Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 25, 1900, Image 10

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    (Dnfcl Adolfc
Cme er,iil!un9 ant Vltttfo. ton Tlti
glie Itaut.
Hit oanf. kleine btutfie Kolonie
von Leon befand sich in Aufregung
I rund roat folgender Bricf des
Ingenieurs LangerhanS an den Mh
lendesider Adolf Web:
New Doxl. d. 20. Sept., 189.
Alter Freund! Jbre Wünsche sind
mir stets Befeble! Sie wünschen eine
Zsrau. ich bade sie gefunden!
Zwar hat sie kein Geld, dafür jedoch
an i : CV . ( . r1 i 72 .
Cint Vokilvli OuV" UllH" u" l.
alter Kronensohn, ferner sehr freund
liche Auaen. ein Helles Lachen und einen
entzückenden, rothen Mund, den nicht
zu küssen ich all meinen. leider ja so
sehr bekannten! Leichtsinn über
Bord werfen muszte. Wir lernten unS
nämlich mischen Bremen und New
York kennen. Von hier auS will .sie
nacd San Francisco gehen, um einem
alten Onkel, den .sie gar nicht kennt.
den Haushalt zu führen, denn sie" hat
weder Bater noch Mutter. Beide tat,
den so früh, dab dem Kinde keine Er,
innerunaen an sie blieben, und so
wurde sie" von einem Verwandten
adoptirt und erzogen. Sie heißt Anna
Winter und ist ein munteres, muthiges
Mädchen mit praktischen, ruhigen An.
sichten.
. Ich habe ihr von Ihnen erzählt und
.sie" gefragt, ob .sie" eventuell geneigt
sein würde, sich mit dem Mühlendesitzer
Herrn Adolf Weder zu veryenatyen.
worauf .sie" ja sagte. doch müsse sie
ihn erst sehen!
Natürlich! Auch Sie. alter Knabe,
müssen erst ihre Bekanntschaft machen,
und deshalb schlage ich vor: Sie gehen
zu Frau Emma, theilen ihr diesen
meinen Brief mit. kommen zu dem
Entschluß. Fräulein Anna als Frau
Emmas Koufine zu dieser, zu Gaft zu
bitten, telegraphiren mir ganz einfach
.yes", ich mache mich mit der jungen
Dame sofort auf den Weg noch Mexiko,
und daS übrige wird sich finden.
Sollten Sie mir jedoch .110" tele
graphiren. so kann ich nicht umhin,
Ihnen schon heute in aller Bescheiden
heit mitzutheilen, daß ich Sie für den
größten halten würde, dem jemals
die Tropenfonne auf das Fell brannte.
Ihr treuer LangerhanS.
Als Adolf Weber diesen Brief meh
rere Male mit Ruhe und Ueberlegung
gelesen hatte, ließ er seinen alten
Schimmel satteln, schnallte sich die
ledernen Reitbeinkleider über seinen
grauen Mülleranzug, bedeckte sein leicht
ergrautes Haupt mit einem reich ge
stickten Sombrero und paßte nun vor
züglich in die staubige, graue Land
schaft. durch die ein schlechter Weg von
Santa Anita, seiner Mühle, nach Leon
führte.
Langsam, gesenkten Hauptes ritt er
seinem Ziele entgegen, auf dem Wege,
welchen er in zwanzig Jahren unzäh
ligemal zurückgelegt hatte. Zu der
grauen Färbung von Rotz. Reiter und
Landschaft paßten auch die Gedanken,
welche durch den Kopf deS einsamen
Mannes zogen.
Er wurde in einem kleinen pommeri'
fchen Dörfchen als Sohn des Herrn
Lehrers geboren und besuchte nie eine
andere Schule als die anspruchslose
deS Vaters. Gleich nach seiner Konftr
mation kam er zu einem Müller in die
Lehre und litt bei feinem heftigen
Prinzipal weniger unter dessen strenger
Zucht, als unter der verzehrenden
Sehnsucht nach seiner Mutter, die für
ihn der Inbegriff aller Schönheit und
Güte war. So fühlte er sich namen
loS unglücklich, als ein Jahr nach dem
Tode seines Vaters sich die schöne,
junge Wittwe mit Anton Schwarzkop
pen, dem rüden Schlächtermeister des
Nuchbardorfes, verlobte. Noch ehe die
Hochzeit stattfand, wanderte er mit
.einer ihm vesreunoeien Familie naaz
Amerika aus. Er ging nach Mexika,
wo eß ihm nach langen, bangen Jahren
voll schwerer Arbeit endlich glückte, sich
ein schuldenfreies Eigenthum zu er
werben. Ein einziger Brief seiner heißgelieb
ten Mutter, sehr bald nach ihrer zwei
ten Verheirathung geschrieben, hatte
den Weg zu ihm gefunden, ein Brief,
überströmend von Liebe und Zärtlich,
seit für den fernen, einsamen Sohn.
Wenige Monate später las er in der
Zeitun?,, welche er sich regelmäßig aus
der Heimath kommen ließ, die Nachricht
von ihrem frühen Tode, und damit
war das einzige Band, welches ihn an
das Vaterland knüpfte, zerrissen. Nichts
,oa ihn zurück, die Sitten und Ge
oräuche des Landes machte er theilweise
zu den seinen. Behaglich waren die
Zimmer seiner Mühle eingerichtet,
freundlich blühende Blumen durch
dufteten das Gärtchen. und in Leons
kleiner deutschen Kolonie war er ein
stets gern gesehener Gaft. Eine Zierde
der Gesellschaft bildete er nun freilich
nicht mit seinen linkischen Bewegungen,
seinen braunen Arbeiterhänden; aber
um seinen gutmüthigen Mund spielte
das Lächeln eines KindeS. und niemand
hatte je in die blauen Augen geschaut,
auS denen ein echtes, deutsches Gemüth
blickte, ohne sein Herz erwärmt zu
fühlen.
Sämmtliche Mitglieder der Kolonie
nannten ihn Onkel. Er selbst hörte sich
am liebsten so nennen und unterschrieb
sich in Briefen, welche von seiner Mühle
nach Leon kamen, und die meisten den
Zweck hatten, , die ganze Gesellschaft
zum .Maiskolbeneffen" oder .Bananen
pflücken" einzuladen, stets als .Onkel
Adolfs".
Sehern die Mühle ihm ein behag
lichkZ Leben sicherte, wünschte er sich eine
Frau eine deutsche, schlichte, liebe
Frau mit blenden Zöpfen, fleißigen
Händen, häuslichen Tugenden und
heiterem Sinn, wie er es an seiner
Mutter so sehr geliebt hatte. Und leb
haft sah er ein junges Weid sich zur
Seite vor der Mühle unter den
blühenden Orangen ein Kind auf
dem Arm. ein Kind, das feinen Namen
trug und ihm zulächelte mit dem holden
Lücke n der Mutter.
Krau Emma Schachtel stand eben
in ibrer Kücke und bereitete daS Abend
essen, als der Onkel eintrat. Mit
einem munteren .Guten Adend!"fteichter
ihr die Hand, setzte sich dann auf die
Kückenbank und säuberte mit einem
rothen Taschentuch sein staubiges Ge
sicht.
.ES ist nett, daß Sie kommen. On
kel ' begrüßte ihn Frau Emma, .heute
Abend aiebt'S Bratkartoffeln, da müs
sen Sie unser Gaft sein. Tort in de
Schüssel können Sie sich die Hände
waschen' und zu ihrem dienstbaren
Geist oewandt .Fermina. hole ein
Handtuch für Don Adolfs!"
..Haben Sie hier noch lange in der
Küche zu thun. Frau Schachtel?" fragte
er.
Lebhaft wandte sie sich um: .Gibt's
etwa? Neues?"
Schalkhaft blinzelte er zu Frau
Emma hinüber, hoch erfreut, zum
erstenmal siit dem Bestehen der Kolonie
eine Neuigkeit eher zu wisien, als diele.
Er nickte ihr, sehr wichtig thuend, zu
und folgte der Voranschreitenden in
daS Wohnzimmer.
.Also Bratkartoffeln darf ich heute
mit Ihnen essen "
.Aber bester Onkel, ich bitte Sie.
foltern Sie mich nicht ich brenne vor
Neualer!"
.Etwas so ganz Besonderes ist es ja
nun eigentlich nicht nur eine Hoch
zeit."
.TaS ist ja gar nicht möglich! Wer
sollte denn
.Nun zum Beispiel ich, Frau
Emma."
.Sie, Onkel? Ach, lassen Sie sich
auslachen, wen wollen Sie denn hei
rathen?"
Ihre Kousine."
.Meine Kousine? Ader ich habe ja
gar keine!"
.Thut nichts, sehr bald werden Sie
eine bekommen!"
Besorgt und beängstigt schaute Frau
Emma ihr Gegenüber an. Ihre
Reden find mir ein vollständiges Räth
fel !"
.Vielleicht löst sich dieses Räthsel,
wenn Sie diesen Brief gelesen haben,
bitte hier er ist von LangerhanS."
Während Frau Emma sich aufmerk
sam in daS Schreiben vertiefte, stellte
sich Adolf Weber breitbeinig vor den
Spiegel, betrachtete seine vollen, grauen
Haare, ließ bedächtig seinen kleinen
struppigen Schnurrbart durch die Fin
ger gleiten und fetzte sich dann wieder
in den amerikanischen Schaukelftuhl,
mit dem er sich behaglich hin und her
wiegte.
DaS lft die beste Idee, die jemals
unser guter LangerhanS gehabt hat!"
rief Frau Emma begeistert aus, indem
sie den Brief sorgfältig zufaminenfal
tete. .Selbstverständlich wird "yes"
telegraphirt, ich freue mich riesig, meine
Kousine kennen zu lernein Ich bin fest
überzeugt, daß. wenn LangerhanS
schreibt: .Sie paßt für Sie", sie unbe
dingt die Richtige ist ! Unser Haus ist
groß,, mein Mann hat ebenso gern
Gäste wie ich. und von heute ab,
mein lieber Onkel, haben Sie mich als
Ihre Frau Schwiegermutter zu betrach
ten!"
Der ganze weibliche Theil de- Ko
lonie, es waren dies außer ihr noch
drei Damen mit vier Kindern, sollte
am nächsten Tage bei Frau Schachtel
den Nachmittagskaffee trinken. Und
fast zu gleicher Zeit, pünktlich um vier
Uhr, stellten sich die Gäste ein. Alle
trugen helle, frisch geplättete, sehr kleid,
same Waschkleider, hatten weiße, große
Hüte aus dem einfach geordneten, blon
den Haare und im Gürtel duftende
Blumen. Um sie her sprangen ihre
flachsköpngen. pausbäckigen, gesunden
Kinder, die sofort m Spielschürzen ge
steckt und mit Frau Schachtels Spröß,
lingen in das Spielzimmer geschickt
wurden.
Beim Einschenken der Tassen zitterten
Frau Emmas Hände vor Aufregung.
keine der pomphaften Einleitungen
wollte ihr einfallen, und so sagte sie
nur etwas hastig:
.Denken Sie sich doch, der Onkel
will heirathen!"
Das will er ja schon seit zehn Iah
ren!"
Ja. aber jetzt wird der Wunsch
Wirklichkeit, wir dürfen mit Gewiß
heit auf eine Hochzeit rechnen!"
Wer ist's denn?"
ES ist doch eine Deutsche?"
Frau Emma zog den inhaltsschweren
Brief auS der Schürzentasche und las
mit großem Behagen langsam vor.
AIS sie geendet hatte, erhob sich
heller Jubel, in den sich lebhafte Rufe
des Bedauerns mischten, den Bräu
tigam" nicht sofort zur Stelle zu haben.
Aus dem Onkel war im Handumdrehen
ein Bräutigam geworden, und niemand
hegte auch nur den leisesten Zweifel,
daß die Verlobung stattfinden und ihr
eine Hochzeit folgen würde I
Auf diese Weise war der Nachmittag
schnell vergangen, nicht so geschah
eö mit den nächsten sechs Tagen. Im
mer wieder kamen die Damen zusam
wen und besprachen da? Telegramm.
welche? LsiigerhaiiS geschickt hatte und
daS ihre Ankunft auf den nächsten
Mittwoch. Nachmittag? fünf Uhr. fest
stellte.
Große Vorbereitungen . zu einem
Essen um sechs Uhr für die ganze
deutsche Kolonie waren in grau Emma?
Küche schon am Tage vor dem Eintref
sen der beiden Gäste im Gange. Leider
regnete eS in endlosen Strömen, und
der völlig graue, tief und schwer nieder,
hängende Himmel gab wenig Hoffnung
auf einen freundlichen Naazmittag
TieS trübte ein wenig die allgemeine
Stimmung, und selbst daS festlich ge,
schmückte Eßzimmer sah trotz seiner
Guirlanden und Fruchtkörbe etwa?
wehmüthig aus.
In unaufhörlichem Regen, die Da
men gut geschürzt, die Herren mit auf
gekrempelten Beinkleidern, mit den
ältesten Hüten und den größten Regen
schirmen bewaffnet, begab man sich
schließlich auf die Bahnstation.
Der Weg dorthin setzte sich auS lau
ter Pfützen zusammen, und daS Sta
tionSgedäude elbt and völlig im
Wasser, so daß Frau SchachtelS Junge,
der die Erlaubniß zum Mitgehen er
halten hatte, lebhaft bedauerte, feine
Badehosen zu Hause gelassen zu haben
Mit größter Geduld wartete die
kleine Gesellschaft eine volle Stunde.
denn daß bei diesem Wetter der Zug zur
richtigen Zeit eintreffen würde, war
gänzlich ausgeschlossen. Es regnete
wolkenbruchartig, und heulend pfiff der
Wind um die Station. Auf eine
Frage an den Stationsvorsteher, wann
der Zug möglicherweise einlaufen
könne, antwortete dieser: Je später, je
besser; denn nur wenn Gräßliches ge
schehen ist, pflegt er pünktlich zur Stelle
zu ein!"
Um acht Uhr traf ein Telegramm
ein. welches dem Vorsteher meldete, daß
Zug Nr. 109 wegen Brückeneinsturzes
kaum vor morgen früh vier Uhr zu er
warten fei.
Verstimmt, steif vor Kälte, gebadeten
Katzen nicht unähnlich, begab sich die
Kolonie während einer regenfreien hat
den Stunde wieder nach Haufe, nach,
dem beschlossen war, daß um vier Uhr
Nachts nur Herr Schachtel zur Bahn
gehen, um zwölf Uhr jedoch große Mit,
tagStafel statthaben sollte. ,
Jeder aß bei sich zu Hause schwelgend
sein bescheidenes, nicht vorbereitetes
Abendbrot und begab sich früh zu Bett
Frau Emma hätte gern noch mit ih
rem Manne geplaudert, doch eingedenk
dessen, daß er um vier Uhr schon wieder
auf der Station sein müsse, zwang sie
sich zum Schweigen und weinte still und
heimlich ein paar Thränen in ihr Kopf
kisscn. Ihr war die ganze Freude ver
dorben, die Aufregung, das lange
Warten, das unfreiwillige Bad hatten
sie nervös gemacht; auch war sie der
Ueberzeugung, daß, wenn eine Sache
so vollständig programmwidrig be
gann, vom erlauf nach dem Ende
nicht sehr viel Besseres zu erwarten
stehe, und betrübt gedachte sie der Spei
sen, die morgen gewärmt auf den Tisch
kommen mußten. Doch endlich schlief
auch sie ein.
Ein halbes Stündchen mochte sie ge
ruht haben, als Geräusch sie weckte,
dessen Ursprung sie sich nicht sofort er
klären konnte. Lauschend richtete sie
sich im Bett in die Höhe wieder
strömte der Regen gegen die Fenster
scheiden und jetzt ertönte von Neuem
der Lärm, es war ein sehr energisches
Klopfen an der Hausthür, durch wel
ches nun auch Herr Schachtel erwachte.
Schnell schlug er sich eine rothwollene
Bettdecke um die Schultern, öffnete das
Fenster und rief auf fpansch in die
chwarze Regennacht hinan?: Was
gibt's, wer ist da?"
Oho, antwortete ihm eine helle.
deutsche Stimme, .machen Sie 'mal
schnell auf, Freund Schachtel, wir
sind's, Langerhans, dem Ertrinken
nahe!"
Nothdürftig bekleidet, in einer Hand
den Hausschlüssel, in der anderen eine
brennende Lampe, begab sich Schachtel
zur Hausthür, während Frau Emma
sich schnell einen Morgenrock überwarf
und mit einer zweiten Lampe an dem
niedrigen Treppenabsatz Aufstellung
nahm.
LangerhanS kam ihr, triefend vor
Nässe, entgegen, am Arme eine merk
würdig unförmige Gestalt führend, die
in des Ingenieurs Regenmantel ge
wickelt war und den zu diesem Mantel
gehörenden Hut trug, von dessen Krempe
kleine Wasserbächlein über ein blasses
Mädchenantliß rieselten.
Guten Abend, meine verehrte Frau
Schachtel. dies hier ist Fräulein Win
ter. die sehr Ihrer Hilfe bedarf, gute
Nacht!" Und nachdem er daS nasse, un
förmige Häufchen Unglück der staunend
dastehenden Hausfrau entgegen gescho
den hatte, verschwand er in Nacht und
Regen. Frau Emma aber legte ohne
Umstünde ihren Arm um daS hilflose,
frierende Geschöpf, leitete es in das so
sorglich vorbereitete Zimmer und nahm
ihm vor allem den Regenmantel ab.
Ich mache Ihnen so viele Umstände,
Frau Schachtel," klang eS leise von des
Mädchens Lippen, eS ist so unbeschei
den, daß ich hier bin und mitten in
der Nacht" j
Machen Sie sich gar keine Sorgen,
meine Liebe," beschwichtigte Frau Emma
in mütterlichem Ton und begann das
blonde Haar deS Mädchens zu trocknen,
wir freuen uns sehr, daß Sie hier sind,
freilich hätte es etwa? besseres Wetter
sein dürfen.
Nachdem sie das junge Mädchen in
iqier eigenen, vesten Nachiwaiaze zu
Bctt gebracht atte o lorglick. wie
sie Abend für Abend ihre drei Kinder
bettete reichte sie ihm heißen Tbee mit
Zwicback. küßle ei innig auf die Stirn
und sagte freundlich: .Ich heiße Sie
herzlich willkommen, mein ucdeS s,rau
lein Winter, schlafen Sie bald ein und
mit dem Bewußtsein, unter dem gaft
lichen Dache von Landsleutcn zu ruhen
Und nun behüt' Sie Gott!"
Als sie wieder in das Schlafzimmer
zu ihrem Manne trat, schlug eS feierlich
drei Uhr vom nahen Thurme der Ka
thedrale., Sturm und Regen hatten
ausgetobt, Frau Emmas Gemüth sich
beruhigt, so daß auch sie bald in er
quickenden Schlummer verfiel.
Hell und freundlich leuchtete ihr Ge,
sicht mit der lieben Sonne um die Wette.
als sie am nächsten Morgen den Kaffee,
tisch mit duftenden Rosen schmückte und
sich selbst die schönste davon in den Gür,
tel steckte.
Sind ffe da?"
Mit diesen Worten trat aufgeregt
der Onkel zu ihr, dem sie beruhigend
zunickte und dann ausführlich die Er,
lebnisse der verflossenen Nacht schil,
derte.
Wie sicht sie auS?" war feine zweite
Frage.
Das ließ sich gestern in diesem
Aufzuge schwer beurtheilen, aber lieb
und nett ist ihr Wesen, und ich glaube.
daß wir sie alle sehr gern haben wer
den."
Damit wollte sie daS Zimmer ver
lassen, doch der Onkel hielt sie zurück:
Um Gotteswillen, Schwiegermütter
chen, verlassen Sie mich nicht, wenn sie
nun jetzt plötzlich käme und ich wäre
allein."
Da öffnete sich die Thür, und Fräu
lein Anna Winter trat ein, eine Mittel
große, sehr sympathische Erscheinung.
im kleidsamen Wollkleid?, die gold,
blonden isopte in doppelter Reihe um
den hübschen Kopf gelegt, mit großen,
blauen, klugen Augen und ansprechen
dem, fein geformtem Mund.
Zögernd, in bescheidener Haltung,
blieb sie an der Portiere stehen, Adolf
Weber aber war aufgesprungen und
starrte sie wie eine Vision, wie etwas
Uebernatürliches an. bewegte sich dann
langsam einen Schritt vorwärts, hob
die Arme und sagte feierlich leise:
Mutter meine Mutter."
Verständnißlos irrten Fräulein Win,
ters Augen von einem zum anderen, sie
wußte nicht, was dleö zu bedeuten habe,
und war auch zu verwirrt, um etwas
sagen oder fragen zu können. Adolf
Weber aber trat ictzt dicht an ihre Seite
und begann mit leisem Beben in der
Stimme: Nicht wahr, Sie heißen
Anna Schwarzkoppen?"
Auf daS höchste verwundert bllckle sie
auf, dann antwortete sie: Ja, man
hat mir erzählt, daß mein Vater
Schmarzkoppen hicß. Doch als ich erst
wenige Monate alt war, wurde ich
Waise, Onkel Winter nahm mich zu
sich, erzog mich mit seinen Kindern,
gab mir wie diesen alles, auch feinen
Namen so daß ich selbst mich nur als
Anna Winter kenne und auch von
anderen niemals anders genannt wor
den bin."
So sehen Sie in mir, Ihren Bru
der der sich herzlich freut, Sie gefunden
zu haben, weil Sie das vollendete
Ebenbild seiner und Ihrer Mutter
find, die er zärtlich liebte. Gieb mit
Deine Hand Anna, und sei mir sehr
willkommen, liebe Schwester! Ich hoffe
daß wir uns nie mehr trennen werden
und daß Du meine Mühle nebst Dei
nem alten grauen Bruder nach und
nach lieb gewinnen wirst; an Mühe
meinerseits soll es gewiß nicht fehlen!"
Frau Emma, die bei dieser Aus
spräche fast zur Salzsäule geworden
war, bekam nun wieder etwas Leben
und rief lebhaft: Ich begreife das
alles noch gar nicht, erst kommen Sie
nicht, wenn wir Sie erwarten, dann
kommen Sie, wenn' wir Sie nicht er
warten schließlich sind Sie gar nicht
Fräulein Winter, sondern Anna
Schwarzkoppen und anstatt daß Sie
aus dem Onkel einen Bräutigam
machen, wird er Ihr Bruder!"
Ihr höchst komisches Gesicht reizte die
beiden anderen zum Lachen, in das sie
selbst und dann auch der eben hin
zutretende. Hausherr krästig mit ein
stimmte, nachdem man ihm die Sach-
läge klargclegt hatte
Der erste, welcher zu dem angesagten
Mittagessen erschien, war Ingenieur
Langerhans, ein großer, schöner Mann
von fünfunddreißlg Jahren mit dunk
lem Vollbart, braunen, lebhaften
Augen, gewandten Manieren und stche,
rem Auftreten.
Bei der Auseinandersetzung der Ver,
wandtschaft machte er zuerst ein er
ftauntes, dann ein ernstes Gesicht; zum
Schlüsse deS Berichtes jedoch entstand
ein intensives Leuchten in seinen klugen
Augen, das einen Glücksschein über sein
ganz.'s, sonnverbranntes Antlitz ver
breitete. Er senkte einen Moment, wie
sinnend, die Lider. dann jedoch flog
ein Blick zu Frau Emma hinüber,
schalkhaft, triumphirend, glückver
heißend. Dieser sieghafte Blick sagte
Frau Schachtel mehr als stundenlange
Reden: die Kolonie würde um eine
Hochzeit nicht betrogen werden, nur
würde die Rolle des Bräutigams in
den Händen eines anderen Darstellers
liegen, als sie eS bisher angenommen
hatte
Am 24. Dezember desselben Jahres.
unter dem lichtstrahlenden Christbaum,
der alle Mitglieder der deutschen Kolo
nie in dem gastfreien Hause Schachtel
vereinte, segnete der am Ort weilende
amerikanische Gnstliche in würdiger
und f'i'rlkfxr Weis, die Edk deS Herrn
.naenieur Emil LangerhanS mit Fräu
Irin Anna Schwarzkoppen. genannt
hinter, ein. und alle, welche die
leuchtenden Blicke. daS stille Lächeln
dieser beiden Glücklichen sahren. wuß,
ten. daß nur sie zusammen gehörten,
daß nur sie für einander geschaffen
waren.
Onkel Adolso blieb unvermählt. aber
trokdem ift er nickt im Zweifel, wem
er Dereinst sein scköncS. blühendes Be,
sitzthum hinterlassen wird.
Lzinausaewcrfcn.
H,lkke von M a r W u n d k k e.
Allgemein wurde er Mister Pump
genannt. Daß man ihn Pump nannte.
war natürlich: denn er hieß so. Wie
er zu der Bezeichnung .Mister" gelangt
war, war ihm ebenso schleierhaft wie
allen Andern: der Name war mit einem
Male da. und er wurde ihn nicht mehr
loS. So lange er in dem Viertel
wobnte. blieb er .Mister Pump". Er
fürchtete auch nicht, über diesen Spitz
namen graue Haare zu bekommen, ja.
er hätte sich darüber sogar gefreut: denn
schließlich schienen ihm graue Haare
immer noch besser als gar keine, und
Mister Pump war schon bedenklich
oben durch".
Vumv war ein Kribbelkopf. aber
sonst ein guter Kerl. Er that ja zum
Schluß immer daS, was er sollte und
mußte; aber ohne hitzigen Widerspruch
ging eS niemals ab. Besonders hatte
seine Frau darunter zu leiden.
Mister Pump stand auf und machte
Miene, in seinen voluminösen Havelock
zu chlüpfen.
.Aber Männe. Du willst schon wie,
der weg?"
ES ist doch unser Skatabend heut'!'
Tu warft schon die ganze Woche
leben Abend fort. Ich glaube. Du
hast in jeder Woche mehr als sieben
Skatabende."
.Nur drei. liebeS Kind! Das weißt
Du ja ebenso gut wie ich. MontagS
GrünUnter", Donnerstags Grün
Ober" und Sonnabends Blanke
Zehn".
Und die andern vier Abende? Du
bist doch keinen Tag zu Hause.
Da. da machen wir halt einen Ge,
legenheitsskat."
Frau Pump seufzte.
.s icyone Geld, das 'u immer
im slanplel anlegst! Ader für die
Wintertoilctte. die ich dieses Jahr so
nöthig brauche, und um die ich Dich
schon oft gebeten habe, ift kein Geld
übrig."
Wir müssen uns einschränken. liebeS
Kind."
Und Deine Skatabende? TaS
Ein chränken gilt wohl bloß für un er
einen?"
Ich bitte Dich, sei gescheit." entaeg
nete Allster Pump ärgerlich: ich ver
liere sehr selten. Im Gegentheil.
ich mach' dir Spiele, sag' ich Dir.
Spiele .... na ... . mit einem Wort
Bombenspiele. Gestern erst wieder -
Grand mit dreien aus der Hand
Schneider angesagt, schwarz ah. wie
die blechen mußten!
Dann lege doch einmal ein paar
Wochen den Skatgewinnst zusammen
und kauf mir die Wintertoilctte
lostet ne lch 10 gut wie gar
nichts."
Mister Pump ließ ein ärgerliches
nurren yoren.
Ich begreife die Andern nicht." fuhr
Frau Pump fort, .daß sie sich von Dir
ständig das Geld abnehmen lasten
Und der beste Gesellschafter bist Du doch
auch nicht. Man sollte Deine Mucken
längst satt gekriegt haben. Ach Gott!"
setzte sie mit schwerem Seufzer hinzu.
wenn ooch vtos einmal diese der
wünschte Kneipe dadrüben in den Erd
boden versinken möchte!"
Pump lachte unverschämt.
Oder wenn sie Dich einmal in so
lcvonem Bogen yrnausexpedirten, wie
'ch gestern Mittag vom Fenster auS den
Ivngen Menschen hinausfliegen sah,
Frau Pump hatte sich in Zorn
redet.
xcr gestrenge Vausyerr war ganz
emzuar von vieler Vorstellung; er wollte
stch ausschütteln vor Lachen.
ehr edel von Dir. sehr edel; aber
wenn die mich drüben einmal an die
frische Luft setzen, dann kriegst Du zwei
Winierioiieiicn aus einmal; mein
Wort darauf. Sonderbarer Einfall
vasr
Und er lachte wieder und griff dabei
nacy seinem wi
.Na. sonst bist Du doch auS der
Kneipe nicht herauszubringen.
gab
. I
rv cn i t.rt t . n . . . - -
riuu mim uuiu ociu ngcno 11 HO Dsllö
ärgerlich zurück.
Mister Pump empfahl sich. Den
AbschiedSgrutz hatte sie mit scheinbarem
Protest entgegen genommen. Gleich
danach nahm Frau Pump ihren Hand
ä , . 1
korb, um noch einige Einkäufe zu be,
orgen.
Gerade als sie auS der HauSthüre
trat, sah sie ihren Mann drüben die
zwei Stufen zum Restaurant empor
chreiten.
Doch was war das?,
Sie sah. wie plötzlich die Thüre von
drinnen just in dem Moment, als ihr
Gatte die Hand an die Klinke legte,
aufgerissen wurde, sich eine schwarze.
ugelrunde. formlose Masse aus den
Gemahl warf und dann sah sie nur
noch, wie eben diese Masse und ihr
Mister Pump sich aus der Erde ttci
ten.
Frau Pump schrie laut auf.
iiai war geschehen?
Drinnen im Lokal saßen die litt
freunde und warteten mit Eehnsucki
auf den Dritten. DaS war in b'uUm
Falle Mister Pump. In Ermangclu,!
einer besseren Beschäftigung vergnügte
man sich einstweilen damit, den Pk
colo. der auch zugleich Hausdienerpflich
ten übernommen hatte, zu ärgern. Der
Name Piccolo gab aber eine sehr schick
Vorstellung von der Persönlichkeit lei
Geärgerten eine Unschuld vom Lande,
die daS Pulver nicht allein nicht dei
wegen erfunden hatte, weil ihr schon
ein Anderer zuvorgekommen war. son
dern auS Mangel an Masse, nänilich an
Jntelligenzmasse. Dieses Manko aber
hatte die Natur bei ihm in reichlicher
Weife durch einen kolossalen Körper
umfang ausgeglichen, fodaß man erst
bei eingehender Prüfung in der Lage
war, festzustellen, ob feine Horizontal,
oder Vertikalachse die größere war. Zu
allem Uederfluß hatte sich noch der
Wirth darauf kaprizirt. den dicken, un
beholfenen Jungen in einen schwärzen
Frack zu stecken. TaS Bildniß war be
zaubernd schön.
Während der angenehmen Beschäs
tigung deS HSnselnS war plötzlich die
Thüre aufgerissen worden, und ein
lauter Pfiff drang in den weihevollen
Tempel deS GamdrinuS. AlS der Pic
colo sich hinzugewälzt hatte er nannte
eS springen sah er an der Ecke ein
halb Dutzend kleiner Rangen stehen und
sich diebisch über ihren gelungenen
.Witz" freuen.
Einige Minuten, nachdem der dicke
Junge wieder zurückgekehrt war, wie
verholte sich dasselbe Manöver. Na
türlich hatte die Expedition deS Ticken
wieder dasselbe Resultat. Jetzt kam er
auf eine sublime Idee. Er stellte sich
unmittelbar hinter der Thüre auf. die
Hand auf der Klinke. Ta stand er
wie ein Tiger in den Dschungeln zum
prung vcren.
Jetzt hörte er Tritte: eine Hand griff
nach der Thüre, diese wird aufgerissen
und am Boden wälzen sich Mister
Pump und die runde befrackte Masse
des Piccolo:
Die herzueilenden Gäste im Verein
mit Frau Pump bemühen sich, den so
sehnlich erwarteten und so Übel empfan
genen Skatbruder wieder auf seine
Beine zu stellen, während der Piccolo
aus eigener Kraft m die Höbe strebte.
Man überzeugte sich, daß kein Malheur
weiter passtrt war, und nun gab es ein
oeiiloies acyen.
Also doch hinausgeworfen. Männe!"
sagte Frau Pump unter Lachthränen.
Siehst Tu.. .."
Mister machte zuerst ein wütbendeS
MNcht, stimmte dann aber doch in daS
Geiacyler mit ein.
Und die beiden Winterloiletten ?"
rief ihm die Gattin nach.
Er drehte sich verstSndnlßvoll um.
Aber blos eine, Kind, blos eine!"
Gegenseitige Täuschung.
Ein Münzensammler kommt ,u einer
hohen Persönlichkeit, um eine alte Mün,e
zu kaufen. Ter Händler nahm sie in
die Hand, wog und wandte sie bin und
her. betrachtete sie auf daS Genaueste
mit der Lupe und schüttelte dann be.
denklich den Kopf. Nun. was denken
Sie?" fragte der Verkäufer.
soll sie kosten?" lautete die Gegenfrage.
Ich meine, fünfzig Mark wäre ein bil
liger Preis."
Ter Händler nimmt die Mün. be.
trachtete sie nochmals, zog langsam sei.
nen Beutel und ließ sie bedächtig hinein,
gleiten. Dann holte er ein umfanz
reiches altes Portemonnaie bkrnnr
zahlte daraus die ausbedunacne
summe mit einem fünf,ia Markst!
ihn stumm der hoben Versönlickk,ii-
überreichend, die ibm lck?lnk
schaut hatte. Ter Verkäufer nahm den
chem und bedielt ibn in der .finnh
indem er lachend saate: Es scke!nt mir
doch. Freundchen, als verständen Sie
nicht allzuviel von den Münmr!" z,r
Käufer tritt nun etwas näher an den
Verkäufer heran, blinzelt listig mit den
Augen und flüstert ibm leise ,u: Kn.
diger Herr, der Fünfzigmarkschein ist
auch falsch, aber wir werden sckon tfim
wie wir'S Beide loS werden!" '
Sinr für Ue.
In der Kompagnie deS Hauktmann
V. H. find in lckter Vüi in
. "in lliut
schwerer TrunkenheitSfälle voraekom.
men. Ter Oberst bespricht sich des
wegen mit dem Hauptmann und be
befiehlt ihm. einmal der atrnwn cnm.
Vaguik den Standpunkt gehörig klar zu
fn n i4t.n f - - - 1 . . 9
mniiiftt t..,i.iu r n
r'1" vuupuuann. leion tm
tapferer Zecher, läßt darauf die Kom.
p'"? antreten und hält folgende
Ansprache: Leute! Ihr seid in der letz.
i?n ot massenhaft betrunken gewesen.
erw v r . , . it (-...
?B1 nia)t 1 fortgehen. Erstens
kn DX. ll r ' ,1
soll sich der Soldat überhaupt nicht be
trinken, und zweitens soll er etwas ver
tragen können. Ta ?tbt dn nff.k.
Kttt"."t. s befleißigt Euch alle der
Mäßigkeit. Wenn einmal durchaus
getrunken werden muk kn Kk. x,.
tr ' - viviui vU7
Euer Kompagniechef. Abgetreten !"
Neue Bezeichnung.
Für Ihre Tocktr? hhu .
nicht an Bewerbern." "
.l'cerne jvrau hat sogar besondere
sprechen ie mit Mam.?!,..
den" einrichten laff.n- '"lv"