Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 08, 1900, Image 12

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    Ertappt.
Zricdkich Zbieuit.
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mit Ihnen? Sind Sie krank?" frag!.
Heldig bestürzt.
Trr Kommis schüttelte den Kopf.
.Wenn eS nur daS wäre, Herr Hel.
big denken Sie, mein Pütt diese
Nacht-
.Was ift mit Ihrem Pult?"
Er ist erbrochen worden und "
.Und?"
TaS ganze Geld, welche? ich darin
aufbewahrte, ist geraubt!"
Ter Kaufmann schritt hastig aus
das Pult zu.
Tie ganzen 1000 Mark?" fragte er
mit gerunzelter Stirn.
Alles, Herr Helbig. ES ist entsetz
lich!"
Helbig betrachtete forschend daS Pult.
Ter Teckel war in der That gemalt
sam geöffnet, das Schloß erdrochen
worden. Im Innern lagen dir Skrip.
turen und Satturen unordentlich um
her. Tie kleine Kassette, in welcher der
Kommis die Tageskasse verwahrte, war
verschwunden.
Wie mag nur der Tieb in das Zim
mer gelangt sein," murmelte Helbig.
sich umsehend.
.Vermuthlich durch das Fenster," er.
widerte Mehner aufgeregt. Tie Scheibe
ist zertrümmert und der Flügel steht
weit offen."
Ter Kaufmann überzeugte sich mit
einem Blicke, daß diese Thatsache zu
treffe.
Kein Zweifel, es handelt sich um
einen regelrechten Einbruch." sagte er
verstimmt. ES wird am besten sein,
gleich die Polizei zu benachrichtigen:
Herr Mehner, machen Sie sich auf den
Weg."
Der Kommis, ein hübscher, etwas
blasser junger Mann von etwa 23 Iah
ren, nahm mit zitternder Hand einen
Hut vom Ständer.
Herr Helbig." rief er mit Thränen
in den Augen, eS thut mir leid, daß
Sie gerade durch mich zu Schaden ge
kommen sind. Ich hätte die Kaffette
gestern Abend im Geldschrank sollen mit
einschließen lassen!"
DaS wäre allerdings besser ge
Wesen, Herr Mehner aber wir haben
eS ja nie gethan. Sie trifft also keine
Schuld. Künftig wollen wir vorsichti
ger sein und die Tageskasse alle Abende
in den Schrank schließen. Sie wissen,
ich bin kein so reicher Mann, daß ich
tausend Mark ohne weiteres verlieren
kann."
Ich weiß es wohl und mache mir
um so heftigere Vorwürfe."
..Warum?" '
Weil ich gleich merkte, daß der Kerl
nichts Gutes im Schilde führte."
.Welcher Kerl?"
Gestern Nachmittag, ehe Sie her
unterkamen, war ein Bettler da, ein
zudringlicher Mensch, der sich für einen
reisenden Kaufmann ausgab und die
fünf Pfennig, die ich ihm gab, mit
frechen Worten zurückwies. Dieser und
kein anderer ift der Dieb, er war mir
gleich verdächtig, denn er sah sich gar so
aufmerksam im Komptoir um und war
absolut nicht wieder hinauszubringen."
Aber woher sollte der Mensch wis
sen, daß sich in Ihrem Pulte Geld be
findet?" .Weil ich gerade im Begriff stand. eS
zu zählen, als er eintrat bei feinem
Anblick legte ich eS schnell wieder an sei
nen Ort und verschloß das Pult."
Hm nicht unmöglich," brummte
der Kaufmann. Aber eilen Sie, daß
Sie zur Polizei kommen wenn wir
fchnell find, kriegen wir vielleicht den
Spitzbuben noch wieder, ehe er sich des
gestohlenen Gutes entledigen kann.
Und noch eins, Herr Mehner, regen Sie
sich nicht so auf, Sie werden sonst am
Ende krank. Ich verliere die Summe
auch nicht gern, aber so wie Sie erhitze
ich mich nicht. Nur ruhig Blut, das ift
die Hauptsache."
Mehner entfernte sich und kehrte nach
einer halben Stunde mit einem Herrn
in der Uniform eines Polizeikommif
fürs zurück. Kommissär Wolf, ein be
wührter und ernster Beamter im Alter
von 4045 Jahren, betrachtete auf
merksam daS Komptoir, das Pult, das
aufgebrochene Schloß, das Fenster und
ließ sich dann nochmals alle Einzelhei
ten des Vorfalles berichten. Dann bog
er sich zu dem Fenster hinaus, durch
welches der Einbrecher eingedrungen,
und bemerkte ruhig, daß man auf die
sem Wege allerdings leicht in das
Komptoir gelangen könne, da dieses
Fenster nach dem Garten führe und der
Garten von der Straße aus ohne
Schwierigkeit zu ersteigen sei.
Wird das Fenfter Nachts nicht
durch einen Laden verwahrt?" fragte er.
.Leider haben wir das bis jetzt
unterlassen," entgegnete Helbig achsel
zockend. Die Fenfter nach der Straße
sind alle mit Lüden versehen. Dieses
hier hielt ich durch den Garten für hin
länglich geschützt."
Sie werden gut thun, das Bei'
säumte schnell nachzuholen, damit der
Dieb nicht zum zweiten Mal den Weg
in Ihr Bureau offen findet."
.Ich lass das Fenfter noch heute der
gittern," versicherte Helbig.
Kommissär Wolf ließ sich darauf
hinaus in den Garten führen, um sich
die unter dem Fenster liegenden scher
den der zertrümmerten ccbeioe anzu
sehen. Er fuhr mit dem Finger üdcr
mehrere d:r Bruchstellen und griff mit
der uno dülch die enchandenk Cen
nuna, m: diZ Bcrschren des Findling
!i::zz Offene des Fensters einer
7?ai rir-" F unterziehen.
.Ihr Romiri?," wandte er sich so
dann an den Kaufmann, der ihm allein
in den Garten gefolgt war. .ist ganz
zuverlässig?"
.Jawohl."
.Wie lange ift er schon bei Ihnen?"
.Drei Jahre."
.Und hat sich stets als ehrlich und
solid erwiesen?"
Vollkommen."
Ter Kommissär nickte befriedigt,
worauf sich beide in da? Komptoir zu
rückdegaden.
.Herr Mehner. noch einige Fragen
an Sie."
.Sind Sie im Stande, uns eine ge
naue Beschreibung des Vagabunden
zu geben, den Sie des Ticbftahls für
verdächtig halten?"
O ja, Herr Kommissär; ich habe
ihn mir genau angesehen."
.Wie alt war er wohl?"
.So etwa 23 bis 30 Jahre."
.Haar, Bart und Größe :c.?"
Er war etwa so groß wie ich, trug
schwarzes, kurzgeschnittenesHaar. einen
schwarzen oder wenigstens fast schwarzen
Schnurrbart. Tie Nase hervorstehend,
etwas gebogen. Tas Gesicht blaß und
unrafirt."
Wie gekleidet?"
In einen schäbigen schwarzen Anzug,
der vor Fett glänzte. Auf dem Kopf
trug er einen hellgrauen zerlumpten
Filzhut."
Kommissär Wolf notirte sich alle
Einzelheiten in sein Notizbuch.
Ich danke, Sie werden bald Weite
res von mir hören," sagte er zu dem
Kaufmann, als er ging. Wenn nicht
das Ganze, so doch einen großen Theil
der gestohlenen Summe schaffe ich
Ihnen wieder."
Zwei Tage vergingen, ohne daß die
Polizei etwa? von sich hören ließ. Am
dritten Tage erschien gleich nach
Komptoiröffnung ein Schutzmann, um
Herrn Helbig, sowie den Kommis
Mehner zu Kommissär Wolf zu be
stellen.
.Der Herr Kommissär erwartet die
Herren um 10 Uhr," fügte er hinzu.
ES handelt sich um die Diebftahls
Affaire, Sie werden etwa Erfreuliches
zu hören bekommen."
Um 10 Uhr standen Prinzipal und
Angestellter vor dem Polizeibeamten.
Dieser forderte beide höflich auf, Platz
zu nehmen.
Der KommiS horchte auf, während
der Kommissär Wolf miitheilte. daß
eS gelungen fei. daS von Herrn Mehner
beschriebene Individuum zu ermitteln.
Helbig erkundigte sich sofort, ob man
das Geld noch bei ihm vorgefunden
habe.
Kommissär Wolf erwiderte lächelnd:
So weit sind wir noch nicht, Herr
Helbig. Wenn ich sage, wir haben das
Individuum ermittelt, so meine ich da
mit nicht, daß wir eS auch feftgenom
men haben. Wir haben nur ergründet,
daß wirklich ein Mensch, welcher der
von Mehner entworfenen Schilderung
entspricht, an jenem Tage in Ihrer
Straße gebettelt und sich des Abends
noch in der Nähe Ihrer Wohnung her
umgetrieben bat."
Ach so-"
Was daS Eingreifen anlangt,"
meinte der Beamte bedenklich, so ist eS
damit so eine Sache. Wie unsere
Recherchen ergeben haben, ift der Dieb
mit dem ersten Morgenzuge nach Ham
bürg abgefahren, er hat also volle
zwei Tage Vorfprung und schwimmt
voraussichtlich bereits auf der See; ihn
zu fangen, ist eine kostspielige Sache.
Versuchen wollen wir es natürlich,
wenn ich auch nicht an den Erfolg
glaube."
Helbig brummte ärgerlich vor sich
hin.
Ich habe gestern schon überall hin
depeschirt." fuhr Wolf gleichmüthig
fort, indem er seine Besucher mit der
gemüthlichsten Miene von der Welt be
trachtete. Noch eins müssen wir aber
rektifiziren. Herr Mehner. Sie haben
bei dem Signalement des Verbrechers
ein charakteristisches Kennzeichen aus
gelassen."
So?"
Ja. ein Kennzeichen, das Sie, der
Sie den Vagabunden so genau betrach
tet und beschrieben haben, bemerkt haben
müssen. Denn unser Mann und der
Ihrige sind identisch, das ist außer alle
Zweifel gestellt."
Welches Kennzeichen meinen Sie?"
fragte betroffen der Kommis.
Die große braune Narbe über dem
rechten Auge die kann Ihnen nicht
entgangen fein. Nicht wahr, Sie er
innern sich?'
Der Kommissär blickte den Gefragten
forschend an.
Natürlich." rief dieser ohne Zögern,
wie konnte ich das nur vergessen!"
Also Sie haben die Narbe wahrge
nommen?"
.Gewiß."
Ich danke Ihnen."
Der Kommisiür klingelt. Ein Poli
zeisergeant trat in's Zimmer.
Sie hatten mir etwas zu melden,
Born?"
Ich wollte nur melden, Herr Eom
missür, daß vor einer Viertelstunde ein
Transporteur von Hamburg mit dem
verfolgten Einbrecher eingetroffen ift."
Ach, das ift eine henliche Bot!
schaft." rief txz Kommissar erfreut.
.Ter Bursch, hzite al'o bcch noch kein
Schiff gefunden. Gralulire. Herr
Helbig. Wo hat man ihn hinge
brach', t"
.Er ift noch im Wartezimmer."
.Bitte, meine Herren, wollen Sie
mir dahin folgen?" wanöte sich Wolf
an die beiden Anwesenden. .Es ist
nothwendig. Herrn Mehner unverzug
lich mit dem Menschen zu konfronliren.
um dessen Identität seftzufttllcn."
Er ging voraus, die beiden Herren
foltcn. hinter ihnen ging der Polizei
sergcant.
.Sie sind ja fürchterlich aufgeregt,
Herr Mehner " sagte Helbig zu seinem
Angestellten. Nur ruhig Blut bei der
Sache, wiederhole ich Ihnen noch em
mal."
.Ich bin noch nie auf der Polizei ge
wesen." erwiderte Mehner, der ordent
lich zitterte.
Sie traten in daS bezeichnete Zim
mer. Es war Niemand barin.
.Ter Tieb befindet sich im Neben
räum." erklärte der Kommissär, auf
eine Portiere zeigend. Jetzt kommen
Sie einmal her. Herr Mehner, und
gucken Tie sich den Verbrecher an
sagen Sie uns, ob das der Richtige ist."
Ter Kommis stellte sich, der Weisung
gehorchend, vor der Portiere auf, der
Polizeibeamte zog diese mit einem
plötzlichen Nucke auseinander zum
Vorschein kam ein großer Spiegel, aus
welchem dem Kommis sein eigenes
Bild entgegenstrahlte.
.Nun. Herr Mehner, ist das der
Dieb?" fragte mit scharfer Betonung
der Kommissär. Erkennen Sie ihn
wieder?"
Mchner's Gesicht bedeckte Todten
blüsse, seine Glieder zuckten wie im
Krampfe.
Helbig trat erschrocken näher.
.Wie, Herr Kommissär, Sie wollen
doch nicht behaupten, daß mein junger
Mann selber"
Der Spitzbube ist? Natürlich be
Haupte ich das."
.Es ist nicht wahr!" stammelte Meh
ner.
Nicht wahr? Sie haben sich doch
eben selbst verrathen."
Ich?"
Ja, Sie indem Sie mir der
sicherten, der Verdächtige habe eine
große braune Narbe über dem rechten
Auge gehabt. Diese Narbe, lieber
Freund, war nur eine Erfindung von
mir. Als ich vor drei Tagen den That
bestand aufnahm, erkannte ich sofort.
daß mit dem Einbruch nicht alle? in
Ordnung sei. Die Scheibe war näm
lich von innen nach außen und nicht
von außen nach innen eingedrückt wor
den. außerdem erschien es auffallend,
daß der Herr Kommis den angeblichen
Handwerksburschen so gar genau zu be
schreiben vermochte. Das ging ja wie
auswendig gelernt. .Trotzdem mochte
ich noch keinen Verdacht gegen ihn laut
werden lassen, da Sie ihm ein gutes
Zeugniß ausstellten, und der Diebstahl
immerhin von einer anderen Person
ausgeführt worden fein konnte. Ich
ließ aber sofort Recherchen anstellen und
diese ergaben: erstens, daß ein Hand
Werksbursche, welcher der Schilderung
Mehnert's entsprach, gar nicht exiftirte
und überhaupt am betreffenden Tage
gar kein Bettler in Ihrer Straße be
merkt worden war; zweitens, daß Herr
Mehner seit ungefähr einem halben
Jahre ein äußerst fideles Leben führt,
ganze Nächte durchschwärmt, ständiger
Gast in Lokalen mit Damenbedienung
ift, zahlreiche Bären angebunden hat,
und so fort. Nun war ich meiner Sache
sicher: die kleine Lift mit der Narbe, die
ich gebraucht, sollte mir die vollkom
mene Ueberzeugung verschaffen. Nun,
der junge Herr hat sich glücklich über
listen lassen es bleibt ihm nur noch
übrig, ein offenes Geftändniß abzu
legen und uns mitzutheilen, wo er die
gestohlene Summe verborgen hält. . ."
Annchen's eldpostkarte.
Skizze von A. v. Wartend erg.
Annchen von Düren, das Helmftedter
Kommandeurstöchterlein, war ein hüb
scheS, frisches Mädchen mit zwei dicken
blonden Zöpfen. Ihre luftigen Blau
äugen blickten keck in die Welt, der
Schelm, der aus den beiden Grübchen
in den weichen Wangen lachte, saß ihr
oft genug im Nacken, und das Stumpf
naschen hatte zu Annchen's größtem
Kummer rein gar nichts Klassisches".
Trotzdem glaubte Annchen feit eini
ger Zeit ja einem Leben voll Gram und
Trauer auserlesen zu sein. Tiefe
Sorgenfalten, die zu dem niedlichen
Gesichtchen wenig passen wollten, lager
ten? auf der weißen Stirn und den
rothen Lippen.
Und der Grund zu Annchen's Kum
mer? Natürlich steckte ein Er" dahinter.
Alle ihre Freundinnen hatten eine
stille oder unglückliche Liebe. Es war
so himmlisch interessant", seinem
Tagebuch die wonnigen" Gefühle an
zuvertrauen und im Kränzchen unter
dem Siegel tiefster Verschwiegenheit zu
berichten: wann man ihn" gesehen,
wie er" gegrüßt, und was er" gesagt
habe. Nun. da mußte doch Annchen
auch einen Er" aufzuweisen haben,
und dieser Er" war der Heinz Bredow.
der jüngste und lustigste Leutnant von
Papas Regiment.
Er war ihr eifrigster Tänzer auf dem
im Cafinogarten veranstalteten Tanz
fest gewesen, das fie als erste Festlichkeit
besuchen durfte. Ach, der Heinz Bre-
dem tanzte geradezu entzückend Walzer!
Er halte braune, blitzende Augen und
einen reizenden, forsch aufgesetzten
Schnurrbart. Aiich nanr.it er sie stets
.gnädiges Fräulein", während einige
0er älteren Herren, die sie schon ge
kannt, als fit noch ganz klein war. das
heit. vor der onNrmanon, sie ungc
höriger Weise Fräulein Annchen" titu
lirtcn. Ader nun kam das Schreckliche.
Tiefer Heinz Bredow meldete sich als
Freiwilliger ach Ehina und wurde
einberufen.
Als ob die greulichen Chinesen nur
von den nettsten Leutnants todtgeschla
gen werden wollten! Warum konnte
nicht der dicke Oberleutnant Franzcn
die dummen Zopftrüger zur Raison
bringen? Ihm Hütte ne wahrlich kein
Thraillein nachgeweint, wahrend sie sich
um Heinz Bredow schon drei Abende
hinter einander hatte in Schlaf weinen
wollen. Leider fielen ihr nur die
Augen zu. ehe sie ihren Entschluß aus
führen tonnte.
Ja. Annchen litt schwer. Nicht ein
mal ein Zeichen ihrer Huld und Trauer
durfte !e dem tcheidcndrn Krieger"
mit auf den Weg in Noth und Gclahl
geben. Papa hielt ftreng auf Sitte
und Ordnung, und sie Hütte das Ton
nerwetter nicht erleben mögen, das sich
über ihrem schuldigen Haupte entladen
würde, hätte sie es versucht, mit einem
seiner Leutnants anzubandeln. So
mußte sie dem Heinz Bredow bei seiner
Abschicdsvisite artig an der Seite der
Mama im Salon gegenübersitzen, und
der todeswehe Abschiedsblick, den sie zu
riskiren gewagt, hatte ihr später einen
gehörigen Wischer vom gestrengen Herrn
Vater eingetragen.
Am Tage der. Abfahrt des jungen
KriegerS aus der heimathlichen Garni
sonstadt hatte sie mit Bestimmtheit er
wartet. Heinzcn's leidenschaftliches
Empfinden" werde sich verrathen, und
sie werde unter der Wucht ihres Schmer
zes zusammenbrechen. Statt dessen
fuhr der junge Leutnant seelenvergnügt
nach seucht'.sröhllchem Abschiedsmahl
und unter den Hoch- und Hurrahrufen
seiner Kameraden von bannen.
Annchen's Sehnsucht wuchs von Tag
zu Tag. Er sollte wissen, daß sie seiner
in Treue gedachte. Darum wollte sie
ihm schreiben. Ein Brief war zu um
stündlich, der Aufsatz war stets ihre
schwächste Seite gewesen, also eine
Karte. Richtig ! Eine Feldpostkarte !
Zunächst galt es, sich eine solche zu
verschaffen. Annchen benntzte die halbe
Stunde nach dem Mittagbrot, als die
Eltern ein kleines Schläfchen machten
und sie Fritz in der Schule wußte, um
sich auf den Gang nach dem Postamt zu
machen. Klopfenden Herzens begehrte
sie am Schalter eine Feldpoftkarte.
Bedaure, mein Fräulein, eine Karte
kann ich Ihnen nicht geben," beschick
sich der Beamte.
Wie? Wie?" staunte das Mädchen,
das schon seinen schönen Plan scheitern
sah, ich denke, die Feldpostkarten
werden verkauft?"
Jawohl, das werden sie auch," lau
tete die Antwort, es giebt jedoch nicht
eine Karte, sondern nur zehn für fünf
Pfennig." Zehn Feldpostkarten!
Annchen war sprachlos. Was sollte fie
denn mit zehn Karten beginnen?
Unmöglich konnte fie alle auf einmal
an Heinz Bredow absenden, wie aber
die verrätherischen übrigen neun den
scharfen Blicken der Mutter entziehen?
Mechanisch legte fie ihr Geld hin und
erhielt die Karten ausgehändigt.
Ganz verstört eilte fie nach Hause.
Tausend Möglichkeiten, wie die Karten
am wirksamsten zu verbergen waren,
tauchten vor ihr auf. Ihre Schubladen
und Kommodenfächer waren vor der
Mama niemals sicher, da diese oft ge
nug unvorhergesehen Revision abhielt.
DaS Kopskissen oder den Platz unter der
Matratze als Versteck zu wählen, hatte
noch weniger Sinn, da beim Bett
machen die Gefahr der Entdeckung zu
nahe lag. Es blieb nichts Anderes
übrig, als die Karten stets bei sich zu
tragen. Der Krieg in China kann
Jahre dauern, so würde sich auch Gele
genheit zur Absenkung derselben finden.
Unter diesen trostreichen Gedanken der
suchte Annchen, das Päckchen in ihre
Kleidertasche zu versenken, stieß jedoch
hierbei auf neue Hindernisse. Die
Tasche war voll, bis zum Rande voll.
Man kann auch von einer Tasche, die
bereits Schnupftuch, Portemonnaie,
Kalender, Kämmchen, Spiegel, ein
Paar Handschuhe und die drei letzten
Briefe der allerbesten Freundin be
herbergt, nicht verlangen, daß sie
noch weiteren Gegenständen Raum ge
währt. Annchen schien dies einzusehen, riß
rasch ihr Jäckchen auf und schob die
Karten lose hinein, daß kein Zipfel
mehr von ihnen zu sehen war.
Zu Hause kam sie gerade zurecht, um
die Mama in den Kaffee, den die Frau
Majorin den Damen des Regiments
gab, zu begleiten.
Da es sehr eilig war, blieb ihr die
Frage, woher sie plötzlich in Hut und
Jacke komme, erspart. Die Mama
mochte annehmen. Annchen sei einmal
ausnahmsweise pünktlich mit ihrem An
zuge fertig geworden.
Frau Major Lange empfing ihre
Gäfte im Garten. In der Gaisblatt
laube vor dem Hause war der Kaffee
tisch zierlich hergerichtet. Beim Nahen
der Kommandeuse erhoben sich die be
reits vollständig versammelten Damen,
um die Frau Oberft und ihre Tochter
zu begrüßen. Im Halbkreis stand man
zaudernd um Frau von Düren herum,
welche mit der Gastgeberin einige
freundliche Worte wechselte und dann
zu den anderen Tarnen trat.
Annchen halte sich hinter der Mutier
gehalten, jetzt wanöte sich die Hausfrau
zu ihr: Guten Tag, Fräulein Ann
chen. Wie wohl Sie aussehen! Ader
wo!'en Sie nicht ablegen. Ihr Jäckchen
muß Ihnen bei dem warmen Weiter
doch zu heiß werden."
Unwillküllich richteten sich aller Au
gut auf da? junge Mädchen, um da?
gerühmte Au-jehen des Kommandeur
töchterleinS festzustellen. Verwirrt und
unter den vielen Blicken heiß errökhend.
riß Annchen die Knöpfe ihrer Jacke auf,
Aber o weh! Ta flatterten die grauen
Blättchen eins nach dem andern zur
Erde, biS alle zehn Karten zu der klei
nen Sünderin Füßen lagen.
Ein Tchieckenslaut entfuhr Annchen's
Lippen, fassungslos starrte sie auf die
Karten nieder. Ta lag nun ihr wodl
gehütetes Geheimniß allen Blicken
preisgegeben. Schon hatte das ältliche
Fräulein Müller eine der Karten auf
gehoben. ,Fcldpost!artcii!" begann sie
in ihrer spinösen Art. Wozu brauchen
denn Sie Fcldposlkarten. Fräulein v.
Turen ? "
Annchen regte sich nicht, nur ihr
flehender Blick traf Hilfe suchend der
Mutter Antlitz.
Tie Frau Oberst hatte mit raschem
Fcldhcrriiblick die Situation über--schaut.
Taß ihr Wilbfang im Begriff
gewesen, eine Tummheit zu machen,
war klar.
Aber Anna," begann sie verweisen
den Tones, so nimm doch die Karten
auf. Tas Kind ist noch so ungeschickt.
setzte sie entschuldigend hinzu. Ich
habe mir nämlich erlaubt, eirnge fcld
poslkarten mitzubringen, da ich hoffte,
es würde Ihnen Allen Freude machen,
unserem lieben Leutnant Bredow einen
Gruß nachzusenden."
Aber gewiß! Nein wie reizend!
Allerliebst!" tönte es ihr zustimmend
von allen Seiten entgegen.
Mit netten Verslein und lustigen
Grüßen vcrlehen flogen die Karten hin
aus in die Welt über fremde Länder
und weite Meere, um bei der nächsten
Postausgabe den Empfänger an Bord
deS Transportdampfers zu erfreuen
veinz Bredow Hütte es ick) nie-
mals träumen lassen, daß die Damen
weit seiner Garnisonsstadt seincr so
freundlich gedenken werde. Vor seinem
geistigen Auge ließ er die Schreiberin
nen Revue pa tuen, und als er an
Annchens Namen kam, soll er liebes.
kleines Ding" vor sich hingemurmelt
haben.
Die Unterredung zwischen Mutter
und Tochter währte nicht lange. Sie
endigte mit einem innigen Kuß, und
Annchen' schwur sich hoch und theuer:
Nie. nie wieder etwas hinter dem
Rücken ihrer süßen", goldigen"
Mutter" zu thun."
Wann Heinz Bredow zurückkehrt?
Ob dermal einft das Annchen eine kleine
Frau Leutnant werden wird? Oder ob
man im fernen Osten ein frisches,
junges Blut zur ewigen Ruhe unter
kühlem Rasen betten wird? Wer kann
das sagen!
t-rühmt sl.
Der langohrige Vierfüßler Namens
Jacko, dem die Ehre zu Theil geworden
ift, die kleine Chaise der Königin von
England zu ziehen, galt in den letzten
Jahren für den verwöhntesten und be
kanntesten Esel. In Wahrheit aber
nimmt daS an der Riviera gekaufte
Grauchen erst den zweiten Platz auf
der Lifte der be rühmten Langohre
ein, denn der Verfasser einer in der
neuesten Nummer eines illuftrirten eng
lischenJonrnals erschienenen amüsanten
Plauderei über DonkeySofEminence"
reicht die Palme dem Efel Ned", der
feit fast einem Vierteljahrhundert den
alterthümlichen Ziehbrunnen auf dem
Hof des Carisbrooke-Schlosses auf der
Insel Wlght bedient. Wie viele Tau-
sende von Leuten, arm und reich, alt
und mng, den vierbeinigen Wasser
pumper von Carisbrooke während der
verflossenen 23 Jahre geliebkost und
mit Leckerbissen gefüttert haben, ist
überhaupt nicht annähernd anzugeben.
'Sü den enthu nastlschsten Bewunderern
des alten Ned zählen die amerikanischen
Reuenden, die alliührllch in großer An
zahl das Schloß besichtigen. So man
cher excentrische Yankee Hütte gern eine
ansehnliche Summe geopfert, wenn es
ihm erlaubt worden wäre, den gefeier
ten Esel mit nach drüben" zu nehmen.
Das Thier hat beinahe sein ganzes
Leben in dem Schloßhof zugebracht.
Sein Wärter darf nur den Namen des
klugen Vierfüßlers rufen, und der
ruhig in seinem LieblingSwinkel
stehende Ned kommt gehorsam daher,
mustert die ihn zu sehen begehrenden
Fremden mit herablassender Miene,
stellt sich dann auf das Rad und be
ginnt seine Arbeit. Sobald er gezeigt
hat, was er kann, regnet eS stets Bis-
cuits und andere Näschereien auf ihn
herab. Jeder drängt ich heran, um
das graue Fell zu streicheln. Schon
vor elf Jahren hielt man es für noth
wendig, einen jungen Esel zum Herauf-
ziehen deS Wassers abzurichten, damit
sogleich Ersatz da fei, wenn Ned das
Zeitliche segnet. Dieser denkt aber noch
gar nicht daran, seinem angenehmen
Dasein Balet zu sagen, obwohl der zu
seinem Nachfolger bestimmte Gefährte
die Sache längst ebenso gut versteht
wie er. Plötzlich zu Ruhm und Ehren
gelangt ift ein weißer, arabischer Esel,
der in seinen früheren Tagen das
Eigenthum eines reichen Scheik ge
wesen. Dieser Freund Langohr, der
die ungewöhnliche Sröxe von 120 lrn.
erreicht hat. wurde bei tdara gefan
gen und auf Loro ,!,ch,;;n ?lno:d
nung vorzüglich gepflegt. Bei keiner
Ankunft in England machte dir cito
das seltene Zhier der dntii&cn Z'egeu
tin zum Geschenk.
Weiße Esel sind in Patis seit Kut
jem fe&r in Mode gekommen, wrnn
man so sagen darf. Großes Aussehen
erregten vor Kurzem die Tänzerinnen
des .Alcazar d'Elc". alZ sie strahlend
von Juwelen in kurzen Röcken und mit
breitrandigen Fedcrhüten auf mit rolh.
blonden LockcnperruckiN auf milch
weißen Eseln durch den Mittelgang des
berühmten Cafe Ehantant ritten. Die
Sensation, die diese Seene hervorrief,
hatte sich noch nicht ganz gelegt, als die
mit enthusiastischen Kundgebungen nicht
geizenden Pariser von Neuem in
Ekstase versetzt wurden durch ihre be
liebtcste Ehanteuse Mlle. Lise Fleuron.
Ter übermüthigen Brett'.Tiva war eS
eingefallen, ihre graciösen Ehansons
vorzutragen, indem sie sich im Sattel
eines heimlich von ihr zum Erscheinen
auf der Bühne abgerichteten weißen
Langohrs wiegte. Von dem schneeigen
Fell des Thieres hoben sich Blumen
decorationcn und ein jlwclenverzicrtes
Geschirr esscelvoll ab.. Augenblicklich
weiß man in der Tht nicht, ob der
rasende Beifall des Publikums mehr
dem Esel der belle Fleuron" oder der
anmlitbigcn Herrin deS verhälfchelten
Vierfüßlers gilt.
(Drrne Vorgänger.
Unteroffizier: .Müller. Sie haben
heute Ihr Gewehr besser zn putzen!"
Müller: Mit Vergnügen."
Unteroffizier: Nee, mit Putzleder
und wat sonst dazu gehört, aber janz
ohne Vcrjnügen haben Sie das zu
thun; merken Sie sich das!"
Für Damen.
Willst einer Dame Alter Du erfahren.
Frag' ihre beste Freundin; von den
r v Jahren,
Die sie dir nennt, zieh' ab getrost noch
drei.
Tann weißt du 's klar, wie alt die
Dame sei.
Aus dem Album der modernen Menschheit.
Wer staunt, wenn wir im Dunkel
tappen,
Und nimmer dringen vor an's Licht?!
Wir sammeln Marken. Münzen. Wap-
tm
Kurz: Alles nur unS selber nicht.
lveitcr nichts.
Bauer: Herr Doktor, wenn Sie
heute ausgehen, dann kommen Sie
doch zu mir heran. Meine Frau ist
nicht recht auf'm Posten."
, Arzt: So, was fehlt ihr denn?"
Bauer: Na, heut' Morgen, als sie
die Kühe gemolken, die Schweine ge
füttert, Frühstück für die Leute gekocht,
die Tische gewaschen, die Wüsche ge
waschen und die Stuben gescheuert
hatte, da klagte sie über Müdigkeit.
Ich glaube, sie muß ein Bischen Medi
zin kriegen!"
verplappert. ,
Hausfrau: Also Ihr Bruder
war's, der Sie vorhin besuchte; lieben
Sie ihn auch wie eine rechte Schwester?"
Dienstmädchen: O, Madam, noch
viel mehr!"
asernenhofblüthe.
Bessere Haltung am Pferd, Sie
Dichter-Einjähriger, sonst lasse ich Sie
ohne Sattel galoppiren, daß Sie zeit
lebens nur SchüttelReime 'raus
bringen!" Moderne kzausftauen.
Junge Sausfrau: Was kosten di
Eier?"
Verkäuferin: Zwei Cents das
Stück."
Junge Sausfrau: ..Geben Sie mir
zehn Stück, aber nur weiche."
Sie kennen sie.
Freundin: Wie. auf Dein nUt
aat willst Du noch udiren? ZM'nn
Du nun im Examen durchfällst?"
univernlätsproseff orin-Gattin : Na,
mein Mann und seine Collegen sollten
es nur riskiren!"
Schön gesagt.
Gastgeber: Ob unser berühmter
Gast, der Dichter, wohl den Band sei-
ner Gedichte auf unserem Salontische
oemerir oat k ,
Gattin: Freilich, der bat soaar ein
paar Minnten lang in sich herum
geblättert."
Auch ein Beweis.
?NS Tm Mis,tl k, rrsit.
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illit Erfola um einen Nrtvnnn0
bewerben zu können?"
Warum nikt? tä finfc itMiü.!.
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send Dollars Schulden, das zeigt doch,
welches Vertrauen die Leute mir ent
gegenbringen."
Zeitgemäß
Erster Svidkuk,? Kr
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alten Aunltaenossen" in s!, kk.
undzwanzigsten Geschäftsjubiläum"
also besonders geehrt?"
Zweiter Spitzbube: Jawohl, durch
Ueberreichung einer Ehrenbrechstange!"
pkotzig.
Ihre Krankheit verschlingt wohl viel
Geld. Herr Reich?"
Macht nichts, ich kann mir eine so
theure Krankheit leisten."