur daß der liebe Gott dem unartigen
Miezchen seinen Platz anwies. Hoch
über allen seinen Mitschülern thronte
es, ganz artig, ein Strichen in himm
lischen Gewändern mit EngelsflÜgeln.
Auf Miezchen's Grabe blühte das
Immergrün, welches Liese darauf ge
pflanzt hatte; da sagte tines Tages der
Pächter zu seiner Pflegetochter:
Der alte Schmied hat seinem Otto
nun die Schmiede verschrieben. Neu
lich meinte der, er könntt 'ne tüchtige
Frau brauchen, und ob Du ihn wohl
möchtest."
Den Otto?" Liese lachte. Den hab'
ich ja immer verhauen, als wir zusam
men in die Schult gingen!"
Darum keine Bange. Wenn's nach
her in der Ehe nicht stimmt, kriegt die
Frau das meiste ab.
Aber Liese warf den Kopf in den
Nacken.
Von dem Otto laß ich mich im Leben
nicht 'runterkriegen! Das sagen Sie iljnw
nur, Vater, dann sucht er sich ne andere
aus." Der Pächter brummte und
rieth der Liese dringend, sich das mit
Otto zu überlegen, um so mehr, da
auf Försters Ludwig nicht zu rechnen
sei. Dem hatte sein Alter Raupen in
den Kopf gesetzt: er sollte Geld und
Bildung mit heirathen.
Von der Zeit an gesellte sich zu
Liese's heimlichen Schmerz über den
Verlust der kleinen Mieze noch ein
anderer, für den sie keinen Namen
hatte, und so oft sie an Schmieds Otto
oder an den flotten Ludwig dachte,
fielen ihr Mieze's eigennsinige Worte
ein: Dann bleib' ich todt!"
Sie wand einen Kranz von gelben
Immortellen und trug ihn dem Kinde
hin.
Es was ein Sonntag im November.
Still und einsam lag der Kirchhof in
der frühen Dämmerung: aber über ihn
hin schwebten tiefe, feierliche Klänge:
der Lehrer spielte die Orgel in der
Kirche.
Den Kranz in der Hand stand diese
an Miezchens Grabe und lauschte.
Ob ts das ist. was ihm wehe
thut? sann sie. Das ist. als klagte
er einen großen Schmerz. Wo mag
der kleine, schwächliche Mensch den nur
her haben."
Die Musik verstummte. Der Lehrer
kam aus der Kirche und schloß die Thür
hinter sich zu. Als er sich umwandte,
sah er Liese's große, dunkle Gestalt
über das kleine Grab gebeugt. Er trat
hinzu:
Sie besuchen wohl wieder das
Miezchen, Fräulein Liefe?" Ja." ant
worteie sie und schaute ihm mit leuch
teuden Augen in das Gesicht, das bleich
in der Dämmerung schimmerte. Und
dann habe ich den Herrn Lehrer spielen
hören."
Gefiel es Ihnen?"
Sie nickte. So schöne Musik! Bloß
sie hört sich arg traurig an, daß ich im
mer denken muß: was mag es fein, daß
Idem Herrn Lehrer so weh' thut? Ist es
die muii selbst?"
Sit standen zwischen den Gräbern
Staats-Llnzeiger.
unter den kahlen Trauer-Eschen. an
denen der Nebel hing, und den schmar
zcn Tannen, die im Winde seufzen.
Nein, Fräulein Luise! Sie ist nur
die Stimme, mit der ich rede, wenn ich
unserm Herrgott mein Leid klage!"
Solcv schöne Stimme!" murmelte
das Mädchen. Ja, wenn ich die
hätte! Ader ich kann nicht reden. Ich
muß alles für mich behalten, und
manchmal denke ich, es würgt mich.
0'war s, als wir das Miezchen be
gruben, und wenn ich an den Schmied
denke, und
Sit stockte, aber der Lehrer nahm
ihre Hand, und wie ein Bruder fragte
er: Was ist's mit dem. liebe Luise?"
Ich soll ihn heirathen!"
Er lieb ihre Hand sinken. Ein
ächzender Laut zitterte durch die Stille
Sie möchten eS aber nicht?"
Ne! Den würd' ich immer nur mit
den Fäusten anfassen, und dann käme
die Sehnsucht, und es gäbe doch keine
Hoffnung mehr und kein Liebhaben
Ich dürfte auch nicht mehr mit dem
Herrn Lehrer reden, so wie jetzt, und
nimmer kriegte ich eS zu wissen, was
es ist das dem Herrn Lehrer so weh
thut."
Ihm war das Haupt auf die Brust
gesunken. Der Wind umwehte ihn. daß
r erschauerte.
Es ist meine Seele. sagte er lang-
sam. Verstehen Sie das Luise?"
Doch. dit Seele, das ist der
Mensch, den man fühlt. ?hne ihn zu
sehen. Es ist der Herr Lehrer, wenn er
gar nicht da ist, und man doch an ihn
denken muß."
Sie ist nur ein Theil von mir.
der leidende und der starke; denn mein
armer schwacher Körper, einem Wind
stok kann er nickt widerHebcn."
Das Mädchen haschte nach seiner
Hand; aber sie fand sie nicht.
Mein himmlischer Vater! Sind Sie
so krank. Herr Lehrer?"
Ich kam hierher, ein aufgegebener
Mann. Wenn ich das Frühjahr er
lebe, so ist eS mehr als ich zu erwarten
berechtigt bin. Es ist ein langsames
Sterben, und eS thut weh. Man ist
iiing, und man muß wie tln Greis
dem Leben entsagen mit allen, was es
Schönes und Beglückendes hat. Meinen
Sie, daS thäte nicht weh? Ich sehe ein
junges, blühendes Weib mit einem gol
denen Herzen, und ich möchte es in
meine Arme nehmen und himmelan
jauchzen. Da steht der Tod hinter mir:
Narr, für Dkch blühen keine Rosen!"
Und ich gehe mit einer einsamen Seele
über die Erdt. und hintrr mir verweht
der Wind meine Spuren!"
Sanft legte Liese ihre großen Hände
auf seine Schultern, so vor ihm auf
gerichtet. Überragte sie ihn um einen
halben Kopf. Was schadet uns der
Tod, Herr Lehrer, so lange wir leben?
Wenn Sie nur wollten eine, die
hielte bei Ihnen aus und sorgte, daß
Ihre Seele nimmer einsam bliebe! Und
käme es zum Sterben, sie wollte mit
ihren starken, gesunden Armen den
Herrn Lehrer in's Grab legen, daß er
wie in einem warmen, weichen Bette
läge. Und wenn Sie sagten: Liese,
Du darfst mich auch im Grabe nicht
allem la en, Du bist meine Frau, dann
käme ich mit, wahrhaftigen
Gott, ich käme!" Das war nur noch ein
flehendes, werbendes Schluchzen, doch
es verstummte in dem gewaltigen
Pochen eines Herzens, das vor Freude
springen wollte. Der Lehrer hielt das
große Mädchen umschlungen, und der
gesunde, blühende Körper hatte nur
das tint Sehnen und Verlangen, in
der Seele des Mannes zu zerfließen.
aufgesogen zu werden, wie die schwel-
lenden Wogen deS Meeres von dem
Feuer der Sonnt
Als der Schmied hörte, wem die Liese
ihm vorzog, sagte tr wüthend; Na
wartt! Der Jammerkcrl macht es doch
nicht lange, dann komme ich an dit
Rtiht; nachher, Rauf-Lieschen, rech
nen wir ad!" Aber ts geschah tm
Wunder, eines, wie nur die Liebe es
geschehen machen kann. In der Pflege
seines Weibes erlebte der Lehrer nicht
allein das kommende Frühjahr, sondern
so viele andere dazu, daß der Schmied
fortzog, weil ihm die Zeit zu lange
dauerte.
Im Schulhause blühte das Glück,
rothe und weiße Rosen, bis nach fünf
schönen Jahren die weißen auf ein Grab
neben Miezchens verpflanzt werden muß
ten. Als der Tod nicht länger auf den
Lehrer warten wollte, da sagte dieser zu
seinem Weibe:
Du darfst noch nicht mit, meine
Liese! Mußt unser Luischen versorgen,
daß es nicht solch schwächliches Pflanz
chen werde, wie fein Vater. Fasse es
nur immer mit Deinem Herzen an,
dann gedeiht es am besten. Es soll ein
richtiges Rauf-Lieschen werden, sol
ches, wie seine Mutter war.
Und an der Brust seines Weibes,
ein Lächeln auf den Lippen, schloß der
No. 2.
Lehrer die Augen, und dit Liese ganz
allein legte ihn mit ihren starken, wci
chcn Armen in den Sarg. Niemand
sollte ihn berühren: Sie hätten ihn alle
zu hart angefaßt.
Die Abrechnung.
Skizze von Aisred Lorek.
Sie standen fick aeaenübcr in feinem
fürstlich eingerichteten Arbeitszimmer.
dicht gegenüber zum ersten Mal im
Leben unter vier Augen, ohne Zeugen.
Sie. die kaum erblübte Mädckieiiknosve.
mit dem seinen. fAftiini und ickt dodi
so herben Gesicht, die schlanke Gestalt
straff ausgerichtet, die kleine Hand fest
auf den Schreibtisch gestützt; er, der
große, starkknochige Mann mit dem
ieicyr ergrauien paar uno Bari, van
vor ihr eisern jede Bewegung, eisern
jeder Zug in dem kalten, vornehmen
Gesicht.
Hart 'und entschieden kam es denn
auch auS feinem Munde:
Und ich wiederbole Tir. lein An-
derer wird Dein Mann als der Sohn
meines Geschäftsfreundes Hölde. Ich
werde Tir nie die Einwilliauna meiner
Henaty mit diesem Franz Merken ge
oen. einem Menschen, der nichts ist und
nichts hat, und dem Deine Mitgist ge
rade acleaen käue. frörst Tu nie!"
Und was hat oder ist der junge
Hoioe?" fragt sie ruhig und herb.
Nichts, aber seine Familie gehört zu
den vornehmsten und einflußreichsten
des Landes.
Und wenn ich mich der Verbindung
mit Hölde widersetze?"
So werde ich Dich zwingen!"
..Mit welchem moralilckcn Reckt?"
Er sieht sie erstaunt an: Ich bin
Dein Vater!"
Und Du glaubst, daß das allein
iCir auch die höchsten Vatemchte giebt?"
..ftertfia!"
Elternrechte wollen erworben fein,
durch zaurelang geübte Pflichten erwor
den sein!"
Er erbleicht und sieht sie starr an.
Fast keuchend stößt tr hervor: Du
magst es "
Ruhig, kalt und hart fällt sie ibm
ins Wort: Ich waae nickts. Du haft
ja diese Auseinandersetzung gewollt
gui oenn. yaiie.n wir heute Abrechnung,
stellen wir fest, was ich Dir und dem
Hause noch schuldia bin und was br.
Du und die Mutter, mir all' die zwan-
zig Jayre lang schuldig geblieben!"
Gut, Ungerathene, halten wir Ab
rechnung!"
Auf Deine Gefahr denn : Sckon
bei meiner Geburt sah man mich mit
wenig liebevollen Augen an. Ich war
em Mädchen, nicht der erhoffte Erbe des
über drei Jahrhunderte alten Handels
Hauses. Man gab mir einen flüchtigen
Kuß wenn es Andere sahen, sonst
überließ man mich der Amme und der
Wärterin. Morgens beim Kaffee wurde
ich Euch gebracht. Mittaas oder AK?nd
kamt Ihr, auf eine Minute kaum, zu
mir, 'Klcht. weil es Euch zu dieser kar
gen Sorgfalt trieb, der Leute wegen
und weil es 'mal so Brauch ist! Ich
wuroe großer und em hübsches Kind.
Da kam Euch der Gedanke, daß man
vielleicht später mit mir Staat machen
könnte, daß ich tint Zitrde Eures vor
nehmen Hauses werden, durch eine gute
Parne oemselven dereinst neuen Glanz
hinzuzufügen vermöchte. Ich sollte der
Mlilelpunlt m Euren prunkvollen Sa
lons werden. da,u beitragen. (5nr n
sellschaftliche Stellung 111 Mt'men
werthvolle Sterne heranzuziehen. Da
ovnte man ick mit meinem Russin
aus aber lieben, mir wirklich Vater
uno Muner ein. das lerntet br nu
v . ...in '
oa man:
Das ist nicht wahr!!!"
Ja. das ist wabr. denn ifir hniM
nie Zeit für mich. Eure gesellschaftlichen
cy rv : . 1 L. tr- r l , ' '
Psucyien. oit ucy der Vlanz und das
Geoeiyen oes allen, hundertjährigen
Handelshauses auferleate. amaen mir
voran und immer kam ich dabei zu
lurz: Amme uno Wärterin wurden von
Bonnen aus verschiedenen Ländern ab
gelöst, diese von den Gouvernanten und
den theuersten Lehrern. Mit mir ge
spielt, empfunden und nernnifit hähi
Ihr Nie gespielt haben höchstens mit
mir die bezahlten, unlustigen Fremden.
Einmal war ich krank, schwer krank.
Die Muttcr kam an mein Bett im
Ballkleid. Und dann kam
holen und sie ging, konnte wirklich
mit Dir hinuntergehen in den Ballsaal,
die Gäste empfangen. Ein englischer
Kaffee- oder Zuckerkönig war geladen
ein großes Geschäft sollte an jenem
Abend zum Abschluß reifen da über
ließ man meine Pflege der Gouvernante
und pflegte lieber geschäftlichen Be
Ziehungen. Nicht ein einziges Mal in
der ganzen, langen Nacht kamt Ihr
nach mir sehen. Das hätte die Gäste
beunruhigt eint Kranke im Hause!"
.Weiter, nur weiter! Die Worte deS
stolzen, so tiscuscstcn ManncZ klinge
heiser.
Und da kommst Tu und sagst, ich
hätte Pflichten gegen Euch! Woher?
Unser Portier uiiten. der ht Vater
rechte. Er hat mit seinen Kindern
gespielt und gelacht, hat mit ihnen alle
kleinen Freuden und Leiden getheilt.
an dem Krankenbett mit dem Todt um
sie gerungen. Er hat sich nicht gescheut.
Dich auszulachen, als Tu ihn zu seinem
Tienstjubiläum durch Trinen Besuch
auszeichnen wolltest weil eines feiner
Kinder erkrankt war. Ja, tr hat
Rechte! Er, der das Gute in seinen
Kindern gehegt und gepflegt, das Böse
ausgejätet hat, an dessen Hand st Je
lernt haben, sich in der Welt umsehen,
der ihre Gedanken, ihr Empfinden ge
weckt und überwacht hat. Siehst Du,
der hat sich die Kinder zu eigen gemacht
und wenn der eingreift in das Lebens
schicksal seines Kindes, dann geschieht
eS, weil er dit Zukunft eines WefenS,
daS ihm gehört sichern will, weil ihm
um sein Eigenthum bangt. WaS aber
kann Tich rechtfertigen, wenn Tu ein
greifst und Tu irrst? Deine Gt
fchüftsinteressen? Deine Familienrück
sichten k Und nun zwinge mich auf
Grund Deiner gesetzlichen Vatcrrechte,
wenn Tu eS kannst!!"
Er steht noch immer vor ihr. den
Kopf tief in die Brust gesenkt, mit der
Hand krampfhaft an die Tischplatte ge
klammert. Alles Eiserne und Harte ist
verschwunden.
Tann richtet er sich auf, straff, wie
der ganz der Alte, Eisenharte. Aber
es klingt tonlos, als er sagt: Teint
Abrechnung stimmt! Aber heute haft
Tu Alles quitt gemacht. Geh ! I
Verstoßen?!" fragt sie kalt.
Nein nur quitt ! Von nun an
bist Du Dein eigener Herr!!" ,
Sie schwankt tinen Augenblick, ob sie
gehen soll, aber tr sieht fit hart an
und sie geht.
Er sieht ihr nach, geht langsam zu
einem Arbcitssessel. läßt sich schwer hin
einfallen, bedeckt das Gesicht mit beiden
Händen und murmelt:
Verstoßen?! Ich kann ja nicht. Ich
hab' Tir ja kein Elternhaus aufgt
baut, aus dem ich Dich verstoßen
könnte!"
Und die Krone beleuchtet hell den
reichen, fast allmächtigen Mann.
Frauenfükchen und Strasztnpftaster
Schuhhändler mit großer und man
nigfacher Kundschaft geben die be
stimmte, wenn auch vielleicht Manchen
nicht glaubwürdig erscheinende Verficht
rung ab, daß Frautn, welche in der
Stadt aufgezogen wurden, um 1 bis 3
Nummern größere Füße haben, als
ländliche Evastöchter von ungefähr der
selben socialen Schicht, und daß Mäd
chen, die- vom Lande in die Stadt
ziehen, regelmäßig schon in zwei bis
drei Jahren statt z. B. einen Schuh
No. 3 B zu gebrauchen, gerade noch zur
Noth in einen solchen von No. 5 B bin
einschlüpfen könnten. Mit solchen Ken
nern ist schwer zu rechten, und in vielen
Fällen mag es ja auch so sein; dit Er
fahrungen der Schuhkäuferinnen sind
nicht immer maßgebend, denn es ist
bekannt, daß solche, die ein Bedürfniß
nach Selbsttäuschung in dieser Hinsicht
haben, auch Schuhverkäufer finden,
welche ihnen mit Vergnügen" die Hand
dazu reichen und ihnen Schuhe geben,
die extra für diese Klasse Kundinnen
numerirt sind.
Wohl nicht mit Unrecht wird als die
Ursache jener Erscheinung, soweit sie
zutrifft, das harte Pflaster in den
Städten bezeichnet, im Gegensatz zu
dem weichen und fast bei jedem Schritt
nachgebenden Boden auf dem Lande.
Es erscheint einleuchtend, daß das
erstere dazu beitragen muß, die Mus
kcln der Füße mehr zu härten und den
ganzen Fuß allmählig etwas mehr zu
verbreitern. Man hat ja längst eine
entsprechende Erscheinung bei Pferden
festgestellt! Die Füße eines Rassen
Pferdes, das niemals anderen Boden
betreten hat. als den weichen Rasen
einer Viehfarm oder den Boden einer
Rennbahn, verändern sich merklich,
wenn dasselbe Pferd mehrere Jahre
lang das harte Pflaster einer Stadt gt
treten hat. Uedrigens gilt das Obige
geeradeso gut für Männcrfüßc, wie für
Frauenfüße; nur kümmern sich die
Männer im Allgemeinen nicht darum.
Mit sehr dicken, aber zugleich weichen
Schuhsohlen läßt sich diesem Einfluß
etwas begegnen.
Dr. rorina.
der Leibarzt Zriedricks. des ersten ff 8
nias von Württemberg, beendigte aus
eine ganz merkwürdige Weist stine
Praxis oei oem hohen Herrn. Mr
König lag im Sterben und der Arzt,
der mancke Nackt am Krankenlager dcS
Königs gewacht hatte, war von Mattig
keit überfallen und setzte sich, um etwas
zu ruhen, auf einen Fauteuil. Kaum
saß er. als plötzlich eine Flöte die Me
lvoie vegann: Blühe liebes UZellchen"
Der Ant schnellte in die fiösie und ve..
suchte den Stubl zum Sckweiocn ju
bringen, aber umsonst, er kannte den
Mechanismus nicht. Der König aber
arb während die er Musik (20. Seo-
tember 1810).
Gah aber krup nich.
Drink aber sup nich.
Spreck aber quatsch nich.
Klön aber klatsch nich.
Bell aber biet nich.
Söök keenen Striet nich.
Küß aber klei nich.
Sing aber krei nich.